Ich will alles verlieren

(Es wird gar nichts bleiben)

Weißt du es nicht?
Lieder sang ich dir,
tausend Worte fielen mir ein.
Alles meinte dich.
Wie, dass ich nicht erwecken kann?
Wie, dass alles stumm blieb?
Ich sang doch und sang.




Die Leierspielerin

Nacht um Nacht betrat ich die gleißenden Felder
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Der Enttäuscher


Die Reise zu meinen Eltern
Photographien, Bilder



159. Wie alles zu spät war
160. Aufhören
161. Dieses helle Licht, diese schreckliche Scham
162. Die gleißenden Felder
163. Alle, denen beilagest du, als ich träumte von dir
164. Mein Vater, der Häuserbauer, baute nicht mehr, Mutter, du fehltest so schrecklich (Oktober 2009)
165. Ich verknotete mein Geschlecht
166. Das Denkmal
167. Der Wurm
168. Die Ratten
169. Kabul
170. Nach tausenden von Jahren, lebten wir noch?
171. Kabul II
172. Ich hasse die gleissenden Felder, sie verstellen dein Bild.
173. Liebster, wähnte ich, warest das du, du sprachest leibhaftig?
174. Dann kamest du noch einmal, zu vernichten mich
175. Wie lange noch, Liebster, wie lange noch (werde bewahren ich dein Bild, werde leben ich)?
176. Stockholm
177. Es ist alles nur für dich.
178. Du meinst mich nicht.
179. Ein Erlöserjahr
180. Ich weiß nicht, wer du bist
181. Krakow
182. Der Frankfurter Zoo
183. Afterwards
184. Kabul III
185. Der Holzhacker
186. Dann aber
187. Krakau II
188. Wir hörten nicht mehr auf miteinander zu schlafen
189. With me everything was memory and desire
190. Unvermutet
191. Die Nähe (please forgive me)
192. Ich denke dich




159. Wie alles zu spät war

Ich dachte zurück,
lange zurück,
ich bedachte ihn,
mit dem,
ist es so,
begann alles mit ihm?
War das nicht er,
der begann mich zu erwecken,
zu werfen in dieses öde Land,
in dem ich taumeln muß?
Ist das nicht er,
den ich verwarf vor einer unendlichen Zeit,
ist das nicht er,
der niemals bedachte mich
und sprach und sprach,
mich aber meinte nicht.
Zu ihm war ich gerannt, Liebster,
wie nun zu dir ich rennen muss.
Ich kam an in seinem Raum,
ich war sicher,
mich zu vereinen mit ihm.
Er aber sprach und sprach,
je länger er sprach,
um so leerer wurden seine Worte,
ich hörte sie nicht mehr,
ich sah ihn an und an,
ich konnte nicht begreifen,
dass nicht sein konnte,
was ich erträumte.
Er sprach und sprach,
ich aber wollte sein mit ihm.
Ich konnte immer fühlen,
da war etwas,
das wollte er,
ja, weißt du, er wollte,
er sprach aber leer, so leer.
Ich ,
ich sah mich liegen,
mich vermischen mit ihm,
wie sicher ich gewesen war,
dass er wollte,
was ich gewollt hatte.
Ich träume nicht,
manchmal, manchmal weiß ich,
und ich wusste genau,
er fürchtete sich.
Er wollte, wie ich,
wollte alles,
er trieb mich an
und verflüchtigte sich in seiner schäbigen Angst,
ihn, ihn hasste ich,
Liebster,
du bist nicht wie er,
du hast keine Angst.
Das war ich,
die ich mich fürchten musste
und sagen ein Nein.
Wie schäbig ich war,
wie ich dem alten Verführer gleich,
nicht wollen durfte,
kein Ja,
nur kein Ja.
Du wusstest alles,
wie ich sein Begehren fühlte,
erkanntest du meines,
ob du mich nun hassen musst,
wie ihn ich hasse?
Wirst du niemals wieder ...
doch, du wirst denken an mich,
ich weiß es ja,
du wirst mich bedenken und bedenken
in deinem Hass,
niemals wieder aber
wirst du rufen mich,
du wirst verfluchen meinen Nonnenblick.
Alles wirst du vergessen,
wie schön ich war,
als ich vor dir stand,
wie ich ansah dich
und kaum atmen konnte.
Wie alles zu spät war,
zu spät, zu spät,
wir erkannten uns nicht,
liefen vorbei,
aneinander vorbei.
Da bleibe ich,
ich kann nicht aufhören zu rennen.
Ich will,
ich will hinwegstreichen deinen Hass
und ich sehe mich, wie ich vor dir stehe,
du bei ihr und den Kindern,
ich sehe dich in deinem stickigen Raum,
gleicht er nicht meiner Kemnate,
der kühlen, zerberstenden?
Liebster,
einmal wirst du suchen und rufen mich,
du kannst nicht bleiben,
wo du bist,
wohin zurück du gingest,
verwerfend mich.
Du wirst mich bedenken und bedenken,
und du,
du wirst so mutig sein, wie ich es nicht war.
Du, du wirst noch einmal sprechen,
sprechen zu mir."
"Einmal sah ich dich und mir war,
als könnten wir leben,
ja, du belebtest mich,
ich wusste, dass alles gut werden könnte,
sprach ich dir nicht davon?
Du aber... ich weiß nicht,
ja, du warst, aber... aber...
du entschwandest mir,
was du versprochen hattest...
ach, du enteiltest...
Ich sprach und sprach,
viele Male,
das weißt du,
wie oft noch hätte sprechen sollen ich?
Wie in Stein gemeißelt erschien mir dein Nein.
Ich konnte nicht mehr rufen dich.
Es zerstörte mich dein Nein,
das mich anflog und niederhielt.
Wohin wohl hätte ich gehen können,
als zurück...
zurück zu ihr, meinen Kindern,
du weißt, du musst das wissen,
ich kann nicht, kann nicht gehen ohne dich
und vielleicht, vielleicht,
werde aufgeben ich,
dich bedenken nicht mehr,
du wirst nicht gewesen sein,
denn du warst nicht,
warst du jemals?
Ach, ich suchte dich ja,
aber,
niemals, niemals warst du da,
ich konnte hören dich nicht."
"Aber, Liebster,
ich war doch,
immer war ich,
lauschte ich nicht deinem Wort,
gab es etwas auf der Welt,
außer deinem kärglichen Wort?
Aber,
aber sprechen konnte ich nicht,
ich konnte ja nicht.
Du wirst nicht glauben,
wie ich lebte, atmete,
eine Nachricht zu hören von dir,
wie verstummt ich harrte deiner,
deinen Worten...
fuhr ich nicht nach München,
...hielt ich mich nicht fest am Licht der Laternen...
verbarg ich nicht mein zerstörtes Angesicht,
Liebster, betete ich nicht...
einmal zu hören dich,
verstummt,
verstummt wie ich war und bin,
sang ich nicht dir,
immer wieder nur dir,
hoffte ich nicht deinen Schritt zu hören,
auf den Treppen,
zu mir, zu mir,
träumte ich nicht von dir,
wie du rennen konntest,
so hoch, so hoch,
zu mir, zu mir...
hatte einmal einer,
mich gewünscht,
wie du es getan?
Ich wusste ja alles.
Betrübte mich nicht der Blick der anderen,
weinte ich nicht,
weil niemals, niemals du
ansahest mich?
Liebster,
was soll ich dir noch sagen?
Ich wartete immer, immer,
und schrie ich auch Nein und Nein,
Liebster,
du musst mich fester lieben,
darfst aufgeben nicht.
Kannst du nicht verlassen diesen Raum,
zu dem zurückgingest du,
wirst du nicht einmal, dereinst
mich sehen, nur mich?"
"Weißt du das nicht,
du triebest mich hinaus,
du beschämtest mich,
existierte ich jemals,
sollte ich für immer bleiben
dieses beschämende Objekt deiner Begierde?
Gab es irgend eine Hoffnung,
zu begegnen dir?
Du hast mich ausgelöscht,
das warst du,
du wolltest nicht sein mit mir,
du, du fürchtetest dich.
Alles, was zu geben ich vermochte,
ich gab es dir,
lag ich nicht nackt vor deine Augen,
war das nicht immer und immer wieder ich,
der sprach?
Weißt du,
manchmal muß ich denken,
da war niemand,
keiner,
du, du warest nicht,
und ich sprach und sprach,
ich werde niemals wieder sprechen,
nicht zu dir,
niemals wieder zu dir.
Ich sprach ja,
alles teilte ich dir mit,
hoffte ich nicht?
Bin ich ein toter Stein?
Benötigst du mich,
dich zu beschämen?
War es dir jemals ernst...
Ja, ich weiß schon, du träumtest,
und ich will dir sagen,
du meintest mich nicht,
du weißt schon,
du spieltest die Leier,
da war kein Platz für mich.
Höre auf zu sagen,
dass du lachen wolltest mit mir,
du wolltest ja nicht.
Höre auf zu rufen mich.
Ich will und will nicht
dein verrückter Erlöser sein,
weißt du,
so will ich nicht sein."
"Also, Liebster,
darf ich nicht mehr beschwören dich.
Was ich auch sagen wollte,
du glaubtest mir nicht,
nicht mehr,
zweitausend mal ein Nein,
es genügt.
Aber...
liebte ich dich nicht in dem Nein,
das ich sprach?
Ach, ich verlange zuviel,
immer zuviel,
und niemals konnte ich dir sagen Adieu.
Und du hast ja recht,
manchmal wusste ich nicht,
von wem ich sprach,
da war sie,
meine Mutter,
die ich suchen musste, sie vermischte sich mit dir,
aber weißt du, das warst du, nur du,
der lebte, zu ersehnen war,
der, mit dem ich lachen wollte.
Was eigentlich
ist so falsch daran,
dass du sein sollst mein verrückter Erlöser?
Gibt es jemanden, gibt es etwas,
was ich ersehnen kann,
außer meiner Mutter,
weißt du, sie ist so lange schon tot,
will sie nicht schlafen,
will sie nicht sehen dich und mich,
träumt sie nicht von uns,
will sie nicht endlich schlafen,
wissen, dass ich fand, fand einen,
mich zu trösten, zu leben, zu feiern,
Liebster, du willst ja nicht,
ach warum wohl willst du verlassen mich?
Das bin gar nicht ich,
es ist nicht mein kärgliches Nein,
Liebster,
das bist du,
du willst mich vergessen in deinem Hass.
Ich aber,
ich aber:
Kann ich jemals aufhören zu lieben dich?"
"Du liebtest mich nicht,
warst du nicht gefangen in der Welt der toten Gespenster?
Du sahest mich nicht.
Ich war nicht.
Hör auf mich als verrückten Erlöser zu beschwören,
hör auf dein Nein zu beschwören,
ich hasse dich.
Du lebst nicht,
es ist auch gar nicht dein Nonnenblick,
es ist deine Beschwörungsformel,
ist es nicht dein Hass,
der mich trifft,
willst du nicht auslöschen mich
und alle,
die begegneten dir,
willst du nicht sterben,
weil niemand, niemand,
jemals,
jemals
sein kann,
was du beschwören musst,
ach, Liebste, ich kann ja nicht,
niemals werde ich sein,
was du erträumtest,
sagtest du nicht selbst,
dass wir untergehen müssen,
liegen betäubt,
am Grund des Meeres,
ich kann und kann nicht,
ach, wie ich liebte dich,
wie ich unterging."
"Nein, nein,
Liebster,
das darfst du nicht denken.
Ich bin doch da,
werde und muss ich nicht bleiben, versprach ich dir nicht,
dereinst, dereinst.
Ich erträume dich,
an dir richte ich mich auf,
du sollst und sollst nicht vergessen mich.
Ist es nicht so:
Du fragst und fragst dich,
wen wohl ich meinte,
konntest du jemals bestehen vor ihrem Bild?
Aber weißt du,
so fragte ich und fragte,
bist das du,
bist du wirklich da für mich,
wo bist du überhaupt,
meintest du mich?
Will ich nicht sagen und sagen:
Ja, da war einer,
der meinte dich,
aber, aber...
was weiß ich schon?
Wie zaghaft wir sind,
wie zögerlich,
dabei,
es ist so klar, so klar,
wir trafen und trafen uns,
konnten aufhören nicht
von Liebe zu träumen,
diesem Dereinst...
aber, aber wir wussten es nicht,
als noch Zeit war.
Als noch Zeit war versäumten wir uns
Wie alles sich umkehrt
und nun ich, die ich Nein schrie,
dein Ja erträume.
Wie nun du, der sich nicht scheute,
mich zu begehren,
Nein spricht und Nein.
Also, Liebster,
wir gingen aneinander vorbei,
und manchmal denke ich,
niemals werde ich verwandeln dein Nein in ein Ja,
es ist zu spät, zu spät.
Aber, aber...
muß und muß ich nicht fortfahren zu leben
mit deinem Bild,
und du,
wie ich inständigst hoffe,
mit meinem?
Du weißt ja,
alles was ich versprach,
konnte halten ich nicht,
es genügt und genügt mir nicht,
dass du am Leben bist,
ich will haben und haben dich."
"Siehst du das nicht,
kannst du das nicht sehen,
alles vermischst du,
du meinst mich nicht.
Du antwortest auch nicht,
du fährst fort die Leier zu spielen,
du siehst nicht,
mich,
am Grunde des Meeres,
du sprichst und sprichst,
hör auf, hör auf.
Wie ich die Formeln deiner Beschwörung hasse,
die du unendlich variierst und fortsetzt.
Liebste, du bist nicht,
Liebste, du träumst und träumst.
Weiß ich nicht endlich,
dass du niemals, niemals kommen wirst zu mir?
Verstehe ich nicht endlich alles?
Laß mich leben,
lass mich sitzen in meinem,
du nanntest es,
meinen stickigen Raum,
aber weißt du,
will ich nicht ruhig sein,
träumen nicht mehr,
ist nicht alles besser als "dereinst".
Vielleicht ist auch mein Atem nicht so lang wie deiner,
weißt du, ich verbrauchte mein Atmen,
mein Atmen zu dir,
...war ich nicht wirklich geduldig,
ja, überrannte ich dich nicht in meinen unendlichen Versuchen
zu erreichen dich?
Ich denke und denke
und ich weiß nicht,
wie ich dich nennen, ansprechen soll,
was du wohl meinst,
wenn du sagst,
dass ich dich fester lieben muss?
War das nicht ich,
der haben wollte dich,
war das nicht immer nur ich,
der wollte und wollte.
Ich beschloss zu wollen nicht mehr."
"Liebster,
ich will haben dich.
Kannst noch einmal, einmal hören
mein Flehen du,
ein einziges Mal?
Soll ich wirklich gehen und schweigen,
sprechen nicht mehr?
Kannst du das wollen?
Ist es wirklich so,
dass alles vorbei,
zu spät, zu spät.
Ich will aufhören nicht.
Wie du das fühlen kannst,
wie ich sprach und sprach,
mit ihr,
meiner Mutter,
die seit tausend Jahren tot,
wie ich sie suchen muß,
und ich weiß ja,
manchmal, so scheint es,
als gäbe es nichts und gar nichts,
außer ihrem Bild,
als wäre alles ausgelöscht in meiner Suche nach ihrem Bild.
Aber... Liebster...weißt du nicht,
das warst du,
du belebtest ihr Bild,
du belebtest mich,
hätte ich jemals von ihr sprechen können,
wäre ich nicht begegnet dir?
Sah ich nicht in deinem Fortgehen sie?
Hätte ich jemals sehen können sie,
meine Mutter,
ohne dich?
Verstand ich nicht endlich,
wie sie wollte,
dass ich leben kann?
Wollte ich nicht haben dich,
dich und dich?"
"Was soll ich sagen,
ich weiß nicht,
existierst du noch?
Wohin bist du gegangen?
Ja,
du sprichst und sprichst,
wie ich anhänge dir,
diesem Versprechen,
kann nicht auslöschen es
ich?
Ich kann so sicher fühlen,
ich bin nicht, bin nicht für dich.
Haben dich, haben dich,
wie du sprichst und sprichst...
Fester, fester lieben...
Was du wohl meinst?
Ich kann nicht beginnen erneut."
"Wo bist du, Liebster,
du musst kommen und mich fester lieben,
sprachest nicht du:
zweimal.
Ich weiß so sicher,
ich,
die alte Leierspielerin wird verführen dich.
Willst du denn sterben,
muss ich nicht erwecken dich?
Und es ist ja so,
du glaubst mir nicht,
ich aber, ich meine dich,
endlich dich.
Zeigte sie mir nicht den Weg?
Zu spät, zu spät,
es ist und ist nicht zu spät.
Ich werde und werde lachen mit dir.
Muß ich nicht einmal auflauern dir,
stehen da,
wo du es nicht vermuten kannst,
in deiner Stadt, deiner Straße,
ich weiß ja alles,
einmal werde da sein ich,
Liebster, ich werde dir den Atem nehmen,
in dem du Nein sagen willst mir.
Einmal, einmal werde ich kommen und dasein,
und hättest du auch vergessen mich,
einmal werde ich stehen vor deiner Tür,
du wirst lange und lange vergessen haben mich,
dass du einmal mitteiltest mir den Ort,
an dem ich nun dich treffen kann,
...aber Liebster,
bist du noch dort...
weiß ich denn, wo du bist?
Liebster, du verwirrst mich...
Ist es nun so,
gingest du zurück...
oder aber...
harrst du nicht aus...
an diesem lange versprochenen Ort,
ach, wo du wohl sein magst,
werde ich nicht suchen und suchen dich?
Werde ich nicht einmal finden dich?
Vielleicht, vielleicht,
wird alles vorbei gewesen sein,
vielleicht werde zu spät ich kommen
und dich finden nicht,
nicht mehr.
Liebster, ich fürchte mich."
"Du fragst und hörst nicht auf,
mich zu fragen.
Ich aber will antworten nicht mehr,
ich will dich auch nicht fester lieben,
ich will sagen Adieu.
Ich will dir auch sagen,
du wirst nicht finden mich.
Die alten Orte verflüchtigten sich,
sie existieren nicht mehr.
Es ist alles vorbei."
"Vorbei, alles vorbei,
doch, ich höre.
Da ist ein Schmerz,
hineingebrannt in mein Herz,
bist du das,
der mit mir spricht,
höre ich jetzt erst dich?
Ja, also
ich höre dein Nein.
Ich lausche und lausche,
war da nicht etwas,
was ich versäumte,
vielleicht nur ein einziger Atemzug?
Nein, nein,
du sagtest mir Nein und Nein,
dein unerbittliches Nein,
war es nicht einmal meines?
Wie kannst und kannst du, Liebster,
ach, wie sonst wohl sollte nennen ich dich,
sprechen dies unerbittliche Nein?
Bist das wirklich du,
gespenstergleich,
sprichst nicht auch du nun von ihr?
Habe ich dich wirklich ausgelöscht,
vermochte ich das,
vermag ich denn alles?
Warum, warum ist das so,
ach, ich fürchte mich.
Ich will nicht sterben
und vergessen, was war,
soviel, soviel,
wie ich dich liebte und aufhören konnte nicht,
aufhören niemals,
auch dann nicht,
als du begannest mich zu hassen.
Ich will noch einmal die Orte durchkämmen,
an denen du warst.
Ich werde und werde aufgeben nicht."
"Was soll ich sagen,
es rührt mich deine Furcht.
Wußte ich denn jemals etwas von dir?
Wie kann es sein,
dass du nun,
da ich gegangen bin
eine Weise findest
zu sprechen mit mir,
von der ich immer träumte?
Wie du das machen kannst,
dieses "Zu-spät",
du bist die Meisterin des "Zu-spät",
Liebste, du bist die Meisterin des "Zu-spät".
Ich habe Angst,
ich will nicht noch einmal träumen von dir.
Weiß ich nicht, es ist mein Nein,
mein schmerzliches Nein,
das dich bewegen kann?
Niemals, niemals ein Ja,
das Zweimal nicht.
Aber...
zum ersten mal weiß ich dich,
die ich nicht finden kann.
Ich kann dich sehen vor mir,
zu der die Treppen empor ich rannte,
dein kaltes, kaltes Gesicht,
deinen Nonnenblick,
dieses schmerzhafte Nein,
dieses zerberstende Nein,
Liebste,
ich wusste ja nicht,
und du weißt es ja,
es ist alles zu spät,
niemals wieder werde ich rennen empor,
diese Treppen zu dir.
Ach, lass mich sagen,
einmal liebte ich dich,
ich wusste nichts von dir,
gar nichts,
es war wirklich wunderbar
nichts zu wissen,
alles zu wollen,
das warst du,
die das machen konnte,
einmal, Liebste, warest du,
und sahest du mich auch an mit deinem kalten Blick,
ich konnte träumen und träumen von dir,
ich vermeinte so sicher alles zu wissen
von dir,
und wusste ich nicht?
Wußte ich nicht alles von dir,
ohne es zu wissen?
Einmal, Liebste,
du hast recht,
waren wir."
"Ich habe solche Angst, Angst, Angst.
Wie soll ich bestehen ohne dich?
Du willst mich rufen nicht mehr,
mir schreiben nicht.
Bist du das, der jetzt träumen will von mir?
Niemals mehr sprechen,
nie mehr.
Liebster, konnte ich dich nicht fester lieben,
sagen dir, dass ich sterben muss ohne dich?
Wie ich mein Verstummtsein hassen muß,
du wirst nicht glauben,
wie ich ersehne dich,
immer nur dich,
ich weiß schon,
nie mehr darf ich nennen dich
das obskure Objekt meiner Begierde,
und Liebster,
es ist so sicher,
da warst immer nur du,
niemand sonst."
"Wie wir einander umschwirrten,
missbrauchten, beschworen,
es ist,
es ist diese Zeit,
die nicht vergehen will,
wie lebendig wir waren
und den Tod nun fürchten,
uns umkreisen wollen erneut,
Gespenstern gleich,
die Erregung suchen,
noch einmal hoffen wollen,
als sei nicht gewesen, was war,
dieses Zu-spät, Zu-spät,
als könnten wir neu beginnen,
uns stürzen in diesen Taumel,
in dem wir einmal uns verloren und fanden."
"Liebster, ja,
wusstest du das nicht schon vor einer ewigen Zeit,
Liebster, ich bin die Meisterin des Zu-spät.
Ich kann und kann nicht leben
und lachen mit dir,
da ist dieses Zu-spät,
da ist dieser dunkle, leere Sturm,
in dessen Auge muss ich leben,
aber...
kannst du nicht ahnen, wissen,
dass ich einmal, einmal leben muss...
einmal, einmal...
ich will ja nicht sterben...
Will ich nicht gelacht haben mit dir,
mit dir...
ich, die ich kann und kann nicht,
will nicht auch ich einmal lachen und leben,
die Schatten verlassen,
dieses öde Land,
meine hohnlachenden Verfolger,
muss ich nicht einmal dastehen und sagen:
Seht her, ich bin,
einen, einen fand ich,
der teilte mit mir meine unendliche Nacht
und begann zu lachen.
Und die Gespenster waren nicht mehr.
Aber, aber...
Ich weiss schon, du bist ja nicht mehr,
nicht mehr da für mich,
wie enttäuscht du bist von mir,
der Enttäuscherin, der Leierspielerin...
wie weit, wie weit du bist,
so fern, so fern.
So willst du also nicht mehr teilen mit mir,
was war,
sein hätte können,
sagtest du nicht:
Es ist alles vorbei
und nun müssen liegen wir
auf dem Grunde des Meeres,
wussten wir nicht immer alles?
Ach, Liebster,
wie ich nicht aufhören kann zu beschwören dich."
"Wie oft wohl muss ich dir noch sagen,
du versäumtest mich,
du sahest mich nicht an,
du sprachest nicht,
du warest nicht.
Und du kannst auch nicht aufheben alles,
was war
mit deinem Beschwören.
Du kannst nicht verschwinden machen
deinen Nonnenblick,
deinen Hass
in der Geste des "Dereinst".
Ich will nicht, ich will nicht,
auch auf dem Meersgrund liegen mit dir,
warum sollte ich?
Ich will zum tausendsten mal dir sagen Adieu."
"Ach, könnte, ach könnte ich,
aber...
Liebster, ich will und will nicht.
Ich will und will nicht sagen Adieu.
Und so durchforsche ich täglich die Räume,
in denen du einmal warest,
ich höre nicht auf,
jeden Abend,
nein,
ist es nicht spät in der Nacht,
ist es nicht die Zeit,
in der du einmal zu mir kamest,
kann ich nicht immer noch fühlen die Erregung,
dieses einstmals,
ist unser einstmals nicht mein dereinst?
Verstehst du denn gar nichts,
weißt du nicht,
dereinst ist einstmals?
Zweimal ist einmal.
Hast du vergessen,
dass einmal zweimal ist?
"Ach,
höre ich richtig:
einmal ist zweimal...
Betrügst du dich nicht?
Dereinst ist also einstmals...
Liebste, es war ja nichts.
Wir fanden uns nicht...
Wie kannst du bauen auf diesem einstmals?
Wie du,
ich weiß es ja,
alles verdrehen kannst,
wie du machen kannst,
dass ist, was nicht war.
Liebte ich dich nicht einmal...
dich, die Verdreherin,
weil du machen konntest
das,
wie du verwirrtest mich,
war es nicht das,
was ich liebte an dir?
Einmal,
ja, einmal war möglich,
alles,
was zu spät war, zu spät,
viel zu spät,
wie du mich glauben machen konntest,
wie du verwirrtest
das Dereinst, Einstmals,
...als sei ich da,
ein erstes Mal,
als könnten beginnen wir
erneut,
als sei nicht da dein Nonnenblick,
dieser unüberwindliche Hass."
"Liebster, Liebster,
ich werde aufhören, stillstehen müssen.
Ich werde sprechen und sagen:
Ihn, ihn liebte ich.
Mit ihm werde ich leben,
lachen nicht.
Denn, denn...
es gelang nicht.
Ich werde nicht aufhören
zu erträumen ihn,
was auch immer er sagen mag,
ich werde und werde...
die Leier spielen...
was sonst wohl bliebe mir?
Aufhören, bitte, aufhören nicht."
"Was weiß ich schon?
Werde ich jemals vergessen können dich?
Es ist so dunkel,
die Luft, die ich atmen muß,
sie ist schwarz,
niemals wieder werde treffen ich
dich, Liebste.
Ist nicht alles,
weil wir träumten zuviel,
aufhören konnten nicht,
beleben uns mussten in dieser dunklen Nacht,
uns schämen mussten,
wenn das Licht der Laternen fiel auf uns...
wir fürchteten uns vor dem Leben,
atmeten wir nicht immer nur heimlich?
Lass mich dir sagen,
es zählt nicht,
gar nichts, was war, zählt.
Wir sahen uns an und träumten
und manchmal, manchmal
muß ich hoffen,
sagen,
was war,
war."
"Wie ich mich hassen muß,
diese kalte, kalte Enttäuschung fühlen kann,
diese alte, alte Kälte,
die mich durchzieht.
Wie kalt, wie kalt ich bin
und sehen muß,
dieses,
sie ziehen vorbei und vorbei an mir.
Niemals war ich,
ich war nicht.
Ich sprach und sprach,
ich verbrannte in meinem Verließ,
ich kann und kann verlassen es nicht.
Alles, was ich sprach und sprach
verhallte, verhallte.
Es war nicht.
Werdet einmal ihr zufrieden sein
zu hören,
es gelang euch,
alles gelang euch,
es gelang euch zu erfrieren mein Wort,
mein unablässiges Wort.
Werdet einmal zufrieden ihr sein
und sagen,
sie schweigt nun, sie schweigt,
auch sie wird einmal verstummen,
für immer, für immer.
Muß ich nicht endlich sagen,
dass ich nicht mehr kann und kann,
was ich träumend begann?
Muß ich nicht endlich sagen,
dass niemand, niemand hören will von mir,
dem schäbigen Licht der Laternen,
es genügt und genügt nicht.
Liebster,
auch du darfst aufhören zu hoffen,
du musst nicht mehr träumen von mir.
Alles was ich einmal meinte,
was so wichtig zu sein schien,
wird aufhören müssen einmal."
"Wie verloren du bist,
dass du mich,
gerade mich suchen musst,
doch nein,
suchst du mich noch?
Sprachest du nicht von Aufhören?
Will ich aufhalten dich?
Will ich nicht sagen ja,
bestätigen dein Wort?
Wollen wir nicht,
dass alles aufhören kann?
Will ich nicht ruhig sein,
warum sonst wohl verstummte ich?
Wußte ich nicht,
da bist du,
immer wieder du,
die mich stören will?
Ohne zu antworten mir,
vermochtest du alles,
Liebste,
du, meine Zerstörerin.
Wie du es verstandest in deinem Nein
ein Ja zu sprechen,
ja, wer außer mir wohl,
hätte hören können alles?
Dass dein Nein ein Ja,
dass dein Ja ein Nein.
Wie du verwirren musstest mich
und wir niemals einander
sagen konnten Adieu."
"Wir konnten und konnten nicht,
wir konnten nicht sagen Adieu.
Ach, wie froh mich das macht,
denn wollte ich jemals, jemals
dir sagen Adieu?
Und werde ich nicht reisen
erneut
zu all den Orten,
an denen ich wähnen muß,
dich,
Liebster, dich,
einmal werde ich dich fester lieben
und finden dich,
dereinst wird einstmals sein,
denn warst das nicht du,
dem anhängen ich musste
vor einer unendlichen Zeit?
Will und muß ich dir nicht sagen:
Du, da warest du.
Und weißt du,
wieder will ich dir berichten,
sie, sie rief mich.
Ist es nicht unglaublich,
dass sie meiner gedachte?
Hatte ich das jemals gehofft?
Sie dankte mir und mir war,
als erkennte sie mich.
Wie ich manchmal denken muß,
dass ich danken will allen,
die können das,
meiner gedenken,
vergessen mich nicht,
wie unheimlich ich mich manchmal fühle,
wie beschämt,
wie schuldbeladen,
wie ich manchmal meinen muß,
dass da keiner, keiner ist,
zu sehen mich,
wie ich versinken will vor Scham und Dankbarkeit.
Im Grunde, ich verstand auch nicht, was sie sagte:
Sie sagte:
"Ihre Begabung zur Wiedergutmachung ist großartig."
Was sie wohl meinte?
Ich weiß nicht,
und dass sie überhaupt sprach,
sprach zu mir,
es tröstete mich,
wie immer,
ich verstand nicht
und dachte lange nach.
Ja, ich begann zu verstehen.
Sagte sie mir nicht:
Du willst bestehen,
den Tod deiner Mutter selbst bestehen?
Ahnte sie nicht alles,
wie ich nun mich mühte und mühte,
zu halten,
was vergangen war...
bot sie mir nicht an, sie noch einmal zu rufen,
wer war sie überhaupt?
...ach, hatte ich sie nicht geliebt
und weinen müssen,
als ich sie verlassen musste,
wie ich einmal geweint,
als alles begann...
hatte ich nicht,
dies vor allem,
immer weinen müssen,
Liebster, wirst du niemals verstehen mich?"
"Soviel,
zuviel willst du mir sagen,
mir,
der ich abwandte mich."
"Wie feine Stalaktiden
sah ich den Regen fallen in Berlin.
Es war ein kalter Sommer,
ich aber dachte,
wohin du auch gehst,
in welcher Zeit auch immer du reisen wirst,
es fällt dieser Regen auf dich,
als
warte, warte
er
zu fallen auf dich.
Du aber, Liebster,
darfst ruhig sein.
Sah ich nicht zu Boden,
eilte ich nicht blind umher?
Suchte zu verbergen ich nicht mein zerstörtes Angesicht?
Beruhigte es nicht auch mich,
hier in Berlin,
dich nicht suchen zu können?
Löste ich nicht meinen Blick vom Boden,
zweimal?
Lächelte ich nicht fremden Männern zu
und vergaß meine Scham?
Wie ich es liebe,
zu überlisten meinen Nonnenblick,
den Regen,
der herab auf mich fällt
seit tausend Jahren.
Immer wieder dachte ich:
Dieser schwarze Regen,
einmal wird er töten dich.
Aber:
Kann ich nicht machen,
dass alles um sich kehrt?
Rannte ich nicht,
ein ums andere Mal,
in den Regen hinein,
dürstete ich nicht?
Löschte der Regen nicht,
weißt du,
er war ja nicht immer schwarz,
mein schreckliches Begehren?
Suchte ich ihn nicht?
Wollte ich nicht,
dass er herabfiele auf mich,
wieder und wieder?
Liebster,
ich muß den Regen lieben,
in dem ich einmal
dich sehen konnte und verlor.
Denn sie,
meine schrecklichen Verfolger,
sie bemerkten nicht
meine Freude, meinen Stolz,
wie ich lachend gekommen war,
als gehöre mir die Welt.
Plötzlich stand ich ganz allein,
sie sprachen und lachten.
Ich begann umherzulaufen,
als erwarte mich einer.
Wild vor Scham klopfte mein Herz
und ich suchte nach einem Winkel,
in dem ich mich verbergen konnte
und wusste ich nicht,
du, Liebster,
warest gegangen.
Ach, wie ich mich mühte und mühte,
sie zu verzaubern suchte,
mich zerbrach und zerwirkte
in diesem Versuch,
wie gut ich war,
wie ich manchmal alles zu können schien,
ja, sie sahen mich an,
hatte ich selbst jemals geglaubt,
dieses?
Liebster,
ich konnte sie zwingen,
aber vergaßen sie mich nicht
am nächsten Tag?
Wie, wie konnte ich sie zwingen,
nicht zu vergessen mich?
Wie konnte ich machen,
daß sie mich erinnerten bis zum Ende aller Zeiten,
denn mit weniger
konnte nicht zufrieden geben ich mich.
Ich dürstete und dürstete."
"Ich höre,
du sprichst und sprichst
von denen,
die du treffen,
verzaubern konntest.
Einmal,
ich weiß ja,
meintest du mich.
Liebste,
dir will ich sagen,
sie alle werden merken,
du meintest sie nicht.
Du siehst das richtig,
sie werden vorbeigehen an dir,
als wäre nichts, gar nichts gewesen,
denn:
du meintest sie nicht,
kann ich nicht fühlen die Kälte deines Blickes,
in dem alles erfrieren muß,
kann ich nicht empfinden
wie fern du bist und bleiben musst?
Lebtest du, jemals?
Ich höre,
du dürstetest...
aber Liebste, wonach?
Doch nicht nach uns,
diesen groben Gestalten,
die gingen und sich verflüchtigen mussten,
weil da warst du,
die träumte
von fernen Erlösern und Nebelgestalten,
von einer lange vergangenen Zeit,
niemals von uns,
die wir wirklich waren,
dürsteten wir nicht,
suchten wir nicht dich,
deine Gestalt, dein Angesicht,
wo warst du?"
"Du hast recht,
lebte ich nicht seit unerdenklichen Zeiten
in diesem Turm,
dem elfenen Turm,
dem Turm aus Elfenbein,
dem Elfenbeinturm?
Liebte ich nicht dieses Sein,
war es nicht das einzige,
das mir verblieb,
liebte ich nicht den Elfenturm,
gab es etwas,
was ersehnen ich konnte,
das außerhalb dieses zu finden wäre?
Hatte ich nicht einmal gesucht
und dich gefunden,
den ich verlor?
Wähnte ich mich nicht sicher in diesem Turm,
meiner Kemnate,
immer wieder,
konnte ich nicht zurückkehren zu ihm
und alles vergessen?
War er nicht einmal ein Hochzeitsturm,
trug er nicht einmal diese Hoffnung, dieses Dürsten,
das mir entschwand?
Stürmte nicht auch ich einmal dahin
und vermeinte,
dich zu finden,
mich zu vereinen mit dir,
warst das nicht du,
der sagte: Nein, nein und nein,
Hochzeit mit dir will ich feiern nicht,
nein,
ich gehe zurück zu ihr und meinen Kindern,
zurück in die dunkle Luft...
warst das nicht du,
der mich trieb hinein in den Elfenbeinturm,
noch einmal, noch einmal.
Und ich war so allein
und musste träumen
und mein Turm,
von dem ich stürzte,
weißt du,
er war nicht von Elfenbein,
denn, denn
...es tat weh, so weh,
und das war ich,
die schreien und alle beschwören musste und sagen:
Ich bin gefallen von diesem Turm,
meinem schrecklichen Turm,
der mir scheinen musste,
als sei er von Elfenbein."
"Du, ich bin sicher,
meinst mich nicht.
Dein Turm,
der Elfenturm.
Der Turm aus Elfenbein.
Der Turm, ich verstehe,
du stürztest.
Und liebe ich nicht dein Fallen,
fällst du nicht endlich,
...wohin du wohl fallen magst?
Ach, wie ich es lieben muß,
dass du fällst,
wie ich beschwören will dein Fallen,
wie ich erträume,
du, auch du wirst einmal ankommen hier,
wo wir sind,
die groben Gestalten...
und da wird nichts,
gar nichts mehr sein,
was einmal aufzubewahren du gedachtest,
wir werden alles verbrauchen...
und wie du es einmal liebtest zu denken,
ja, Liebste, immerzu dachtest,
nur dann,
wenn nichts mehr du aufheben willst,
werden wir sein."
"Wie kannst du sprechen in dieser Weise zu mir?
Du, der du gingest,
du, du willst mich fallen sehen,
mich, die ich stürze und stürze...
da ist kein Turm aus Elfenbein,
der mich schützen kann,
niemals, niemals existierte dieser Turm,
mich zu bewahren...
und immer musste ich träumen von ihm,
denn alles war Schmerz,
ich hasse dich,
der du dich einreihst in die Kette meiner Verfolger,
die mich zerstören wollen
bis in den kleinsten, kleinsten Atemzug hinein,
in dem ich wähnte,
einmal wähnte,
zu entrinnen.
Schreib mir nicht mehr,
kein einziges Wort mehr will ich hören.
Wie verhasst du mir bist,
ach wärest du tot,
ach könnte ich töten dich.
Denn ich will nicht,
dass ist, was einmal war,
du sollst nicht gewesen sein.
Und war das nicht nur ich, die dich,
deine Worte beschwor?
Weiß ich nicht, du sprachest nicht,
das war ich,
die alles erträumen musste?
Und du,
nun willst du mich fallen sehen;
mich,
die ich nicht bin
und niemals war.
Einmal werde ich auslöschen dich.
Und ich will auch nichts mehr wissen von Liebe,
Liebe, Liebe,
denn es ist wahr,
ich muß dich hassen."
"Siehst du, Liebste,
du bist die Verleugnerin,
fallend willst du fallen nicht.
Aufheben und aufheben willst du alles,
herabkommen kannst du nicht,
du willst und willst nicht sagen,
dass du gefallen und gefallen bist,
du, du willst dich nicht verbrauchen,
da soll etwas übrig sein,
vermischen dich mit meiner groben Gestalt willst du nicht,
und es ist auch gar nicht wichtig,
wohin du reisen wirst,
mich,
mich wirst du finden nicht,
denn ich,
ich bin da,
wo alles aufgebraucht ist.
Und so...
niemals, niemals kannst du finden mich...
Wie ich mich schäme,
immer wieder schämen muß...
Warum eigentlich muß ich mich schämen vor dir,
meiner Versucherin...
war es so,
liebte ich dich nicht fest genug?
Warum, warum,
bestanden wir nicht?
Ich weiß schon,
Liebste, einmal waren wir."
"Muß ich dich also hören,
gibt es da etwas,
was ich nicht verstand...
ach ich kann es ja ahnen,
weiß ich es nicht?
"Du willst dich nicht verbrauchen,
vermischen dich nicht",
sprachest du.
Ich will anfangen,
nach tausend Jahren will ich anfangen
dich zu hören.
Liebster, ich will ja.
Ich kann fühlen,
wie du es hassen musst,
was ich zu machen suchte aus dir:
den fernen Erlöser, das obskure Objekt meiner Begierde, die ersehnte grobe Gestalt.
Wie du untergingest in den Bildern meines Elfenbeinturmes,
den ich,
und fiel ich auch schmerzhaft,
du hast recht,
niemals verließ und verlassen wollte.
Niemals warest da du,
es war immer nur ein Bild von dir,
ich benutzte dich,
tauschte dich aus,
erregte mich an deinem Begehren,
verborgen in meiner Kemnate, immer.
Es wurde gar nicht ernst,
wie ich das zu vermeiden trachtete...
Und werde ich jemals hervortreten und sprechen von dir,
wird es mir einmal gelingen,
meine Scham zu besiegen und zu sagen,
wie ich so oft beschwor:
Ihn liebe ich, ihn,
der mich erregte in einer Weise,
von der ich sicher war:
sie durfte und durfte nicht sein,
denn...
sie würden mir den Atem nehmen.
Wie klein ich alles machen musste mit diesen Worten,
mit denen ich dich zu beschreiben suchte:
den fernen Erlöser, das obskure Objekt meiner Begierde, die grobe Gestalt.
Und so sprach ich, ich weiß ja,
niemals von dir, von dir,
der du versucht hattest mich zu lieben,
immer sprach ich, Liebster, gar nicht zu dir,
zu ihnen sprach ich,
meinen Verfolgern,
die ich beschwören musste,
mich am Leben zu lassen,
denn niemals, niemals
gestatteten sie mir zu atmen,
dich zu finden,
ich hatte solche Angst vor dem Tod.
Und deshalb allein,
wirst du das einmal, jemals verstehen,
vermischte ich mich nicht,
nicht mit dir,
der mich lieben konnte
und war da auch mein eisiger, schrecklicher Blick.
Denn weißt du,
ich kann das ermessen,
dass du einmal da warest für mich...
und muß ich dich nicht suchen und suchen,
aber:
Kann ich jemals mich vermischen mich mit dir,
werde ich jemals diese Angst vergessen können,
diese Angst, diese Angst.
------------------------------------------------------------
"Ach Liebster,
du antwortest nicht,
war ich das,
habe ich ausgelöscht dich?
Ich weiß ja,
ich wollte und wollte nicht,
ich wollte nur träumen,
bis...
du verließest mich.
Und nun muß ich sprechen und sprechen
ohne aufzuhören,
und ist es nicht klar und deutlich,
du vergaßest mich?
Wandtest du dich nicht ab von mir
nach einer unendlichen Zeit?
Verstummtest du nicht?
Liebster, Liebster,
ich kann nicht,
kann nicht beschwören dich,
wie fern du bist, so fern,
wie falsch meine Worte sind und waren,
denn sie suchten dich,
immer nur dich,
meine falschen, falschen Worte.
Wie recht du hast,
Liebster,
ich werde stürzen von diesem Turm...
ach, wird nicht einmal nichts mehr sein,
werde nicht auch ich einmal sterben müssen...
es ist unglaublich, wie ich mich beschäftigen muß mit dir, mit dir,
dabei, dabei,
ging nicht alles verloren
und ich weiß gar nicht mehr,
was ich sprach und sprach,
alles verlor ich,
meine Worte,
diese holprigen Worte,
die ich nicht erinnern kann,
ich kann nicht...
...erinnern kann ich nicht,
also, es ist vorbei.
Abfinden aber kann ich mich nicht.
Könnte ich nicht einmal noch
alles, alles sprechen,
alles, alles noch einmal,
ach Liebster, erinnerte ich nur ein einziges Wort,
wie ich will und will,
wollte ich nicht einmal noch,
alles von vorn, alles, alles,
sprechen zu dir, zu dir,
ist es nicht so, als wäre nichts, gar nichts gewesen?
Ich will und will nicht,
dass war, was war.
Liebster, will ich nicht neu beginnen?
Las ich nicht,
wieder und wieder,
was nicht war,
nicht sein hatte können,
verzweifelte ich nicht,
verbog ich mich nicht,
kauerte ich nicht
vor dir, vor dir?
Siehst du das nicht,
wie ich beschwören will dich,
der mich verließ,
den ich verlassen habe,
aber Liebster,
wollte ich,
wolltest du
jemals?
Fragte einer nach uns?
Warum kannst du nicht sein,
noch einmal für mich,
warum kannst du nicht vergessen alles,
wie mir es unvermutet widerfuhr?
Warum, warum kannst du nicht?
Warum kannst du nicht noch einmal, einmal
halten mich,
meine erstorbene Hand,
streichen hinweg die Tränen, meine Gram
und schauen in mein Angesicht?
Wirst du denn wirklich nie mehr
anschauen mich?
Du, du wusstest ja alles,
du kanntest das,
meinen schrecklichen Nonnenblick,
mein nicht, mein gar nicht sein,
und ja,
da war diese Erregung,
in der suchten wir uns und suchten,
aber Liebster,
war es nicht wunderbar?
Wie sicher ich weiß,
einmal,
einmal erkannten wir uns,
weißt du das nicht,
in einer unerinnerbaren Zeit,
das waren wir,
die beieinander lagen und träumten,
ja, sicher waren wir, so sicher, wir berührten uns,
erinnerst du dich nicht?
Wie kannst du hinwegmachen alles,
was war,
es war und war.
Und stand ich auch auf meinem Turm aus Elfenbein,
und befandest auch du dich nicht
da,
wo nichts gewiß war und wirklich,
können nicht auch wir einmal, einmal sein,
treffen einander
und dieses tun,
sagen:
Es war, es war,
einmal war es,
dann mussten wir träumen und träumen,
wir verloren uns,
und so schmerzlich hofften wir,
ein einziges mal noch
beginnen zu können,
wie mich dieser Gedanke trösten kann,
du ahnst es nicht,
wie ich anhängen muß ihm,
dir, immer nur dir,
wie ich denken muß:
Er war, er vergaß mich nicht,
einmal war ich für ihn.
Liebster, Liebster,
du darfst und darfst nicht vergessen mich,
dass ich einmal da war,
ich war doch,
sag nicht,
ich wäre nicht gewesen,
mach mich nicht tot und allein,
mach dieses nicht, dieses nicht,
dass ich dich nicht mehr suchen darf,
ach mach nicht meinen Tod."
"Liebste, wie fern du bist,
ja, ja, ich vergesse und vergesse dich.
Du, du bist in einem Nebeltal,
ich kann dich erinnern kaum,
doch, doch,
manchmal, wenn alles leise ist
kann ich dich sehen
und dann muß ich denken,
es ist lange, so lange vorbei,
war es je,
war etwas?
Dann höre ich deine Stimme,
und es ist,
als wolltest du sprechen zu mir,
leise, so leise...
Liebste, bist du das,
liegst du nun auf dem Grunde des Meeres,
allein, allein,
und ich und niemand mehr wird erreichen dein Ohr?
Liebste, wo bist du?
Kannst du nicht hören meinen Schmerz?
Ach, könntest du ahnen
meine Einsamkeit,
wie fern, wie fern du bist,
und ich ahne,
mich wirst du hören nicht."
"Wo bist du Liebster,
wohin habe verloren ich dich,
ich höre dich so leise, so leise,
willst du verstummen?
Wie ich schreien will,
dich rufen.
Wie kannst du gehen so leise von mir?
Denn war nicht
alles so laut, so laut...
Warum erhebst du nicht noch einmal deine Stimme
und schreist,
denn du weißt ja,
du weißt ja alles...
so leise so leise,
wie ich bemühe mein Ohr,
als halte hinein ich mich in einen unermesslich großen Raum,
und es ist still, so still
und ich kann keinen erkennen,
da ist dieses Murmeln und Rauschen,
von dem ich wähne,
du, das seiest du, irgendwo du.
Und ist es nicht so,
ich weiß es genau, genau,
irgendwo bist du,
vielleicht, vielleicht
nicht mehr für mich,
aber da, da.
Wie ich dich lieben muß."
"Wie wir uns betören, Liebste,
ohne,
ohne dazusein...
wie wir Stimmen hören,
unwirkliche Laute...
aber, hörst du, kannst du hören überhaupt?
Hast du mich ausgelöscht?
Ich weiß nicht, wer und was ich bin,
warum muß ich träumen?
Aufgeben nicht?
Bist du nicht seit tausend Jahren tot, tot?
Und ich, ich muß träumen von dir,
deiner Nebelgestalt,
deinem schmerzlichen Nein,
diesem Nein, diesem Nein,
immer nur Nein, Nein, Nein,
war etwas,
irgendetwas?
Will ich aufgeben und sterben nicht?
Aber...
so leise, so leise...
kann ich nicht aufhören zu hören dich,
dich...,
warum, warum?
Welch seltsames Schicksal verband uns,
wie ich nachdenken und träumen muß,
von dir, von dir."
"Die Jahre vergehen,
wie alt ich bin und werde
...ohne ein einziges mal zu hören von dir...
Nie, niemals wieder,
wie grausam, wie grausam du bist.
Soll grau werden mein Haar, all mein Haar
und nie mehr wieder sehen ich dich?
Ich kann und kann nicht sterben ohne dich,
wie ich manchmal vermeine
jung zu sein, so jung,
das bist du Liebster,
ich kann alt werden nicht...
und wie ich denke und denke,
einmal, einmal, dereinst.
Ach, wie leise, wie verstummend du bist,
wie gar nicht, gar nicht mehr da.
Ich weiß schon,
weiß ich nicht alles,
du willst und willst nicht,
wo du wohl sein magst?
Gibt es diesen Ort,
an dem du sein kannst ohne mich,
wie ich zweifeln muß und will und will...
und sagen:
sind es nicht sie,
die Verfolger alle,
suchen sie nicht zu töten uns,
wieder und wieder...
zögerten wir nicht,
verhangen in Schuld und Scham,
wie wir zögern mussten,
welche Angst wir hatten,
wie wir verstummten,
erkennen konnten uns nicht,
wir konnten ja nicht.
Und Liebster, und wäre auch grau mein Haar
und deines,
einmal,
vielleicht dann,
dann vielleicht,
erlauben sie alles.
Ich hasse sie,
denn ich will jung sein,
wenn du mich lieben willst,
schön, so schön.
Muß ich betrügen mich nicht
und glauben und glauben,
da sei etwas, etwas von mir,
was du lieben kannst...
und kann ich nicht sehen
meine zerstörte Gestalt,
mein gramvolles Angesicht...
ich will, Liebster,
ich will hinwegmachen alles, alles."
"Seltsam, seltsam,
ich hänge lange verloschenen Träumen und Gedanken nach.
Manchmal, manchmal bin ich wieder jung und will sagen:
Da war sie, die ich lieben und lieben musste,
und lagen wir auch auf dem Grunde des Meeres,
sie,
die fern war, so fern.
Mit ihr versäumte ich alles.
Sie hörte mich nicht,
ich fand die Worte nicht,
die sie hören konnte...
denn nun,
da alles vorbei,
muß ich denken:
Hätten wir nicht leben können und atmen?
Bezauberte sie mich nicht in dieser verneinenden, leisen Weise,
die mich antrieb und an?
Ich ging,
schließlich ging ich,
denn sie hörte mich nicht...
und ließ mich sprechen und sprechen.
Wie es mir gefiel
ihr Nein zu sagen,
sie zu enttäuschen und zu verwirren für immer,
ach, ich liebte es...
jetzt aber,
mitunter,
muß ich zweifeln und zweifeln und sagen:
Warum ging ich und verließ sie,
warum, warum?
Warum musste zerstören ich, was ich liebte,
konnte hoffen nicht mehr,
und sie, würde sie sagen nicht:
du gingest zurück in deinen stickigen Raum,
zu ihr und den Kindern...
du vergaßest mich...
das warst du,
du warst in einem Nebeltal."
"Ach, ich höre nichts, gar nichts von dir
und manchmal muß ich denken...
für immer und immer werde ich treiben dieses Spiel,
dieses tödliche Spiel...
denn es lässt mich nicht los,
was vergangen ist
und so werde anhängen ich
allem, was vorbei, nicht war,
nicht war,
sein hätte können.
Könnte ich sprechen mit dir,
ich teilte mit:
Ich habe alles verloren,
alles was du einmal sandtest mir,
zu erreichen dich,
nichts existiert mehr.
Deine verführerischen Worte,
die ich nicht lieben durfte...
denn,
du nahmest mir den Atem,
Liebster, du wolltest leben
und ich konnte ja nicht
und bemerkte alles zu spät,
dein Dasein,
dein Dasein für mich,
nur für mich.
Und glaube mir,
jeden, jeden Abend
suche ich nach dir...
willst du nicht noch einmal mir eine Nachricht schicken...
einmal sagen, dass du bist...
warum, warum nicht?
Kannst du nicht leise hören,
wie ich bedränge dich,
nicht mehr warten will
und ich denke und denke:
Er, er, er hört dich nicht
und hörte er dich selbst...
er sagte: Nein, nein, einmal ist genug,
zweimal nicht,
nie wieder,
wieder nicht."
"Als ob ich sterben müsste...
gestern ging ich umher,
ich konnte gar nicht aufhören
umherzugehen,
ich dachte,
ich sterbe,
nun muß ich sterben,
ich starb aber nicht,
ich wachte auf,
es war so düster
und ich sah meine Frau,
wie sie da lag,
neben mir,
ich hasste sie,
Liebste, sie wollte mich töten,
am Morgen kamen meine Kinder
und schauten mich an,
sie trösteten mich,
kannst du nicht einmal kommen zu mir und meinen Kindern?
Kannst du nicht einmal fortführen,
was du begannest.
Ich kann und kann nicht verstehen,
dass du aufgabest, was du begannest..."


160. Aufhören

Aufhören, bitte, bitte.
Ich kann und kann nicht,
kann nicht mehr
Siehst du,
ich konnte das,
aufhören.
Es brach ab, was war,
zerbrach und zerbrach.
Ich verlor mein bedrängendes Wort
und zwang mich,
zwang und zwang mich
hinein
dahin,
wo du nicht mehr bist und sein kannst.
Nie mehr, nie mehr,
ich habe solche Angst.
Nie mehr werde ich erfinden dein Wort,
einfangen mich in diesem untröstlichen Trost.
Werde auch nicht ich
erlöschen einmal,
aufhören zu beten,
denn ich, ich bin der Nachfahre
von allem, was verloren ist.
Muß ich,
muß nicht auch ich mich abfinden einmal
und sagen:
was war,
ich verlor es,
kann es halten nicht..
dabei, Liebster,
ich schäme mich...
wie ich ging, nun ging
und wusste und wußte,
immer wußte,
da war etwas,
etwas war...
und hätte und hätte ich nicht
einmal noch hören müssen,
was fern war, so fern,
verzeih mir,
Liebster,
aber ich konnte das nicht,
warten noch einmal hundert Jahre,
in denen ich vernahm und vernehmen musste
dieses Murmeln und Rauschen,
diese Einsamkeit,
mein eisiges Gesicht,
meine erstorbene Hand
und dich,
der fern war, so fern.
Ich konnte noch einmal nicht
hineinhalten mein Gesicht
in die vereiste Zeit
und hoffen, ich konnte nicht...
aber, aber, sterben will ich nicht,
will ich nicht,
Liebster, Liebster.
Und siehst du, heute war ich mutig,
ich sah an dein Gesicht,
dass ich seit tausend Jahren nicht gesehen...
...ja, ich erkannte dich
und sah ich auch die Spuren deines furchtbaren Schmerzes,
der alles verwandelte,
ich erkannte dich,
das warst du,
von dir hatte ich geträumt
und es bestürzte mich,
wie zerfurcht und zermartert du warst...
wie vermessen ich bin,
zu denken,
das war ich und alles geschah,
weil wir uns nicht fanden,
niemals finden konnten...
siehst du, Liebster,
so vermessen bin ich.
Könnte ich nicht streichen hinweg deine Gram,
diese furchtbare, furchtbare Verzweiflung,
ich kann ertragen sie nicht,
es schmerzt mich,
dein Angesicht zu sehen,
dein Verlorensein.
Kannst du nicht merken nun,
wie ich verfolgen muß dich,
und brach ich auch ab mein verzweifeltes Gespräch.
Ich kann und kann nicht machen,
dass du nicht mehr bist.
Jeden, jeden Tag
bedenke ich dich
und ich bin so sicher,
wollte Gott,
dass wir einmal uns träfen...
unvermutet...
ich hoffe ja immer darauf...
überall, überall,
in dieser Stadt, in der,
ich weiß es ja,
du irgendwo bist,
umherfährst...
dieses Mal sähe ich dich an.
Dieses Mal würde ich sprechen.
Ich würde sagen:
(wäre ich nicht verwirrt und beschämt?)
(und habe ich nicht diese schreckliche Angst, du erkenntest mich nicht?)
(Ach, ich wollte sehr, sehr behutsam sein...überfallen dich nicht)
(Wo auch sollte das sein...grüble und grüble ich nicht, wohin ich wohl zu gehen habe,
dich zu sehen, zu versäumen dich nicht?)
(Ich möchte und möchte sagen: "zweimal" und, Liebster,
ich hoffe auf dich,
dass du mich erkennst und sagen wirst: Ich dachte immer, wir sähen uns zweimal.)
"Kennen wir uns nicht?"
Dann würde ich dich ansehen und abwarten
und schreckliche Angst haben...
würdest du mich erkennen,
wissen wer ich bin?
Ich würde mich festsaugen an dir und wissen nicht,
ob du vorbeigehen würdest an mir.
Und ich träume,
du sähest mich
und da wäre gar nichts,
was zu sagen ich hätte,
nachdem ich gesagt:
"Kennen wir uns nicht"
Liebster, ich kann nicht weiterdenken.
Ach, wüsstest du,
wie ich die Straßen durchfurche...
wie es mir noch einmal gelang,
schön zu sein,
wie sie, du glaubst es nicht,
ansehen mich...
denn ich will und will...
so wunderbar sein für dich,
Liebster,
dir will ich den Atem nehmen...
mit dir...
noch einmal vergessen alles,
ich will die Gram streichen aus deinem zerwilderten Gesicht...
einmal sollst du groß sein für mich
und ich für dich...
und ich werde alle vergessen,
die ab mich hielten,
sie werden nicht mehr sein.
Ich sehne mich
einmal zu sagen:
da bist du,
und ich kann das,
ich werde da sein, ich werde machen,
dass du leben kannst,
dich trösten,
kann ich nicht einmal das:
dich trösten,
sonst nichts.
Denn ist es nicht so,
ich sah dich an und an,
und sehnte ich mich nicht...
Liebster,
werden wir uns noch einmal treffen?
Wie ich durchkämme die Seiten,
ja, ich will dich endlich finden,
Tag um Tag,
du weißt schon,
in der tiefsten Nacht,
muß ich dich suchen
und ich schaue und schaue an dein Bild,
und muß ich mich nicht erinnern,
wie kalt, wie kalt ich war,
wie ich mein Nein sprach
und nun, plötzlich,
kann ich ermessen:
du haßt mich.
Wie meine kalte, kalte Verachtung dich traf,
wie du gar nicht in Frage gekommen warst,
wie schrecklich ich war
und zerstörte alles,
für immer,
Liebster, ich sah dich nicht...
dein zerstörtes Gesicht...
diesen Schmerz, diesen Schmerz,
wie verwundet du warst...
und hätte ich jemals geglaubt,
dass ich nun die Seiten durchkämme,
zu finden dich,
und ja,
ich fand dich,
ich bin richtig gut
in dieser Suche nach dir...
aber, aber, Liebster,
wie hilflos ich bin,
wie gelähmt,
und weiß ich auch alles, alles,
wie kann ich kommen zu dir,
dich um Verzeihung bitten
für alles,
was kalt war, so kalt,
meinen Nonnenblick,
mein Totsein,
ich wollte ja nicht...
niemals wollte ich...
tot sein für dich...
Ach, ich erkannte dich nicht,
wie es mir gelang
niederzuhalten dich,
denn, denn...
wie zerstört du warst in deinem Mut,
ach, fürchtete ich mich nicht
zu erkennen mich in dir?
Wie ich die lieben muß,
die treiben und treiben,
suchen sie nicht den Tod
und finden,
finden mich?
Aber, du weißt schon,
das warst du, nur du,
der übrig blieb mir...
wie wir uns fanden und verloren
in diesem Fernsein, diesem Zerstörtsein,
dieser Liebe,
dem seltsamen Schicksal,
das uns verband...
und will ich nicht noch einmal alles,
las ich nicht alles, alles von dir,
und weiß ich nun nicht,
wie ich dir begegnen könnte,
einmal, einmal,
aber so nicht,
Liebster,
ich kann nicht.
Ich will das nicht,
auflauern dir,
einmal will ich dich treffen...
...so ...einfach so...
als habe ein gütiger Gott es gewünscht...
dass ich streiche die Gram aus deinem Gesicht,
Liebster ich darf und kann dich suchen nicht...
ich muß warten und warten
...du musst das wollen,
dass ich finde dich...
Liebster, du musst da sein für mich...
wie ich erträume dein Angesicht,
dass es einmal da ist für mich,
nur für mich,
Liebster,
kannst du noch einmal
bedenken mich,
vergessen meinen kalten Blick,
die Kemnate, meinen Elfenbeinturm.
Liebster,
wirst du noch einmal wollen,
dass ich dich finden kann?


161. Dieses helle Licht, diese schreckliche Scham

Schon in der Nacht,
der letzten Nacht...
ich dachte und dachte,
ich beschloss,
nun werde ich fahren, endlich fahren,
dahin, dahin...
es war ja nicht weit...
und vielleicht, vielleicht, so träume ich...
stünde ein gütiger Gott mir bei.
Ich fuhr also,
wie betäubt fuhr ich dahin,
ich hatte vergessen, wohin und warum ich fuhr...
ich fuhr und fuhr,
stieg aus...
alles war fremd,
so heiß, so heiß...
Liebster, ich wusste auch nicht genau, wo auszusteigen ich hatte,
dir nahe zu sein...
aber ich dachte auch:
ich will in seinem Umkreis sein,
mehr nicht, mehr nicht...
er muß es wollen,
er muß gefunden werden wollen...
und ich dachte und dachte,
er ist nicht da, nicht da...
er macht nun Ferien mit ihr und den Kindern...
und ich dummes Karawanentier,
das ihn verfolgt,
ich irre und irre durch die Straßen...
und ich höre und höre nicht auf...
ich dachte:
ich sehne mich danach mich hinzusetzen...
irgendwo,
zu bedenken alles...
ich will da sitzen und auf die Straße sehen,
auf der vielleicht, vielleicht
ich dich plötzlich sähe...
aber, aber...
ich schämte mich so...
und ich lief und lief,
Liebster, ich wusste gar nicht mehr, wo ich war,
an zwei Kirchen lief ich vorbei...
ja, es war wirklich ein schöner Ort,
an den ich gekommen war, dich zu suchen...
und ich dachte,
Gott, laß mich hinein in diese Kirchen,
bitte, ich will beten und beten.
Ich war aber so verwirrt,
und ich schämte mich so schrecklich,
Ruhe finden konnte ich nicht,
und so rannte und rannte ich,
zurück, zurück...
Liebster,
du wolltest nicht gefunden werden...
was soll ich meinen?
Hat einmal eine dich gesucht
in dieser Weise?
So beschämt, so verrückt,
wollte einmal jemand dich finden,
fuhr einmal eine zu suchen nach dir
und konnte stillstehen nicht...
und konnte finden nichts,
gar nichts,
auch Gott nicht,
das Gebet, die Kirche,
denn da war diese schreckliche, schreckliche Scham...
dieses helle, helle Licht,
diese heiße, heiße Sonne,
und ich dachte, dass ich sterben will.
Und ich dachte an den Stalaktidenregen in Berlin,
an das Licht der Laternen,
den Regen in München und ich verstand nicht,
warum warst und warst du niemals da,
verbrannte nicht die Sonne nun mein Gesicht,
mich, die ich den Regen liebe?
Ach, Liebster, du bist niemals da,
wie und wo auch immer ich untergehe.
...und ich wähne nun so sicher zu sein:
Du gingest zurück, zu ihr und den Kindern...
Denn, denn, ich schlug ja die Seiten um und um,
aber: wo willst du, wo willst du sein?
Träume ich nicht...du träumtest von mir... immer noch...
Wohin soll und muß ich fahren, zu finden dich,
ich will ja, ich will,
du aber, Liebster,
willst du,
dass ich komme, zu verstören dich?
Also,
ich fuhr zurück,
du kannst nicht ermessen,
wie ich schämte mich, mich schämte und schämte,
wollte verlöschen ich nicht,
hineinsinken in die Erde, die Erde.
Und will ich nicht noch einmal beschwören dein erträumtes Wort,
kann ich verzichten auf deine Nebelgestalt...
kann ich nicht einmal wiederholen mein frühes Nein?
Liebster, ich kann und kann nicht...
Ich fahre fort dich zu suchen...,
und sollte ich nicht einmal gehen dahin,
wo du mit ihr und den Kindern bist?
Sollte ich nicht einmal,
du beschworest es ja,
fortführen, was ich begann?
...wie ich hoffe auf dich,
dich beschwören will...
aber, aber,
wirst du sehen, hören mich?
Werde nicht dastehen ich,
allein, so allein...
und weißt du,
ich kann das ertragen nicht,
ich kann und kann nicht,
Liebster, du musst dasein für mich,
sonst muß ich sterben,
mein Atem ist nicht lang,
auch du, du träumtest,
du wolltest erkennen nicht,
dass ich fiel und fiel
und alles war wund...
Liebster, ich konnte, ich konnte nicht mehr,
Liebster, ich fiel von diesem Turm...
und schrie ich nicht nach dir,
denn du, du hattest einmal treffen wollen mich...
und ich kann und kann nicht dir sagen Adieu...
Liebster, wie nah du mir bist,
sehe ich nicht uns,
seltsam aneinander gepresst,
werde ich jemals leben können
ohne dein Wort,
Liebster,
wie ich warte und warten muß.
Und weißt du, wie es mich verstört,
dass ich nicht weiß, ob du einmal wollen kannst.
Manchmal bin ich so sicher, totsicher,
du musst und musst warten auf mich
und ich denke:
er, wenn nicht er, sollte erwarten mich?
Und höre ich nicht einen gütigen Gott sprechen von uns?
Weiß ich nicht, weiß ich nicht sicher und sicher,
Gott, er wollte alles.
Aber... das warst du... es war dein Schweigen...
es quälte mich...
erfand und erfand ich alles,
Liebster, existierst du, existiertest du je?
Liebster, einmal musst du sprechen
und ich will auch nicht dein Wort erfinden...
einmal muß es wirklich sein,
was ich erahnen kann,
denn, denn...
erahne ich nicht alles,
wie sicher, wie sicher ich bin...
wie kann es möglich sein,
dass du antwortest mir nicht,
mich verlorest...
Es kann und kann nicht sein,
wäre es so,
ich lebte nicht mehr,
denn,
Liebster,
ich höre und höre dich,
und ist es auch dieses seltsame Murmeln und Rauschen,
weiß ich nicht,
das bist du, nur du.
Wie ich aufstehen will,
die ich träume und träume,
du glaubst es nicht,
dir will ich sagen,
ich bin da,
ich bin wirklich
und ich will hinwegstreichen mein elendes Nein,
ich will hinwegstreichen die Gram in deinem Angesicht,
ich will,
dass du noch einmal kommen kannst zu mir,
Liebster, ich fürchte mich.
Ach, wie ich mich sehne nach deinem Wort,
wie ich alles wieder und wieder erfinden will.
Dann aber denke ich:
Er macht nun Ferien mit ihr und den Kindern,
er ging zurück,
und weiß und weiß ich nicht,
ich, die ich dein zerstörtes Antlitz ansah und an,
weiß ich nicht,
du bist fern und kalt, so kalt,
so tot, so tot,
Liebster, bist du das,
der liegt auf dem Grunde des Meeres
und da bin nur noch ich,
die dich leise, so leise hören kann...
etwas, was einmal lebendig war...
nein, nein, sein durfte es nicht...
wer von uns es wohl war,
der ein Nein sprach...
wer es wohl war,
der Ja und Ja murmelte...
wie alles sich vermischt und vertauscht
und ich nicht mehr weiß,
wer sprach, wer schwieg.
Liebster, Liebster,
ich sehne mich in dieser unerträglichen, schrecklichen, unaufhaltsamen
Weise nach dir,
sprach ich nicht tausend Jahre mein Nein,
genügt es nicht?
Darf ich nicht, nun,
einmal sprechen ein Ja?
Kann ich nicht einmal mein Ja sprechen,
voller Angst, Angst...
ich will aber, ich will...
einmal will ich gesprochen haben,
nicht schweigen,
schweigen nicht.
Liebster, ich denke nach und nach,
muß ich nun kommen dahin,
wo du mit ihr und den Kindern bist?
Sag mir, wie das Ja ich sprechen kann.
Wird mein Ja alles zerstören, was ist?
Hat mein Ja einen Bestand?
Wie, wie kann ich sprechen mein Ja,
wenn ich zerstören und zerstören muß?
Ich will doch die Gram streichen aus deinem Gesicht...
Aber... weiß ich nicht... nein, ich weiß nicht, weiß nicht...
werde ich nicht töten dich in meinem Kommen...
ich denke, es wird leise sein, so leise...
als wäre ich gar nicht da,
als lebte ich kaum,
du wirst nicht glauben,
wie leise, wie leise ich bin...
wie ich schauen und warten kann...
wie ich da sein kann für dich,
für diesen Moment,
in dem du,
vielleicht,
mich bedenken willst...
vielleicht willst du auch nicht,
dann muß ich gehen...
als wäre,
als wäre ich nie gewesen...
werde ich können das...
werde ich nicht schreien,
laut sein, so laut...
Liebster, ich will und will ja nicht...
Ich will ruhig sein und annehmen,
was du beschlossen hast,
Liebster, ich will und will nicht
die Zerstörerin sein,
Liebster,
du glaubst mir nicht,
dass ich gehen und aufgeben kann...
du, du fürchtest mich,
die Leierspielerin...
Liebster, du verstummtest
und das bin ich,
die ich klagen muß und wollen...
aber,
ich will und will,
dass du leben kannst.
Ich werde nicht kommen und verstören dich,
Liebster, wie ruhig ich sein kann für dich.
Aber, aber, wie ich mich sehne und sehne,
wie ich noch einmal erdenken will deine Antwort,
träumen, Liebster, ich träume doch nur...
und ja, verlor ich nicht die Gewissheit dich einmal berühren zu können
in meinen langsamen Gedanken,
ach, Liebster, laß mich erfinden dich...
laß und laß mich erträumen dein Wort,
laß mich, entfernt wie ich von allem bin,
sein,
denn versprach ich nicht:
dich will ich nicht mehr stören...
aber denken, Liebster, laß mich denken und träumen...
denn male ich nicht und male,
beherrsche ich nicht den feinen Pinselstrich,
kann ich nicht malen dein Angesicht...
kann ich nicht sehen vor mir dein Angesicht?
Darf ich nicht lieben dich?
Darf ich nicht träumen von deinem verwilderten Antlitz,
das ich sehe in der Nacht?
Ach, Liebster,
gestatte mir zu träumen
von dieser lange vergangenen Zeit,
in der wir ansahen uns,
berührten,
und ich schwöre,
ich will und will nicht verstören dich,
ich werde ruhig, ruhig werde ich sein,
einsam, so einsam,
aber, Liebster, ich werde ertragen alles, alles,
Liebster, ich werde nur denken von dir...
und weißt du,
wenn du das willst,
es wird gar nichts sein.
Wie ich versucht bin,
wie es mich antreibt...
das erfundene Gespräch mit dir erneut zu führen.
Aber: War es tatsächlich erfunden,
nicht vielmehr erahnt und wirklich?
Warum darf und kann ich mich nicht trösten
mit Erahntem...
wer sagt überhaupt, was wirklich ist?
Wer sagt,
dass ich dich nicht hörte
und du mich?
Wer will sagen,
dass wir nicht zueinander sprachen?
Wie ich diese einsamen Nächte liebte,
in denen wir einst zueinander sprachen und sprachen...
Du begannest zu verstummen,
ja, ich setzte sie fort,
du verstummtest,
aber ich konnte dich immer noch hören...
Liebster, das warst du,
du lagest auf dem Grunde des Meeres und
ich sah und hörte dich in der wirklichsten Weise,
die mir bekannt...
leise, so leise,
ich war sicher,
das warest du, mit dem ich sprach,
den ich hören konnte...
und verstummtest du auch,
ich wusste alles,
alle Worte wusste ich
und ja, ich konnte dich ja sehen,
Liebster, du warst in diesem Nebelland...
und kannte ich mich nicht aus in diesem Land,
dem untergegangenen,
war es mir nicht vertraut, so vertraut,
lebte ich nicht in diesem Land
und hatte ich jemals ein anderes gekannt?
Atmete ich nicht den Nebel,
war ich nicht vermischt mit dem Rauschen des Meeres,
konnte ich nicht hören und sehen in diesem,
diesem allein?
Sah ich nicht einmal und immer wieder dich?
Und fürchtete ich mich nicht
noch einmal
zu erlauschen deine Worte,
denn,
immer, immer,
weißt du,
es ging gar nicht um uns,
es ging um die,
die uns verfolgten und töten wollten...
ich hatte solche Angst...
werde ich einmal diese Angst besiegen?
Werde ich einmal mutig sein und finden dich?
Wird einmal der Nebel schwinden,
werden einmal wir emportauchen
und nicht mehr sein
auf dem Grunde, dem Grunde des Meeres,
wird dieses verstörende Murmeln und Rauschen nicht mehr sein...
wie ich das sehen kann,
ganz dicht vor mir,
Liebster, Liebster,
du hast mich um-und umgedreht,
und ich kann wollen nicht mehr,
dass gar nichts bleibt.
Wie an- und anschaue ich dein Angesicht,
das fern ist, so fern, so fern,
wie ich manchmal verzweifeln muß
und umhergehe mit meinem schwarzen, schwarzen Gewandt,
meine Wohnung nicht mehr verlassen kann,
denn, denn,
ich bin so alt und tot.
Denn, denn: Liebster, niemals wieder wirst du kommen...
So nah auch ich dich fühlen kann,
so sicher scheint es mir:
nie, niemals wieder...
und ich will dich schlagen und töten und schreien und schreien,
auch anflehen will ich dich:
Bitte, bitte, Liebster, es kann und darf nicht sein,
dass wir sterben, alles vergessen müssen...
wir begannen ja nicht...
wie sie einholten uns, die Verfolger,
hatten wir jemals geatmet, waren wir jemals?
Und ich will und will nicht,
ich will, will nicht.
Ich höre die immer gleiche Musik,
in ihr kann ich dich finden,
und manchmal muß ich denken:
es ist egal, alles ist egal,
vielleicht wird er kommen nicht mehr...
ich aber, ich werde da sein,
für immer und immer,
Liebster, ich werde da sein für immer und immer,
wie dumm und beschämt ich war,
als ich denken musste:
nichts, gar nichts wird bleiben...
ich hatte ja Angst,
solche Angst vor dem Leben...
und will ich nun nicht etwas,
etwas, das bleibt,
und niemals wieder will ich in dieser kalten Art sagen können,
dass gar nichts bleibt,
das warst du, du hast mich um- und umgekehrt,
und verließ ich nicht meine kargen Räume...
stand nicht endlich ich nun da,
zu erwarten dich,
zu spät, zu spät...
und niemals werde ich glauben,
dass du nun liegst auf dem Grunde des Meeres,
Liebster, ich glaube dir nicht.
"Liebste,
wie du mich versuchen kannst...
müsstest du nicht alles wissen...
wie kannst du fragen und zweifeln?
Kann ich wissen, wo, wo du bist?
Liebste, ich fand dich nicht mehr da,
wo du einmal warest...
ich bedachte dich in meiner finstersten Nacht...
und ja, muß ich dir nicht berichten,
es ist wahr,
ich ging zurück...
Liebste, ich verlor und verlor dich...
und wollte ich nicht leben für sie,
meine Kinder?
Waren sie nicht da und bedurften meiner?
Kann ich jemals verlassen meine Kinder,
Liebste, ich kann und kann nicht...
und du, die du einmal da warest,
zu bedenken alles...
du verschwandest,
und hing ich auch lange an deinem Versprechen,
hatte ich nicht sehen können,
du gingest,
warum, warum?"
"Ach, Liebster,
wir können aufhören nicht...
fuhr ich nicht nach Paris nun,
zu vergessen dich,
aber, aber,
ich weiß ja, ich weiß...
und ich träumte und träumte,
wie ich niemals wieder hatte träumen wollen...
sah ich dich nicht da,
wo sie tanzen...
und ja, Liebster, du erkanntest mich...
und so sehr wir uns auch schämten und vermeiden wollten...
alles was ich erträumte,
nun geschah es...,
ach, es ist gar nicht wahr,
nichts, gar nichts,
was ich träumte, geschah,
sah ich doch sie,
wie schön sie einmal gewesen war,
wie jung,
und dich,
unzerstört,
und weißt du,
es ist furchtbar,
ach, du musst mir sagen, Liebster,
warum es so ist,
dass du kamest mich anzuschauen,
als alles, alles zu spät war,
warum du gar nichts, gar nichts
mehr übrig hattest für mich...
denn, Liebster,
so schien es mir,
nichts bewahrtest du auf,
das war ich,
die dich fand,
so einsam, verloren,
dein zerstörtes Gesicht...
und niemals konnte ich wissen,
wo und ob du noch am Leben warest.
Und erinnere ich nicht,
wie du anklagtest mich,
die ich alles, alles
aufbewahren muß und muß...
und würde ich es nicht lieben,
aufbewahrt zu sein von dir, von dir,
der du hohnlachtest meiner,
die ich bewahren und bewahren muß alles
in meiner Kemnate, meinem Elfenbeinturm...
wo,
wo bist du, Liebster,
und werde ich nicht fahren und fahren,
werde ich nicht wissen und wissen nicht,
wo und ob du noch am Leben bist...
ich aber, Liebster,
werde aufhören nicht zu suchen dich.
Seltsam, so seltsam.
dass ich dich erträumen kann.
Wie heiß, wie heiß der Sommer wurde...
begann er nicht kalt,
hatte ich jemals ahnen können wie schön,
wie schön sie einmal war,
wie du sie einmal geliebt haben musst...
erst jetzt verstand ich alles...
wer war denn ich,
war ich überhaupt?
Wie alt, wie alt und grau ich war,
und weißt du,
ich will und will nicht...
will nicht bedenken,
dass da einmal etwas war,
ohne, so ohne mich...
warum, warum Liebster,
suchtest du mich nicht,
damals,
als ich noch schön war, so schön...
ich will und will nicht sein die Meisterin des Zu-spät,
einmal will ich da gewesen sein,
einmal will ich strahlen, lachen und sein.
Ich denke nach und nach,
du verlorest sie,
wie hässlich, wie hässlich hast du sie gemacht,
warst du das, Liebster?
Wie unkenntlich ihr Gesicht und deines,
alles, alles habt ihr vergessen...
und niemals, niemals werde ich trösten können dich...
siehst du nicht, wie alt, wie alt ich bin,
wie ich alles verlor,
so lange, so lange schon
bevor ich zum ersten mal sah und bedachte dich,
aber ich bedachte dich ja nicht,
Liebster,
das warst du,
du bedachtest und bedachtest mich,
Liebster, du träumtest und träumtest...
Was du wohl sahest?
Wußtest du,
wie heiß der Sommer werden könnte,
wie heiß die Straßen von Paris,
in denen wir tanzten nicht?
Aber, aber,
du weißt ja alles,
nun werde ich gehen nach Wien,
und ich werde träumen und träumen von dir,
ich werde träumen:
du hättest einmal mich getroffen,
als ich schön war, so lebendig...
wo das wohl war,
Liebster, wird es einmal, einmal sein?"
"Liebste,
also,
du erinnerst dich
an mich...
warum, warum?
Wie zerwirkt und zermüht ich bin...
Liebste,
wie es mich verwundert,
ja, verwundert,
dass du,
du mich noch sehen kannst,
trachtete nicht alles zu vergessen ich?
Wie kann es sein,
dass du,
du etwas von mir ahnst und ahnst?"
"So lange, so lange dauert dieser Sommer,
den ich nicht ertragen kann,
wie kalt er begann,
wie seine Hitze mir den Atmen nimmt,
wie ich anfangen muß zu träumen...
Liebster, ich träume vom Schnee,
von einer Eiseskälte...
in der ich dich einmal treffen kann.
Und vor mir muß ich sehen und sehen
diese kalte, kalte Landschaft,
Liebster, ich sehe Berge von Schnee,
und sollen sie nicht auslöschen dieses Bild, dieses Bild,
das Bild von ihr,
zu der zurückgingest du...
ach, werde ich einmal,
werde tatsächlich einmal ich kommen dahin,
wo du nun bist,
dich zu verstören,
zu sagen: Liebster, da bin nun ich.
Wie froh ich bin zurückgekommen zu sein...
denn ich kann und kann nicht weitergehen.
Meine Füße, die festklebten am heißen, heißen Asphalt der schmutzigen Straßen,
ach, ich bin müde, so müde,
Liebster, siehst du nicht, auch ich,
ich kann nicht weitergehen,
Wien war Paris,
wie, wie ich es liebe zurück in Frankfurt zu sein,
diesem kleinen Ort, an dem alles, alles einmal begann,
wir, waren das nicht du und ich,
wir träumten und träumten.


162. Die gleißenden Felder

Wie ich es hasse,
alles erneut zu erfinden,
erfinden zu müssen...
wie fern, wie fern du bist...,
und wie nah dein gramzerstörtes Gesicht.
Ich weiß ja, ich weiß,
einmal muß ich kommen zu dir,
in diesen kleinen, kleinen Ort...
und ist es nicht seltsam...
ich kenne ihn ja.
Welch merkwürdiges Zusammentreffen,
aber weißt du,
ich wundere mich nicht,
denn alles ist,
weil ich dich finden muß...
lebte nicht auch ich einmal dort,
vor einer unerdenklichen Zeit?
Und ich erfinde jetzt nichts,
es ist wirklich, wirklich wahr...
und weißt du,
es war die Zeit, in der ich dachte:
einmal, einmal werde ich gehen,
ich werde nach Frankfurt gehen.
Will ich erneut an Zeichen glauben?
Bin ich das jetzt, der alles einfällt...
Liebster, bin ich jetzt du,
drängend und drängend...
und du, Liebster,
bist ich,
sich verbergend, fliehend...
Jetzt, jetzt bin ich das,
die will,
dass war, was war...
und du... ich weiß ja nicht...
muß ich nicht denken, du vergaßest alles
und nie wieder werde ich wachrufen können dich.
Ach, wie ich fahren will,
nichts anderes mehr will.
Liebster, ich will und muß dich einmal wieder sehen.
Kann ich nicht machen, wie einst,
dass du beginnst zu träumen von mir?
Kann ich nicht machen, dass du vor mir stehst,
die Treppen empor eilst,
wie du es getan und getan?
Liebster, du musst kommen zu mir,
ich will und muß dich sehen.
Vielleicht auch, vielleicht,
am letzten Tag dieses Sommers,
der nun heiß ward, so heiß,
werde ich fahren...
vielleicht, vielleicht werde Kraft ich schöpfen,
vielleicht wird keiner da sein, mich zu hindern,
vielleicht werde ich fahren können...
und ich sehe mich,
ich werde durch die Felder laufen,
die ich lange, so lange nicht gesehen,
denn weißt du, Liebster, es sind die Felder meiner alten, alten Angst
und ich kann auch nicht glauben,
dass du, du da vor mir stehen wirst...
und plötzlich muß ich denken:
warst das nicht du, von dem ich immer, immer träumen musste,
auch damals,
als ich umherging in den Feldern meiner Angst...
hoffte und wünschte ich nicht immer, immer
einen zu treffen, wie dich?
Ach, Liebster, wirst du einmal mir begegnen auf den alten Feldern meiner Angst,
meines Grauens?
Ja, ich wanderte umher,
es ist auch nicht so daher gesprochen, nein,
es ist unglaublich, wie einsam und verloren ich war,
wie seltsam, seltsam,
dass ich überleben konnte,
immer noch lebe.
Wie ich rannte durch die Felder,
wie endlos, endlos sie waren,
wie menschenlos,
tote Tiere lagen überall, überall,
ich rannte und rannte,
ich hatte solche Angst vor dem Tod,
und es war heiß, so heiß,
Liebster, ich dürstete
und ich stürzte mich hinein in das kalte, kalte Wasser,
das sich mir bot,
ich stürzte hinein,
da lag ich Stunden um Stunden
und ich fühlte,
wie die Kühle kam,
langsam, langsam,
wie ich wieder atmen konnte,
langsam, langsam,
aber, Liebster,
es war ein seltsames, seltsames Sein,
lebte ich?
Verfolgte mich nicht diese schreckliche, schreckliche Angst,
dieses schlimme, schlimme Grauen,
immer und immer?
Und werde ich jemals wagen erneut durch diese Felder zu wandern,
denn, denn,
ich weiß ja nicht,
ob dieses mal du da sein wirst,
ob einmal, einmal ich treffen werde dich,
von dem ich träumte,
er lösche aus und beruhige meine Angst.
Aber, siehst du,
wie nun soll ich fahren,
die ich dich nicht weiß,
ich will und will nicht noch einmal sehen diese Felder
-sie gleißten und gleißten-
Liebster, das war ich,
die nahezu sterben musste in diesen Feldern.
Wie ich rennen konnte,
das kühle Wasser fand,
wie ich mich erinnern muß,
Liebster, das machst du.
Diese zerstörten, toten Tiere,
die ich ansah und an,
ich konnte meinen Blick nicht lösen,
ach, es graut mir
und niemals wieder
soll sein, was war.
Sag mir,
wie mutig wohl hätte ich zu sein,
ich, von der du sagst,
sie kann und kann nicht verlassen
ihre Kemnate, den Elfenbeinturm...
...liebe ich nicht meinen Nonnenblick...
Aber aufbewahren,
einmal sprachest du davon,
will ich nichts, gar nichts.
Ich bin die,
die will,
dass gar nichts bleibt.
Liebster,
du miss- und missverstehst mich.
Denn ist es nicht so:
Als ich dich ansah...
alles verschwand...
Liebster, du machst mich,
aber, aber
das bist du,
nun führst du mich,
nicht antwortend mir,
auf die Felder meiner Angst,
zurück in diese Zeit des Grauens,
und niemals werde ich bestehen können sie
ohne dich.
Auch zum tausendesten Mal
werde alles zu erfinden ich suchen,
alles, alles,
denn, denn
diese schreckliche Scham, dieses Grauen,
alles werde durchwandern ich,
dich sehend, immer nur dich,
dich, Liebster,
und ich weiß schon, du bist gar nicht mehr da,
du gingest zurück zu ihr und den Kindern."
"Manchmal kann ich dich hören,
als sei es nie, niemals vorbei,
als seiest du,
ausgerechnet du,
die sich immer verbarg,
nun da.
Liebste, wie schön du warest,
wie ich immer denken musste:
sie, niemals wird sie gewärtig sein meiner...
lebt sie nicht da,
wo ich nicht bin, sein kann nicht...
niemals werde ich finden sie.
Und jetzt,
manchmal in der Nacht,
es betört mich deine Stimme,
und dann kann ich dein Antlitz sehen,
so, wie es einmal war.
Und ich denke mir aus,
wie ich zerfurche dein Gesicht,
wie ich alles zerstören werde...
du und dein Nonnenblick,
dein verführerischer,
wie du mich nehmen wolltest mit deinem Nein,
einmal werde ich zerstören dich.
Und niemals, Liebste,
wirst du finden mich,
wie es mir genügt und genügt,
dass du, du nun hoffen willst und musst...
wie unglaublich es mir gefällt,
dass du nun suchen willst mich,
aber glaube mir,
für dich bin ich nicht mehr da,
ja, ja,
du wähntest richtig,
ich ging zurück zu ihr und den Kindern.
Und sei es auch...
dass ich manchmal wähnen muß,
dich, die du die Felder durchwanderst,
die mein Haus umgeben...
es ist vorbei, vorbei,
wie ich ersehne, dieses,
dieses allein,
vorbei, vorbei."
"Ich verschließe meine Ohren,
ich kann das, ich kann...
und niemals wieder will ich hören dieses:
vorbei, vorbei...
und du, betrügst du dich nicht?
Sie und die Kinder, sie und die Kinder...
leben nicht da,
wo wir einmal waren...
und ja, das warest du, Liebster,
einmal wolltest du verlassen alles,
sie und die Kinder,
und wusste ich nicht immer...
es könnte und könnte nicht sein,
ach, ich liebte und liebte dich,
verstand ich nicht...
es konnte nicht sein...
ahnte ich nicht alles,
vor dir?
War das wirklich ich,
die Nein sprach und Nein,
sprach ich nicht deines?
Liebster,
zerfurche nicht mein Gesicht,
denn vielleicht,
einmal, einmal,
du weißt schon, dereinst,
wirst du noch einmal beginnen zu träumen von mir.
Wie ich mich winden muß vor deinem Haß,
wie ich ihn zu überstehen trachte
und sagen,
dich beschwören will,
immer und immer,
da ist dieses Murmeln und Rauschen
und sehe ich nicht uns,
auf dem Grunde des Meeres?
Ich dachte lange nach,
werde ich noch einmal fahren?
Nein und Nein,
fahre werde ich nicht,
nicht noch einmal,
nicht dahin, dahin,
wo sie und die Kinder sind,
nicht dahin,
nicht in die Felder meiner Angst,
nicht jetzt...
Liebster,
sie werden aufhalten mich,
Liebster,
ich kann und kann nicht,
ich fürchte und fürchte mich...
ich kann und kann nicht durchwandern diese Felder,
die umgeben dein Haus,
ich kann und kann nicht,
denn siehst du,
auch ich,
ich muß zurückkehren dahin,
wo ich bin...
wie du zu ihr und den Kindern.
Und was, was wohl wäre,
käme ich dahin, wo du bist,
in die Felder meiner alten Angst?
Gäbe es ein Zurück?
Ich fürchte mich...
und ich kann ja auch nicht sicher sein
über dich...
du willst nicht und willst nicht...
noch einmal fände ich das kühlende Wasser nicht,
Liebster, diesesmal, ich könnte und könnte
überleben nicht noch einmal,
Liebster, ich will nicht sterben,
Liebster,
wie zögerlich ich bin
und also muß ich denken, wieder denken und denken,
wird gar nichts, wird denn gar nichts sein?
Und vielleicht, vielleicht werde ich noch einmal mutig sein,
alles, alles wissen wollen,
ob du da bist,
ob du mich verworfen hast,
ob du wartest auf mich
in den Feldern meiner alten Angst,
ob einer da ist
zu teilen, was ich fürchte, fürchte...
es ist,
es ist schlimmer als der Tod...
aber, aber,
kann ich nicht fühlen,
wie feige wir sind,
du und ich,
immer wollen wir zurück,
gehen nicht,
wie wir uns anklammern an allem,
was ist,
Bestand hat nicht, wie einrichten wir uns da,
wo wir entgehen den Feldern unsere Angst,
Liebster, manchmal will ich schreien,
dass du mich hörst,
endlich hörst,
denn ich will und will nicht
und muß,
muß ich untergehen in den Feldern meiner Angst?
Der letzte Tag des heißen, heißen Sommers,
er verstrich,
Liebster, ich fuhr nicht,
studierte ich auch die Pläne
und wusste ich nun nicht genau,
wie und wann zu fahren ich hätte?
Ich fuhr aber nicht,
vor allem dieses dachte ich:
Sie und die Kinder,
ich will und will sie nicht treffen.
Und immer sah ich dieses vor mir:
Ich stieg aus dem Zug und da sah ich sie...
Auch sah ich voraus meine Scham,
sie quälte und quälte mich,
denn,
ich hatte ja kein Recht da zu sein,
wo du mit ihr und den Kindern bist.
Immer war mir,
als käme einer,
der mich fragte,
warum, warum bist du da,
und weißt du, ich wusste keine Antwort...
denn ich konnte ja nicht sagen:
ihn, ich suche ihn, den ich liebe.
Liebster, ich konnte und konnte nicht fahren,
aber da war diese große Sehnsucht,
ja, es ist so,
plötzlich war es,
als ersehnte ich die alten Felder meiner Angst,
aber, aber...
sie waren verstellt, verstellt
und ich konnte nicht mehr zurückgehen dahin,
weil, weil,
ich konnte nicht hoffen auf dich.
Aber, aber,
nun weiß ich alles,
wer hätte gedacht,
dass ich einmal so weit, so weit gehen würde...
so weit,
dass ich einmal, einmal,
in einem günstigen Moment,
Gott, mach mich stark dafür,
alles weiß,
denn ich weiß ja nun,
wo ich ein- und auszusteigen habe,
Liebster, ich könnte, ich könnte...
fahren.
Und, sei sicher,
einmal, einmal werde ich.
Hinzu kommt,
alles jährt sich,
zum zweiten Mal.
Daß wir uns begegneten,
zum ersten mal,
zwei Jahre ist es her am nächsten Montag,
Liebster, wirst du gedenken meiner,
bedenken ein zweites mal?
Liebster, wie ich mich fürchte,
denn,
ahne ich nicht:
Du weißt mich nicht mehr,
unter ging ich in deinem Hass,
zerfurchtest du nicht mein Gesicht
und erkennst mich nicht mehr?
Und, und ich bin ja nicht mehr die Leierspielerin,
die ich einmal war,
Liebster, du kehrtest mich um,
ich, die ich nichts mehr,
gar nichts mehr wollte,
haben wollte,
nun will ich sagen:
Es wird sein.
Einmal will ich haben dich...
Aber du,
ich weiß schon,
alles versäumte ich,
dich verlor ich,
gab ich nicht den Verfolgern mich anheim,
denen,
die auslöschen wollten mich,
immer und immer,
seit ich zu atmen begann.
Mutter, du musst noch einmal sprechen
und sagen, dass ich leben darf.
Mutter, du musst sagen,
dass ich darf,
das darf,
ihn haben wollen und leben.
Wohin wohl er mich verlor?
Meine Angst wächst und wächst,
einmal, einmal werde sehen ich ihn,
unvermutet,
ich werde nicht mehr atmen können,
er aber, er wir vorbeigehen an mir,
erkennen mich nicht,
wird er nicht seltsam schauen auf mich...
mein zerfurchtes Gesicht,
da wird, da wird sein
dieses Grauen in ihm
und abwenden wird er seinen Blick...
als sei nichts und niemals gewesen,
so,
wie ich träumte und träumte:
Es wird gar nichts bleiben.
Liebster,
kann, kann es sein,
auch du wirst dich erinnern meiner nicht?" "Zwar,
alles erinnere ich,
aber,
aber,
du, Liebste,
wohin gingest du?
Wie du immer und immer auszulöschen trachtetest
mein Wort,
dann riefest du,
wie kannst und kannst du denken,
ich wäre und wäre?
Wie kannst du hoffen und hoffen?
Liebste, ich kann nicht.
Liebste, ich kann nicht sein,
ich hörte auf zu bedenken dich."
"Also,
auch heute,
dem 24. August,
Liebster, Liebster,
du hörtest zu hoffen auf.
Ging ich nicht wie betäubt umher,
war ich nicht müde schon am frühen Morgen?
Leer, leer war die Luft, die ich spärlich atmete,
dann, am Mittag
wünschte ich alle zu töten, die mir begegneten,
wie ich sie hasste und zerstören wollte,
unvermutet schrie.
Dann aber, am Abend
ich dachte und dachte,
ich sah die Biegung der Straße,
die ich so oft gefahren war...
in dieser lange, lange vergangenen Zeit
und ich wusste und wusste,
du, du kennst das:
Warst du nicht mehrfach eingebogen in eben diese Straße,
hattest die Böschung erblickt,
die lichten Bäume,
da,
wo der Weg sich gabelt,
auch heute, auch heute noch,
wie sicher ich bin,
und dann,
nördlich der sich noch immer biegenden Straße,
der alten Böschung,
wo die lichten Bäume stehen,
dort, dort, Liebster,
beginnen die Felder meiner Angst,
weißt du, da rannte und rannte ich,
sah die toten Tiere,
fand das kühlende Wasser,
dich aber nicht...
und wähne ich auch
dein Haus,
es steht nun nördlich der Böschung,
der lichten Bäume,
du, du weißt mich nicht
und ich,
ich werde nicht kommen...
Liebster, ich warte auf dich,
gehen kann ich nicht und nicht.
Kannst du nicht noch einmal sprechen zu mir,
senden ein Wort,
das mich nicht meint,
denn,
ich, ich werde mit allem, allem zufrieden sein,
mich beklagen nicht mehr,
dass,
ja dass ich nie und nie gemeint war,
aber, aber, Liebster,
kannst du das verstehen,
du sprachest ja zu mir,
ließest mich träumen.
Und ich kann und kann nicht verstehen,
dass auch heute, heute auch nicht
ein Zeichen du sendest,
du fern bleibst von mir,
so fern, so fern,
dass noch einmal ich sehen muß dies:
diese schrecklich gleißenden Felder,
darin die Bilder meines andrängenden Todes,
meines Sein-Könnens nicht...
und ja, sagst du mir nicht:
Höre auf, auf, auf.
Ach, laß mich alles noch einmal sehen,
wie ich die Straße überquerte,
zu rennen begann,
so allein, allein,
die toten Tiere sah,
die mich lähmten, wie ich überlebte alles,
dieses seltsam kühlende Wasser fand,
hinwegatmete das Grauen,
dieses Grauen,
niemals, niemals aber,
Liebster,
fand ich dich.
Selbst am heutigen Abend bleibst du fern,
fern, so fern.
Wirst du denn niemals wieder dich erinnern meiner?
Wie oft noch muß ich anschauen dein Bild,
dein zerstörtes Antlitz,
und sehe, sehe ich nicht,
wie du dich umhüllst,
diese Jacke trägst,
die du einmal erworben haben musst,
mich zu betören?
Denn, ja, ja und ja,
du zweifeltest...
und trugest die Jacke,
als gehöre sie dir nicht,
warest du nicht bereit
sie zu vergeben...
Liebster, du wirst nicht glauben,
wie ich diese Jacke lieben muß,
dass du sie nun trägst,
gar nicht abzulegen scheinst...
aber, aber,
das bin ich,
über alles hinwegzutrösten mich bin ich bereit."
"Liebste,
bist du das,
du sprichst vom 24. August,
Liebste,
ich werde antworten nicht...
und weißt du nicht alles, was du wissen musst,
ich ging zurück
und die Böschung, die lichten Bäume,
die gleißenden Felder, meine Jacke...
es ist vorbei und vorbei muß es sein,
denn auch du,
du kamest ja nicht...
und ich will nicht, nie mehr
will ich der sein,
der kommt
hinein in dieses Nichts,
diese Gar-Nichts,
dieses Nein, diesen Nonnenblick,
diesen Haß, diesen Norden,
Liebste,
nun bin ich südlich,
am südlichen Ende der Böschung
und noch einmal will ich versuchen alles,
und spüre ich auch den Ostwind,
wie er mich abtreibt und ab,
in kalte Gefilder bringt,
Liebste, ich will nicht mehr angehören dir,
in den Norden gehen nicht mehr."
"Liebster,
du täuschst dich,
wie du dich täuschst,
es ist mir auch ganz egal,
welchen Wind du spürst,
Liebster, es ist alles erdacht,
ich werde im Nord- und Ost- und Süd- und Westwind dir begegnen,
ach, wie egal die Winde mir sind,
die ich treffen und treffen will dich,
immer nur dich,
kannst du nicht einmal, einmal sagen ja:
sie, sie wollte mich treffen,
jenseits der Winde,
sie, einmal war sie da,
südlich und nördlich,
westlich und östlich...
sie wollte und wollte nicht sterben,
verloren gehen nicht...
und nun steht sie vor meinem Haus,
das jenseits der Böschung der Felder gebaut,
Liebster, die Himmelsrichtung,
ich weiß sie nicht,
weiß sie nicht,
und sagten sie nicht voraus,
es werde in diesem Sommer Sterne und Sterne regnen?
Und stehe und stehe ich nicht vor deinem Haus,
nein, ich stehe ja nicht da,
auch heute, diesem unwiederbringlichen Tag nicht,
Liebster, Liebster,
ich muß dich träumen und träumen, davon,
dass du einmal, eimal mir sagst ein Wort.
Warum, warum
kann es nicht sein,
dass du noch einmal sprichst,
warum und warum?
Ich kann und kann nicht vergessen dich,
den 24. August,
niemals,
niemals,
Liebster, du ahnst nicht, was ich plane,
du wirst entrinnen mir nicht.
Und noch einmal,
dies seltsame Zusammenkommen,
du, Mutter,
starbest am 24. August.
Plötzlich, plötzlich meinte zu erinnern ich mich.
Heute suchte ich wild,
den ganzen Tag über suchte ich.
Ich wollte das Buch finden,
in dem steht, wann du gestorben bist.
Denn ich war sicher, ganz sicher,
es war in mich hineingebrannt,
dieses Datum, der 24. August.
Das Buch aber fand ich nicht.
Ich begann zu zweifeln.
Vermische ich alles?
War es nicht einmal dieses Buch,
das ich unvermutet fand?
War es der 26., der 28. August?
Fand ich nicht einmal unvermutet dich,
Mutter,
du warst so lange schon tot...
und war es nicht,
ja, ganz sicher, es war in der Zeit
der gleissenden Felder, der toten Tiere, dem kühlenden Wasser,
der Zeit in der ich hatte sterben wollen,
denn plötzlich, so plötzlich erfuhr ich
Mutter, von dir,
Mutter, deinem Tod
und Mutter, ich konnte trösten mich nicht mehr
und wollte, ja wollte ich sterben nicht?
Ach, wie kalt und tot ich plötzlich, plötzlich war,
alles vergaß,
als ich fühlen konnte
dich.
Mutter, ich erfror,
die ich gebrannt hatte zuvor...
hatte ich es nicht geliebt zu sein,
zu küssen, da und schön, so schön zu sein...
und hatte ich nicht geträumt,
alle, sie alle, gehörten mir.
Wie einmal alles möglich gewesen war,
diese langen, langen Nächte,
und ja, ja, ich war da,
konnte ich nicht fühlen,
wie sie sich pressten an mich,
tanzten mit mir,
wie sie mich liebten, wie schön, wie schön ich einmal war,
wie ich an ihrem Begehren wuchs...
dann aber,
Mutter,
erfuhr ich von dir
und ich konnte so schrecklich fühlen,
alles, alles war falsch, falsch,
da war ich, ich hatte kein,
gar kein Recht
so zu sein, wie ich war,
Mutter, ich verstummte und wurde zu diesem kärglichen, kärglichen Mädchen,
das immer allein war, so allein...
aber, aber, Mutter warst du das,
manchmal schien ich zu gleißen wie die Felder,
die Felder meines Grauens,
und immer war mir,
als zöge ich sie hinein,
in meinen grausamen Bann,
als, als nähme ich ihnen alles,
den Atem, das Blut.
Mutter,
manchmal dachte ich:
Mutter, ich sauge ihr Blut, ihren Atem,
und Mutter, einmal, einmal will ich sein,
ach, wie ich dich beschwören will,
weißt du,
einmal will ich gehen zu seinem Haus,
dass nun nördlich der alten Böschung zu stehen scheint,
Mutter, Liebste,
einmal, einmal will ich gehen.
Und heute, heute,
konnte ich nicht noch einmal fühlen den Sog des alten Verführers,
war er nicht dabei,
den Arm zu legen um mich,
flüsterte und flüsterte ich nicht in sein taubes Ohr?
Und, ja, war es nicht wieder ein Nein,
das er sprach?
War es, war es ein Nein?
Wie er sich wand und wand,
mich vertröstete,
später einmal,
nein, dies schien er nicht zu sagen,
das war ich, die alles hören konnte.
Aber, aber, es war alles vorbei,
denn nun warest da du,
Liebster,
von dem ich träumen und träumen musste,
du folgtest ihm nach,
folgtet ihr nicht beide ihr?
Folgtet ihr nicht ihr in diesem Fernsein,
begleitet von meinem endlosen Sehnen,
dem Versuch zu erreichen euch,
einmal, einmal zu sprechen.
Bin ich nicht, muss ich nicht sagen:
Ich, ich bin die Verfolgerin...
Wie ich flüstern und träumen muss,
anklammere mich,
verstöre euch,
denn: Ihr, nicht auch ihr,
ihr sollt und sollt nicht schlafen
und vergessen mich.
Und du Liebster,
ich weiß ja,
niemals schliefest du,
wie ich das liebte an dir,
diese tiefe, tiefe Nacht,
in der wir lebendig waren
und einmal dachte ich, ja ich dachte:
wir, wir besiegen den Tod,
denn, denn,
wir, wir,
wir werden niemals schlafen.
Aber, aber,
es verstrich der 24. August
und noch immer weiß ich nicht,
du, Mutter,
war es der Tag, an dem du sterben musstest.
Ja, ich hörte auch auf zu suchen nach diesem schrecklichen Buch,
in dem ich einmal deinen Namen las und meinen,
Mutter, immer schloss ich die Augen vor deinem Tod,
wie schrecklich ich mich fürchtete,
wie allein, allein ich war...
die gleißenden Felder durchwanderte,
von denen ich dachte, sie nähmen mir den Atem,
wie ich noch einmal sagen muß:
Ist es nicht seltsam, dass ich hinwegatmete alles,
das kühlende Wasser fand,
aber, Mutter,
da war diese schwarze Luft,
der Regen,
der auf mich fiel
und immer stand und stand ich da und wähnte:
Ich, ich werde, einmal werde ich umkehren alles
und leben, einfach leben.
Und Mutter,
in diesem Jahr werde ich kommen zu deinem Grab,
wie ich mich sehne nach dir,
der Birke,
dem Stein, dem zerfurchten Stein,
auf dem dein Name steht.
Und Mutter, ich dachte,
in diesem Jahr will ich dir noch einmal
diese Blumen bringen,
die hoch wachsen, so hoch,
die Blüten belebt von einem geheimen Feuer,
rot, rot.
Ach Mutter, so lange versäumte ich alles,
kam nicht mehr,
ließ dich allein,
und Mutter,
vielleicht, vielleicht,
bist du das, du wartest auf mich.
"Liebste, ob ich wohl noch da bin für dich,
dich,
meine Verfolgerin, die Leierspielerin, die Verführerin, die Nonne...
trat und trat ich nicht nach dir,
wollte ich nicht endlich auslöschen dich,
denn du,
ich ahnte es immer,
du träumtest nicht von mir.
Nebel, Nebel, alles ist eingehüllt
und ja, manchmal, kann ich mich sehen und dich, wie schön du einmal warest,
zu verführen trachtetest mich,
wie jung ich war und alles wollen konnte,
Liebste, du betörtest mich,
versprachest, was keinen Bestand hatte,
und auch ich,
wollte ich nicht vergessen alles,
was war und
noch einmal beginnen?"
"Ach, Liebster,
nun sah ich noch einmal an sie,
die du geliebt,
und ich dachte, ja ich dachte:
Warum sollte ich mich verstecken vor ihr?
Wie steif und eingefroren ihr Lachen,
Liebster,
was soll ich dir sagen:
So, so bin ich nicht...
Stehe ich nicht nackt da vor dir?
Und du kannst nicht ahnen, wie es mich quält,
dass du zurückgegangen bist...
aber auch ich...
ich ging ja nicht, bin noch immer da,
wo ich einmal war...
bin noch immer da,
wo ich sein will nicht, nicht, nicht...
aber, aber,
haben wir noch Zeit?
Wähne ich nicht immer diese unendliche Zeit
und weiß, weiß genau,
Liebster, ich habe keine Zeit.
Wohin wir wohl gehen sollen,
dann,
wenn abgelaufen unsere Zeit...
und Liebster, siehst du das nicht,
mein Nonnenblick,
wie du anklagtest ihn,
aber ist er nicht heiß, so heiß,
verglichen mit ihrem Bild,
und der Elfenbeinturm,
kannst du nicht sehen,
er zerbirst und zerbirst,
Liebster,
so wie sie bin ich nicht,
siehst du,
durch die gleissenden Felder lief ich,
allein, so allein,
und niemals konnte ich einfrieren mein Lächeln wie sie,
kannst du nicht endlich erkennen mich,
meinen Schmerz?
Sah ich nicht lange, lange,
dein gramverzerrtes Angesicht,
wollte ich nicht hoffen,
einmal,
einmal,
bat ich nicht meine Mutter mir ein Zeichen zu senden
aus dem Totenreich,
denn,
Liebster, nichts scheint zu genügen dir,
niemals wieder willst du glauben,
vertrauen mir.
Ach, wie ich dich beschwören will und sagen,
das bist du,
den ich liebe,
und klopft es nicht, mein Herz,
immer und immer,
für dich, nur für dich...
und ja,
das ist sicher, sicher jetzt:
träfe ich unvermutet dich noch einmal...
dieses, dieses Mal
ich wäre so nahe bei dir
und nie mehr sagte ich Nein.
Diese Mal, Liebster,
ich warte und warte,
aber, sei sicher,
ich werde nicht gehen und gehen,
einmal will ich bleiben...
Vielleicht, vielleicht wird einmal geschehen,
wovon wir träumten."
"Aber weißt du das nicht,
kennst du nicht den Grund?
Ich dachte, ich dachte,
Liebste, du, du,
endlich, endlich,
erkenntest mich und alles, alles...
dachte ich nicht dahin und dahin,
konnte aufhören nicht,
und ja,
wollte ich nicht noch einmal, noch einmal
diesen eisigen Blick,
aber, aber,
da warest du,
du verstandest alles,
zu verführen mich,
und immer konnte ich ahnen,
wie alles zerbarst und zerbersten musste,
Liebste, das warest du,
mit der ich durchwanderte...
die gleißenden Felder,
die Felder unserer Angst
und nie mehr will stillstehen ich
und sagen,
es war nicht, nichts war,
denn einmal will ich treffen dich,
und sei es auch das Feld vor meinem Haus,
in dem ich mich verbergen muß,
vor Angst, Angst, Angst."
"Liebster, noch einmal,
das war ich,
die alles erfand.
Und ich weiß und weiß nicht,
ist es wirklich wahr,
dass ich alles erfand?
Bist du wirklich da,
kann ich ahnen dich,
die Worte, die du sprichst?
Niemals, niemals kann ich sicher sein...
ich, die ich alles erfinden will,
was nicht und niemals war.
Wie ich zweifeln und zweifeln muß...
und manchmal so sicher, so sicher bin,
Liebster, das bist du, das bist du...
du zerwirkst und zerwirkst dich
in diesem Gefunden-werden-wollen-nicht...
aber, aber,
da bin auch ich,
ich will und will nicht kommen,
erwarten dich,
denn, Liebster,
ich weiß ja nicht,
bist du noch da für mich?
Wie wir untergehen in den Feldern unserer Angst, Angst, Angst,
wie kärglich, kärglich wir sind.
Liebster, das musst nun du sein,
der noch einmal spricht, wie er gesprochen hat.
Liebster,
du musst mir sagen, dass ich nicht alles erfand,
aber...
denkst du nicht, ich bin tot, so lange schon tot...
und wirst du nicht niemals mehr sprechen wollen zu mir,
wirst du nicht denken,
dass alles erfunden und erlogen war?
September, September,
Liebster, wie lange ich wohl warten muß,
und denke ich nicht schon:
Oktober...
der Monat deines allerletzten Lebenszeichens...
was wird sein, sein,
wenn der Oktober vergeht,
wie alle Monate zuvor vergingen,
leise, leise,
so heiß, so heiß.
In welche Schlucht soll ich mich werfen,
soll ich, soll ich wirklich noch einmal die gleißenden Felder durchlaufen?
Liebster, einmal werde ich, ja ich kann das vor mir sehen,
einmal werde ich liegen vor deinem Haus,
deine Frau und deine Kinder werden finden mich.
Werden sie dich nicht fragen, wer ich bin.
Liebster, was wirst antworten du?
Wirst du nicht sagen: Wie soll ich wissen, wer sie ist...
sie, sie ist mir unbekannt.
Und dann, so sehe ich das,
sie wird mich holen lassen...
ja, wohin sie mich wohl bringen lassen wird?
Ich weiß auch gar nicht, ob ich noch am Leben sein werde.
Wohin sie mich wohl bringen werden?
Werde ich aufhören zu atmen,
denn,
Liebster, auch ich kann das nicht,
unendlich atmen und am Leben sein.
September, September,
lass es nicht Oktober werden,
nie, nie,
denn ahne ich nicht,
du, du wirst mir antworten nicht mehr,
du, du wirst bewohnen dieses Haus,
wo steht es eigentlich,
ist es nun nördlich oder östlich meiner Felder,
und sag mir, regnete es nicht Sterne und Sterne in diesem Jahr?
War es dir nicht möglich
ein einziges, nur ein einziges Mal zu sehen mich,
sahest du nicht die Sterne fallen
in dieser öden, verlassenen Landschaft,
diesen verlorenen, gleissenden Feldern,
Liebster, warum sahest du nie und niemals mehr mich?"
"Du weißt, ich sah dich,
hör auf zu verfolgen mich,
sonst, sonst,
Oktober, November wird sein...
und niemals, niemals werden überdauern wir den kommenden Winter,
Liebste, wir werden nicht.
Alles, was zu sagen war,
wir sprachen,
komm auf die Felder,
aber dieses Mal,
sie werden gleißen nicht,
karg werden sie sein, so karg,
es wird kalt sein, so kalt
und alles, was zu sehen ich vermag,
ist dich...
Liebste, wirst du einmal kommen zu mir,
und ich, weißt du, ich verstummte und ich weiß auch nicht,
werde ich warten können auf dich?"
"Warum, warum nicht, Liebster?
Warum vermeinst du
nicht warten zu können auf mich?
Und weißt du,
die Kälte,
sie schreckt mich nicht...
giere ich nicht danach
die einstmals gleissenden Felder
nun in einem neuen Licht zu sehen,
und ich weiß schon,
es wird ein kaltes, kaltes Licht sein,
blau, blau,
nördlich, nördlich,
ein Ostwind wird wehen,
aber, aber:
wir, werden wir nicht sein südlich von allem,
und ja,
wir werden uns schämen nicht,
nie mehr werden wir uns anheim geben den Worten unserer Verfolger,
die uns schuldig sprachen,
von Sünde sprachen, von Schuld..
aber, aber, Liebster...
willst du noch einmal mich,
die ich ansah dich und nicht mehr atmen konnte,
vermeinte ich nicht zu sterben,
als ich dein Antlitz sah,
dich, Liebster, dich.
Ach, die Zeit, die verstrich,
wie langsam ich war,
denken und denken musste,
zurückholen dein Bild,
das ich immer nur flüchtig gesehen und vertrieben,
alles strich ich hinweg, ich konnte das,
einmal, in einem anderen Leben,
war ich die Enttäuscherin, die Leierspielerin.
Dich, Liebster,
sah ich zu spät,
denn niemals hatte ich bemerkt die Gram in deinem Gesicht...
und sah ich nicht den wilden Verführer, lange, so lange,
bevor ich erkannte dein Gesicht,
das ich niemals angeschaut,
und ja, ich hatte auch niemals zugehört...
ich war,
ich war gerannt und gerannt,
hatte sehen und hören wollen nichts...
es war die Zeit meines langen Nach- und Nachdenkens,
in ihr erkannte ich dich
und bereute alles...
wie klug du gewesen warest...
wie du gesprochen hattest, Worte fandest,
die ich verwarf,
verwerfen musste in dieser lange vergangenen Zeit.
Wirst du noch einmal zu mir kommen in dieser flüchtigen Musik,
von der ich wähnte,
ich hörte sie mit dir?
Und, ja, ist es nicht so,
alles, alles meinte ich zu wähnen...
umso mehr Zeit verstrich,
umso unsicherer wurde ich...
hatte ich geträumt und geträumt...
warest du jemals da für mich...
und Liebster, dann sah ich an dein Bild
und in einer seltsamen, unwirklichen Weise konnte ich deine Stimme hören.
und Liebster, dann erfand und erfand ich dich
und es war mir manchmal ganz egal,
wo du warest,
denn für mich, für mich
musstest du leben,
dir hauchte ich das Leben ein,
für mich, Liebster,
musstest du leben und lebtest,
denn es ist ja wahr,
du lebtest für mich.
Vielleicht auch, vielleicht
konntest du hören mein Zwingen dich und verstummtest,
und da war immer wieder ich, die ich mich fragen musste und fragen,
ob ich wohl alles erfand...
aber: ich hörte dich doch,
weiter und weiter
und musste nicht wähnen ich:
Da warest du und zu erfinden dich,
Liebster, hätte ich das jemals vermocht...
ja, ja, da warest wirklich du,
einmal warest du gewesen
und niemals hatten wir sagen können Adieu.
So sicher meine ich manchmal zu sein:
Niemals hätte ich das vermocht, erfinden alles,
Liebster, da warest auch du,
du suchtest und erfandest mich,
das warest du,
den ich schließlich hören und sehen konnte
in unserer finstersten Nacht,
in den gleissenden Feldern
und immer, immer,
wenn zu fahren ich begann, um umzukehren,
Liebster, das warest du,
du machtest das...
wo du wohl bist,
musst du nicht bedenken mich...
und kannst du nicht einmal senden mir dein Wort...
denn du, in der lange vergangenen Zeit,
das warest du, du hattest keine Angst...
du weiß nicht, wie du mich belebtest,
und weißt du,
so müde, so müde bin ich,
dich zu beschwören und zu erdenken,
denn, denn,
soll nicht einmal sein,
was wir träumten?
Und will ich nicht einmal wirklich alles wissen,
ob das du warest,
der begehrte mich...
ob das ich war,
allein, allein...
Liebster, sprich,
war ich befangen in diesem seltsamen Traum,
oder, oder,
warest da einmal auch du?"
"Ja, ich ging zurück, zurück...
und manchmal muß ich mich fragen...
nach dir, dir,
denn da ist dieser Duft,
Liebste,
ob es wohl deiner war...
du weißt schon,
er betörte mich...
diese seltsame Mischung...
als träfen Süden und Norden sich,
so kalt und so heiß,
und niemals wusste ich, wo ich war,
Liebste, war ich?
...ob wohl noch einmal ich sprechen kann und werde...,
von dir, von dir...
ach, ich fürchte mich...
und ist es nicht so,
du fandest tausend, die anhingen dir...
und ich, ich... war ich noch?"
"Liebster,
wie kannst du zweifeln?
Das warest du, immer und immer nur du...
niemanden sonst vermochte ich zu gebrauchen,
niemanden, niemanden...
du aber, du,
wen du wohl trafest...
mit wem wohl vermischtest du dich,
mit ihr, mit ihr...
die da gewesen war, lange, lange,
bevor es mir gelang zu sehen dich,
sie, zu der zurückgingest du...
ach, kannst du nicht ahnen,
alles ahnen,
wie arm, wie arm ich bin,
wie ich gar nichts mehr kann,
gar nichts...
mit wem wohl sollte vermischen ich mich, träumen
außer dir, Liebster, nur dir,
denn das warest du,
wie ich stammeln muß,
alles verliere, meine Worte, Worte...
denn,
es ist alles, weil einmal, einmal
traf ich dich und niemals wieder
gelang es mir zu träumen,
es sei denn von dir.
Und ich hoffe in der mir verbliebenen,
kärglichen Weise,
- denn weißt du,
wie sollte sicher ich sein -
so sicher wie einstmals,
als du noch sprachest,
bedrängtest mich,
als ich noch schreien konnte:
Nein, nein, nein...
Liebster, wie leise alles ward,
als sei gar nichts, gar nichts mehr
und das bin ich,
ich will und will nicht glauben,
dass alles vorbei,
wieder und wieder schaue ich an dein Bild,
das zerstob,
und hatte ich nicht immer gewusst,
wie werden liegen
auf dem Grunde des Meeres...
warum, warum, Liebster,
gingest auch du mir verloren,
denn, ich weiß ja, ich weiß,
einmal schrie ich Nein und Nein...
und niemals wieder wirst du hören mein Ja, ja, ja.
Und so spreche ich hinein in diese vergangene Zeit,
von der ich lösen mich kann nicht,
niemals, niemals,
wie ich die Leier hassen muß,
die ich einstmals spielte und spielte,
wie hochmütig ich war,
als ich vermeinte, die Zerstörerin zu sein,
die Nein-Sagerin,
wie ich glaubte,
nicht wollen zu können,
wie schrecklich ich war, wie schrecklich,
verborgen, verborgen,
in meiner Kemnate, dem Elfenbeinturm, dem öden Land...
Und so, so verlor ich dich,
Liebster, weiß ich nicht alles,
ich verstörte dich,
Liebster,
ich brachte dich um...
denn nicht ertragen konnte ich...
mein Ja, mein Ja...
Und so sprach ich Nein und Nein,
Liebster, niemals wirst verzeihen du mir,
meinem elenden Stolz,
in dem einmal zu überleben glaubte ich,
diesem Nein, nein, nein,
aber, weißt du,
musst du nicht wissen,
ich scheiterte...
Wie kärglich ich bin,
wie ich mich kauern sehe...
entschließen kann nicht:
Ich, ich werde fahren...
denn:
Nicht wieder und wieder.
Wie mutlos ich bin,
aufgeben kann aber nicht,
nie, nie.
Und wie grausam du bist,
wie schrecklich,
wie du mich verdursten lässt vor deinem Bild,
wie davon du dich machtest,
du, der du immer da gewesen warest,
wie du einmal standest vor mir,
als gingest du nie,
als könne für immer und immer ich dich gebrauchen,
Liebster, wie du es verstandest
zu enttäuschen mich,
mich, die Enttäuscherin,
ich werde es niemals verstehen,
dass ich nun liegen muß vor dir,
nackt, ganz nackt...
auf den gleissenden Feldern,
jenseits der Böschung und der lichten Bäume...
verloren in dieser Zeit, in der ich verlor,
was ich niemals besaß,
denn Liebster:
Ich wähnte nur...
besessen zu haben, immer, ich wähnte nur...
es war nichts und gar nichts gewesen.
Und siehst du nicht, dieser elende Elfenbeinturm,
wie sie ihn bauten um mich herum,
mich zu begraben suchten in ihm?
Das war nicht ich, niemals ich,
die die Kemnate wählte,
aber, aber,
ich war und war in ihr,
und ja,
war es nicht so, oder wähnte ich nur,
ich könne aufbewahren alles,
was ich verlor und niemals verlieren wollte... besessen hatte nicht...
und Liebster, auch dich, auch dich,
nun auch dich...
wie ich zur retten suche dein Bild, als gälte es mein Leben,
denn du, Liebster,
bist die geheime Quelle,
die mich lebendig macht und dursten lässt.
Und Liebster, wenn du nicht kommen willst,
wenn du nicht machst, dass ich kommen kann...
laß mich träumen, erretten dein Bild,
laß mich trinken das kühlende Wasser,
das niemals mir spiegeln will deine Gestalt.
Wie ich schreien will und zurückgehen in die Zeit
vor den toten Tieren,
zurück in die Zeit, als ich wollte und wollte,
ja, ja, ja...
diese Zeit,
vor den toten Tieren,
als zerbarst die Kemnate, mein Elfenbeinturm,
diese Zeit,
in der mir schien, dass alles, alles möglich war...
und liebte ich nicht diese laute, laute Musik,
liebte ich nicht meinen Körper,
war er nicht schön, so schön,
vermochte ich nicht einmal alles...
und hätte ich jemals, damals,
die gleissenden Felder bedacht?
Denn weißt du,
die toten Tiere,
sie existierten nicht...
diese schrecklichen, schrecklichen Bilder meiner Angst...
und Liebster, es war,
als führtest du mich noch einmal in diese lange vergangene Zeit,
die Zeit meiner Schönheit, meines Wollens.
Als du verstummtest,
du weißt schon,
lag ich nicht noch einmal nackt auf den Feldern meines Grauens?
Denn niemals konnte begreifen ich,
dass mein grausames Schicksal sich wiederholt und wiederholt.
Ach, ich weiß ja, mein Erlöser wolltest du nicht und niemals sein,
wie du anschrieest und alles zum Zerbersten brachtest,
denn du, du wolltest nicht.
"Nicht so, niemals so",
sagtest du,
"ich will und will nicht",
so sprachest du,
"die, die alles aufbewahren will".
"Ich", so sprachest du,
"will alles verbrauchen",
und Liebster,
niemals, niemals
sahest du mich,
ich verbarg mich ja auch.
Einmal aber, es verstörte mich,
sahest du in einem Nebensatz mich,
"auch du, einmal träumtest du davon,
alles zu verbrauchen", schriebest du.
Aber, aber,
Liebster, sag mir,
wie nun sollte ich?
Du, der du gegangen bist...
Wie sollte ich?
Verbrauchtest du nun alles
Und niemals wieder,
wie ich ahnen muss,
kann ich finden dich?"
"In der letzten Nacht,
plötzlich, wieder,
vernahm ich deine leise Stimme,
und glaube mir,
ich hasste es,
wie sie sich den Weg zu bahnen schien,
es war, als flüstertest du,
ich aber musste alles verstehen,
konnte meine Ohren verschließen nicht
...dieses Flüstern und Rauschen,
es peinigte mich.
Da war dieser schreckliche, schreckliche Haß,
die Erinnerung an diese grausame Zeit,
in der ich lag vor dir...
diese Zeit, in der du zertratest mich,
geht sie niemals, niemals vorbei?"
"Liebster,
mein Herz klopft und klopft
und nie mehr will ich schlafen,
alles soll sein ein Flüstern und Rauschen,
du hast recht,
ich muß mich berauschen an dir,
dieser lange vergangenen Zeit,
peinigen dich
und ja, ich begreife,
niemals will ich verstehen
deinen furchtbaren Haß
und scheue ich mich nicht zu erkennen,
dass ich das war,
die trat und trat...
denn
ich bin nicht mehr die, die ich einstmals war,
Liebster, du hast mich umgekehrt,
in deinem Gehen kehrtest du mich um.
Und manchmal weiß ich nicht mehr, wer ich war,
war das wirklich ich,
diese kärgliche, kärgliche Person,
die schrie Nein, Nein, Nein,
dir, dir.
Verzeih mir, Liebster,
heute fuhr ich,
ich musste fahren zu ihr.
So lange schon hatte ich nachgedacht.
Ich suchte ihr Grab.
Ich schämte mich,
denn lange musste ich suchen und suchen,
fremde Menschen fragen,
sonst hätte ich sie gefunden nicht.
Da war der blaue Beerenstrauch,
wer wohl hatte ihn gepflanzt?
Er schien emporzuwachsen an dem zerwilderten Stein.
Und ich,
ich hatte Gladiolen und Rosen gebracht...
und Mutter, ich las auf dem zerwilderten Stein
das Datum deines Todes,
dass ich vergessen hatte, immer vergessen wollte,
denn:
es war nicht der 24., es war der 19. August.
Und Mutter, wie jung du warest,
ach Mutter, dein Haar ward nimmer weiß,
gerade fünfundzwanzig Jahre alt warest du,
und ich,
wie ich mich schäme,
auszusprechen das,
fünf Monate,
das war die Zeit,
mehr Zeit hatten wir nicht,
und ja,
selbst diese Zeit,
wir hatten sie nicht,
denn du Mutter,
wie krank du warest,
totkrank,
fern, fern von mir,
Mutter, gab es einmal eine Zeit,
in der wie einander waren,
ach Mutter, es gab sie nicht,
vielleicht, vielleicht... dieses Bild...
da war ich in deinem Arm,
du schautest auf mich,
ich schlief...
Mutter vielleicht,
einmal, so kurz, so kurz
waren wir,
Mutter, Liebste,
wie schön und ruhig dein Grab da liegt,
beschattet von einer großen, fernen Birke...
Und Mutter, auch deshalb fand ich dich nicht,
sie fällten die kleine Birke, die wuchs auf deinem Grab,
Mutter, da war auch meine Tochter,
ich brachte sie mit zu deinem Grab,
und ohne sie,
niemals hätte ich gefunden dich...
und Mutter,
einmal werde ich kommen zu dir,
zu schlafen,
und vielleicht, vielleicht,
werde ich es nicht einmal lieben bei dir zu sein,
zu finden dich,
ach Mutter,
wird nicht einmal die Zeit kommen,
in der verstehen werde ich alles?
Du aber Liebster,
höre,
heute, zum ersten Mal,
flog ein neuer Gedanke mich an,
erfüllt von Haß und Resignation:
Bin ich nicht dabei zu vergessen dich?
Ist die Zeit des Beschwörens nicht vorbei,
erschöpfte ich mich nicht
im Festhaltenwollen deines Bildes?
Wird nicht leise, so leise
verenden,
was laut begann?
Werde ich nicht einfach vergessen dich,
vorübergehen,
als wäre nichts gewesen...
wird nicht verlöschen dein Bild,
und du,
was wohl sein wird,
dann,
wenn ich aufhöre zu sprechen zu dir,
wenn ich dich gar nicht mehr sehen kann,
auch auf dem Meeresgrund nicht,
was wohl sein wird,
wenn aufhört das Murmeln und Rauschen...
Liebster, ob du wohl bedenken kannst,
was sein wird,
wenn alles aufhören muß...
ob du wohl jemals bedachtest dieses:
einmal werde ich nicht mehr da sein für dich,
aufhören wird mein unaufhörliches Sprechen,
in dem du lebendig wardest,
diese Zeit,
in der ich zudachte dir soviel...
und Liebster, weißt du,
ich spüre, dass es kommen wird,
aufhören muß ich
und dieses mal,
ich werde,
denn dein verstummtes Bild,
ich kann es sehen kaum noch, kaum.
Einmal, Liebster,
wirst du untergehen in meinem Hass
und langsam verlöschen
und ich werde gebrauchen können dich nicht mehr,
denn, Liebster,
werde ich nicht sagen:
Ich täuschte mich,
er war nicht,
er war gar nicht da
und ich werde vorbeigehen an ihm,
vielleicht, vielleicht muß ich sterben jetzt,
jetzt,
Liebster ich kann und kann nicht mehr
hinwegsehen...
dieses Schweigen,
dieses Antworten-Nicht,
und weißt du,
dich,
ihren antwortlosen Nachfolger
werde einmal zerstören, verlassen ich,
einmal wirst du sehen,
es ist alles vorbei,
es war nicht.
Und glaube mir,
beschwören dich will und kann ich nicht mehr,
sei es,
du gingest,
sei es,
sei es,
du gingest für immer,
ich kann aufhalten dich nicht mehr.
Einmal wird alles,
was nicht war,
vorbei sein, vorbei
und ich will auch nicht mehr atmen,
irgendwann erübrigt sich,
verwelkt alles,
und ich sehe die Blumen,
die ich brachte,
zerstört, zerstört."
"Ich kann das fühlen, Liebste,
du trittst zurück,
Liebste, du gehst...
Ich kann dein Atmen hören nicht mehr,
dein Bedrängen mich,
deine Hoffnung, dein Lebendigsein,
du bist tot, so tot
für mich
und ich,
habe ich nicht endlich alles verwirkt,
was einmal möglich zu sein schien?
Verlor ich dich nicht,
die ich verlieren wollte?
Tritts du nicht an nun,
zu töten mich,
und Liebste,
ich will ja und will,
träume ich nicht von deinem Hass, Hass,
will ich nicht endlich untergehen,
atmen nicht mehr,
untergehen, untergehen,
sein nicht mehr,
denn Liebste,
weißt du das nicht,
ich kann atmen nicht mehr,
wenn du nicht mehr kommen willst
in die Felder,
die umgeben mein Haus,
Liebste,
ich kann und kann nicht mehr,
willst du nicht noch einmal kommen
und sterben mit mir,
denn leben, wir konnten ja leben nicht,
warum, ach, warum?
Gab es nicht einmal diese Zeit,
da verfolgte, begehrte ich dich,
seltsam belebt von deinem Nonnenblick,
denn ja, er sprach und sprach zu mir,
wenn du schwiegest...
und alles konnte ich hören,
als du mir sprachest dein Nein, Nein, Nein...
Und ist es nicht so, als ich gegangen war,
begannest du zu sprechen, leise, leise...
immer zur gleichen Zeit in der finstersten Nacht...
und ich konnte deine Stimme hören,
es war ein Murmeln und Rauschen,
Liebste, du banntest mich,
Liebste, ich fürchtete mich.
Tausende von Malen war mir,
als riefest du mich...
und ich dachte, ich dachte:
Nein, nein, nein...
Denn:
Sie, die dich ruft in der finstersten Nacht...
sie wird am Morgen nicht erkennen dein Angesicht...
sie wird vorbeigehen an dir,
kalt, so kalt,
als habe es dich nie gegeben...
und ja, ich musste nachdenken und nach,
denn du hörtest nicht auf...
wie lang dein Atem plötzlich war,
warest das wirklich du?
Hallunzinierte ich,
dachte ich mir aus, was nicht war,
sein konnte nicht?
Aber,
je länger ich dich hören konnte,
du verstummtest ja nicht,
du sprachest und sprachest,
leise, leise...
ja, manchmal dachte ich: Ja, das ist sie,
vielleicht ist das wirklich sie,
sie sucht mich,
seltsam, sie sucht mich,
jetzt, jetzt, wo alles vorbei,
zu spät, zu spät.
Denn niemals wieder, Liebste,
werde ich wagen zu sein der,
der ich war.
Liebste, du hast mich umgekehrt.
Liebste das bist nun du,
die einmal kommen muß in die Felder,
mein Atem ist verbraucht,
Liebste, du vereistest mich."
"Heute, heute, Liebster...
war es Zufall?
Ich las von ihr,
wie krank, wie todkrank sie ist,
dann zweifelte ich,
war es sie, wirklich sie, von der ich plötzlich las?
Wie seltsam, seltsam.
dass ich diese Nachricht nun lesen muß,
die du mir nicht gesandt...
und weiß ich nicht, es ist sie...
und langsam, langsam beginne ich zu denken,
an dich und die Kinder,
ach, Liebster,
ich möchte kommen
und einmal, einmal trösten dich.
Kann ich nicht ahnen dein gepeinigtes Gesicht,
deine schreckliche Einsamkeit?
Kann ich nicht einmal kommen,
auslöschen deine Gram?
Begann nicht alles, dereinst,
als du begannest mich zu lieben,
war es nicht sie,
die zu sterben begann?
Liebster,
ich will nichts mehr erfinden,
Liebster,
wir liebten einander so nahe, so nahe am Tod
und sie, sie, opferten wir sie nicht?
War sie nicht der Preis unserer heimlichen,
nächtlichen Zusammenkünfte,
waren das nicht wir,
die auszulöschen trachteten sie?
Liebster, wie ich mich fürchten muß...
und weißt du,
nie wieder will ich sprechen von den gleissenden Feldern.
Liebster,
nun, müssen wir nicht endlich sprechen von ihr?
Wie sie ging, damals ging,
sahen wir nicht alles,
konnten wir nicht sehen ihren schrecklichen Schmerz?
Wir aber,
gingen wir nicht hinweg über alles, alles?
Liebster, ich fürchte mich.
Und denke ich nicht dieses:
Unsere Liebe,
sie war grausam, so grausam,
sie eilte hinweg, hinweg
über sie, sie.
Niemals bedachten wir ihrer,
denn Liebster,
wir waren nahe, so nahe,
einander, dem Tod
und ist es nicht so,
dass wir nun niemals werden finden einander,
Liebster,
bedenke diese Schuld, Schuld,
die aufluden wir.
Darf ich jemals,
im Angesicht ihres andrängenden Todes
lieben dich?
Liebster, darf ich nicht,
egal,
was geschieht,
einmal, einmal
von Liebe sprechen?
Liebster,
die Toten,
sie umringen mich,
sie verschließen meinen Mund,
Liebster, Liebster.
Ach, es war kein gütiger Gott,
der ansah uns,
grausam, so grausam ist sein Angesicht...
aber ist es nicht so,
als ich endlich zu verstehen meinte,
mich abfand,
flüstern wollte:
Vorbei, Vorbei, Vorbei
...war es ein gütiger,
war es ein grausamer Gott,
der lesen mich ließ, was ich las?
Die Nachrichten, die du mir nicht schickst,
sie versiegen nicht...
und lassen sie mich nicht wähnen,
etwas wird sein, sein, sein...
Liebster, das warest du,
immer du,
du giertest nach allem,
gabest nicht auf,
das warest du,
du sprachest:
"Ich weiß, weiß, ich weiß,
etwas wird kommen, wird sein."
Immer und immer sehe ich vor mir:
Sie ging, wankte hinaus,
zusammengebrochen, zerstört.
Wir, Liebster,
war es nicht so,
wir schauten und schauten...
Liebster, wo wir wohl waren?
Ging sie nicht für uns,
aber niemals durften wir
Auskunft geben...
denn, denn,
wie grausam, wie grausam wir waren,
warteten wir nicht,
ersehnten wir nicht ihren Tod?
Und ja, da war dieser Traum,
da lief ich mit dir und deinem Sohn umher,
wir schauten die Tiere an,
die lebendig waren,
sie blickten in unsere Augen...
und ja, ich weiß noch,
wie fröhlich wir waren...
als sei alles richtig und gut
und es war auch gar nicht nur ein Traum,
da warest du,
wie viel du dir einmal wünschen konntest,
es war die Zeit deiner Nachrichten...
es war die Zeit unserer schrecklichen Schuld und Scham,
sie hört nicht auf,
Liebster, sie hört und hört nicht auf...
und in der gestrigen Nacht,
ja, da sah ich ihn, wieder und wieder ihn,
ach, er erinnerte mich,
und erkannte ich nicht noch einmal,
in ihm,
dein gramerfülltes Angesicht?
Trug er nicht diese Jacke?
Trug er deine Züge nicht?
Liebster, warest das du,
den ich erkannte in ihm?
Liebster also,
ahnten wir nicht immer alles:
wie schuldig wir werden mussten...
sag mir, sprich,
waren wir das,
war ich das,
die machte ihren Tod?
Und ist es nicht schändlich,
wie ich wieder beginne zu träumen,
als sei nie gewesen sie,
als sei sie schon tot,
sie lebt ja und kämpft...
und will, will ich nicht hineinspringen in die Bresche,
die ihr nahender Tod nun schlägt,
will ich, ja will ich nicht ihren Tod?
Liebster, wie schrecklich, wie schrecklich ich bin,
wie ich träumen und träumen muß von dir, dir,
...hatte ich nicht aufgegeben einmal...
Warest du das, gütiger Gott,
existierst du,
meintest du mich, willst du,
dass ich einmal, einmal,
egal, was war und gewesen ist,
bin?
Soll ich wirklich einmal treffen ihn?
Willst du nicht sagen, halt, halt,
willst du nicht sagen, dass ich aufhören muß?
Aber kann ich,
kann aufhören ich?
Wird einmal schwinden mir dieses Bild?
Muß ich nicht sehen
vor mir
ihn,
und es ist auch nicht wahr,
auf dem Grunde des Meeres liegt er nicht,
ich kann ihn hören, so laut, so laut,
und sehen kann ich ihn,
immer, immer,
sein gramverzerrtes Angesicht
und einmal, einmal,
werde ich streichen alles hinweg.


163. Alle, denen beilagest du, als ich träumte von dir

Und dumm, bin ich nicht wirklich dumm...
wer wohl, könnte noch einmal übertreffen mich...
wie ich mich betrog,
und sah ich auch alles,
sah ich nicht ihn,
dem du so ähneltest...
und er, ach er,
wie er hinwegging über alle,
die Erregung suchte,
den Augenblick,
wie nichts,
gar nichts Bestand hatte,
wie er umherflog,
zerstörte, zerstörte.
Und weißt du, Geliebter,
mich wirst und wirst zerstören du nicht,
niemals und niemals
und kein einziges mal mich...
einmal werde ich vor dir stehen und
noch einmal sprechen mein
Nein, Nein, Nein
und werde ich nicht hoffen,
das wirst du sein,
der am Boden liegt,
genauso,
wie du einmal lagest vor mir...
und da war nichts außer meinem Nonnenblick,
der mich retten konnte,
denn siehst du, Liebster,
ich kann das,
ich sage dir Nein, nein, nein
und alle, denen beilagest du,
als ich träumte von dir,
verließen sie dich nicht,
oder vielleicht auch warest du das,
der ging, gehen musste,
weiter, weiter, weiter,
mich wirst du haben nicht.
Du weißt schon,
sie berichteten mir...
ich sagte kein einziges Wort.
Ich schaute stolz,
als habe ich niemals gehört von dir,
du,
wer war das?
Ja, sie sahen mich seltsam an,
bemerkte ich nicht, sie beobachteten mich,
stellten Vermutungen an...
Ich aber sprach nicht,
du, das war der,
von dem ich noch niemals gehört.
Dieser furchtbare Haß,
der mich anflog in einem kurzen, kurzen Moment,
Liebster, ich wollte dich töten,
Liebster, sie bemerkten ihn nicht.
Wie schlecht, wie schlecht sie von dir sprachen,
...hätte, hätte ich sagen sollen ein Wort?
Denn es war ja so,
ich dachte schnell, schnell:
das ist er, ich weiß ja, das ist er,
er liegt den Frauen bei,
missbraucht sie,
und hatte ich nicht gehofft, gehofft,
du begannest zu träumen,
zu warten auf mich?
Warest du mir nicht begegnet auf den gleissenden Feldern meiner Angst,
Liebster, wie konntest und konntest fortfahren du,
als sei nichts, gar nichts geschehen?
Wie du es versäumtest zu warten,
wie ich einmal zerstören werde dich,
wie ich will und will.
Werde ich nicht, denn du, du wirst mich ein drittes mal fragen,
nun kommen, anzuschauen mich,
werde ich nicht anfangen zu spielen mit dir,
Liebster, es wird mir eine Freude sein,
ich werde spielen mit dir...
und plötzlich, ganz plötzlich,
werde ich wiederholen mein kaltes, kaltes Nein.
Liebster, dich will ich vor mir am Boden liegen sehen
und lachen, lachen.
Einmal will ich sehen diese Qual,
ich werde, glaube mir, ich werde,
du weißt nicht, wie ich warten kann,
wie schön ich dir erscheinen werde,
wie du kommen musst,
aber nicht so, gar nicht so,
wie einmal es erträumte ich.
Denn, wenn du kommst,
Hoffnung wird nicht mehr sein,
alles wird schon kalt und tot sein,
ich aber, ich werde spielen mit dir,
Liebster, dich will ich verenden sehen,
und glaube mir,
ich werde tanzen auf deinem Grab.
Denn: Das werde nicht ich sein,
das wirst du sein,
der sterben muß,
zertreten von mir,
Liebster, ich werde vereisen dich
und niemals wieder wirst du liegen bei den Frauen,
Ich werde machen deinen Tod,
mich kannst du töten nicht,
niemals werde hinauswanken ich und sterben wie sie,
denn Liebster, ich beherrsche nicht nur den feinen Pinselstrich,
Liebster, ich beherrsche den Nonnenblick,
und weißt du, ich werde dir alles nehmen.
Gleichwohl, manchmal, werde ich ruhig
und dann lache ich,
ich, die ich mich nicht verbrauchte...
mein Turm, ach, mein Elfenbeinturm,
Mutter, manchmal will ich dir danken...
Mutter, ich wuchs so fern der Welt, so fern...
denn, ist es nicht so,
du, die du warest nicht...
Mutter, du machtest mich träumen,
Mutter, wie du es vermochtest mich zu schützen...
und niemals werde ich fallen meinem Missbraucher anheim,
Mutter, das musst du sein,
Mutter, du schützt mich,
und manchmal muß ich denken:
warum ist das so,
dass ich alles weiß und wissen muß,
und ja, sehnte ich mich nicht nach diesem Verbrauchen-Mich.
Mutter, das war er, der davon sprach,
mein schäbiger Betrüger,
irrt er nicht umher und umher?
Und ich weiß ja, das war ich,
ich suchte, beschwor ihn...
Mutter, ich wusste ja nicht,
wie schrecklich, wie schrecklich er war,
wie er umherging,
alles nahm, was ihm vorkam,
Mutter,
ich hatte geträumt,
er meinte mich.
Wer will auch sagen, was er wohl meinte,
getrieben, wie er war,
und ja, suchte ich ihn nicht aus diesem einzigen, einzigen Grund?
Mutter, er war so verloren wie ich
und einmal, einmal musste ich meinen,
er wäre für mich."
"Liebste, ich kann dich sehen,
wie du Abstand nimmst von mir...
meiner verdorbenen Gestalt...
Liebste, wieder musst du alles verdrehen.
Was du wohl geglaubt hast...
Wo ich wohl sein sollte für dich,
dich,
die du nun ankündigst,
ja, ich höre dich,
mich zu töten...
wohin ich wohl gehen hätte sollen,
zu dir doch nicht, Liebste,
niemals zu dir...
und wie du dich flüchtest,
und ja, ich hörte und hörte dich,
es war dieses Flüstern und Rauschen,
Liebste, du, du weißt,
ich wollte und wollte,
und ja,
ich vermischte mich,
wollte ich nicht vergessen alles?
Deinen feinen Pinselstrich,
dein Nein,
diese Kälte, Kälte,
wollte ich sie nicht vergessen einmal?
Und ja, du weißt alles,
ich fand und fand nicht,
denn immer und immer suchte ich
dich, Liebste,
das warest du, die ich suchte.
Du, die Vermischerin,
wie kann es sein,
dass du nun anklagst mich?
Ja, ja, ich vermischte ich,
zur Verfügung stand mir nicht
deine heilige Kemnate,
der Elfenbeinturm nicht,
Liebste, ich vermischte und vermischte mich,
alles, alles suchte aufzubrauchen ich,
aber es war dein, dein Bild,
es trieb mich an,
Liebste, niemals wirst du glauben mir,
einmal wollte und wollte ich."
"Ist es so,
einmal wolltest du?
Liebster,
du wolltest nicht...
Du, du verbrauchtest dich,
nahmest nicht alles, alles du,
was dir sich bot,
Liebster, ich hasse dich
und ersehne ich nicht dieses,
niemals wärest du gewesen,
wie einbrachest du in diese Kammer,
die schreckliche Kammer meines Verlassenseins,
und wähnte ich nicht einmal dich, dich,
da, da.
Wie ich täuschte mich und täuschen wollte,
und wie schrecklich du sprichst...
Liebster, du wolltest nicht warten,
du und die Nonne,
Liebster, wir scheiterten.
Und ja, es ist wahr,
einmal gab es alles,
träumten wir nicht einmal von dem,
was verloren wir...
ach, wie schäbig wir wurden,
du in deinem Warten-können-Nicht,
ich in der Endlosigkeit meiner Erwartung.
Liebster, soll ich noch einmal sagen,
es wird gar nichts bleiben,
Liebster,
will nicht aufhören ich?
Wie schmutzig ich bin und manchmal muß ich glauben,
das war ich, ich verbrauchte mich und wollte mich verbrauchen,
wie ich mich schämen muß,
dir, dir fiel ich anheim,
und muß ich nicht einmal aussprechen alles:
Du betrogest, mißbrauchtest mich,
dir war ich eine unter vielen,
ein dummes Karawanentier
und niemals plantest du zu warten auf mich.
Liebster, wir sprachen die gleiche Sprache nicht.
Du, wolltest du jemals bleiben...
und trotzdem, wie seltsam,
dir hing und hing ich an...
aber...
als sie mir berichteten,
wie du gebrauchtest diese und jene...
...und ja, niemals hattest du versprochen, zu bleiben...
sah ich nicht fallen und fallen mich?
Ach, wie ich täuschte und täuschte mich,
wie viel ich wollte,
wie ich erdache alles,
dich, Liebster, dich,
du warest nicht."
"Aber einmal war ich doch,
wie kannst du auslöschen alles?
Und schmutzig, wovon du wohl sprechen magst, Liebste?
Sprichst du erneut von fernen Erlösern,
und weißt du nicht,
so war ich nie,
ich kam ja nicht aus der Kemnate,
dem Elfenbeinturm...
aber, aber...
liebte ich nicht einmal dich,
meine ferne Geliebte,
die Nein sprach und Nein...
wie deine Worte hallten und hallten in mir,
und sah ich die gleissenden Felder nicht?
Liebste, einmal begegnetest du mir...
und immer konnte ich hören dieses,
das Murmeln und Rauschen,
aber, aber
es genügte mir nicht,
denn niemals warest da du,
niemals wolltest du kommen,
wagen alles,
Liebste, du wolltest mich verfehlen...
und ich, auch ich,
Liebste das warest du,
du gabest das hinein in mich,
ich hatte Angst, solche Angst,
Liebste, ich vermischte mich,
denn wollte ich nicht vergessen
dein Nein, Nein, Nein...
du aber machst daraus mich,
den Missbraucher...
den immer schon gewesenen Missbraucher...
und niemals, Liebste,
willst du sehen mich...
ich suchte dich,
suchte und suchte."
"Ich schaue an dein Bild,
es macht mich noch einmal träumen,
denn, ist es nicht seltsam,
ich vermag und vermag zu sehen den Missbraucher nicht...
Liebster, ich sehe nur dich,
als schautest du mich an...
so fragend und fragend,
so verletzt und hoffnungslos,
dabei auch kalt und kantig,
umhüllt von der Jacke,
du weißt schon,
begannest du sie nicht zu tragen,
einstmals,
als du die Treppen empor ranntest zu mir...
aber, Liebster...du vergaßest alles, alles,
Liebster, du vergaßest mich...
Liebster, du vermischtest dich...
Und weißt du nicht,
ich hasse die,
die vermischen sich...
Liebster, du versäumtest die Böschung,
an der ich stand,
du sahest die Sterne fallen nicht,
du wolltest alles und schnell,
Liebster, du wartetest nicht...
und ja, ich weiß schon,
du dachtest an das zweite und dritte und tausendste Mal,
du gedachtest zu finden mich
irgendwann
auf den gleissenden Feldern,
verbraucht, verbraucht...
So aber, glaube mir,
kann ich nehmen dich nicht, nicht, nicht.
Und kann ich auch immer noch ahnen deinen schmerzlichen Blick,
wie du an und ansiehst mich in der Nacht,
so verbraucht kann nehmen ich dich nicht...
du wirst lachen, wirst hohnlachen du nicht,
wenn ich sagen werde:
Da ist etwas,
das verloren wir,
eine Art von Unschuld,
ein erstes Mal...
und ja, ich schäme mich,
die Nonne zu sein, die ich immer war."
"Du sahest alles richtig,
einmal hüllte ich mich ein in diese Jacke,
mir war, als könne gefallen sie dir,
Liebste, Liebste,
wie ich träumen muß von deinem Angesicht,
deinen Augen,
spiegelte ich mich nicht in ihnen,
deiner Schönheit,
die fern war, so fern...
denn niemals und kein einziges Mal gabest zu verstehen du mir,
dass ich da bin und bin...
Liebste, du tratest mich,
ich war nicht...
und Unschuld?
Was du wohl meinen magst?
Wir waren unschuldig nicht...
Nur schuldig konnten wie begegnen einander...
und ich weiß,
wie schuldig nun du mich zu sprechen gedenkst,
mich, den Gebraucher, Missbraucher,
aber Liebste,
ich konnte nicht mehr warten diese unendliche Zeit,
Liebste,
ich vermochte es nicht.
Dieses Bild, dieses Bild,
das mich verfolgt,
ist es nicht deines?
Ist es nicht das Bild deines Fliehens?
Und jene,
mit denen vermischte ich mich,
ja, ja, es waren viele,
erinnerten sie mich nicht an dich?
War nicht immer dieses Flüstern und Raunen,
und niemals wusste ich,
warest das du,
warest das wirklich du?
Liebste, das warest du,
du zertratest mich...
unschuldig, wie du zu meinen scheinst...
Liebste, bedenke,
das warest du, du zertratest, zermartetest
mich...
und wieder und wieder versprachest du,
was zu halten dir nicht gelang,
denn niemals, Liebste,
betratest du die Felder vor meinem Haus...
da war diese Angst, Angst, Angst...
Liebste,
du wurdest die Zeugin meines Bestehen-könnens-Nicht,
die Zeugin meines Untergangs,
meines Vermischens-Sich.
Liebste,
wie hätte bestehen sollen ich,
ich konnte und konnte nicht aufheben mich...
da war diese Erregung,
diese schreckliche Erregung...
ich konnte aufheben mich nicht...
auch für dich nicht,
die bedachte und bedachte ich.
Denn niemals gingest verloren du mir,
da ist etwas,
das wirst du niemals verstehen,
immer, immer warest du da,
Liebste, das warest du,
ich vermischte mich mit dir."
"Liebster, Liebster, es ist alles vorbei,
was wir einmal wünschten,
verwirkten wir.
Wie schuldig wir wurden.
Es gibt auch kein Zurück.
Laß uns einmal sagen,
dass wir scheiterten,
dass,
was wir wünschten und ersehnten
verloren ging,
verloren gehen musste,
denn:
wir verkannten uns,
suchten zu überleben
in diesem Murmeln und Rauschen,
aber,
es genügte nicht...
in diesem,
dem Murmeln und Rauschen
lauerte der Tod.
Und das war ja auch ich,
niemals wollte ich sterben,
auch auf den gleissenden Feldern nicht,
und du sagtest es richtig:
Ich kam nicht...
Und kam ich auch tausend mal in der Nacht
und zersprang und zersprang,
und ja, wie du das sehen kannst,
in allem, was wir taten,
wir vermischten uns,
suchten einander,
immer, immer...
gab es denn etwas sonst auf der Welt?
Und will ich nicht sagen: Nein,
und weiß ich nicht:
Ja, denn wir mieden uns und träumten und träumten,
vermischten und vermischten uns,
beschmutzten uns...
ich weiß schon,
wirst du nicht noch einmal sagen,
dass ich das bin,
die Nonne,
die Bewohnerin des Elfenbeinturms,
die von Unschuld,
einem ersten Mal nicht aufhören kann zu sprechen...
aber Liebster,
ich kann nicht leben,
überleben nicht
in der Welt des Sich-Vermischens,
Liebster, ich kann nicht,
ich muß träumen und träumen,
von diesem ersten und einzigen Mal,
das wir verfehlten, versäumten,
und schließlich,
war es nicht so,
wir überlebten nur kärglich?
Und wollen wir nicht immer wieder vergessen sie,
sie, die zu sterben nun scheint,
Liebster, was du wohl denken magst über deine Frau?
Waren wir das,
töteten wir sie,
gaben wir diese Krankheit hinein in sie,
damals, als schuldig alles begann?
Und ich,
eine von tausenden, tausenden
muß schuldig sprechen mich,
denn es war,
was war,
Liebster, das waren wir,
die hinauswanken ließen sie,
und ich weiß ja auch nicht die anderen,
die anderen Frauen,
die du nutzest zu kränken, zu stürzen sie,
denn ich erfuhr...
sie war, einmal war sie...
schön und mächtig,
Liebster, wie du sie stürztest...
wie mich, wie mich,
aber, aber,
da war meine Mutter,
sie rettete mich,
gab mir den Nonnenblick...
und niemals wirst du zerstören mich...
Mutter, du gabest mir das Nein.
Der ferne Zerstörer,
diese leise, leise Musik,
die ich hörte vor einem Jahr...
Oktober, Oktober wird sein,
ich hielt mein Ohr hinein
in die feuchte, kalte Luft,
Nebelschwaden umschwirrten mich,
Liebster, ich war blind,
plötzlich war ich blind,
und hoffte ich nicht?
Hoffte zu sehen ich nicht?
Hoffte zu sehen ich nicht dich,
denn ertragen konnte ich nicht
den Nebel,
er umschwirrte mich,
Liebster,
du musst mich noch einmal machen.
Liebster, du wirst nicht."
"Aber: wie sollte überstehen ich alles...
war ich nicht gegangen, kehrte ich nicht zurück...
und Liebste, wie sollte jemals bestehen ich
ohne dein Bild, dein unablässiges Bild,
Liebste du tröstest mich,
Liebste, du machtest mich träumen,
ich versank in diesem Murmel und Rauschen,
tausendfach,
und,
wäre ich nicht schon lange gestorben,
ohne dein Bild, dein Bild.
Sah ich die Schönheit, die ferne Schönheit deines Antlitzes nicht
wieder und wieder
und träumte ich mich nicht nahe der Böschung,
du, du warest so nahe bei mir,
weißt du,
es brach ja alles zusammen,
ich war gar nicht mehr,
wärest, wärest du nicht gewesen
einmal...
und es war auch nichts mehr,
wie es gewesen war,
auch ich, ich ging unter,
sah ich die gleißenden Felder nicht,
Liebste,
ich habe aufgehört zu vermischen mich...
denn,
meine Frau, sie wird sterben."
"Liebster, auch jetzt nicht,
bin ich bei dir.
Aber ich will ja und will.
Und manchmal, manchmal erscheinen mir die,
mit denen vermischtest du dich
in einem Nebelland.
Und dass sie sterben muß,
ach, ich will es vergessen,
und dann schaue ich dich an in der Nacht,
und dann weiß ich,
er, der Vermischer und Missbraucher,
es war er,
von ihm musste ich träumen.
Und ging er nicht über Leichen
wie ich?
Tötete er nicht?
Glich er nicht mir,
der Auslöscherin,
denn Mutter,
war es nicht dein Herz,
das auslöschte ich?
Brachte zum Stillstand ich nicht alles, alles,
was du träumen konntest?
Und hattest selbst du einmal
von mir, von mir geträumt,
Mutter ich tötete dich,
Mutter das war ich,
ich brauchte auf die dir verbliebene Kraft,
Mutter, ich war zuviel.
Schon als ich zu wachsen begann,
Mutter, ich war zuviel, zuviel,
Mutter, ich verbrauchte dein Leben, deine Kraft
und alles, was du gewollt,
wovon du geträumt haben magst,
ach ja, auch von mir,
Mutter, ich tötete dich.
Du weißt ja,
sie hoben mich heraus aus dir,
das war nicht ich, die kam,
Mutter, ich war das nicht,
Mutter, ich wollte nicht,
Mutter, ich wollte,
dass du leben kannst...
aber, aber,
manchmal muß ich träumen und träumen...
Mutter,
da waren so viele
vor uns...
Mutter, wir vermochten nichts...
wir konnten bestehen nicht.
Wie sie alle starben,
zu überleben vermochten nicht den nächsten,
ihr Kind,
wie sie sterben und sterben mussten.
Ich aber, Mutter,
starb nicht,
Mutter, ich überlebte
und empfing ein einziges Kind,
ein einziges nur,
Mutter, wie das ängstigt mich...
Mutter, ich kann nicht leben ohne dieses Kind,
ach, es bedrängt und bedrängt mich,
Mutter, wie sollte leben dieses einzige, einsame Kind?
Und Mutter, wie ich fliehen will,
dem Missbraucher anhängen mich
und neu, neu beginnen,
Mutter, ich will nicht mehr, was war,
Mutter,
es erstickt mich das Sterben und Sterben.
Ach, Liebster,
Missbraucher,
wie schrecklich ich träumen musste von dir,
die gleißenden Felder sah,
hinrannte und zurück,
nirgends mehr bleiben konnte,
wie du beilagest den Frauen,
als ich träumte von dir,
mich verbrauchen wollte nicht,
niemals dieses,
mich verbrauchen nicht, nicht...
und so versäumte ich dieses,
denn niemals lag ich bei dir,
immer und immer träumte ich
und konnte vermischen mich nicht mit dir.
Wo du wohl sein magst jetzt,
gerade jetzt,
gibt es da etwas,
was zu bereuen wäre?
Könnte, ja könnte ich,
könnte ich nicht immer noch und noch...
finden dich...
ob ich wohl will...
Liebster, so will ich nicht,
dir beiwohnen einmal, ein einziges mal,
das will ich nicht...
auch zweimal nicht,
Liebster,
ich will nicht.
Denn weißt du, ich, die Nonne,
kann meine Kemnate verlassen nicht
für einen,
der beiliegt den Frauen,
wenn ich träume von ihm.
Ich ahne ja,
ich versäumte so viel,
ich war nicht da,
ich hatte Angst, Angst, Angst...
aber weißt du, selbst wenn...
hätten getroffen wir uns
auf den Feldern, die gleißten...
selbst dann, selbst dann,
Liebster...
führest nicht fort du beizuliegen den Frauen?"
"Ach, Liebste,
ich bin müde, so müde...
und was einmal gewesen wäre,
ich weiß es nicht,
denn du,
du kamest ja nicht,
du wolltest nicht das erste, allererste mal,
du verbargest dich,
-und für immer,
dies zu versprechen,
hätte es nicht bedurft eines,
eines einzigen Males?
Ja, ich also
lag den Frauen bei,
als du träumtest von mir...
Ich, nein, ich vergaß dich nicht,
das warest du,
du vermochtest das,
mich anzutreiben, zu vermischen mich,
Liebste, meine Augen waren blind, blind, blind.
Und sag mir einmal, ein einziges Mal,
warum, warum?
Soviel, soviel,
was sein hätte können,
ich aber, ich aber,
so nanntest du das,
ich lag den Frauen bei...
die, Liebste, ich meinte nicht,
und immer willst du vergessen alles,
das war ich, ich allein,
der begann dich zu begehren...
ohne Echo, ohne Echo.
Und ich kann und kann nicht fortfahren,
wer sagt,
dass ich noch lebe?
Wie kannst du glauben,
dass ich alles überleben kann,
Liebste, ich kann nicht.
Wie eingesponnen du bist,
wie fern, wie fern,
wo du wohl sein magst, heute, in diesem Augenblick?
Und weiß ich nicht,
für mich bist du nicht da,
du, die Neinsagerin,
niemals, niemals wolltest du das Ja,
Liebste, du träumtest,
nicht von mir, von mir."
"Liebster,
nur von dir,
von niemandem sonst konnte träumen ich,
und es ist auch wirklich und wirklich wahr,
Liebster,
der du wolltest nicht,
du erlöstest mich...
denn konnte ich nicht plötzlich atmen...
tief, tief und stark,
und enttäuschtest du mich auch und gingest,
lagest den Frauen bei,
du vermochtest es zu machen mich neu und neu,
Liebster,
du machtest mich die gleissenden Felder sehen,
die ich vergessen hatte,
lange, lange,
das warest du,
du führtest mich zurück zu allem,
was lebendig war.
Ach, und wie ich mich fürchte und fürchte,
denn weiß ich nicht,
alles, alles werde ich verlieren müssen,
wenn schwindet mir dein Bild?
Liebster, Enttäuscher,
du hast mich umgedreht
und ich will und will,
dass etwas bleibt,
dein Antlitz,
deine Gestalt,
dein Körper
deine Gram,
dein Zermartertsein,
diese furchtbare Erregung...
und kann ich nicht plötzlich sehen dich,
Liebster, Missbraucher,
wie du einmal warest,
lachtest du nicht mit mir,
wie noch keiner mit mir gelacht,
Liebster, spieltest du nicht mit mir,
so leicht, so leicht,
fingest du mich nicht ein und ein
und sprachest du nicht
einmal
von dem,
was sein und bleiben könnte,
mir, selbst mir,
der Leierspielerin, der Nonne?
Liebster, wie hast du das gemacht?
Wie vermochtest du es Leben einzuhauchen mir, mir,
der alten, vergessenen Nonne,
die hauste in ihrem Elfenturm und sicher war:
Es wird gar nichts bleiben.
Liebster, du verstehst das nicht,
ich träumte nicht,
Liebster, Enttäuscher,
einmal sah ich dich,
einmal begannen wir erneut,
ach Geliebter, sag mir noch einmal,
dass war, was war.
Liebster, Vermischer,
in deinem Vermischen dich,
wir verloren.
Und ich, mich hättest sehen sollen du,
als vermischtest du dich?
Liebster, Missbraucher,
ich, ich war gar nicht mehr da...
ich will und will dir nicht glauben,
glauben nicht an dieses schäbige, schäbige Bild von mir,
denn es war gar kein Bild mehr,
es war so klein, so unsichtbar,
Liebster, du löschtest mich aus.
Als du beiwohntest den Frauen,
Liebster, du löschtest mich aus.
Denn weißt du, das geht nicht:
Sich vermischen mit den Frauen und träumen von mir.
Enttäuscher, du belügst dich.
Und wie du einmal sprachest,
mir, der Nein-Sagerin,
ich will auch nicht mehr liegen auf dem Grunde des Meeres,
das Murmeln und Rauschen hören nicht mehr.
Liebster, das warest nun du,
du sprachest mir Nein in deinem Vermischen dich.
Und also,
wir können vermischen uns nicht,
sprachen nicht beide wir unser Nein, unser großes Nein?
Und träumten wir nicht beide von der Unhörbarkeit dieses Nein?
Wie wir es liebten,
uns zu betrügen und weiter und weiter zu träumen,
ich in meinem Elfenturm,
du, der du beilagest den Frauen.
Und sprachen wir nicht beide unser schreckliches, schreckliches Nein?
Liebster, es scheint, wir wollten nicht
und sprachen Nein, Nein, Nein."
"Aber Liebste, Verdreherin,
hast du aufgehört zu hören das "Ja"?
Bist du nicht besessen von diesem schrecklichen "Nein"?
Liebste, Entäuscherin,
wie ich beschwören will dich,
beschworest nicht einmal du mich?
Liebste, Umdreherin,
warum soll nicht sein, was war?
Einmal begehrte ich dich,
und lag ich auch bei,
so liebst zu beschreiben du es,
den Frauen,
Liebste, Liebste,
einmal wollte ich dich, nur dich,
und ja, damals, damals,
...ich versäumte dich,
konnte nicht warten,
warten nicht...
aber es war ja alles nichts,
gar nichts war,
denen ich beilag,
sie trösteten mich nicht,
denen ich beilag, sie schienen den Weg mir zu führen,
zu dir, Geliebte, zu dir,
denn das bist nicht nur du,
die es vermag zu träumen...
ich, ich kann träumen,
beiliegend den Frauen,
träumte ich nicht, sie trösteten mich,
träumte ich nicht, du, Geliebte,
kämest einmal, ein einziges Mal...
und willst du nicht dieses allein,
mich träumen machen,
vermischen dich aber nicht,
nicht wirklich werden,
ja, liebst du es nicht zu sein
diese Nebelgestalt.
Dein schrecklicher, schrecklicher Elfenturm,
niemals gedachtest du zu verlassen ihn.
Ich aber, schmutzig,
wie du sprichst,
mich vermischend,
wartete ich nicht auf die Elfe,
die Nonne,
die sich verbarg, verbarg,
und konnte ich sie nicht immer, immer sehen?
Liebste, das warest du,
immer sah ich dich,
Liebste, du wolltest vermischen dich."
"Wo du auch bist, Geliebter,
muß ich nicht stehen und stehen nun
auf den Feldern, die gleißen,
werde ich jemals verlassen können sie.
Wie recht du hast,
das warest du, mit dir wollte vermischen ich mich,
mit dir, Betrüger, Missbraucher,
konnte alles ich erträumen,
warum nur, warum nur, mit dir, mit dir?
Wußte ich von Anbeginn du,
du, du würdest warten nicht?
War ich nicht sicher, du, du,
gingest schnell, sehr schnell,
und niemals würdest warten du auf mich, auf mich,
Liebster, Enttäuscher,
auf einen wie dich musste warten ich.
Auf dein schäbiges zweite Mal,
wie ich anhing allem,
was du sprachest, einmal,
wie anklammerte ich mich.
Ach, wie ich schämte mich,
als ich fand, finden musste:
du, du lagest den Frauen bei...
denn weißt du,
ich hatte tief geträumt,
Liebster, es mag wohl sein,
das warst gar nicht mehr du,
von dem ich träumen musste,
Liebster, ich träumte dich tief hinein in den Elfenturm,
ach, du gehörtest mir,
mit dir war ich und war,
wie ich plötzlich lachen konnte,
alles verlachte,
denn damals wähnte ich dich,
der du kommen würdest,
unaufhaltsam kommen würdest,
dich zu vermischen mit mir.
Aber, aber, du gingest und fandest die Frauen,
Liebster, Vermischer,
ich begehrte dich,
deinen Körper, dein Angesicht und ich war sicher dich zu sehen
auf den gleißenden Felder, einmal, ein zweites Mal.
Was soll ich noch sagen,
alles verschwimmt,
du, sie,
Liebster, ich will sterben nicht.
Darf ich noch einmal bitten dich,
zu kommen zu mir,
in die eisige Luft,
die die gleissenden Felder umschwirrt,
darf ich noch einmal bitten dich,
ich weiß ja, deine Frau,
sie wird sterben.
Und fragte ich mich nicht:
Stirbt sie nicht an der Krankheit meiner Mutter,
wird und muß sie nicht sterben wie sie?
Liebster, war ich das, setzte an zu töten ich sie?
Ach, Liebster, noch einmal alles will ich nicht
und sehe ich mich nicht laufen und rennen,
Liebster, Vermischer, Enttäuscher, Missbraucher,
es steht mir nicht zu,
ich habe alles verwirkt
und noch einmal wirst finden du mich nicht,
ach, wie ich mich sehen muß,
Gelieber, alles zerwirkte ich
und darf dich nicht mehr rufen,
ich, die Töterin,
muß ruhig sein, ganz ruhig.
Dann ging ich, am Abend,
ganz allein,
unter fremde, fremde Menschen.
Ich fürchtete mich,
ich wollte und wollte nicht,
Liebster, wie ich mich zwingen kann,
Liebster, ich haßte es zu gehen dahin,
wollte ich nicht vergraben mich in meinem einsamen Zimmer,
aber ich ging,
denn da war sie,
die zu sehen ich hoffte und ich musste grübeln und grübeln:
Erkennte sie mich?
Es war so heiß, ich konnte nicht mehr atmen,
Liebster, da dachte ich an dich,
wie du mich lächeln machen kannst,
sicher, so sicher.
Und dann stand ich auf,
lange hatte ich nachgedacht:
woher wohl sollte die Kraft ich nehmen,
allein, allein,
aber, ich ging,
sprach mit ihr...
ach, ich liebte es, zu sprechen mit ihr...
und ich dachte: alles sehen uns an,
sehen alle nicht nun, sie, sie spricht mit mir.
Sagte sie nicht, dass ich sein darf?
Beschwor sie mich nicht zu bleiben,
als ich vor ihr stand in meinem russischen Mantel?
Ich aber, Liebster,
enteilte schnell,
meine Kraft,
sie war aufgebraucht
und zweifelte ich nicht,
dass sie mich würde tragen können weiter und weiter,
zweifelte ich nicht,
denn, Liebster,
ich war so allein,
auch vor ihr, die mich ansah und lieben wollte,
da war diese Angst, Angst, Angst...
denn da waren alle, die anderen,
ich fürchtete sie,
ich fürchtete ihre Macht
mich einsam zu machen...
und mir war, als stünde ich, gelänge es mir nicht zu fliehen...
plötzlich allein in der Ecke des Raumes.


164. Mein Vater, der Häuserbauer, baute nicht mehr, Mutter, du fehltest so schrecklich (Oktober 2009)

Und weißt du, die Zeit meines Nachdenkens,
erneut bricht sie an,
Oktober, Oktober...
nun könnte und könnte ich fahren,
niemand hielte mich auf,
Liebster, ich könnte einfach fahren zu dir,
niemand, niemand wird fragen nach mir und wissen wollen,
wo ich bin und war.
Und erneut studierte ich Pläne,
verwirrte mich, wusste nicht mehr, wo ich einmal gewesen war,
wo du nun bist,
Norden, Süden, Osten und Westen vermischten sich...
Und nur eines weiß ich nun gewiss:
Die gleißenden Felder sie sind nördlich,
nicht südlich, wie ich wähnte,
von dir.
Liebster, du musst also einmal nach Norden laufen,
hinein in die Felder,
Liebster, gibt es sie noch?
Sind sie nicht lange bebaut,
existieren sie noch?
Wie wichtig mir das ist,
ja, einmal muß ich wirklich fahren,
ich muß die Felder sehen,
was aus ihnen ward,
und die Böschung, die alte Böschung,
ich fand sie nicht,
einmal will ich stehen da und beginnen zu laufen,
wie ich es einmal tat,
gen Norden,
wo die toten Tiere lagen,
ganz allein und weißt du,
auch auf dich werde warten ich nicht,
ich will dich gar nicht sehen,
unbemerkt will ich laufen den alten Weg,
mein Haus noch einmal sehen.
Ich habe Angst,
mich zu verirren,
nicht zu wissen wo ich bin,
und ja, nun, da Oktober ist,
die Felder werden gleissen nicht,
den Weg mir weisen nicht,
ich sehe alles vor mir:
es wird kalt sein, sehr, sehr kalt,
der Himmel grau und
ich werde schreien wollen vor Wut und Vergeblichkeit,
aber noch einmal ein Jahr,
Liebster, ich kann warten nicht mehr,
ich werde kommen müssen in der Dunkelheit,
und auch meinen Mann, der alle Wege kennt,
ihn werde mitnehmen ich nicht...
und weißt du, wie ich manchmal mit dem Gedanken spiele,
er, käme er mit, alles fände ich, alles,
du ahnst nicht wie gut er ist im Finden,
wie sicher, wie sicher er mich machen kann,
Liebster, du ahnst es nicht,
wie verloren ohne ihn ich bin,
wie ich anhänge ihm,
der die Wege kennt,
die ich in meiner Verwirrtheit vergaß,
aber, nein, ich weiß es ja,
es geht nicht,
mit ihm fahren kann und will ich nicht,
denn:
fände er auch alles, er verstünde nicht,
Liebster, das bist du,
von dem ich träumte, du verstündest alles,
aber Liebster,
wirst du einmal gen Norden nun wandern,
mir berichten von den gleißenden Feldern,
existieren sie noch?
Sind sie bebaut,
ach, ich fürchte mich,
niemals werde den Weg finden ich
von der Böschung zu meinem alten Haus.
Liebster, steht es noch?
Rissen sie es ab?
Weißt du, mein Vater baute es,
einstmals.
Ach, mein Vater,
der die Häuser baute,
in denen wir bleiben konnten nicht,
wie umher wir zogen,
von Haus zu Haus,
alle hatte er gebaut,
nirgends konnten bleiben wir,
fort und fort wandern mussten wir,
mein Vater konnte nirgends bleiben
und niemals baute er ein Haus,
das uns blieb.
Mein Vater, der Häuserbauer
wollte kein Haus,
mein Vater verkaufte die Häuser,
die er gebaut,
zum Bleiben war keines.
Und er warf uns hinein in dieses
Nicht-bleiben-Können,
Liebster, nirgends wollte bleiben er,
Liebster, mein Vater warf mich auf die gleißenden Felder,
dort suchte ich sie,
denn es gab wirklich niemanden außer ihr,
der zu finden war,
und mein Vater,
wie ich rätseln musste, hatte er vergessen sie,
oder aber war sie das, die ihn antrieb,
warst du das, Mutter,
das alte Haus, das er einmal mit dir erträumt,
warst du das Mutter,
die meinen Vater machte,
der nirgends bleiben konnte,
meinen Vater,
der die Häuser verkaufte,
wir wohnten ja noch dort...
mein Vater,
weißt du Mutter,
vielleicht konnte er nicht aufhören zu träumen von dir?
Ach, ich schäme mich,
geschah alles, weil ich da war,
du aber nicht, Mutter?
Wie umher er rannte, mein Vater, träumte und träumte...
wie wohl alles gewesen wäre... hättest du überlebt...
hätten wir gelebt in dem einstmals erträumten Haus,
das, wie alle, schnell verkauft war, verkauft,
ach, Mutter,
mein Vater, manchmal scheint mit,
er suchte und suchte dich
und niemals stand er auf nach deinem Tod.
Mutter, mein Vater suchte dich,
Mutter, Liebste,
wie wir versanken ohne dich,
die gleißenden Felder sahen,
verbrannten,
seltsam überlebten,
Mutter, das warest du,
du fehltest so schrecklich
und ohne dich vermochten glücklich zu sein wir nicht.
Ach, Mutter, mein Vater,
wie ich plötzlich sehe und sehen kann,
wie verloren er war,
Mutter, du fehltest,
du fehltest so schrecklich,
und so scheint es,
es gab auch niemanden zu ersetzen dich,
Mutter, du fehltest,
Mutter, wir verloren uns,
wie wir uns schämten,
zu bestehen trachteten,
ach, mein Vater, er schämte sich,
wie er mich ansah,
als wäre ich nicht,
Mutter, wie hätte ich überleben können ohne dich?
Mutter, mein Vater, er verlor mich und dich und sich,
Mutter, mein Vater, der Häuserbauer,
wollte bauen nicht mehr,
und ich weiß, ich weiß ja,
wie gehasst du es hättest,
unser Ziehen umher und umher,
Mutter, das warest du,
du hättest Nein gesagt,
das warest du,
du hättest aufhalten können ihn,
meinen Vater, der die Häuser baute und verlor
und du, Mutter, ich weiß es so sicher,
du hättest aufgehalten ihn,
Nein, hättest du gesagt,
aber Mutter, du warest nicht mehr,
Mutter, du fehltest,
Mutter wir verirrten uns,
hinein in die unermessliche Anzahl von Häusern,
die gehörten uns nicht,
die Kinder, die kamen,
und ich und er, ganz allein,
denn ein Haus,
wir fanden es nicht,
Mutter, wir verloren uns.
Mutter, wir suchten dich,
immer, immer,
ach, Mutter,
du fehltest so schrecklich...
und alles, was kam... es tröstete nicht,
Mutter, es gab gar nichts, was uns trösten konnte über deinen Tod,
Mutter, wir irrten und irrten umher,
zogen um und um,
Mutter, wir suchten dich,
Mutter, du solltest kommen und sagen Nein...
Ach, Mutter, wie wir dich schlafen lassen nicht,
wie wir wollen und wollen,
ach Mutter, einmal will auch ich still sein und still,
einmal Mutter, von der ich träumen musste und musste,
will ich sagen: Mutter, du darfst schlafen,
sorgen dich nicht,
ach, Mutter, wie anhänge ich dir,
wie verloren ich bin, die ich dich verlor.
Und Mutter, ich will und will noch einmal gehen dahin,
wo die gleißenden Felder waren,
sehen will ich, was blieb,
Mutter, ich habe solche Angst...
Ich will zurückgehen in die Zeit,
da sie berichteten mir von dir...
die Zeit, in der ich sterben wollte,
Mutter, als sie erzählten mir von dir,
deinem Tod,
ich wollte leben nicht mehr,
Mutter, ich schämte mich.
So nackt,
so beraubt,
so einsam und fremd,
Mutter, ich wollte sterben...
und weißt du, er, mein ferner Missbraucher...
er lebt nun dort, in dieser Landschaft, wo ich einstmals war,
in einem der Häuser meines Vaters,
südlich, Mutter, südlich lebt er,
und sagte ich ihm nicht,
nun müsse er nördlich, nördlich laufen,
die gleißenden Felder zu sehen,
die toten Tiere,
aber weißt du,
vielleicht,
alles ist nicht mehr, wie es war
und ich,
ich träume und träume
und aufhören kann ich nicht...
als müsste ich in ihm,
seinem Dasein
noch einmal sehen dich...
und ich ging ja auch dahin,
wo das Haus stand,
dass mein Vater plante zu bauen für dich...
Mutter, er baute es,
wir lebten darin,
länger als in allen Häusern, die folgten,
aber Mutter,
wir konnten nicht bleiben...
denn mein Vater, er zeugte und zeugte Kinder,
Mutter, wollte er auslöschen dich und mich?
Ach, bleiben konnten wir nicht,
es war furchtbar, furchtbar,
wir gingen und gingen,
niemals sprachen wir,
kein einziges Wort,
Mutter, aber es war so,
mein Vater sah mich an und an,
Mutter, träumte ich?
Was er wohl sah,
warst das nicht du,
die du gegangen warst,
Mutter, ich war immer, immer nur du,
und meinen Vater zu trösten,
ich vermochte es nicht,
mein Vater ging fort und fort,
ich konnte aufhalten ihn nicht,
Mutter, du fehltest so schrecklich...
und all die Kinder, die kamen,
Mutter, er sah sie nicht mehr...
erinnerte nicht das Datum ihrer Geburt...
Mutter, mein Vater, er verirrte sich,
er war allein, so allein,
Mutter, er machte mich träumen...
aber, aber, ich war ja nicht du,
ihn zu trösten vermochte ich kärglich,
manchmal, selten, sehr selten...
Mutter, ich empfand so stark, wie er dich suchte in mir.
Dann stand ich still, totenstill,
Mutter, wie ich davon träumte, ihn zu trösten,
und niemals gelang es mir,
denn mein Vater,
der Häuserbauer,
wollte kein Haus, kein Haus mehr,
und sprach er mir nicht davon,
wie er leben wollte:
Ohne Haus, ohne Haus, nie mehr ein Haus,
ein Wagen vielleicht, umherzufahren, umherzufahren.
Er, der Häuserbauer,
wollte bauen nicht mehr,
Mutter, ohne dich wollte er bleiben nicht mehr.
Und Mutter, verstehst du das,
ich muß die gleißenden Felder suchen und suchen,
erneut, erneut,
Mutter, ohne dich kann ich leben nicht,
mein Vater, der Häuserbauer verirrte sich,
zeugte und zeugte Kinder,
Mutter, er wusste nicht mehr, wo er war,
ohne dich, ohne dich,
Mutter, Arme, wie ich dich suchen und suchen muß,
Mutter, wie verloren wir uns...
Damals, einmal, ich baute mit ihm,
du weißt schon,
dieses Haus,
es war für dich...
wir mischten den Zement...
Mutter, ich trug seine Kappe,
Mutter, ich baute, damals bauten wir,
Mutter, träumten wir von dir,
Mutter, durften wir das...
und dann, damals, als wir bauten...
mein Vater, er drohte zu sterben,
plötzlich,
er fuhr schnell, sehr schnell
und auf der Straße fragten mich die Kinder:
"Dein Vater, ist es so, dein Vater ist tot?"
Ich antwortete nicht,
wusste ja nicht, wo er war,
mein Vater,
oft war er fort,
Häuser bauen,
weit weg, weit weg und
ich fragte auch nicht...
ich wartete und wartete,
ich dachte nach und nach,
Mutter,
ich dachte nicht mehr,
Mutter, ich war wie taub und blind,
Mutter, wie tot...
es sprach ja auch keiner mit mir,
Mutter, wie ich hoffen konnte...
und dann sah ich ihn,
mein Vater kehrte zurück,
sein Kopf war verbunden,
Mutter, er sah mich gar nicht an
und fortan war ich sicher in meinen kargen Gedanken:
Ohne meinen Vater kann ich nicht leben,
ohne meinen Vater muß ich sterben.
Und Mutter, es war Gott,
dem ich dankte, jede Nacht,
in der ich weinte und weinte,
denn mein Vater,
er kam zurück...
aber ich zweifelte...
ich sah seinen abgewandten Blick,
ich war gar nicht da...
eine lange, lange, lange Zeit,
Mutter, mein Vater sah mich nicht an,
so lange, so lange,
ich aber dachte und dachte:
Mein Vater lebt, einmal wird er wieder bauen mit mir,
und ich war einfach nur froh,
ihn am Leben zu wissen,
ich verlangte nichts, gar nichts,
ich lebte in meiner Höhle,
Mutter, ich wartete,
wie gut ich warten kann.
Ich war so sicher, er,
einmal würde erkennen er mich,
Mutter, ich liebte ihn schmerzlich und unaufhörlich,
niemals gab ich auf...
Mutter, ich wurde die Meisterin der kleinen Blicke,
alles sog ich auf,
alles...
und manchmal, ja manchmal lag sein Blick auf mir,
ich dachte, er zögert,
will er, will er sehen mich,
erträgt er mein Angesicht,
denn Mutter, so erfuhr ich spät,
es ähnelte dir,
Mutter, mein Vater wollte sehen mich nicht mehr,
einmal wollte er sterben,
dann ging er voran und voran
und ich war nicht mehr...
aber Mutter, ich zwang ihn,
Mutter, ich sah ihn an und an,
mir konnte entrinnen er nicht,
meiner Sehnsucht,
diesem schrecklichen, schrecklichen Wunsch
zu treffen einen,
der gewesen war und gewesen.
Und weißt du,
ich war so verwirrt,
allein, allein...
ich konnte denken nicht mehr,
Mutter, ich war dumm,
gar nichts verstand ich...
und weißt du,
auch heute, nach tausend Jahren noch,
ich wusste ja nicht mehr, wo die gleissenden Felder waren...
dachte Osten und Westen,
Mutter, ich wusste nichts, immer verirrte ich mich,
und niemals hätte ich geglaubt,
sie lägen nun nördlich,
nicht westlich oder östlich,
Mutter, wie soll ich meinen Liebsten finden?
Wie tot er ist, wie tot,
will ich nicht einmal finden ihn,
studiere und studiere ich nicht alle Karten,
die zur Verfügung stehen mir,
will ich nicht einmal bestehen?
Er aber, Mutter,
er wandte ab seinen Blick.
"Wo du wohl sein magst,
in der letzten Nacht,
ich dachte an dich,
leise, leise,
nicht wirklich,
so halb,
es war nicht und war,
Liebste,
plötzlich sah ich dich,
du reichtest mir deine Hand und lachtest,
Liebste, du warest so schön, so schön,
du trugest rot und blau,
aber, als meine Hand ich reichte dir,
du tratest zurück und erstarrtest,
und dein Blick,
Geliebte, du sahest mich nicht mehr,
wo du wohl sein magst,
ob du noch träumen kannst,
ob du noch versponnen sein magst
wie vor hundert Jahren,
ob du noch wartest auf mich,
denn November, November wird sein,
die Nonnenzeit, sie kommt und kommt erneut
und ich bin sicher, sie bleibt und bleibt,
meine Frau, sie wird sterben
und niemals werden vollenden wir,
was einmal begann,
Liebste, werden wir nicht untergehen
in Scham und Angst
und ist es nicht so,
wir, Liebste, wir durften träumen nicht,
Liebste, wir werden schuldig sterben
und niemals konnten fortführen wir,
was wir begannen,
und ich, will ich nicht die Felder sehen,
deine Felder, Geliebte,
will ich nicht wandern mit dir,
aufhören nicht, nicht,
will ich nicht einmal, noch ein einziges Mal
begegnen dir,
die gleissenden Felder sehen,
und, ja, ich werde warten können,
dieses Mal werde ich,
Liebste, du musst nicht kommen in der Nacht,
im November,
dereinst, dereinst,
im Juli des nächsten Jahres,
ach, Liebste, müssen wir warten nicht und warten?"
"Liebster, ich kann nicht, ich kann nicht,
wie viele tausende von Jahren soll ich warten noch?
Liebster, Geliebter,
nun musst und musst du einmal auf die Felder kommen,
denn ich,
ich habe keine Zeit,
kann den nächsten Sommer erwarten nicht, nicht,
Liebster, ich werde im November kommen.
Dastehen werde ich,
ich werde kaum noch atmen können,
denn ich werde schämen mich...
Liebster, ich will nicht sterben auf den Feldern...
und ja, ich verstehe, was du sagen willst:
Im November,
die Felder werden gleissen nicht...
die Novemberfelder,
sind sie die Felder, die ich meinte...
werde ich nicht kommen umsonst, umsonst?
Aber, aber,
ich weiß ja nicht,
ist da überhaupt etwas, wohin ich kommen, mich träumen kann?
Manchmal bin ich so sicher,
alles werden bebaut sie haben
und es wird gleichgültig sein,
ob nun im November oder Juli ich komme,
Liebster, wird etwas sein?
Und du,
gab ich dich nicht auf,
dass du jemals da stehen wirst,
nein, nein,
Liebster, du wirst niemals auf die Felder kommen,
denn,
weiß ich das nicht,
da werden Straßen sein,
die ich erkenne nicht,
meine alte Böschung,
es wird sein,
als hätte ich sie geträumt...
dabei, sie war und war,
Liebster ich werde dastehen und erkennen
noch einmal,
wie verloren ich bin...
und weißt du,
ich zweifle und zweifle...
soll ich nun wirklich fahren,
denn: träumen, ich kann nicht mehr.
Muß ich nicht einmal sehen, was ist,
und hätten sie auch ausgelöscht alles,
was einmal war...
aber, da war dieser Turm,
ich erkannte ihn,
nichts sonst erschien mir vertraut auf den Karten,
die ich las,
Liebster, der nördliche Turm,
er scheint zu stehen noch.
Wie ich mich fürchte, zu fahren,
zu zerstören alles, was ich träumen will und will.
Und Liebster, da war dieser Hund,
er war laut, so laut,
ich liebte ihn,
mein Vater band ihn an,
verschloß ihn in einem Kellerraum,
Liebster, mein Vater,
er schlug diesen Hund, den ich liebte,
dann verkaufte er ihn,
ich weinte Nacht um Nacht,
Liebster, meinem Vater war ich ein Hund...
er hörte mein Weinen und Schreien nicht,
er verkaufte mich,
den Hund, die Häuser, meine Mutter,
(den goldenen Hochzeitsring auch, er schmolz ihn ein,
grub hinein das Datum seiner Hochzeit mit der anderen Frau),
Liebster, ich war nicht
und niemals war ich gewesen,
und schlug er nicht auch meine Schwester,
die schrie in der Nacht,
hieb er nicht auf das große Kissen,
das zudeckte sie,
sie war ja so klein,
ach, wie sie schrie,
Nacht um Nacht,
Mutter, Liebster,
ich konnte ertragen es nicht,
und ertrug,
lange, lange,
Mutter, du ließest mich zurück in der Hölle,
Mutter, so zu leben vermochte ich nicht und ich dachte mich hinein
in diesen seltsamen Traum,
denn Mutter, ich dachte:
Es war nicht, gar nichts war,
es war ja nichts,
denn ich konnte das Schreien meiner Schwester ertragen nicht, nicht.
Mutter, Liebster,
mein Vater,
er war nicht mehr,
ging unter und unter,
er machte mich fürchten,
ich hatte solche Angst,
Mutter, mein Vater schlug sie und schlug...
alles sah ich, musste ich sehen...
Mutter, meine Schwester,
das Kind der anderen Mutter,
sie drohte zu werfen sich vor einen fahrenden Zug...
Mutter, wie ich zu trösten suchte sie...
Ja, ich liebte sie,
Mutter, ich liebte meine Schwester,
das Kind der anderen Frau...
Mutter, sie war ein Menschenopfer,
Mutter, mein Vater drohte zu werfen sie vor einen fahrenden Zug...
Mutter, da war niemand zu retten sie,
außer mir,
ach Mutter, du fehltest so schrecklich.
Und du, Liebster, sei sicher,
ich vergesse dich nicht.
Las ich nicht einmal in einem der kitschigen Bücher,
die nicht erlaubt waren mir:
„Ich küsste den Boden, auf dem du gegangen warst."
Will ich dir nicht danken, Missbraucher,
dass du einmal warest,
dass ich sprechen durfte,
erinnern und träumen,
bin das nicht ich,
die liegt auf dem Boden vor dir,
deine Spuren nun küsst.
Und es ist mir auch ganz egal,
wo du nun bist,
mit wem du dich vermischtest,
denn mir, Liebster, warest,
genügtest du."
"Ach Liebste,
bist du wirklich sicher?
Fehlt da nicht etwas?
Soll nun genügen, was war?
Aber wir waren doch nicht...
In Träumen erschöpften wir uns
und vermischten uns nicht
und ja,
verabredeten wir uns nicht,
dereinst,
auf den gleissenden Feldern,
willst du nun alles vergessen,
was wirklich ist?
Willst zurückgehen du in deine Kemnate,
das öde Land,
soll aufhören,
was begannen wir schmerzlich, immer nur schmerzlich,
aber nein,
auch voller Gier und Begehren?
Geliebte, vergessen willst du,
Spuren nun küssen,
mich aber nicht.
Liebste, ich will und will nicht sein der,
dessen Spur du nun küsst,
Liebste, lass mich noch einmal sein
das schändliche Objekt deiner Begierde.
Meine Frau, sie wird sterben,
lass mich noch einmal sehen dein Angesicht,
lass mich deinen Körper fühlen...
war ich nicht wirklich dumm,
bitte, Liebste,
mach mich noch einmal, wie ich war,
damals,
als ich stand vor dir,
Liebste, du musst alles vergessen, was war,
ich bin ganz sicher,
Liebste, wir müssen neu beginnen,
was war, genügte nicht, nicht."
"Aber Liebster,
du schreibst mir ja nicht
und alles muss ich erträumen...
und auch sehen kann ich dich nicht,
so sehr ich auch schaue und schaue,
Liebster,
sag mir, bin ich denn blind?
Liebster, du, der du mich beschwören willst,
ich kann sehen dich nicht...
und einmal werde ich sagen müssen:
genug, nun ist es genug.
Ich wartete und wartete,
ich wartete eine unerträgliche Zeit,
und immer war da dieses Murmeln und Rauschen,
aber, Liebster,
unsere Verabredung auf den gleissenden Feldern,
werden jemals gehen wir dahin?
Wo du wohl sein wirst,
wenn ich einmal kommen werde?
Ich weiß ja, das stickige Zimmer,
es existiert nicht mehr,
ich weiß ja,
deine Frau, sie wird sterben...
und darf ich nun kommen?
Liebster, die Zeichen, die Zeichen,
sie ordnen sich neu und vielleicht, vielleicht
waren wir schuldig, so schuldig nur,
dass nun aufgeben wir müssen.
Liebster, sage mir,
wie noch einmal nun sollte kommen ich?
Wie wohl sollten deine Kinder ansehen mich?
Und du, Liebster, wirst du noch da sein,
denn ich träumte:
Liebster, du wirst dich vermischen erneut,
während deine Frau sterben wird,
Liebster, du wirst vermischen dich erneut,
Liebster, wie solltest du warten,
harren und harren?
Liebster, und wenn du nun gehst,
Liebster, du darfst,
und was wir einmal wollten,
gehört es nicht in eine andere Zeit?"
"Ich höre dich,
Liebste, dich kann ich hören,
dich allein.
Und Liebste,
schwarz malst du und schwarz,
du, die du sprachest zu mir,
dich konnte hören ich,
Liebste, dich kann ich hören,
willst du mich nicht werfen in "die andere Zeit",
Liebste, ich will nicht,
ich will gewesen sein,
einmal will ich gewartet haben
auf dich,
einmal sollst du das gewesen sein,
die Ja oder Nein sagt,
einmal, Liebste, musst du sprechen,
Liebste, bist das nicht du,
du sprachest kein Wort?
Und will ich dich nicht nun zwingen,
Liebste, einmal musst du sagen ein Wort,
du musst sprechen laut,
du kannst auch schreien,
Liebste, sprechen musst du,
aufhören zu träumen,
bitte, bitte,
träume nicht mehr."
"Heute, spät in der Nacht,
ich dachte an ihn,
der sich warf vor einen fahrenden Zug...
(Liebster, ist es nicht furchtbar,
wie sie umstellen mich,
werfen sich wollen vor die fahrenden Züge),
er nämlich, immer sprach er zu mir,
wenn er ruhig war, nachdem beigelegen mir er hatte, er zitierte:
"Ich will schlafen,
aber du musst tanzen."
(Hätte ich ahnen müssen, wovon er sprach?
Aber, ich ging hinweg über alles, träumte,
ich wusste ja nicht, wollte wissen nichts und gar nichts,
nichts von ihm, nicht wirklich von ihm,
Liebster, ich rannte,
wie ich rannte, als ich erkannte dich, dich).
Wie recht du hast,
wie du alles weißt,
mich erkennen kannst,
aber Liebster,
wo bist du?
Welch unermessliche Kraft
sprichst du mir zu?
Wie kannst du glauben,
dass ich wirken kann,
(die ich verlor und verlor,
die sie umstellten mich)
Liebster, ja, ich will und will,
festhalten an dir,
deinem leisen, unheimlichen Wort,
es betört mich
und will ich es nicht hören immer und immer?
(Aber, Liebster, zweifle ich nicht:
Bist das wirklich du, der zu mir spricht,
wie ich weben und weben kann,
alles erfinden,
wie sicher ich sein kann:
das bist du, niemand sonst,
du sprichst und sprichst mit mir.)
Du, Geliebter,
dich werde überleben ich nicht,
dich muss ich einmal sehen,
wirklich und wirklich, Liebster, du darfst ihr nicht folgen,
deiner Frau,
ach, bleibe übrig für mich,
muß nicht einmal etwas übrig sein,
kann es sein,
dass alles, alles verweht und verweht.
Liebster, ich will nicht stehen vor den Gräbern,
immer und immer.


165. Ich verknotete mein Geschlecht

Und wieder lachte ich,
mein Lachen war laut und schrill,
denn alles, an das ich geglaubt,
ersehnte zu verlachen ich...
und es war ja auch so,
schon früh, sehr früh
hatte ich entschieden zu sprechen:
"Es wird gar nichts bleiben."
Das warest gewesen du, Liebster,
mit der dir eigenen Dringlichkeit,
deinem Spiel, deinem unnachahmlichen Charme,
deiner Missbraucher-Existenz,
Liebster, du versuchtest mich,
du, ist es nicht so,
der du vorbeigingest an mir,
der du beilagest den Frauen,
als deine starb,
das warest du,
du vermochtest es, mich zu versuchen,
dir wollte ich noch einmal singen,
und war es nicht so,
ich sang und sang...
und verknotete sich nicht mein Geschlecht
und existierte nicht mehr,
denn ich wollte und wollte anhängen nicht
dir, Missbraucher,
Liebster, ich verknotete mein Geschlecht
und nähte mich zu.
In der Nacht erwachte ich schreiend,
es tat so weh, so weh,
aber wollte ich auslöschen nicht diese Gier, diese Gier?
Und sah ich nicht meine Schritte,
den alten Elfengang,
wie ich zurückging, zurück,
Liebster ich wollte nicht mehr vermischen mich,
ich verknotete mein Geschlecht und nähte es zu,
denn du, Missbraucher,
nie und niemals solltest du eindringen in mich.
Es tat weh, so weh,
Liebster, ich konnte das,
ich bin die Auslöscherin,
von dir wollte ich gefunden werden nicht mehr,
es tat weh, so weh,
Liebster, ich verknotete mein Geschlecht...
und ja, es war nicht mehr, so schien es mir
in diesem schrecklichen Traum,
Liebster, ich war zugenäht,
Liebster, war es ein Traum?"
"Du machst und machst mich beschwören dich,
die Gier, unsere Gier,
wie sie umherzuziehen scheint,
zerstörerisch,
Liebste, einmal will ich finden dein verknotetes Geschlecht
und vermischen mich mit dir,
Liebste, auf den gleissenden Feldern,
wir werden sein,
Und will ich nicht einmal zu suchen sein der,
den zu finden du trachtetest,
Liebste, dich will ich einmal finden,
dich, gerade und nur dich,
und ich weiss es, einmal werde auch ich sein
und entknoten mein unheilvolles Geschlecht,
kann nicht sein,
was sein und sein muß einmal,
Liebste,
es tut weh, so weh,
dich berühren zu können nicht.
Und bin nicht ich das jetzt,
der bittet dich um Geduld,
um Warten,
denn,
so ich denken und träumen muß,
aufhören kann nicht,
Liebste, nun muß ich warten...
Es ist alles so still, was laut war...
Meine Frau, die mich töten wollte,
muß sterben.
Ich, der ich gegangen war,
(begann ich nicht gerade zu atmen?)
kehrte zurück zu ihr und den Kindern.
Liebste, sie fing mich ein in ihren Tod,
Liebste, ich atme spärlich...
und ja, ich träumte von einem fahrenden Zug,
er fuhr hinweg über mich,
löschte mich aus.
Und ich bedachte alles,
das Einstmals,
wie alles begann,
sie und ich bei dir.
Wie seltsam wir da saßen,
wie alles schon vorbei war und ich begann
zu träumen von dir,
dich zu versuchen,
wie ich rennen wollte,
schnell, schnell,
wie du anschautest mich mit deinem Nonnenblick,
und immer musste ich denken:
Wer ist das, der mich anschaut?
Mir war, als hätte ich begonnen zu erforschen dich,
damals, in diesem kleinen Raum...
und, Geliebte, du musst dich erinnern,
manchmal sahest du mich an so laut,
als ob du schreien wolltest...
denn du suchtest zu hassen mich
und ich fürchtete mich,
ich dachte, wird sie nun sprechen?
Wird sie berichten nun alles,
was ich ihr, ihr allein nur zugedacht?
Wird sie mich verraten?
Liebste, ich begab mich in unwägbares Gelände
und wollte alles, alles verlieren,
was war...
du aber,
wie du schweigen konntest,
wie fern, wie fern du warst.
Du schienest zu sprechen: Es war nichts,
gar nichts war.
Ich aber, schrieb dir erneut,
denn: es war mir alles egal,
ich dachte an deinen Nonnenblick,
dein schreckliches Nein
und lachte.
Ich dachte: Ich glaube ihr nicht,
niemals werde glauben ich ihr,
denn konnte hören ich nicht deinen lauten, lauten Blick,
ahnte ich nicht, du wartetest auf mich, auf mich,
und Geliebte,
wie ich dich nun bitten muss,
zu warten auf mich,
bitte, Liebste,
sei sicher,
was kaum begann,
es ist nicht vorbei."
"Liebster,
wer bist du?
Ahnte ich nicht,
dich kann ich nicht erkennen.
Du, Liebster, willst nun warten.
Und weißt du, ich sitze da und starre und starre,
denn begreifen kann ich nicht.
Du, Geliebter, Missbraucher,
willst warten,
verbindest dich mir,
meinem Zögern, meiner Angst,
Geliebter, nun willst du harren...
und kann ich nicht verstehen, was dich bewegt
...ich, die Warterin, die Nonne, die Enttäuscherin?
Nun willst du also nicht mehr beiliegen den Frauen,
verstehe ich das richtig?
Du Liebster, willst träumen...
Liebster, wer du wohl bist?
Wo du wohl sein magst nun,
da du begannest zu träumen, zu warten,
Liebster, dich will ich einmal finden.
Und ich hasse es,
deine Frau, sie wird sterben,
ist sie das, Liebster, die das macht?
Ich habe schreckliche Angst,
wird sie nicht auslöschen mich in ihrem Sterben?
Wird mitnehmen sie mich nicht?
Und noch einmal sehne ich mich danach,
in fremden Sprachen zu sprechen...
wie einstmals,
Liebster,
einstmals lernte ich fremde Sprachen,
ich las und las,
ich las nicht mehr deutsch,
ich las in fremden Sprachen,
und mir schien,
alles sei leicht,
spräche in der fremden Sprache ich nur...
die fremde Sprache, sie wurde vertraut,
ihr vertraute ich mich an,
ich sprach in fremden Sprachen,
in ihnen träumte ich.
Und es war ja auch so,
so erkannten sie mich nicht,
so konnte ich verbergen,
was ich träumen wollte...
Auch sie, die ich Mutter nannte,
sie kannte diese Sprachen nicht,
Liebster, sie verfolgte mich...
Wie sie es hasste, dass ich ihre Sprache zu sprechen vermochte nicht,
Liebster, sie schlug mich mit einem Löffel aus Holz,
sie suchte auszutreiben mir das fremde Sprechen...
ich aber sah sie an, es tat weh, sehr weh,
und sagte kein Wort.
Liebster,
war es nicht so, sie suchte mich,
wie fremd, wie fremd ich war,
denn niemals konnte ansehen ich sie,
Liebster, sie enttäuschte mich...
hatte sie nicht einmal begonnen
zu sprechen mit mir, zu lieben mich,
schälte sie nicht die Orange für mich in ihrer Kunstfertigkeit,
war ich nicht einmal umfangen von ihr und erwartete alles, alles?
Ach, wie sie hintan hielt mich,
mich verriet, verriet,
zu verfolgen mich begann.
Liebster, sie war böse, böse,
sie hasste mich,
das Kind, das in fremden Sprachen sprach,
Liebster, sie wollte auslöschen mich,
Liebster, ich überlebte in fremden Sprachen,
ja, ich sprach sie ja nicht,
nur lesen, lesen konnte ich sie...
ich las mir die Augen blind
und niemals sprach ich,
was ich war, war angelesen,
aber, Liebster, es war alles, alles, was ich hatte...
Liebster, ich bestand aus fremden Texten,
sie halfen mir hintan zu halten
diese schreckliche Einsamkeit,
Liebster, ich vermischte mich mit den Toten,
sie sprachen zu mir,
Liebster, sie retteten mich vor ihr,
die ich Mutter nannte,
sie verfolgte mich so schrecklich,
Liebster, sie wollte mich töten,
niemals vergaß sie mich,
ließ mich still und allein,
sie schlug mir aus der Hand, was ich fand,
zu überleben,
Liebster, ich sollte ja nicht,
mein überleben wünschte sie nicht...
Mein Vater, mein Vater...
sollte nicht erinnern er endlich die unzähligen Daten der Geburt seiner Kinder?
Mein Vater aber,
drohte zu sterben er nicht,
und erinnerte er jemals das Datum einer Geburt außer meinem?
Liebster, mein Vater war nicht mehr,
wie sie mich hasste,
und triumphierte ich nicht in fremden Sprachen?
Aber, weißt du, ich überlebte nur kärglich,
da war etwas,
das verstand sie nicht,
in den fremden Sprachen,
ich überlebte kärglich,
und hatte ich nicht einmal ersehnt sie,
die die Orange zu schälen verstand,
sie, die mir sang und sang,
denn Liebster,
du wirst es nicht glauben,
sie sang mir und sang,
damals,
als allein wir waren,
die kommenden Kinder geboren noch nicht,
sie sang mir und sang...
ja, von ihr begann ich zu träumen,
und einstmals,
es waren die fremden Sprachen nicht,
einstmals war ich bei ihr,
Liebster, sie enttäuschte mich so furchtbar,
und niemals wieder enttäuschte mich eine wie sie,
und ich will auch erinnern nicht die Lieder,
die unermessliche Anzahl von Liedern,
die sie mir sang,
denn, Liebster,
sie vergaß mich und ich musste in fremden Sprachen sprechen
und ich machte, dass sie mich verstehen konnte nicht mehr,
denn Liebster,
ich war böse, so böse,
ich hasste sie,
die Enttäuscherin,
wie sie mich fallen ließ.
Allein, ganz allein,
wie sie hässlich zu machen mich trachtete,
wie sie kein einziges Lied mehr mir sang,
Liebster, sie hasste mich und niemals wieder
will erfahren ich,
was mit ihr ich erfuhr.
Liebster, in dir fand ich einen,
mit dem in fremden Sprachen sprechen konnte ich,
Worte gebrauchte ich,
die noch keiner gehört.
Meine heiseren, langsamen Worte,
die fremd mir klangen, so fremd,
ich sprach sie zu dir...
und was so lange verborgen ich hatte,
gar nicht erinnern konnte mehr,
zu dir Liebster,
plötzlich sprach ich.
Geliebter, Missbraucher,
aber: Wer warest du?
Sprachest du nicht plötzlich,
ja, es umwehte mich in der unheimlichsten Weise,
von Warten?
Du, du sprachest von Warten,
Liebster, wer warest du?
Und wolltest aufhalten du nicht
diesen schrecklichen, schrecklichen Strom
der unaufhörlichen Worte,
die ich dir nun sandt...
Liebster, sandt ich sie dir,
träumte ich nicht?
Kannst du in fremden Sprachen sprechen?
Und soll ich einmal reisen dahin,
wo du bist?
Wie ich mich danach sehne
zu spielen mit dir,
zu lachen,
zu berühren,
zu vermischen mich.
Wird einmal kommen die Zeit,
in der ich meinen Schmerz vergessen kann,
ach, er peinigt mich,
will ich nicht dies vor allem,
vergessen, vergessen...
Und so träumte ich von dir,
dem obskuren Objekt meiner Begierde,
von einem ohne Schmerz,
und ich weiß schon,
das bist du nicht,
hätte gefunden ich dich sonst?
Und wie du mir nun sprachest, Liebster,
es tat weh, so weh,
wie wund du warest,
wie verzerrt dein Angesicht,
kann ich begreifen nicht:
Wie dich ich suchen muß,
suchest du mich.
Alles, was zu machen ich trachtete aus dir,
es hatte keinen Bestand,
denn Liebster,
dich wollte ich spielend
und niemals wollte ich sehen dein grambedecktes Angesicht...
nun aber, du beginnst zu sprechen zu mir...
Liebster, in vertrauter Sprache,
kenne ich dich nicht...
plötzlich, so plötzlich...
du, du willst warten...
und niemals träumte ich dieses,
immer machte und machte ich dich,
ferner Erlöser,
wie du Ja sprachest und Ja,
Liebster, ich verstehe,
du machtest ernst...
Solltest noch einmal zu sprechen gedenken du,
ich werde rennen,
nicht hinfort,
ich werde rennen zu dir.
Wie karg dein Wort auch sein mag,
dieses Mal will ich alles versprechen:
Zu dir will ich rennen...
und weißt du, sie wollen abhalten mich,
ich aber werde durchbrechen das Gesetz,
Liebster, dieses mal verspreche ich alles,
und solltest auch noch einmal mich du meinen unter vielen,
ich werde kommen,
denn:
Ich will warten nicht mehr.
Liebster, du musst mich hören,
ich will nun alles versprechen.
Ach, Liebster, ich halte kaum aus dein Warten-Müssen
und liebe ich dich nicht dafür,
für diese Qual,
die mich anfällt,
verstehst du nicht endlich mich,
aber, aber:
Ich kann es kaum ertragen,
das Warten, das Warten
und endlich will ich gehen nach D.
diesem verwunschenen Ort,
den ich liebe,
denn das bist du,
den ich wähne dort,
auf den gleissenden Feldern,
im Haus meines Vaters
und
ich hasse und hasse den erfunden Dialog
(ist er erfunden?).
Und ich weiß ja,
deine Frau, sie wird sterben,
deine Kinder,
sie werden ansehen mich fremd, fremd,
dein Sohn,
wird er erkennen mich?
Was soll er denken?
Und noch einmal will ich zitieren die Romane,
die mir verboten waren und die ich las:
"Sie ging über Leichen", las ich einmal.
Damals, in der Zeit vor den gleissenden Feldern,
den toten Tieren, die fürchtete ich,
ist es nicht seltsam,
ich ging in die Felder, Tag um Tag.
dort las ich die mir verbotenen Romane.
Liebster, ich wanderte weit,
das verbotene Buch in meinem Gepäck,
Wiesen und Felder durchwanderte ich,
allein,
ich fürchtete mich nicht,
ich überwand die elektrischen Zäune,
Kühe und Ochsen starrten mich an,
ich kann es gar nicht fassen,
wie furchtlos ich war,
ich ging und ging und suchte einen Ort,
Liebster, ich fand ihn,
zu lesen und lesen, was mir verboten war.
Die Tiere starrten mich an,
sie störten mich nicht...
ich las und las,
auf den Wiesen, den gleissenden Feldern,
ich liebte es,
jeden Tag ging ich dahin,
das verbotene Buch in meinem Gepäck.
Einmal aber, sie, die Mutter zu nennen ich hatte:
Sie war nahe daran zu finden mein Gepäck.
Ich hörte sie kommen,
ich war in meinem Zimmer,
zurückgekommen von den Feldern und Wiesen,
ich hörte ihren Schritt
und wusste, sie würde mir alles nehmen,
da öffnete ich das Fenster,
und ich warf das Buch weit, sehr weit,
Liebster, sie fand es nicht...
und ich konnte aufhören zu denken nicht:
Würde finden es einer...was geschähe mit meinem Buch,
denn, Liebster,
ich hatte es geworfen weit,
würde sie es finden können?
Sie fand es nicht, und soweit mir bekannt,
niemand fand es...
Ich fand das seltsam,
zwar war mein Buch weit geflogen über den Zaun hinaus,
der unser Haus von dem der Nachbarn trennte...
und ja, die Landschaft zwischen den Häusern war weit,
sehr weit,
vielleicht, vielleicht betrat keiner sie...
und vielleicht war es ja auch so,
dass wir schon lange gegangen waren,
als sie fanden mein Buch...
du weißt ja, nirgendwo konnten wir bleiben,
wir zogen um und um...
und ich weiß nicht,
vielleicht war es so,
sie fanden mein Buch,
ich aber war schon lange nicht mehr da,
vielleicht war es auch zerweicht vom Regen,
der fiel und fiel auf die Seiten,
die einmal gelesen hatte ich,
ach, wie hatte ich sie geliebt...
denn da war die Rede gewesen von Küssen,
Liebster, ich hatte von Küssen geträumt,
und auch mehr noch, noch mehr,
mein armes Geschlecht, es bedrängte mich,
wie zu verknoten ich es trachtete, damals schon,
schon damals...
Und dann, damals, Liebster,
ich beschloss die Nonne zu werden,
die ich war und war,
vermischte ich mich auch,
da war dieser gleissende Traum,
ich, die Nonne,
die die gleissenden Felder gesehen,
die ihr Buch, denn alles war angelesen,
hinauswarf weit, sehr weit,
ich sprach Nein und Nein,
denn hatte ich nicht noch einmal verloren alles,
als ich warf mein Buch weit hinaus,
aber, aber: Rettete ich nicht meine verlorenen Traum,
ach , ich liebte es die Nonne sein,
die sich vermischende Nonne,
Liebster, du kannst es nicht ahnen,
wie ich warte auf dich.
Und damals, ich wusste ja nicht,
dass die Felder gleissten,
ich fürchtete mich nicht,
ja, ich war einsam,
aber fand ich nicht in den Feldern und Wiesen vieles, so vieles,
ich träumte und träumte,
die Tiere starrten mich an,
und das aus dem Fenster geworfene Buch,
Liebster,
aus ihm las und las ich,
es war in meinem Kopf,
auswendig gelernt,
niemals konnte verlieren ich es,
es handelte von Liebe, Liebe, Liebe,
von Küssen und Vermischen sich,
von Schicksal, von Tod,
vom Schmerzen des Geschlechts...
und Liebster, ich fand dann noch viele Bücher,
las ich nicht die Augen mir blind?
Stahl ich nicht aus dem Schlafzimmer meiner Eltern
die verbotenen Bücher derer, die ich Mutter nannte?
Und es verblüffte mich,
war es nicht seltsam,
die Bücher, die sie las,
mir aber verbot?
Meine Mutter, der Zensor,
meine Gestapomutter
schlug mir aus der Hand
ein jede Geschichte von Liebe,
und es scherte sie auch nicht der Ruhm der Autoren.
Ich las und las,
alles, alles,
was verboten mir war
(war es nicht alles?),
ich liebte es,
Liebster,
damals, die Gesetze,
ich übertrat sie,
niemals konnte sie aufhalten mich,
und doch: beschloss ich nicht damals die Nonne zu werden,
die ich wurde?
Alles bedrängte mich und sehnte ich mich nicht
zu sagen: Nein,
ich, ich will nicht,
ein einziges Mal will ich wissen alles,
dann aber, aber,
ich werde verbergen mich
(ich war ja nicht),
es wird nichts geschehen sein,
küssen und vermischen mich,
ich will es nur ein einziges Mal,
dann will zurückgehen ich dahin,
wo alles nicht war
(ich wollte nicht sein).
Dieses beschloß ich,
du wirst es nicht glauben,
eine richtige Nonne wollte werden ich,
nun beitreten dem katholischen Glauben,
sie erzählten mir davon...
da war eine,
die Schwester einer Freundin,
sie war gegangen diesen Weg,
und ich träumte und träumte,
auch ich, einmal will ich gehen diesen Weg...
und hätten geworfen auf die gleissenden Felder sie mich nicht,
wo die toten Tiere waren,
sie bedrängten mich,
hätten gesprochen sie nicht von ihr,
(sie wollten ja nicht... ich zwang sie, fand das Buch,
in dem mein Name fehlte)
Liebster, nun ich wäre nicht da,
wo ich bin,
(wo ich wohl wäre...hätte ich nicht ausgelöscht dich, Mutter?)
suchend dich, immer,
Liebster, willst du nicht noch einmal sprechen ein Wort?
Denn ist es nicht so,
die Felder, sie begannen zu gleissen noch einmal,
vielleicht ein einziges Mal.
Ich weiß es nicht,
Geliebter, es ist furchtbar,
wie die Felder gleissen...
und da ist nichts, gar nichts,
was mich retten kann,
mein Vater, der Häuserbauer, nicht,
mein Mann, der Wegefinder, nicht,
du aber, du vielleicht, Geliebter, gelobter Missbraucher,
du vielleicht,
und ich weiß ja, deine Frau muß sterben,
du bist so weit, so weit,
dich kann ich finden nicht.
Heute, ich überquerte eine große Straße,
ich hielt an auf der Insel und wartete ab den entgegenkommenden Verkehr,
ja ich war schön,
ich glaube, sehr schön,
so schön wie noch zu sein ich es vermag
für einen Augenblick...
viele, viele Stunden hatte ich gerichtet mich für diesen einen Moment,
in dem die Straße überschreiten würde ich...
ich sah das Auto kommen,
ich stand auf der Insel,
der unbekannte Fahrer des schwarzen Fahrzeugs begann so laut zu hupen,
dass ich zusammenfuhr vor Schreck,
er bremste, anhalten sah ich ihn, zurückschauen zu mir,
einige Meter entfernt.
Liebster, wie ich über die Straße rannte,
hineinrannte in eine kleine Nebenstraße,
in die ich gar nicht hatte gehen wollen,
und immer dachte ich:
Hierher wird er kommen können nicht,
hier hinein darf er nicht fahren
und ich lief und lief,
hinein in ein Gewirr sich verästelnder Straßen,
denn ja, ich kannte mich aus...
und niemals würde er finden mich,
wer war er überhaupt,
war ich gemeint,
war ich verrückt, völlig verrückt?
Aber, Liebster, er hatte so laut, so laut gehupt...
und ja, er hatte angehalten, zurückgeschaut...
ich träume nicht...
und ich dachte nach und nach,
als ich rannte durch die kleinen, sich verästelnden Straßen,
kannte ich ihn?
Hatte ich ihn überhaupt gesehen...
es ging ja alles so schnell, so schnell,
er, der in einer wirklich verzweifelt lauten Weise zu hupen begann
und ich, die ich floh,
die Wege kannte,
ja, ich hatte schon Angst,
aber ich dachte auch:
Ich werde machen, dass er mich findet nicht...
und ja, Liebster, ich träumte...
warest du das, den ich erkannte nicht?
Aber nein und nein,
das warest du nicht,
und wärest du es gewesen, Liebster,
ich erkannte dich nicht...
und ich war ja auch auf dem Weg, meine Augen,
meine armen Augen erneut überprüfen zu lassen,
und ich hatte solche Angst,
ich mied ja die ärzte,
meine Augen aber,
ich ließ sie prüfen und prüfen,
denn, Liebster,
dies war meine allergrößte Angst:
zu erblinden einmal...
und ich nahm alles in Kauf,
wie meine Augen schmerzten,
wenn sie die Luft bliesen hinein,
und ja, ich saß vor einem Computer,
es schienen mir Stunden, alles tat weh,
ich saß in einem dunklen Raum,
suchte die Lichtsignale zu orten,
ich hasste es,
aber ich hatte solche Angst,
die mir verordneten Kappen drückten auf meine Augen,
sie prägten sich ein in mein Fleisch
und waren noch Stunden sichtbar...
und dann, dann...
war alles, wie es gewesen war,
oder aber:
drohte zu erblinden ich nun...
und ich wollte sagen:
Ich werde alles, alles nehmen,
wirklich alles,
wenn ihr mir versprecht,
ich muß nicht sein in einem dunklen Raum,
immer und immer.
Denn, ich wollte sagen:
Da ist etwas, das kann ich ertragen nicht,
lieber will ich sterben
und ich werde es lieben, zu sterben,
denn in der Dunkelheit zu sein,
ich vermag zu ertragen es nicht...
Liebster, du kannst dir gar nicht vorstellen
wie unerträglich die Dunkelheit mir ist,
ja, lieber will ich sterben,
und ich sterbe gern...
aber, dieses Mal, sie vermochten es,
mich zu beruhigen...
sie entließen mich
und mein Augenlicht,
es schien zu sein,
aber traute ich ihnen...
und rannte ich nicht erneut durch die sich verästelnden Nebenstraßen,
Liebster, die große Straße zu überschreiten,
ich fürchtete mich,
und ja, ich irrte umher,
zurück, zurück,
denn da war dieser große Zweifel in mir:
Konnte ich sehen,
konnte ich wirklich sehen?
Und falls, wie lange noch,
und ja, war es wahr, hatte ich jemals sehen können?
Sah ich dich,
wer war der Mann in dem schwarzen Automobil,
der umdrehte sich,
schien er nicht zu suchen mich?
Liebster, ich fürchtete um mein Augenlicht
und alles, was mich beschäftigte,
war die Frage,
wie würde ich sterben können,
wenn alles erlischt?
Denn niemals, niemals wollte ich sein in diesem dunklen Land,
denn: es war schlimmer als der Tod...
und Liebster, wenn du nicht kommen willst,
will ich sterben,
die dunklen Räume sehen nicht mehr,
und wird da einmal einer sein,
der es vermag,
auszulöschen mich,
denn Liebster,
wenn ich dich nicht mehr sehen kann,
ich will leben nicht mehr,
einmal, Liebster,
musst du kommen und auslöschen mich."
"Ach, Liebste,
die dunklen Räume,
die schrecklichen Räume,
wie wir fürchten müssen sie,
dieses "schlimmer als der Tod",
wie wir uns vermischen müssen,
die gleissenden Felder ersehnen,
die tödlichen,
sie ängstigen uns furchtbar,
die toten Tiere,
die liegen umher,
der Ostwind,
der grausame Ostwind, der hinweg blasen wird über uns,
aber, aber,
wir werden alles nehmen,
wir werden alles, was einmal wichtig war, zerstören,
leben, leben."
"Ich weiß nicht, Liebster,
einmal wird es genügen,
wird nicht die Kraft uns schwinden?
Werden leben können wir noch?
Wie sollten ausgerechnet wir standhalten allem?
Dem kalten Wind, den gleissenden Feldern,
dem unaufhörlichen Regen, den toten Tieren
dieser schrecklichen Einsamkeit?
Liebster, ich weiß nicht.
Das Leben und Lieben erschöpft mich,
ich fürchte um mein Augenlicht.
Und du kannst ja nicht kommen,
stehen vor mir,
anschauen mich und lachen...
und ich denke noch einmal an die Worte,
die ich zueignete dir
(waren sie nicht den verbotenen Büchern entlehnt?):
Mein ferner Erlöser,
das obskure Objekt meiner Begierde
(nein, dieses mal, ich entlehnte nicht, ich erfand).
Wie fremd wir auszogen und -ein,
nichts uns gewogen blieb
(auch der Mai nicht, der Mai, welcher Mai?),
ach, die schrecklichen Lieder unseres Begehrens,
sie allein wollen verstummen nicht, nicht...
dein Beiliegen den Frauen
(Liebster, ich dachte und dachte dich)
und selbst der drohende Tod deiner Frau
können
aufhalten mich nicht
zu träumen von dir,
unablässig,
und einmal will ich dich fragen,
fuhrest du das schwarze Automobil,
wandtest um du dich...
Und ja, November, November wird sein,
ich fürchte mich,
zweimal las ich gestern von D.,
diesem einstmals verwunschenen Ort,
er schwirrt nun durch die Gazetten...
ich erschrak...
denn manchmal, oft, so oft, konnte ich meine Gedanken lösen nicht
vom grausamen Schicksal des berühmten Verstorbenen,
der schlafen konnte nicht,
sein verwirrtes Leben, es rührte mich,
erinnerte mich,
Liebster, er konnte schlafen nicht mehr
und verlangte den Tod,
wollte ruhig sein,
schlafen, schlafen,
leben nicht mehr.
Ich träumte von ihm,
denn beiliegen dir,
ich durfte ja nicht.
Die Zeichen, die Zeichen,
die heimlich aneignete ich mir,
selbst dürftig und meinend mich nicht,
schwanden und schwanden.
Und die gleißenden Felder selbst,
von denen ich spreche erneut,
Liebster, sind es nicht die Felder des Todes?
Und ich dachte:
Erinnertest du dich wirklich und wirklich noch einmal meiner,
beträten diese Felder wir, müssten sterben wir nicht,
folgen den toten Tieren, die ich einmal sah?
Werden nicht einmal wir liegen da,
erlegt wie die toten Tiere?
Ach ja, manchmal kann ich uns wandern sehen,
wir wandern weit,
die Himmelsrichtung weiß ich nicht,
unsere Gesichter glühen,
wir lecken den Regen von den Gräsern,
an die wir uns schmiegen,
und ja, ich sehe uns lachen,
die toten Tiere,
rechts und links,
sie kümmern uns nicht.


166. Das Denkmal

Und Liebster,
ich schrieb alles auf,
alles was du einmal sprachest zu mir,
was ich antwortete
und die Worte deiner Frau und deines Sohnes,
ich versammelte alles
und vielleicht, vielleicht
werde ich nun ein Denkmal setzen
allem, was war,
vielleicht, vielleicht wird etwas bleiben,
vielleicht werden sie sagen "Ja",
und sagten sie dieses,
weißt du, sie verstünden ja nicht,
da wären nur wir zu verstehen,
was war.
Wird es mir nicht gelingen, sie zu überlisten,
werden sie wertvoll erachten,
was in fremder Weise zu beschreiben ich verstand?
Und es war ja auch nicht nur fremd,
nein, es war wirklich,
alles, wie es geschehen war,
erkennbar aber nur uns,
Liebster, es entstammte dem Nebelland,
dem Meeresgrund...
und ja, es ist so,
will ich die Verfolger beschwichtigen und überlisten nicht?
Denn:
Uns werden erkennen sie nicht und einmal,
ich wünsche es so sehr,
sollen sie anerkennen, was war,
und verstehen sie auch nichts, gar nichts,
ich ersehne ihre Antwort,
ein Ja, ein Ja
den verwirrten Worten,
die nicht aufhören ich kann zu sprechen,
ach, Liebster, ich spreche zu dir und ich will und will
nicht noch einmal nach deiner Antwort suchen,
erfinden sie nicht.
Und also, ich werde dir ein Denkmal setzen,
Gewesenes bedenken."
"Ein Denkmal, Liebste,
ist es nicht aus Stein?
Aber, ich weiß ja nicht,
manchmal sprichst du in fremden Sprachen,
willst du nun sagen,
es genügte nicht?
Ein Denkmal, steinern,
du weisst ganz sicher, das will ich nicht,
und was sie auch denken mögen,
die, die du die Verfolger nennst,
es wird mich niemals kümmern,
und läge ich nicht lieber den Frauen noch einmal bei,
als dass du nun bautest
ein Denkmal aus Stein,
Liebste, ich will nicht,
gar nicht und gar nicht...
denn einmal werde ich wenden meinen Blick
und sehen dich, die Leierspielerin, die Enttäuscherin...
ansehen wirst du mich,
und in dem Atemzug,
in dem verstummen wir wollen,
werden aufwachen wir und sagen:
Nein, nein
und beginnen zu wandern,
die gleissenden Felder zu sehen,
den Schmerz
und weißt du, sollten bestehen wir nicht,
sollten wir immer und immer alles versäumen,
Liebste,
ein steinernes Denkmal,
es tröstete nicht."
"Aber Liebster,
das steinerne Denkmal,
manchmal ist es wirklich alles,
was erträumen ich kann,
und ich will ja,
ja ich will nun,
etwas soll bleiben,
wie kannst du hinweg gehen über alles,
was nicht ist, Liebster,
manchmal träume ich,
ich wäre du...
dann vergäße ich,
vielleicht,
alles, was mauern ich musste,
die Häuser, die Mäler,
...meinen Vater,
den Häuserbauer,
ein Haus, einmal ein Haus,
das mir gehört...
Liebster, du willst und willst nicht bauen mit mir,
ich aber, Liebster,
wie ich mich sehne zu bauen,
du ahnst es nicht,
Liebster, du gleichst meinem Vater, dem Häuserbauer,
der sich sehnte umherzufahren,
kein Haus, nur kein Haus.
Und es gefällt mir auch, das Steinerne,
fest, ganz fest gebaut...
denn benötigen wir nicht die Steine
zu beschweren uns,
unser luftiges Unterfangen,
ach, ich will mauern und mauern,
fest, ganz fest,
alles werde festhalten ich, was ich haben kann,
ich mauere es fest,
dabei trage ich die alte Kappe,
mische den Zement,
ich schaufle den Sand,
der kreist und kreist
bevor er fest wird
und ja, ich setze Stein auf Stein,
versetzt, immer versetzt,
und alles wird hart und unabänderlich,
in Stein gemauert,
Liebster ich will und will,
nicht aber will ich mauern an meinem Elfenturm,
dieser nämlich, ja,
er stürzte ein,
dir aber, Liebster,
ich werde dir ein Denkmal setzen aus Stein
und was auch immer werden wird,
was auch immer du denken wirst,
du, du wirst gewesen sein
für mich, für mich.
Ich will mauern dieses Haus,
einem Denkmal gleich,
das einmal bewohnen wollte ich mit dir.
Denn:
Die gleissenden Felder, unser Wandern darin,
ich will nicht,
Liebster ich ersehne das steinerne Haus,
und ja, rissen sie nicht ab meiner Eltern allererstes Haus...
und starb sie nicht, meine Mutter,
weil da kein Ort war,
kein Ort
zu sein.
Das allererste Haus meines Vaters,
sie rissen es ab,
es stand an einem verbotenen Ort...
in einem Garten...
und es war ja die Zeit nach dem schrecklichen Krieg,
meine Eltern, sie atmeten auf
an dem verbotenen Ort,
dem Garten, und träumten und träumten,
empfingen mich...
und der Krieg, er war gar nicht vorbei,
denn, das Haus, das sie gebaut,
sie, die Verfolger, rissen es ab
und es gab keinen, wirklich keinen Ort mehr zu sein,
meine Mutter starb,
kaum hatte geboren sie mich,
mein Vater baute und baute,
aber: er wollte nicht...
alles verkaufte er...
zeugte Kinder und Kinder,
aber: fahren und fahren wollte er,
bauen nicht,
ich aber, Liebster, wie ich bauen will.
Mein Vater, er kam zurück aus dem schrecklichen Krieg,
in den gezogen er war als ein Kind...
er fand meine Mutter, die bauen wollte...
Mutter, als du starbest,
mein Vater konnte bauen nicht mehr,
er betäubte sein armes Herz...
aber ich, da war ich...
dieses seltsam verlorene Kind,
das vermengen wollte den Sand...
ja, da waren Haufen von Sand,
ich kauerte,
die alte Kappe auf meinem Kopf,
sie fiel mir in die Stirn,
die Kappe meines Vaters,
ich trug sie mit Stolz,
denn er,
er trug sie nicht mehr.
Und Liebster, einmal will ich bauen ein Haus aus den Haufen aus Sand,
die lagen vor unserem Haus,
und ich wusste immer genau, genau, wie es geht:
die Mischmaschine, stand sie nicht bereit?
Ich sehe mich schaufeln und schaufeln,
mauern,
ich weiß genau, wie das geht,
wie die Steine zu setzen ich habe,
versetzt, versetzt,
und ich streiche den Zement,
und ich will setzen Stein auf Stein,
Liebster, ich weiß alles,
mein Vater, der Häuserbauer,
einmal begann er zu bauen mit mir,
und, ach, ich ersehne ein Haus aus Stein,
in dem ich wohnen werde bis zum Ende aller Zeiten,
kannst du nicht bauen mit mir...
weißt du nicht, wie wunderbar das ist,
ein Haus, ein Haus...
es soll mir gehören,
etwas soll endlich mir angehören,
Liebster, willst du nicht einmal bauen mit mir?
Ach, ich weiß schon, du willst ja nicht,
das bin ich,
ich meißele meine Worte in Stein,
ich setze Wort um Wort,
versetzt, immer versetzt,
da wohne ich,
Liebster, ob ich wohl träume?
Wo ich wohl bin,
die hämmere und hämmere ich
mein luftiges Haus,
in dem ich allein bin, so allein.
Liebster, willst du nicht einmal kommen
(ich weiß schon, ich frage zum tausendsten Mal)
und bauen mit mir?
Kannst du nicht wirklich ein einziges, einziges Mal
erinnern dich meiner,
mir Worte schicken,
einstmals,
das warest doch du,
der mir Worte und Worte schickte?
Kannst du nicht einmal erfüllen,
was du versprachest
in deinem Warten-Können-Nicht?
Liebte ich nicht diese Unruhe,
dieses Getriebensein,
will ich nicht niederfallen
und beten,
du kämest noch einmal zu mir?
In der lange vergangenen Zeit, Liebster,
ich betete,
vor dem Bild meiner Mutter,
sie lehrten mich zu beten,
damals, als ihr Bild noch hing über meinem Bett,
bevor sie abhängten es,
ich betete am Abend,
ich sprach die Worte nach,
meine Großmutter sprach sie vor,
es war wunderbar,
vor jeder Nacht gedachten wir ihrer,
wie sicher ich war,
da war sie, ich wusste sie,
wir beteten,
und ja, es war ein wunderbares Bild,
sie war so schön,
sie lächelte.
Auch als es plötzlich nicht mehr da war,
ihr Bild,
als sie, die mir die Orangen zu schälen verstand,
plötzlich kam und blieb,
ich erinnerte es.
Ich sah sie mit dem kleinen schwarzen Hut,
dem kurzen Schleier, der ihre Augen nahezu verbarg,
sie schaute mich an.
Später aber,
tausend Jahre später,
als sie mir plötzlich zeigten ihr Bild,
ich erschrak.
Mutter, verzeih mir,
ich erkannte dich nicht.
Ich dachte: Nein, nein, nein...
wer ist sie,
sollte sie mir irgendetwas sein?
Diese fremde Frau,
niemals sah ich sie...
wie merkwürdig sie schaut,
wie unähnlich sie mir ist,
es kann und kann nicht sein,
dass sie mich geboren hat,
da ist nichts, gar nichts,
was uns verbindet,
Mutter, verzeih mir,
ich dachte,
wie hässlich sie ist,
wie sie will ich nicht sein,
so bin ich nicht,
und es vergingen noch einmal tausend Jahre,
bevor ich erkannte dich,
aber, weißt du,
es war wirklich kärglich und kaum zu erkennen,
die ähnlichkeit
und manchmal hasste ich mich und dich
für das, in dem wir ähnelten uns,
Mutter, ich wollte nicht,
hing ich nicht an der Schönheit der Orangenschälerin?
Hätte ich nicht gerne teilgenommen an ihrem Strahlen?
Mutter, wir konnten nicht,
strahlen, wir konnten nicht,
wie dunkel, wie verloren wir waren,
und dein Bild,
einmal hing es über meinem Bett,
es strahlte nicht mehr.
Ich schämte mich,
Mutter ich schämte mich für dieses Bild,
als ich es wieder sah
(vergaß, wie ich es geliebt, wie schön es mir erschienen war),
Mutter ich dachte:
Wie hässlich wir sind,
Mutter, du beschämtest mich,
ach, Mutter, wie schrecklich ich bin...
und ja, es war so,
ich dachte:
niemals werde ich bestehen vor der Orangenschälerin,
ihrer Schönheit, ihrem Strahlen,
Mutter, wie sie lachen konnte,
mit allen,
mit mir aber nicht...
Mutter, wie hässlich ich war,
davonstahl mich,
mich schminkte vor den sich spiegelnden Zigarettenautomaten,
Mutter, sie verbot mir zu verschönern mich...
Ich aber kaufte Schminke und Schminke,
aus ihren Taschen stahl ich das Geld,
Mutter, so suchte zu verschönern ich mich...
Und ich dachte auch, manchmal dachte ich das:
Einmal werde ich strahlen,
überstrahlen sie,
und ja, war es nicht so?
Es war ganz unglaublich, wie schön ich wurde...
Mutter, das musst du gewesen sein,
du warfest mir hinab ein scheinendes Gewandt,
denn es war so,
ich überstrahle sie.
Gleichwohl,
es verblüffte mich,
die Männer, sie sahen mich an,
so sehr auch abwandte ich meinen Blick...
sie sprachen zu mir,
wie seltsam mir das war:
Da waren Männer, die suchten mich,
wollten bauen ein Haus,
ach Mutter, wie schön zu machen ich mich verstand,
aber,
ich fürchtete mich,
Mutter, ich wollte nicht.
Denn, war es nicht so,
immer und immer suchte ich dich, Mutter,
und meinen Vater...
die fremden Männer,
sie bedeuteten mir nichts,
und vermischte ich mich auch,
selten, selten,
konnte ich nicht immer fühlen,
das waret ihr, die ich suchte und suchte,
euch wollte schön sein ich,
für euch starrte ich an den Spiegel der Zigarettenautomaten,
ach, Mutter, Vater,
wie ich bestehen wollte vor euch, vor euch
und wirklich
vor niemandem sonst.
Und schlug ich nicht aus so vieles,
die Eheversprechen auch,
ich wollte nicht,
bauen, kein Haus,
Mutter,
ich suchte,
so muß ich denken,
nach dem alten, alten Haus,
das verlorenging,
(ich vermochte zu bauen es nicht)
Mutter,
ich lebte in der Zeit nach dem schrecklichen Krieg,
immer,
in der Zeit deines Todes,
der Zeit des Häuserbauers,
der bauen konnte nicht mehr
und immer, immer,
ich sehnte mich so
ein Denkmal zu bauen,
euch, der kaum vorhandenen Zeit mit mir,
-Mutter, du lagest im Sterben,
du pumptest die Milch aus deiner Brust,
mein Vater, mit seinem Motorrad,
er holte sie ab,
brachte sie mir-,
und dann, ganz schnell,
es war alles vorbei,
Mutter, du starbest...
denn ist es nicht so, das Haus, das Haus,
es dauerte lange, zu lange,
wir konnten bauen es nicht in deiner Lebenszeit..
und nun, da ich einen traf,
einen einzigen,
mit dem ich bauen will und will,
er aber nicht,
Mutter, nun werde suchen ein Denkmal zu bauen ich,
dir, meinem Vater und ihm,
den ich traf auch den gleissenden Feldern...
und Mutter,
seine Frau liegt im Sterben,
und seine Kinder,
denn Mutter, er hat Kinder,
ich weiß nicht,
will ich ahnen wie es ihnen geht?
Denn, Mutter,
nun traf ich einen,
dem angehören ich will,
du weißt, er betrog mich fürchterlich,
er, den ich meinte...
Immer sprach er fremd,
und kann ich nicht ahnen,
er will nicht,
aber,
ihm und dir und meinem Vater,
will ein Denkmal ich errrichten...
denn einmal... wie ich sprach mit ihm,
es war wunderbar,
und sollte auch alles ausgelöscht sein nun,
da ich bedenken muß die endlose Zeit,
in der er antwortete mir nicht...
Liebste, Mutter,
ihn erwarte ich schmerzlich,
und ein Denkmal,
er will das nicht,
denn
manchmal träumt er und träumt,
und er denkt,
wir könnten beginnen erneut.
Aber Mutter, ich weiß es,
wir werden können nicht,
Mutter, Liebste,
ich werde ein Denkmal errichten
und werde ich es nicht lieben
zu träumen von der vergangenen Zeit,
steinern, steinern...
und ja, es regnet,
der Regen,
wie er einholen kann mich,
murmelt und rauscht er nicht
und spricht von meinem Liebsten,
den ich verlor?
Mutter, es war wirklich so:
noch einmal begann ich zu lieben,
ihn, er war weit, so weit,
er lag bei den Frauen,
mir aber nicht,
Mutter, er missbrauchte mich.
Mutter, Liebste,
einmal musst du schreien und sagen,
Nein und Nein."
"Ach, Liebste,
wie du umhergehst mit deinem Nein,
Verbündete suchst,
ja, manchmal, ich lache,
was war,
war etwas?
Und selbst wenn...
im ersehnten Beiliegen also,
ich missbrauchte dich,
oder waren es die Frauen,
denen ich beilag,
dir aber nicht?
War nicht alles falsch an mir für dich?
Und ja,
warten für immer wollte ich nicht...
und es war ja auch nichts,
gar nichts war,
niemanden fand, traf ich,
Liebste, bedenke:
Das war ich, einmal suchte ich dich
und konnte trösten mich nicht,
gar nicht,
wie du zu denken scheinst:
Er, der Missbraucher,
so gierig und die Frauen verwechselnd,
er geht über Leichen,
haben und haben will er,
und stürbe auch seine Frau schon am nächsten Tag,
er vermischte sich."
"Aber, Liebster,
ist es nicht so,
das sind wir, die über Leichen gehen,
und wir werfen uns in den Sand,
Abbitte zu leisten,
denn wir wollen und wollen,
wir hören nicht auf...
was soll ich sagen,
das bin ja nur ich,
ich höre nicht auf,
mein Gesicht im Sand...
und ja, ich kann mich gar nicht mehr bewegen,
alles ist steif,
gemauert?
Wie ich das Denkmal lieben muß
und ich habe Angst, Angst...
werden nicht sagen sie mir Nein,
dieses große Nein,
das einmal ich sprach,
später du,
Liebster, wie alles verbündet sich in diesem Nein...
wir Bestand haben können nicht, nicht,
...als müssten wir wandern für immer und immer,
die gleissenden Felder sehen,
die Felder des Todes,
und die Verfolger,
...erkennten sie mich,
sie träten an zu töten,
auszulöschen mich,
alles, was ich war und sein hatte wollen...
und Liebster, verwandeltest du mich auch,
raubtest mir den Nonnenblick...
und meine Mutter,
sandte sie mir nicht ein Elfengewandt,
die Verfolger, Liebster,
werden sie bestehen lassen mich,
mir erlauben
ein steinernes Denkmal zu errichten?
Werden sie nicht lachen,
lachen über mich,
meinen schändlichen Versuch...
mein Vater aber...
wird er nicht lieben mein Unterfangen?
Denn weißt du, mein Vater, der verstummte,
er begann zu lesen, was ich schrieb
und ich dachte:
Es geht ein Beben durch die Welt,
mein Vater,
in der ihm eigenen charmanten, mich betörenden Weise
(ja, er erinnerte mich an dich),
plötzlich begann er zu lesen
die Zeichen,
die ich mauerte und mauerte...
ja, er schämte sich auch,
aber, plötzlich,
er, der alles verkauft und vom Umherfahren geträumt,
Liebster, er suchte mich,
und ja, die alte Kappe,
sie war nicht mehr da,
aber, aber,
das alte Haus,
das er einstmals für meine Mutter gebaut,
das Haus, das abrissen sie...
begannen wir nicht noch einmal zu träumen?
Was niemals sein hatte dürfen,
plötzlich war es...
mein Vater und ich...
es schien,
wir erinnerten uns,
leise, sehr leise,
denn:
war das nicht ich gewesen:
Hatte ich nicht gemauert und gemauert,
und getrachtet ein Denkmal zu bauen?
Denn da sollte etwas bleiben,
niemals sollten einreißen sie alles,
Liebster ich baute und baute...
und da war auch einer, noch einmal einer...
du weißt schon, er ähnelte dir,
(wie viele werde ich sehen noch, die ähneln dir?)
schon beim allerersten Mal:
ich dachte, es ist unglaublich,
es kann und darf nicht sein,
wie du kam er mit seiner Frau,
hallunziniere ich?
Sie schien deiner zu ähneln...
Ich fürchtete mich,
sofort begann ich mich zu fürchten,
und dann,
plötzlich, er kam allein...
er war wirklich schön,
ich hätte ihn gerne angefasst,
und ja, er erzählte, wie er seinen Sohn zu beruhigen trachtet
(ist es nicht seltsam: auch er kam mit seinem Sohn)
und sein Sohn,
er glich deinem nicht,
sein Sohn, er wütete,
und er berichtete,
dann lege er sich mit seinem Körper auf den Sohn,
zu beruhigen ihn,
er hielte ihn fest...
und ja, sofort begann ich zu träumen,
noch während er sprach,
wird er nicht einmal sich legen auf mich,
denn sein Körper, auf mir,
ich liebte es,
sein Körper,
er schien mir wie für mich gemacht...
und hatte ich nicht angemalt meine Augen in tiefstem Schwarz,
hatte meinen Mund ich nicht bemalt,
zu erwarten ihn,
aber ich erschrak, ich erschrak,
denn er kam allein, allein,
und also wandt ich mich und wandt,
ich, du weißt ja, ich bestand,
fasste ihn an nicht,
aber ja, ich ersehnte es
ach, Liebster,
das bist nur du,
du willst mich machen vermischen mich,
Liebster, du willst mich strafen...
aber weißt du, sollte ich wirklich...
einmal wirklich und wirklich...
anfassen einen,
ach ja, dir ähneln,
das müsste er,
und dieser, weißt du, er war wunderbar...
und ich weiß ja nicht,
hätte ich ihn berührt...
wäre er nicht gerannt und gerannt,
aber Liebster,
war er nun nicht gekommen allein,
in dieser, wie ich immer dachte,
deiner unnachahmlichen Weise...
sie verführte mich so schrecklich...
Aber, wie immer,
ich widerstand...
bedachte dich,
ach, bedachte ich dich?
War da nicht noch einmal gekommen einer,
(und ja, er würde wieder kommen)
Liebster,
du willst ja nicht mehr kommen zu mir,
warum?
Und er sprach so frei wie du,
er bezauberte mich,
die Nonne in ihrem Turm,
den hohen Mauern,
die sie angetreten war zu mauern,
und du weißt ja,
aufhören konnte ich nicht...
dir Liebster, schrieb ich alles,
und er,
er wusste ja nichts,
er sprach,
als gäbe es einen ersten Tag,
und ich träumte und träumte:
Könnte er nun nicht immer und immer wieder
kommen zu mir, ohne seine Frau,
sprechen mit mir in dieser unnachahmlichen Weise,
ach, ich liebe sie,
so unschuldig,
als begänne nun der erste Tag nach dem Fall,
und das Paradies,
wir können noch wähnen es.
Das bist nur du, Liebster,
du weißt, ich fiel,
und will ich nicht verraten dich...
und ja, dein gramerfülltes Antlitz,
will ich nicht hinfortgehen und vermischen mich?
Liebster, was würdest du sagen zu mir,
du, der Vermischer?
Warum sollte ich das sein,
die harrt und harrt,
einem harrt,
der niemals kommt?
Denn siehst du,
da kam einer,
er teilte deinen,
es schien mir immer,
unnachahmlichen
Charme, den Charme des Häuserbauers,
und dessen Antlitz,
es alterte nicht,
niemals und nie für mich,
du weißt nicht, wie schön der alte Häuserbauer ist,
wie gemeißelt sein Antlitz,
denn,
die ungeweinten Tränen,
sie verschönerten ihn
und immer sah er aus, sah er aus,
als sei er gerade gezogen in den schrecklichen Krieg.
Du aber Liebster und ich,
wie zerfurcht wir sind,
Liebster, wir verwirrten uns in diesem Krieg,
uns, Liebster,
nahm er den Atem,
die Unschuld,
das erste Mal,
und ist es nicht so,
in deinem Antlitz,
zum ersten mal,
ich sah die Tränen, den Schmerz,
denen ich anhängen muß und muß.
Das warest du allein,
dein schmerzerfülltes Angesicht,
lange, lange verborgen,
dir, Liebster,
verfiel ich,
du wusstest alles,
dass ich nicht mehr mauern kann,
dabei bin zu sterben
auf den gleissenden Feldern,
lange, lange,
nachdem ich dich gesehen,
als alles zu spät war,
sah ich dein Angesicht,
und niemals, niemals hatte ich wähnen können diesen Schmerz,
ach, wie er verbindet uns
und mich liegen macht
auf dem Boden, dem Boden vor dir,
Liebster, willst du denn niemals wieder sehen mein Angesicht?"
"Wie ich dich nun nennen soll,
ich weiß es nicht,
Liebste, Vermischerin,
du gingest hinweg über mich,
und du vergisst alles.
Meine Frau, sie wird nun sterben...
und mauern,
ich kann nicht.
Aber, manchmal, wieder in der Nacht,
ich bedenke dich,
die lange vergangene Zeit,
die Felder, gleissten sie?
War ich das,
der erwartete dich,
warest du das, Liebste,
die an der Böschung stand,
wo die Sterne fielen hinab?
Ich muß versinken, Liebste,
ich versinke,
und ich träume von den Feldern,
von nichts als den Feldern
und mauern, mauern,
wie könnte ich?"
"Ach, Liebster,
es ist so einfach:
Du nimmst die Kelle in die Hand,
du vermischst den Sand,
und dann streichst du und streichst,
dann hebst du die Steine,
sie werden fest, ganz fest,
und es gibt gar nichts,
was dabei zu bedenken wäre:
Liebster, es ist wunderbar,
die Steine vermischen sich mit dem Zement,
und ja, wir müssen sorgfältig mauern,
ich kann das,
ich weiß wie das geht,
mein Haus, es wird einstürzen nicht
und niemand wird wagen abzureißen es,
ich habe alles abgeschaut, damals,
als wir das Haus für meine Mutter bauten,
die tot war, tot,
(nur den Grund, auf dem das Haus wuchs und wuchs,
sie kannte ihn... sie hatte geträumt und geträumt...)
ich habe nichts vergessen,
es ist auch nicht wichtig,
dass wir verlassen mussten dieses Haus,
wie alle folgenden,
dass nun fremde Menschen leben darin...
Liebster, ich schaute nach, es steht noch,
stolz, sehr stolz,
denn weißt du,
es war ein stolzes Haus,
mein Vater strich es an in einem dunklen Rot,
es stach hervor unter allen Häusern,
die da standen...
Ich dachte immer, es steht da
und schaut alle an, die vorübergehen,
es zog die Blicke auf sich,
ja, es war klein,
es glich nicht den kommenden Häusern,
die groß waren,
in die Weite gebaut,
großartig, ja,
mit Swimmingpool und vielen, vielen Zimmern.
Das Haus meiner Mutter war klein,
aber es stand und steht,
und immer muß ich denken,
es steht da und schaut hinein in die Straße,
die Welt,
und immer noch gibt es Menschen,
sie wohnen darin,
und ist auch alles umbaut
und der Weg zum Fluß und den Feldern umstellt
von hunderten von Häusern...
es steht,
es beruhigte mich...
wie ein seltsamer, nicht in die Zeit gehöriger Gegenstand
steht das alte Haus,
das einmal anlehnte an die Felder sich...
denn, weißt du Liebster,
ich lebte immer an den Feldern...
und Liebster,
wollen wir nicht einmal kaufen das alte Haus,
wir müssten bauen nicht mehr,
du willst ja nicht,
und ja, es genügte,
meiner Mutter Haus,
mein Vater und ich,
wir bauten es und träumten,
und waren auch die kommenden Kinder schon unterwegs,
es kümmerte mich nicht...
und die Felder,
sie sind nun weit, sehr weit,
jenseits des Dammes,
den ich bestieg,
auch im Winter,
mit meinem Schlitten fuhr ich hinab,
und meine Hände, wie kalt sie waren,
Liebster, ich weinte,
Liebster, meine Hände erfroren,
und ich schrie nach meiner Mutter,
die verlassen hatte mich.
Würde ich es nicht lieben,
zu leben mit dir, in diesem Haus,
einstmals, ich half ich es zu bauen,
wäre es nicht wunderbar,
zu leben darin bis zum Ende aller Zeiten,
ach Liebster, willst du nicht einmal kommen und leben mit mir,
du musst auch gar nicht bauen,
ich baute und baute ja,
und du musst nun einfach sagen,
ja, ich will,
und ich weiß schon, Liebster,
wollen wirst du nicht,
denn, ist es nicht seltsam:
bauen willst du nicht,
aber auch ziehen nun
in das vorgebaute Haus,
wirst wollen du nicht,
und es stimmt ja auch nicht,
es ist gar nicht seltsam,
das wirst wollen können du nicht.
Aber, Geliebter,
ist es nicht mein Denkmal,
dieses kleine, von fremden Menschen bewohnte Haus,
das nun steht inmitten so vieler,
großer Häuser,
die gleichen einander,
wie unendliche Zwillinge stehen die Häuser nun zum Damm,
das Haus meines Vaters aber,
das erste,
dieses, das zu mauern ich half,
es schaut merkwürdig und einsam auf die Straße,
es ist klein, so klein...
einmal aber, damals, es stand stolz,
bestrichen in rostrot,
es starrte auf die Straße, den Damm, die Felder."
"Ich vergaß fast,
ja, ich wollte vergessen,
du berichtest mir ja
erneut
von einem,
sagtest du nicht,
du träumtest, er liege auf dir?
Sprachest du nicht von seinem Charme,
der verführte dich,
von einem ersten Mal,
von Paradies und Unschuld...
und dann, sehr schnell
sollte ich ziehen mit dir in das alte Haus,
das kleine Haus, deiner Mutter gebaut,
das an den Feldern stand,
einmal, vor einer langen Zeit...
was du wohl denken magst, Liebste..."
"Ich, heute las ich von der Explosion der Sterne,
einem nie vorgekommenen Phänomen,
die Sterne, sie fielen nicht,
sie explodierten
und keiner weiß, warum,
es war,
als vernichteten sie sich selbst in einem letzten Erglühen,
und,
ich erfinde nichts,
es ist ein Phänomen der Natur.
Und Liebster, ich habe keine Ahnung,
was es bedeuten mag,
ich las nur und las
und dann,
ja dann stellte ich mir vor:
Nun, da die Sterne explodieren,
warum ist das so,
dass alles bleiben soll,
wie es war,
könnten nicht wir nun, Liebster,
explodieren wie die Sterne
und fallen einander zu,
denn das All,
seine seltsame Unendlichkeit,
die wir nicht verstehen können,
ich hoffe so sehr,
es weist uns den Weg,
denn will ich nicht einmal
explodieren und zufallen dir,
den Sternen gleich,
die wir lange, so lange erwarteten
am Beginn der Böschung,
die zu deinem Haus hinwandte sich...
die hin sich zog zum kleinen, stolzen Haus,
meiner Mutter erbaut,
und ich weiß ja selbst nicht,
will ich einmal wohnen darin mit dir,
Geliebter,
ich will nichts wissen."
"Manchmal, Liebste,
ich will,
ich, der ich verlernte das Bauen,
manchmal will ich ziehen mit dir in das kleine Haus,
aber es demütigt mich so schrecklich,
Geliebte, niemals werde ich können dieses:
Einziehen in das Haus, das du gemauert
vor einer unendlichen Zeit.
Und dann träume ich, ja, auch ich kann träumen
und ich träume von einem Haus,
ich habe es gebaut
und dann werde dastehen ich an der Pforte
und einladen dich
hineinzukommen,
ja, ich sehe und sehe uns stehen da,
und ich werde einladen dich,
Liebste, hinein in mein Haus...
es wird...soviel ist sicher...
auf den gleissenden Feldern stehen,
und Liebste, wir werden lachen,
siehst du, ich träume und träume...
und unser Haus,
es wir neu sein,
ganz neu, niemand wird bewohnt haben es,
denn ich werde erbaut haben es für dich."
"Ach, Liebster, es wäre wunderbar,
ein Haus, das du gebaut
für mich,
Liebster, ich müsste gar nicht nachdenken,
ich käme gerannt,
hinein in dieses Haus...
aber es darf nicht in den Lüften stehen,
ein Nebelhaus darf sein es nicht,
auch auf dem Meeresgrund soll stehen es nicht...
es müsste wirklich sein,
aus Steinen gebaut
und ja,
du hast recht,
ein Denkmal sein müsste es nicht,
denn falls wir jemals lebten in diesem Haus,
eines Denkmales
bedürften wir nicht...
und ja, es stünde auf den gleissenden Feldern,
aber Liebster, ist da noch Platz für ein Haus?
Und...ich weiß nicht, auf den gleissenden Feldern...
ich denke und denke und vermute,
dort,
es hätte keinen Bestand,
Liebster, du darfst nicht bauen für mich auf den gleissenden Feldern...
und ich weiß auch gar nicht, warum ich das sagen muß,
aber plötzlich bin ich sicher, ganz sicher...
dieses Haus,
solltest jemals du bauen es für mich,
es stünde da,
wo wir niemals waren,
alles wäre neu, neu
und würde ich es nicht lieben,
die Pforte zu durchschreiten
(ich stelle mir vor: an deinem Arm),
und alles, was war,
es wäre,
es wäre nicht mehr,
wir zweifelten nicht mehr,
denn da wären wir
und erneut beginnen,
wir wollten das und es wäre auch gar nicht so,
dass gar nichts bliebe,
aber in unserem Gehen,
so träume ich,
alles würde neu,
verwandelte sich.
Was einmal war,
es verwandelte sich
in Gegenwart,
kleidete sich ein in ein tröstliches Gewandt.
Und wir, Liebster, Geliebter,
wir könnte Atem holen,
endlich,
leben.
Ach, bau mir ein Haus
und ich weiß ja,
du weißt wie das geht
und ich, ich werde nichts tun müssen,
als die Pforte zu durchschreiten,
wie ich es lieben werde,
das zu tun,
gar nicht erwarten kann ich das,
dieses Haus,
das zu bauen mir du versprachest...
trotzdem, Liebster, ich fürchte mich,
und ich kann fühlen,
es ist schrecklich, schrecklich,
was ich immerzu dir sagen und sagen will...
als könnte nicht lassen ich dich,
als müsse ich immer und immer beschreiben dieses Haus,
dabei:
Ich will es doch nur betreten,
einmal will ich seine Pforten durchschreiten
und sagen:
Nun bin ich bei ihm,
meinem Liebsten,
und wo und wie es steht,
es kümmert mich nicht...
ich kann so schrecklich spüren,
mit meinen Wünschen,
ich hindere dich,
warum bin ich so?
Und gestern, ich reiste in den Süden.
Tauchte man,
so berichtete mir ein alter Mann und lächelte,
die Füße in den kleinen Fluß,
der die Stadt durchquerte,
in die ich heute kam
...man fände seinen Liebsten für immer.
Dann sah er mich lange an und ich dachte:
Sie können es lesen in meinem Gesicht,
ich vermag es nicht zu verbergen,
dass,
wohin ich auch reise,
nach meinem Liebsten suchen muss.
Ach, ich schämte mich,
hatte ich nicht die langen Stunden der Fahrt damit verbracht,
ja, auch die Nacht schon zuvor,
zu malen dein Bild.
Ich male und male
auf verwirktem Papier
und anderes vermag ich nicht mehr
und das Reisen,
wohin meine Reise auch gehen mag,
seltsam,
sie belebt dein Bild,
...denn, ist es nicht so...
bewegte ich mich nur hinfort,
könnte träumen ich nicht von dir?
Und da du nun beschlossen haben magst
nie mehr den Boden zu betreten,
auf dem ich lebe,
ich beginne zu hoffen, wenn ich reisen muss...
als könntest überall nun du, Liebster,
plötzlich stehen vor mir
und anschauen mich
...denn, so muss ich denken,
überall wirst du sein,
nicht aber da,
wo du wähnen musst mich.
Und heute,
war es auch tiefster Herbst,
ich fand einen Platz draußen zu sitzen,
auf die Straße zu schauen...
den ganzen langen Sommer hatte ich,
so schien es mir,
von diesem Platz geträumt...
ich war ruhig,
ich fürchtete mich nicht,
Menschen sahen mich an und lächelten.
Im tiefsten,
an den Winter grenzenden Herbst
war es warm.
Ich öffnete meinen Mantel
und löste meinen Schal,
auch ich,
ich lächelte.
Du aber, Liebster, wo du wohl warest,
in welchem Teil der Welt?
In der Nacht,
die schwarz hineinfiel über mich
starrte und starrte ich zum Himmel,
stundenlang
und lange, lange
benötigten meine Augen
in der Dunkelheit zu sehen.
Und es war so,
ich sah die alten Sternenbilder,
zart und klar.
Liebster,
die Sterne, sie scheinen mir noch
und ja,
es war einsam und still,
wo ich war,
es war ein dunkler Wald,
in dem ich untergekommen war...
die Sterne aber schienen so hell und ich schlief nicht in der Nacht...
am Tag,
dann,
noch einmal schien die Sonne im November,
als sei vergangen der Sommer nicht...
und wieder suchte ich auf diesen Platz,
an dem ich hatte sitzen können,
ruhig, ganz ruhig...
umherschauend, du weißt ja, Liebster,
erwartend dich.
An diesem Tag aber,
-ich dachte,
warum, warum an meinem Tisch-
nahm Platz ein unbekannter Mann.
Er lächelte, verlangte Platz zu nehmen an meinem Tisch.
Ich erschrak und nickte
langsam
und dann war alles so eng,
ich schlug die Augen nieder,
manchmal sah ich ihn an,
aus meinem Augenwinkel,
er lächelte,
dann,
so bemerkte ich,
richtete seinen Stuhl er aus,
so dass er mich nicht mehr sehen konnte...
mein Angesicht
und ich dachte, ich bin schrecklich,
wirklich schrecklich,
so ein schöner,
ach, viel zu junger Mann,
er blickte auf mich,
nahm Platz an meinem Tisch,
ich tat ihm weh,
ich wollte nicht sehen sein Angesicht
und ab wandte er seinen Blick.
Ob du das wohl wissen kannst, Liebster,
wie ich alle vertreiben muss und niemanden,
niemanden sehen will so nahe bei mir...
...seit ich dich sah,
es ist nichts mehr, wie es war."


167. Der Wurm

"Und doch, Liebste,
kann ich nicht bemerken,
das bist du,
du berichtest mir erneut von einem,
nein, dieses Mal, du träumtest nicht, er läge auf dir,
er nahm Platz an deinem Tisch.
Und ich denke: Willst du mir nun erzählen und erzählen von den Männern,
die begehren dich?
Auch im November, so dachte ich,
das bist du, du gehst umher,
deine Augen hast du schwarz gemalt,
als wolltest alles du nun nehmen,
ich kann dich sehen,
aus Winter wirst du Sommer machen und sitzen an diesem Tisch,
weit, ganz weit weg von mir.
Wirst du nicht einmal vermischen dich?
Wirst du wirklich und ernst
warten können auf mich,
Liebste, ich krieche umher wie ein Wurm
und ich weiss auch nicht,
Vermischerin,
werde ich noch einmal erheben mich.
Du musst auch gar nicht warten auf mich,
ich will gar nichts verlangen
und ich kann es auch nicht,
müde, müde bin ich.
Sprachest du nicht von einem, der zitierte:
"Ich will schlafen, aber du musst tanzen?"
Und ja, ich erinnere mich schmerzlich,
er hatte beigelegen dir...
Sie, die dich suchten und suchen,
sie umstellen mich,
rauben meine Kraft."
"Und das Haus, Liebster,
das Haus,
die Pforten,
wollten wir nicht gehen hinein?
Ja, ich bin böse, sehr böse,
ich werde alles zerstören,
das kann ich fühlen,
aber vermischen, Geliebter,
ich vermischte mich nicht,
aber drohen,
dir,
liebe ich es nicht?
Wollte ich nicht einmal
zurückgeben dir alles, alles,
solltest du nicht wirklich einmal
am Boden liegen?
Wollte ich nicht spielen mit dir,
der du den Frauen beilagest,
als ich träumte von dir,
Denkmäler zu bauen begann?
Kroch ich nicht umher wie ein Wurm,
als mich anfiel die Wirklichkeit,
du, der du niemals versprochen hattest
etwas...
(immer hatte ich es geahnt)
vermischtest dich,
und nicht einmal,
wie ich hörte,
wie oft, Liebster, wie oft?
Hast du mitgezählt?
Und niemals werde ich mich trösten über dieses,
du,
du vergaßest mich,
denn: ich glaube dir nicht
und was du auch erzählen magst über mich,
die du meintest,
du vergaßest mich,
das war ich, ein Wurm,
ich kroch und kroch,
angezogen von diesem einstmals betörenden, gleissenden Geruch,
ich kroch dir nach,
ich grub mich hinein in die Erde,
und träumte,
sie sollte auslöschen meine Scham.
Und er, der dir glich,
ja, ihm kroch ich nach...
und manchmal, ja, ich richtete mich auf,
ich sehnte mich nach seinem Blick,
ich verstand es, ihn zu richten auf mich...
dann aber, er kam erneut mit seiner Frau,
ich erkannte ihn nicht mehr,
Liebster, er war ein Wurm,
am Boden sein Blick,
kaum sprach er ein Wort,
er schämte sich furchtbar,
und ich, ich war gar nicht mehr da,
auch als er ging, er sah mich nicht an,
kein einziges Wort richtete er an mich.
Ein Moment nur tröstete mich,
ich war gefangen im Gespräch mit seiner Frau,
da traf mich sein alter Blick,
zurückgenommen sofort, so beschämt, so beschämt,
wie ein Wurm,
der die Erde nur fühlt
und niemals darf er aufrichten sich
und blicken umher.
Und ich dachte zurück an dich,
ach Liebster,
wir,
wir waren wie Würmer nicht,
damals,
als wir begannen,
unsere Blicke begegneten einander,
und du, Geliebter,
warum bedächte ich dich noch immer,
nach dieser ewigen Zeit,
wäre da nicht gewesen dein Blick,
in dem ich alles las,
was ich träumte,
...vernichten wollte,
denn ahnte ich nicht...
wir würden über Leichen gehen wollen...
Liebster, du machtest mich,
meinen stolzen Nonnenblick, mein hintangehaltenes Begehren,
einmal, wir waren Würmer nicht.
Wir gaben nicht auf, richteten uns auf,
sandten Blicke aus,
begannen zu sprechen,
zu träumen noch mehr,
einen wie dich fand ich nicht mehr.
Liebster, bau mir dieses Haus,
ich werde durch die Pforten rennen,
nichts bedenken,
wie ich flehen will,
begrab dich in der Erde nicht...
und es ist auch gar nicht so,
dass wir über Leichen gehen...
wie sollte das sein?
Wir wissen doch nichts, gar nichts,
und Leichen machen,
das wir könnten dies,
so spricht unsere Schuld und Scham,
ich weiß aber, sicher, ganz sicher,
wir sind das nicht,
diese Würmer nicht,
die baden in Schuld und Scham und Leichen,
es sind die Verfolger,
sie suchen zu machen uns,
die elenden Verfolger wollen machen,
dass wir die Blicke senken.
Ich aber werde nicht,
niemals werde aufhören ich zu suchen dich,
nördlich, war es nicht nördlich der Felder?
Geliebter, nun musst beistehen du mir,
die Himmelsrichtung zu vergessen nicht,
denn ich will und will nicht vergessen,
ich will ein
Denkmal bauen,
ein festes Haus,
gemauert in Stein,
versinken in der Erde,
ich will es nicht,
und kann ich nicht hören die Verfolger sprechen,
sie murmeln und murmeln,
sie wollen berühren mein Herz,
sie sprechen:
Ist es nicht genug?
Nichts als nehmen ihn wolltest du,
wie auch immer du blicktest,
du wolltest und wolltest,
niemals wolltest bedenken du seine Frau und die Kinder,
verachtetest den stickigen Raum,
so nanntest du das...
und selbst nun, da seine Frau im Sterben liegt...
du rufst und rufst ihn,
vermischen willst du dich,
vermischen und vermischen,
von nichts anderem als dem Beiliegen ihm
kannst du träumen...
du gehst über Leichen und immer gingest du,
starb die Mutter dir nicht nach allerkürzester Zeit,
folgte die Großmutter,
in deren Obhut man dich gab,
nicht in kürzester Zeit?
Willst du nun alle töten,
die einmal anschauten dich?
(und ja, bedenke ihn... er warf sich vor einen fahrenden Zug)
Welcher Hass beseelt dich,
vwie kannst hinforteilen du,
über Leichen und Leichen gehen?
Und antworten will ich:
Ein Wurm sein will ich nicht,
als Wurm ward ich geboren,
ich winde und winde mich
und einmal werde aufrichten ich mich,
meinen verkrümmten Körper,
ihr wisst nicht, ahnen könnt ihr nicht,
wie er schmerzt,
zur Erde, immer zur Erde gekrümmt,
ihr könnt das wissen nicht,
-ihr geht ja umher-
wie furchtbar das ist,
umherzukriechen wie ein Wurm,
blind, blind...
Also, Liebster,
ich träume davon
entgegenzutreten allen,
die in die Erde traten mich,
ich konnte nicht mehr Atem holen,
wie ich überlebte, ich weiß es nicht,
wie leben Würmer?
Man berichtete mir, sie überlebten selbst,
zerrisse man in Stücke sie,
sie kröchen umher, zweigeteilt
(unternahm ich nicht einmal selbst diesen Versuch?),
Liebster, ich bin ein solcher Wurm,
ich krieche umher,
ein Stück meiner Selbst,
und ist es nicht so,
dich muß ich suchen,
einen anderen werde finden ich nicht,
aber werde ich, werde ich?
Wo du wohl bist,
wirst du noch einmal deinen Blick richten
auf mein zerkrümmtes Sein?
Wirst du, wie ich,
sie sagen es ja,
über Leichen gehen?
Werden wir einmal leben können,
wird es nicht inmitten von Leichen sein?
Und ja, ich male meine Augen in tiefstem Schwarz,
alles werde ich tun,
zu verführen dich,
ich werde mich schämen,
nein, ich werde mich schämen nicht,
ich werde, ja, ich werde aufrichten mich,
Liebster, an dir,
ich richte mich auf,
und ja, es erschreckt mich zu Tode,
zu wähnen dich als diesen Wurm,
der ich immer war,
ich habe Angst, Angst.
Und genau benommen,
was rede ich,
beliebe auszudenken mir:
Ich könnte aufrichten mich.
Ja, manchmal, manchmal
kann ich atmen,
manchmal denke ich an dich...
ja, wenn ich an dich denken kann,
dieses vermag,
dann durchschreite ich die Straßen,
aufrecht,
gerade mein Rücken,
und ich kann dann auch alles sehen,
in alle Gesichter sehe ich hinein,
ich lache,
ich fürchte mich nicht.
Aber, aber da sind die hunderttausend Stunden,
in denen ich meine erblindenden Augen vergrabe in der Erde,
ich krieche und krieche,
verfolgt von einer furchtbaren Scham.
Wieder und wieder dachte ich:
Der furchtbarste aller Zustände ist die Scham.
Sie liegt auf deinem Rücken,
tragbar ist sie nicht,
sie zerdehnt die Knochen,
die dich tragen sollen.
Sie richtet dich zum Boden hin.

Sie bohrt dein Gesicht der Erde zu,
weiter und weiter...
und manchmal sehe ich sehr alte Frauen laufen,

deren Körper von der Taille an sich wagrecht biegt,
dem Boden zu und dann sehe ich mich laufen wie sie,
denke: das bist du, dein Körper fällt der Erde zu,
lange mehr wird er tragen dich nicht,
du wirst fallen hinein in das Grab deiner Mutter,
da wird sein der Birkenstamm
und immer, das tröstet mich
kann ich sehen die lichten Blätter der Birke,
sie flattern im Wind.
Am heutigen Abend traf ich mich mit Freunden,
schon als ich ging, sehnte ich mich danach
zurückzukommen,
zu denken an dich.
Und ja, ich war armselig, am Boden,
über den ganzen Abend hinweg,
hielt mich mit Mühe aufrecht.
Ach Liebster, wo ich auch bin,
ich will nicht,
ich will sein mit dir.
Ohne dich bin ich ein Wurm,
vergraben,
erblindet,
mühsam, mühsam mich bewegend,
denn ich will ja nicht,
dass sie sehen,
dass ich nicht bin,
wo sie sind,
wie tot ich bin
ohne dich.
Und ja, ich frage mich:
Wie lange vermag es ein Mensch von Erfundenem zu leben?
Wie lange überhaupt lebt ein Wurm?
Sein Dasein, so scheint es mir,
es ist begrenzt,
das Dasein einer niederen Kreatur.
Ach Liebster, ich ahne
bald nun werde alle Hoffnung aufgeben ich.
Kam nicht November, November,
und kam er auch ungeahnt warm und wie ein Frühling
...niemals kam ein November so...
wie für mich gemacht,
dass ich,
die Jahreszeiten verwechselnd
noch einmal mich wähnen kann in einer früheren Zeit.
Geliebter, ich fürchte mich...
aber siehst du, ist es nicht seltsam,
wäre ich gekommen zu dir,
auf die Felder,
es wäre möglich gewesen,
ich hätte alles erkannt im Novemberlicht,
das wie ein Licht im Frühling war...
ich hätte, hätte,
wäre mutig gewesen ich.
Aber, ich versäumte aufzurichten mich im November,
misstraute dem changierenden Licht...
wie qualvoll ich auch umherkroch,
(Liebster, wie soll ich einmal rennen durch die Pforten?)
die Erde roch,
die mich einmal verschlingen wird,
mich durch die Büsche schlug,
dabei, dabei, es klopfte mein Herz, immer,
zu dir hin, zu dir,
bei dir will ich sein,
wie mir alles wurde zu einer Brücke zu dir,
wie ich meinen Rücken verbog,
hin zu dir, zu dir,
ich vermochte es nicht
aufzurichten mich.
Es war vielmehr so:
Ich kroch umher durch den qualvollen Tag,
mein Körper,
sich stündlich verkrümmend,
tat weh, so weh,
aber hin bog er sich in die Nacht,
in der noch immer ich dich zu treffen meine.
In den Nächten, Liebster, richte ich mich auf.
Ich lebe auf die Nächte hin und
möchte versäumen den Tag.
Ich krieche und krieche, verkrümme mich,
um aufzurichten mich am Abend,
dann, Liebster,
betrete ich die gleissenden Felder
und träume von dir.
Nur, wo du bist,
-ich schäme mich, das auszusprechen-
kann ich sein und richte ich mich auf,
(wie kitschig das klingt, als sei es meinen verbotenen Romanen entlehnt)
in den Nächten ziehe ich die Luft tief in mich hinein,
dann sehe ich uns laufen und laufen,
und ja, dann träume ich,
es wäre Tag
und ich könnte durchlaufen einen Tag,
ihn lieben,
müßte kriechen und kriechen nicht
zum Abend hin,
in die Nacht hinein
um zu fühlen,
dass ich lebe.
Meine Verfolger, so bemerkte ich,
sie ahnen nichts...
wenn die Zeit zum Abend hin sich richtet,
fragen sie mich erstaunt,
wohin wohl trächtete ich zu gehen,
so schön wie ich sei,
gekleidet in schimmernde Stoffe,
die Augen gemalt in Schwarz...
dann muß ich denken, Liebster,
sie können ahnen nicht,
es ist alles, alles für dich,
und tatsächlich,
krieche ich nicht zurück in mein Haus
(es gehört mir nicht),
werfe die Kleider ab,
entschminke mich,
und dann,
dann, Liebster,
treffe ich dich.
Wenn ich dich treffe,
bin ich nackt.
Auf den gleissenden Feldern,
die Kleider, sie haben keinen Bestand."
"Wäre jemals der Gedanke mir gekommen,
du Liebste, kröchest umher wie ein Wurm?
Als ich dich sah,
du trugest diese gleissenden Gewänder,
du hattest hergerichtet dich,
so schien es mir immer,
für mich, mich allein,
um dein verführerisches Nein zu sagen,
hattest hergerichtet du dich,
als stünde ein Ja bevor,
und deine Augen, so schwarz,
rotgemalt dein Mund,
verschlug es den Atem mir nicht?
Und Wurm, Liebste,
ein Wurm war ich,
ich kroch und kroch,
manchmal konnte ich deinen Atem riechen,
betörte er mich nicht?
Und ja, ich, ich richtete mich auf,
richtete ich mich nicht auf in meinem Begehren,
fühlte ich nicht einmal deines?"
"Doch, Liebster, doch,
wie ein Wurm kroch ich seit ewigen Zeiten umher,
(ja, ich verkleidete mich, legte die Waffen an, rüstete mich aus, denn: ich schämte mich so furchtbar, das zu sein, was ich war)
dann sah ich plötzlich dich,
noch während ich dich ansah mit meinem Nonnenblick,
still hielt, ganz still,
vernahm ich dieses wunderbare Gefühl,
Hitze überflutete, verwandelte mich,
dann schrie ich auf,
ich fürchtete mich.
Sah ich nicht damals, als ich dich zum ersten Mal ansah,
die gleissenden Felder
(vergessen seit tausend Jahren)
erneut?
Ich wollte aber nicht,
ich fürchtete mich.
Und erst, erst als du gegangen warest, Liebster,
erinnerte ich mich,
vergangene Bilder übermannten mich
und was ich gefürchtet hatte,
ich begann es zu ersehnen.
Doch, doch, Liebster, ich bin ein elender Wurm,
krieche ich dir nicht nach,
nun, da alles vorbei
und du abwandtest dich von mir.
Liebster, ich hoffe nicht mehr.
Heute weinte ich.
Ich besuchte noch einmal eine Musik unter tausenden von Menschen,
ich zog es gar nicht in Erwägung,
dass du da sein könntest,
nein, ich weinte plötzlich...
die Tränen liefen in meinen Mund,
den ich öffnete.
Liebster, ich trank meine Tränen.
Dabei saß ich da mit meinem Waffengesicht,
starr ausgerichtet,
und wie immer,
es gelang mir, alles zu verbergen...
und es war nicht nur einmal,
an diesem Abend brach ich dreimal in Tränen aus.
Sie spielten eine vergangene Musik,
mein Mann, der Musiker bezeichnete sie als kitschig und grauenvoll,
"Spätromatik", sprach er,
"ich kann es nicht hören, sie hören nicht auf,
sie dehnen alles aus, und dieses Pathos,
es gehört an einer vergangenen Zeit,
sie imitieren,
sie ignorieren, was kam..."
und ich konnte fühlen,
wie er verachtete diese Musik.
Ich aber dachte: Es ist mir ganz egal,
in dieser Musik, die zu spät, zu spät war für ihre Zeit,
kann ich dich finden,
muß ich weinen
und liebe ich mein Weinen nicht?
Und ja, ich fand es in der spätromantischen Musik,
die, so sprach mein Mann
"nicht authentisch" ist, "überholtem anhängt",
Liebster, er wusste es nicht,
aber es war,
als spräche er über uns,
als wisse er alles über Würmer,
sie hängen an der verachtenswerten, spätromantischen Musik,
sie kriechen einstmaligem Leben nach,
können aufrichten sich nicht und Neues erfinden,
sie kriechen und kriechen,
sie atmen vergangenen Duft,
sie können loslassen nicht.
Aber Liebster,
als ich nach Hause kam,
ich hörte sehr, sehr laut eine andere Musik,
die Musik, die ich immer höre,
wenn ich mich deiner erinnern will...
und ja, es ist die Musik meiner Tochter,
sie ist laut, sehr laut und traurig,
sie ist jedenfalls spätromantisch,
sie ist wie für die Felder gemacht,
und ich begann zu grübeln,
das Denkmal, mein Denkmal,
ich hatte ja nichts gehört,
ich wartete und wartete,
würden sie jemals antworten mir,
würden meine Worte bestehen,
vor den Verfolgern bestehen?
Würden sie zurückschicken mir alles,
"spätromantisch"
höre ich sprechen sie
und verachten mich.
Denn, was ich schrieb,
es ist anders als alles, was ich schickte,
womit Bestand hatte ich,
es ist "spätromantisch",
Liebster, ich habe nun Angst,
sie werden mein Denkmal zerstören,
umher mich kriechen lassen für immer
wie ein Wurm,
denn ich bedarf dieses Denkmales so stark,
sie sollen sagen, ja,
einmal darfst auch du anhängen dem,
was vorbei.
Geliebter, ich rufe nun die Verfolger an.
Ich warte
und ich bin froh,
dass ich warten darf,
hoffen,
auf das Denkmal
(werden sie mir gestatten, es zu bauen?),
auf dich
(wirst du einmal gestatten mir, zu kommen,
wirst du noch einmal meiner gedenken?).
Liebster,
ich danke Gott, dass ich warten darf
(denkt so ein Wurm?),
ich liebe es im Warten zu leben,
denn: Mit dem, was war, kann ich nicht leben,
mit dem, was ich ersehne,
kann ich damit leben?
Ich krieche und krieche umher,
manchmal richte ich mich zaghaft auf
(sonst lebte ich nicht mehr,
du weißt ja, begrenzt ist das Leben der Würmer),
und dann mache ich etwas,
von dem ich sicher bin,
es übersteigt das Leben der Würmer:
Ich höre nicht auf zu träumen von dir,
dem Denkmal, dem Haus,
einmal will errichten ich es."


168. Die Ratten

"Und ich bedenke die gleißenden Felder,
die toten Tiere,
Liebster, es waren Ratten,
sie lagen zu hunderten,
tot,
als ich, allein,
meinen Weg nach Hause suchte,
ich stolperte über die toten Tiere,
die Ratten,
sie lagen in den Feldern,
sie verstellten meinen Weg
mit ihren toten Körpern.
Und es ist mir auch,
als hätten gelegen da tausende von Kinderratten,
winzig, ganz winzig und tot.
Wie kann ein Feld voller toter Ratten sein?
Fuhr ein Mähdrescher hinweg über ihr Nest,
das Rattennest,
viele Rattennester,
und du glaubst es nicht, Liebster,
mein ganzes Leben lang fürchtete ich dieses Bild,
und dass es Ratten, dass die toten Tiere Ratten waren,
es vergingen tausende von Jahren,
bevor ich aussprechen konnte dieses,
es bedurfte deiner,
(und warest gegangen du auch)
zu erinnern, zu sprechen,
auszusprechen dieses:
es waren Ratten.
In all den Jahren, als du nicht warest bei mir,
ich ersehnen konnte dich nicht,
die Ratten bevölkerten meine Welt,
sie nagten an mir,
und wo auch immer ich atmen wollte,
ich sah sie liegen vor mir,
lebendig werden und anspringen mich.
Ich begann die Felder und Wiesen zu hassen,
(hatte ich sie nicht einmal geliebt, war mit verbotenen Büchern im Gepäck
dahingeeilt?)
ich betrat sie nicht mehr,
die Ratten lauerten,
in allem offenen Gelände lauerten sie,
manchmal nannte ich sie Hunde,
denn:
Liebster, es hätte ja niemand verstanden,
warum ich die Felder nicht mehr betrat,
mein Haus verlassen wollte nicht mehr.
Anstelle der Ratten sprach ich von Hunden,
wilden Hunden, sie könnten anfallen mich,
so beschwichtigte ich die Verfolger,
denn niemals wagte ich zu sprechen von dem,
was war, diesem Grauen,
den Ratten.
Die Ratten, die Ratten,
gar nichts hat vor ihnen Bestand,
drohen anzufallen sie dich,
du wirst dein Leben geben,
alles, alles,
von dem du träumtest,
du wirst alles verraten,
was dir einmal wichtig war,
du wirst dich machen zu einem Wurm,
kriechen und kriechen wirst du.
Und hast du sie einmal gesehen,
du wirst dein Leben in einem Alptraum verbringen,
wirst kaum atmen können noch.
Sie werden, werden sie nicht,
das Denkmal zerstören,
das ich ihnen errichten will nicht, nicht.
Werden auflauern sie mir nicht,
werden einmal sein lassen sie mich?
Die Ratten, meine Verfolger,
sie sind immer da, immer und sie zerstören,
was war,
dass ich dich fand,
sie lassen glauben mich nicht, nicht.
Wird da einmal einer sein,
der mein Missbraucher nicht ist?
Aber, nun sprach ich,
ihren Namen, ich sprach ihn aus:
es waren Ratten...
und mir ist,
nun, da ich sprechen konnte,
benennen meine schreckliche Angst,
werden sie nicht beginnen zu kauern,
werden anstarren sie mich nicht,
denn,
ich bin so sicher,
niemals wähnten sie,
nun spräche ich ihren Namen.
Bannte ich sie nicht?
Können sie mich holen noch
hinein in diese schreckliche Angst,
ob sie wohl können?
Geliebter, ich sage Nein,
sollen sie doch kriechen und kriechen,
anspringen zu wähnen mich,
es sind doch nur Ratten,
Liebster, sie wissen nichts, gar nichts von uns...
Und weißt du,
wenn ich einmal komme,
auf die gleißenden Felder,
wir werden noch einmal töten sie,
wir werden uns fürchten nicht,
belagern sie auch unseren Weg,
denn:
sie sind tot,
vor tausenden von Jahren,
sie starben,
und das war ich,
als ich einsam war,
dich gefunden hatte noch nicht,
ich fürchtete sie,
mehr, mehr
als den Tod.
Und immer und immer ersehnte ich dieses:
Ein Wort zu finden für das mir widerfahrene Grauen.
Geliebter, du erlöstest mich,
allein der Gedanke an dich
ließ mich sprechen...
und ich sprach aus, was war,
es waren Ratten,
es war das Schlimmste, was jemals mir widerfuhr,
aber, Liebster,
du schenktest mir Worte,
und die Ratten,
kauerten sie nun nicht wie Würmer?
Waren sie noch?
Ich hatte auch aufgehört zu lesen,
ich vermochte es nicht mehr zu lesen,
kein einziges Wort
und ich vermisste es nicht
und dachte:
niemals wieder werde ich mir die Augen lesen blind,
ich las ja und las,
hatte ein einzelner Mensch jemals gelesen, was ich las?
Liebster, der fremden Worte,
ich bedurfte ihrer nicht mehr.
Denn nun sprach ich:
Ratten, es waren Ratten
und fürchtete mich nicht.
Das warest du,
erträumt, vielleicht nur erträumt,
du gabest mir dieses Wort.
Denn mit dir,
ich hörte auf zu träumen von fernen Erlösern
(hatte ich es nicht gewünscht, von ihnen zu träumen?),
das warest du, du zwangest mich hinein
in die Welt der Vermischer,
Liebster, ich kannte, kannte sie nicht.
Als du beilagest dieser unendlichen Anzahl von Frauen,
das war ich, ich stürzte von meinem Turm...
aber ich fiel und fiel nicht den Ratten anheim...
war es nicht seltsam,
ich hörte auf zu fürchten mich,
ich gedachte deiner.
Will ich nicht manchmal schreien und schreien
vor Glück und Erstaunen,
die Ratten,
sie werden holen mich nicht mehr,
wie unglaublich belanglos sie mir wurden,
ihre fetten, zerstörten Körper,
von denen ich träumte,
sie könnten anfallen mich, lebendig werden, zu jeder beliebigen Zeit.
Liebster, Vermischer,
das warest du,
du warest der Rattentöter.
Aber
noch immer und immer,
mit dir will ich mich vermischen,
mit dir allein,
Geliebter, warum glaubst du mir nicht,
oder aber,
warum gingest du weit, so weit?
Oder aber,
wären wir Ratten,
vermischten wir uns?
Durchschaufelten wir eklig die Erde,
unsere Leiber sich windend?
Wäre alles Vermischen schmutzig?
Beschmutzten wir uns nicht?"
"Nein, nein,
deine Ratten, Liebste,
sie durchfraßen den Turm,
deinen Elfenbeinturm,
und ja, ja,
sind sie nicht schmutzig wie wir?
Und sind sie nicht unschuldig,
wie wir es waren,
als wir uns trafen zum allerersten Mal?
Und Geliebte,
wie du nun sprichst,
von Würmern und Ratten,
vernichtend, Liebste, sprichst du,
aber lagen sie nicht da,
auf den Feldern,
zerstört, so zerstört,
waren nicht Mähdrescher dahingefahren über sie,
Liebste,
ich will ein Wort sprechen für die Ratten,
sie wussten ja nicht,
wie ekelerregend sie waren,
und waren erregend sie nicht,
schmutzig, zerstört,
ihre fetten Leiber sich windend,
hatten sie nicht Kinder geboren,
Liebste, ich weiß nicht, ich weiß nicht,
so unheimlich sind die gleissenden Felder,
wie für uns gemacht."
"Nein, nein, nein,
ein Mähdrescher soll nicht fahren über uns.
Liebster, ich sah ihn auch wieder,
den Wurm,
der sich vor den Ratten fürchtet,
vor mir, vor mir.
Du weißt schon, er,
er erinnerte mich
(und du, du bist ja so fern, muß ich nicht suchen nun
deiner zu erinnern mich...).
Wieder kam er mit seiner Frau,
ich hatte Angst,
konnte fühlen ihren mich bedenkenden Blick
auf meinen schwarz gemalten Augen,
aber, ich hatte nun ein mich verdeckendes Gewandt gewählt,
schwarz, immer schwarz.
Und dieses Mal, ich sprach mit ihm,
es war, als wären wir allein,
ach, es war wunderbar
für eine kurze, sehr kurze Zeit,
er antwortete, sprach und sprach
und ich begann zu träumen,
alles war so richtig, wir begegneten uns in den flüchtigen Worten,
die wir sprachen.
Aber es war so,
musste ich nicht bedenken ihren Blick,
er zerstörte mich
und ich trachtete abzuwenden ihn...
und plötzlich, gänzlich unvermutet für mich, sprach er zu ihr:
"Ich hoffe, du wirst dich niemals trennen von mir."
Denn weißt du,
er ist so,
er sagt alles, was ihn anfliegt,
er kann sich verbergen nicht,
er kommt aus einer anderen Zeit, einem Land vor unserer Zeit.
Ich aber las:
Nun hatte er sich mir zugewandt,
dabei fühlte er: es war zuviel, zuviel.
Er führte auch aus, dass er nichts mehr als die Rituale liebe,
er sehne sich danach, sein ganzes Leben,
es sei ein Ritual.
Und weißt du, ich antwortete:
Aber wie langweilig kann das Leben dann werden...
Er starrte mich an
(wieder dachte ich darüber nach, woher er diese unglaublich schönen Pullover wohl hatte),
um schließlich langsam zu sprechen:
Es gibt nicht genug Rituale,
es ist sowieso immer zuviel, zuviel,
die Rituale,
sie sind nie genug.
Dann begannen wir,
er, seine Frau und ich
uns zu verabreden erneut,
ich sprach vom Neuen Jahr.
Es fiel ihm sofort auf,
dass ich nun gedachte einen Termin zu überspringen
(ich hatte ihn vergeben vor einer langen Zeit...),
"Warum, warum fällt dieser Termin nun aus?"
begann er zu fragen,
seine Frau,
sie führte aus:
Aber, dieser Termin, er geht sowieso nicht,
wir gehen zur Weihnachtsfeier unserer Kinder.
Ich sagte kein Wort.
Ich sah ihn starren,
er hasste diesen ausfallenden Termin,
aber er schwieg,
er macht sich nun zu diesem Wurm,
so dachte ich schnell.
Du aber, Liebster,
verloren gingest du mir,
niemals wieder wolltest du schreiben mir.
Ich dachte und dachte:
Er, der Rattentöter,
wie kann er verstummen,
er, den ich liebe,
wie kann aufheben sein Dasein er nun?
Er, der alles mir wurde,
und wollte er auch nicht,
wurde der Vermischer, mein Erlöser er nicht?
Ich denke und denke nach,
war es nicht so, Liebster:
Du setztest einen Schritt vor den anderen,
du gingest und gingest,
und im Beiliegen den Frauen
-sie folgten mir ja nicht, denn niemals lag ich dir bei-
verschwand mein Bild,
es löste sich auf in Luft,
es war
(hatte ich das nicht immer gewusst und gefürchtet?)
nicht mehr.
Ich lag, das war ich, Liebster,
ich lag nun auf dem Grunde des Meeres.
Ich war dieser Wurm, diese schäbige Ratte,
und schlimmer noch,
Geliebter,
ich verwandelte mich in eine amöbenhafte Gestalt,
und ja, ich sah mühevoll fortbewegen mich auf dem Grunde des Meeres.
Und ich ahnte:
Mein Denkmal,
sie würden alles zerstören,
ich würde haben keinen Bestand,
die Kelle,
sie fiele mir aus der Hand,
und ich sah sie,
sie fielen über mich her,
es waren Ratten,
sie fraßen alles auf,
was übrig war,
und es war gar nicht viel.
Aber:
Ich fürchtete mich nicht,
nie, nie mehr fürchtete ich mich vor den Ratten.
In einem meiner wilden Träume hattest getötet du sie.
Nun verrichteten sie ihr Werk,
es berührte mich nicht,
denn:
Ich war ja auf dem Grunde des Meeres.
Liebster, wirst du,
und sei es auch in einer fernen Zeit,
noch einmal ansehen mich?
Wie kannst du gehen,
als wäre nichts gewesen?
Sahest du nicht,
konntest sehen du nicht
die Ratten, die Würmer und Amöben?
Willst du nicht einmal tauchen mit mir,
tief, sehr tief,
willst du mich nicht einmal treffen auf dem Grunde des Meeres?
Irgendwo da,
ich bin,
ich verstecke mich,
Algen umfangen meinen Leib,
und die gleissenden Felder,
wie fern, wie fern sie sind,
waren sie...
ach, ich weiß ja, sie waren,
das waren wir,
wir verloren alles, alles,
nahmen an eine amöbenhafte Gestalt."
"Ich weiß nicht,
ich weiß nicht:
Soll ich beschwören die vergangene Zeit,
dein Bild...
es schwand so schnell, so schnell...
und reicht mein Atem nun aus
zu tauchen
in die vergangene Zeit?
Liebste,
das warest du,
du zerstörtest mein Atmen hin zu dir.
Du hast alles vergessen,
du legtest die Schlinge um meinen Hals.
Und nun zerrst du mich hinein in diesen erfundenen Dialog,
in diese murmelnden Worte,
von denen ich nicht sagen kann,
waren, sind sie,
hallunziniere ich...
bist du das, die ich sehe in der Mitte der Nacht?
Da ist ein Seil,
es windet sich um meinen Hals,
es raubt mir die Luft zum Atmen
und alles, was ich zu sehen vermag, ist der Tod,
denn: meine Frau muß nun sterben.
Und, stünde sie auch auf und lebte:
Liebste, ich kann leben nicht mehr,
ich habe, so scheint es mir, alles aufgebraucht,
zu viel, zu viel.
Ich habe alles verwirkt.
Wie du sagtest,
ich lag den Frauen bei,
all mein Atmen verströmte ich
in deinem Nein, meiner Angst vor dem Tod.
Ach, ich weiß ja, einmal träumten wir,
und da wir uns fanden nicht,
auf den gleissenden Feldern, Liebste, wir fanden uns nicht,
wir wurden zu Würmern und Ratten,
sagtest du nicht: nun sind wir Amöben.
Wir gehen und gehen zurück
und nähern uns einem Zustand des Anorganischen,
dem Tod, dem Tod.
Liebste, nun will ich sterben, verlöschen."
"Ach, Liebster,
kannst du noch einmal aufhalten dein Gehen,
noch einmal, Geliebter, musst du ansehen mich,
dann kannst du wägen,
willst du, willst du wirklich gehen?
Ach, lass mich nicht zurück in dieser unendlichen Zeit...
Und weißt du, ich spielte doch nur
(hatte ich das nicht von dir gelernt?),
ich spielte mit einem Gedanken:
weil wir nicht wollen konnten,
sahen wir die gleissenden Felder auch,
wir verwandelten uns, nahmen nach der Wurm-und Rattengestalt
an die Gestalt der Amöbe.
Aber, weißt du, ich vergaß ja nie, nie vergaß ich die gleissenden Felder,
sie brannten in mir,
will ich beleben sie nicht?
Und können wir nicht,
solange wir am Leben sind,
begegnen einander...
und weißt du,
wir sind ja keine Würmer, Ratten, Amöben,
können nicht jederzeit anhalten wir diesen Traum,
der wie ein Alptraum auf uns liegt?
Aber, eines kann ich fühlen:
Deine Frau,
ich weiß ja nicht, ob sie nun sterben müssen wird,
es ist nun, als starrten wir auf sie, immer auf sie
und es ist ja auch so,
wir dürfen nicht leben, wenn sie sterben muß...
und lebte sie...
auch dann,
Liebster, du hast recht,
es ist, als hätten wir nun alles verwirkt.
Ich vergesse alles,
vor allem mein "Nein",
das "Nein" der alten Zeit.
Am Abend erinnerte ich mich an alles,
was du mir geschrieben hattest,
Liebster, es war wirklich viel,
du wagtest dich hervor,
ich aber trat zurück in mein Nonnengemach...
und nachdem ich dich verlor
(sind Nonnen so?),
ich gierte nach dir,
begann zu träumen,
wollte haben dich,
immer nur dich.
Erst nachdem ich dir unwiderrufliche Wunden schlug,
schrie ich nach dir.
Wie dumm ich bin,
noch immer zu warten auf dich.
Wie ich nicht glauben und glauben will,
dass du mich vergessen hast,
wie dumm ich bin,
zu warten und warten auf dich...
deinen schnellen Schritt,
dein unnachahmliches Lächeln,
dein Beharren, deine unendliche Geduld,
und dein Gesicht, dein Körper,
hingewandt, hingewandt zu mir,
mich ersehnend.
Ach Liebster, ich muß mich hassen,
dass ich dich vertrieb und
niemals wieder holen kann zurück.
Du kamest vor dem Fall,
wir atmeten plötzlich,
wir vermischten uns in meiner Kemnate,
wir vermischten uns mit Blicken und begannen zu träumen,
ich aber,
warum durfte ich nicht anerkennen, was war?
Warum trat ich zurück, immer zurück,
musste bleiben die, die ich war,
beschützen mein kärgliches Leben,
ein Denkmal bauen,
denn es war ja nichts, gar nichts war.
Aber, Liebster, nun sehe ich mich,
die alte Kelle in meiner Hand,
ich werde aufgeben nicht.
Ach, wie ich dich lieben muß,
niemals wirst du es verstehen,
ich bin allein, so allein,
so angewiesen auf dein spärliches, verlöschendes Wort,
und immer, immer, sehe ich dein Bild
und das deiner Frau...
Ihr steht so vor mir,
mich versuchend,
ach, ich darf ja nicht gehen zu dir,
ein Denkmal,
ich träumte,
die gleissenden Felder,
ich fürchte sie...
und bis zum Ende meiner Tage werde ich bereuen dieses:
Ich sah dich nicht, als Zeit war,
damals, als du vor mir standest,
als ich dich nehmen hätte können,
Liebster, alles versäumte ich.
Das Denkmal aber,
das ich bauen will,
mit meinen Worten, hinein in die Welt,
in der ich alles verlor,
Liebster,
ich will nicht aufhören es zu bauen,
und weiß ich auch sicher, du, gerade du,
von Denkmälern hältst du nichts,
wirklich gar nichts,
ich muß und muß,
und ja, ich werde,
niemals werde aufhören ich mit meinem Wunsch
ein Denkmal zu bauen,
die Würmer, Ratten und Amöben zu besiegen
ach, womit wohl...
in meinem Traum, meinem langen, langen Traum
...manchmal schien es mir ja...
ich, nachdem ich dich gesehen,
ich könnte und könnte,
siehst du nun nicht, Liebster, mit dir,
nur mit dir,
könnte antreten nicht ich zu sein?
Und ich werde, sei versichert,
ich werde,
sprichst du nur ein einziges Wort,
alle Denkmäler vergessen,
du ahnst nicht, wie leicht mir das fallen wird,
denn nun,
ich will und will,
dich und dich.


169. Kabul

Heute, am Abend, ging ich
dich zu finden in einer alten, alten Musik.
Ich trug mein schönstes Kleid,
die Haare offen und lang.
Zum ersten Mal trug ich die Ohrringe aus Kabul...
(schon lange hatte ich überlegt: wann wirst du sie tragen?)
Am heutigen Abend, ich wagte es.
("Kabul" las ich plötzlich an einer Häuserwand, im Sommer, in Wien, als ich durch die Straßen ging und weiterschlenderte,
dann kehrte ich langsam um, "Kabul" war ein Laden,
ein riesiger, dunkler Laden,
ich ging sofort hinein,
stieß mir den Kopf an einer Auslage an,
(der Laden war menschenleer)
dann fiel mein Blick in der Dunkelheit auf einen Kasten mit Ohrringen
und ich wählte augenblicklich diese seltsam alt wirkenden silbernen Kugeln,
korallenbesetzt.
Der Ladenbesitzer, ein uralter Mann, kam aus der Dunkelheit heraus auf mich zu.
Er lächelte und nannte einen hohen Preis.
"Kabul", begann ich langsam und wollte etwas sagen über den Krieg.
"Ich komme aus Kabul", sagte er, "diese Ohrringe, mein Sohn hat sie dort gefertigt,
sie werden Sie schmücken, ich kann das sehen, Sie werden sie mit Ihrer Schönheit zum Leuchten bringen, das Silber stammt aus Indien, wir kaufen es dort... mein Sohn, er macht diese Ohrringe nach alten afghanischen Mustern." "Aber der Krieg", sagte ich. "Der Krieg, er hört nicht auf", erwiderte er und lächelte schmerzlich und tröstend zugleich, "Sie aber, tragen Sie diese Ohrringe aus Kabul... ich merke, sie werden Ihnen viel bedeuten, ich weiß gar nicht warum, aber ich kann das fühlen, Madame, ich will Ihnen diese Ohrringe schenken."
"Nein, nein", schrie ich auf, "ich werde diese Ohrringe bezahlen, sie gefallen mir sehr." "Ich weiß ja, ich weiß", sprach er, "Sie sehnen sich nach diesem Schmuck, und wissen Sie, ich bin so alt, lassen Sie sich beschenken von mir." "Bitte, bitte", begann ich zu flehen, "ich muß diese Ohrringe bezahlen, sonst kann ich sie nehmen nicht." Ich fühlte, wie er traurig wurde, sehr traurig. "Wie Sie wünschen, Madame", sagte er leise. Ich reichte ihm meine Karte, er las sie ein. "Danke, danke", flüsterte ich. "Besuchen Sie mich noch einmal", sagte er, auch flüsternd, "kommen Sie wieder, ein anderes Mal, ein anderes Mal.")
Und, kaum hatte eingesetzt die Musik,
sie war so festlich, so wunderbar,
begann ich zu weinen,
beherrschte mich aber schnell.
Ich krallte mich fest an meinem Sitz,
und zum Glück, zum Glück,
als nächstes spielten sie ein Stück,
dem ich fern blieb, fern.
Und also, ich musste nicht mehr weinen,
den ganzen Abend nicht.
Ich dachte
(ich vernahm das Rauschen der Musik, betörenden Gesang)
an Kabul,
wohin ich reisen wollte,
hinein, hinein in den Krieg.
Liebster, ich träume und träume von Kabul,
ich träume davon,
einfach hinzufahren,
ein Flugzeug zu besteigen,
denn, die Flugzeuge,
sie fliegen noch immer dahin
(ist es nicht seltsam?).
Alle, denen ich berichtete von meinem Plan,
sahen mich mitleidig an.
Ich aber, als ich fortfuhr zu hören
diese alte, alte Musik,
ich sah mich rennen durch Kabul,
und weißt du,
alles war kaputt, niedergerissen,
Ich erträume die Bomben, die fallen auf die Stadt,
ich habe keine Angst, gar keine,
und die Ratten und Würmer, die Amöben,
wie leise sie mir werden,
wenn ich bedenke, mich,
ich werde alles wagen,
hineingehen in den Krieg,
ich sehne mich so furchtbar danach.
Ich will die Bomben fallen hören,
ich will entrinnen nicht,
ich will dahin gehen,
wo nichts mehr ist.
Und sollte ich auch sterben,
sehne ich mich nicht danach?
Und warum, warum,
bin ich nicht längst da?
Was hält mich ab, ein Flugzeug zu besteigen?
Ach, Liebster,
bitte,
komm mit mir,
lass uns gehen hinein in den Krieg,
besteigen das Flugzeug nach Kabul
(und habe ich nicht schreckliche Angst vorm Fliegen?),
dieses aber, dieses
ist, was ich träume:
Ich fliege mit dir, nach Kabul.
Und es wird niemanden außer dir auf der ganzen Welt geben,
der versteht, warum ich gehen will nach Kabul,
denn Liebster,
ich kann nicht bleiben,
ich kann nicht,
nun muß ich wirklich gehen.
Warest du das nicht, der davon sprach,
dass nichts aufzubewahren wäre,
warest nicht du das,
der davon sprach,
ich, ich wolle alle bewahren
in meinem Turm, dem Elfenturm,
Liebster, ich will ja nicht,
ich kann es nicht,
ich träume von Kabul,
dem Krieg, der Zerstörung, dem Tod,
ich will das sehen und hören,
ich will da sein,
wo alles untergeht,
die Türme fallen,
endlich, endlich,
denn ich kann ertragen die Hoffnung nicht mehr,
das zweite Mal,
ich will finden ein erstes Mal,
mich trösten nicht mehr,
ach, wie ich hasse den Trost,
untergehen will ich,
aber ich will auch endlich sehen:
diesen schrecklichen Krieg,
Liebster, es ist mein Krieg
und ich will leben nicht mehr,
ohne dich,
es geht und geht nicht,
ein Denkmal bauen nicht mehr,
die Kelle fällt mir aus der Hand,
ich werde eine Bewohnerin von Kabul,
und träumte ich nicht:
die gleißenden Felder, sie sind in Kabul,
Liebster, bau' mir ein Haus in Kabul,
lass mich durch die Pforte gehen dort,
lass einstürzen unser Haus
(es existierte ja nie),
lass uns die Bomben sehen,
wie sie fallen auf unser Haus,
das Nebelhaus,
im Nebel leben will ich nicht mehr,
ich will es hart und wirklich,
will träumen nicht mehr,
(wovon?)
lass mich die Ratte sein,
der niemand Unterschlupf gewährt,
zerstört von den alten Mähdreschern,
dem Krieg, dem Krieg...
(der Krieg, er sah mich an am Tag meiner Geburt)
und die Frauen dort,
mit ihrer Burka,
diese Nonnenfrauen,
ihnen anverwandle ich mich.
Sie gehen in schwarz,
bedecken ihr Angesicht,
wie ich, seit tausenden von Jahren,
sie bemalen ihre Augen
(niemand wird sie sehen, niemand)
in schwarz,
und behängen sie ihre Ohren nicht mit den
alten, korallenbesetzten Silberkugeln,
niemand wird sie sehen, jemals...
und ich gedachte meines Gespräches mit dem alten Mann in Wien,
"Kabul" hatte gestanden auf der Häuserwand,
und er, er hatte mir schenken wollen die Ohrringe aus Kabul,
die ich zahlte,
zu zahlen wünschte,
ich reichte ihm meine Karte,
und Liebster,
hatte ich jemals bedacht,
dass ich sie nun tragen wollte,
die Ohrringe aus Kabul,
inmitten von Menschen,
dieses wagen wollte,
und weißt du, es war für dich,
nur für dich,
den ich vergeblich erhoffen muß,
ein schändliches zweites Mal.
Und weil du mich vergisst und vergessen musst,
die Burkatragende Nonne,
die alles verbirgt, verbergen muß,
Liebster, nun werde ich fliegen nach Kabul...
und vielleicht, vielleicht werde ich dort,
wo nichts mehr ist
leben können."
"Geh nicht,
ohne mich darfst du nicht gehen,
ich halte dich auf mit meinen Gedanken,
ich halte dich fest.
Liebste, glaubst du nicht mehr an Gedanken,
daran, dass Gedanken sich treffen, bedeuten können?
Glaubst du nicht mehr,
dass sein darf, was ist?
Gibst du dich nun den Verfolgern anheim,
die sprechen Nein, ihr ewiges Nein?
Kann ich bestehen vor ihnen nicht?
Liebste, ich halte dich fest,
mit meinen alten Gedanken,
ich halte dich fest...
aber hörst du, kannst du mich noch sehen?
Kannst du nicht einmal warten,
wie ich es tat, eine unendliche Zeit,
und es ist ja so,
meine Frau ist sterbenskrank, meine Kinder,
du weißt ja alles,
Liebste, morgen kommen kann ich nicht, nicht,
aber du glaubst nicht, wie ich dich bedenken kann,
antworten aber nicht.
Will ich nicht gehen mit dir, nachts, nachts,
du glaubst nicht wie mich die Idee betört,
das Flugzeug zu besteigen nach Kabul."
"Wie schuldig ich bin und bleibe,
immer und immer wird da sein,
was ich zu vergessen trachte:
meine Schuld.
Und wie ich dich bedränge, Liebster,
nicht bedenkend sie, deine Kinder.
Wie kann ich nur so schrecklich sein?
Ach, Liebster, vielleicht muß ich gehen allein nach Kabul,
so schuldig wie ich ward,
wohin wohl sonst sollte ich noch gehen?
Und ich will es versuchen,
wirklich versuchen
dich hineinzureißen nicht in meinen Untergang,
muß ich nicht loslassen dich,
der du nicht kannst und kannst.
Und ich hasse mich, wie ich gehe hinweg über dich und sie,
wie ich will und will
(liebe ich es nicht?)
(atme ich nicht, wenn ich bedenke: du betrogest mich,
unzählige Male, liebe ich nicht dieses:
wie wir Betrüger sind, vermischen und anverwandeln uns).
Heute sah ich noch einmal ihn,
er folgte dir nach in meinen Träumen
(du warst ja nicht mehr da,
kein zweites, kein zweites Mal,
nicht, nicht),
er kam mit seinem Sohn,
vertrocknet und niedergedrückt.
(Ich denke auch immer: die Söhne. Niemals vermochte ich zu empfangen einen Sohn und das Kind, das ich verlor, mein erstes Kind, sein Herz schlug in meinem Leib: ich bin so sicher: Es war ein Sohn. Liebster, ich weiß es, mein Sohn musste sterben. Hatte ich ihn zu wild ersehnt? Ach, er fand nicht seinen Weg ins Leben, sie schnitten ihn heraus aus meinem Leib. Und ja, ich wollte sterben, wie seltsam, wieder überlebte ich, wund, zerstört, mit beschnittenem Leib.
Dann aber, meine Tochter, meine wunderbare Tochter, sie bahnte sich den kaum noch vorhandenen Weg (kurz, kurz nach seinem Tod, wenige Wochen nur später), sie biß sich durch, sie kam und kam und immer wusste ich, nun wirst du ein Mädchen empfangen, es wird leben, mein Mädchen wird leben. Und ich vergaß ihn, hatte er nicht versucht zu leben, schlug nicht sein Herz in mir? Ich vergaß ihn lange, lange. Meine Tochter, sie tröstete mich, rettete mein Leben, meine Tochter kam, starb nicht. Ich atmete tief, Mutter, sehr tief. Aber, nun erst, nach diesen langen Jahren, ich erinnere meine Sohn (aber, aber: es ist ja nicht wahr, nicht wirklich wahr, denn ich suchte zu empfangen einen neuen Sohn, lange lebte ich in diesem Traum, nun empfänge ich einen Sohn, mein Mann könne noch einmal mir geben ein Kind, nach unserer Tochter, sie rettete mich, sie gab mir das Recht zu leben, aber da war dieser Sohn, mein erstes Kind...es musste sterben...ich konnte mich nicht trösten über seinen Tod. Betäubt lag ich da, sie hatten ihn herausgeschnitten aus mir. Mir war so kalt, kalt, sie legten mir Wärmedecken auf den Bauch, ich aber schrie, ich war am Erfrieren, schrie und schrie...und niemals hätte ich zu wähnen vermocht dieses: er, der in mir war, ich verlor ihn. Ich war dabei verrückt zu werden, Hunde rannten durch meinen Kopf, ich kann es nicht vergessen, sie rannten und rannten, viele Hunde rannten und ich wollte schreien: Halt, halt, hört auf, ich will sterben. Und dann, es entzündete sich mein Geschlecht, ich wurde zu einer großen Wunde, sie schnitten mich erneut, ohne Narkose, ich schrie so laut, dass alle, die mich hörten, rannten hinweg.) Dann ging ich, ich ging noch einmal nach Frankfurt, Frankfurt tröstete mich, immer hatte es vermocht mich zu trösten. In Frankfurt, ich stand kurz vor einer erneuten Operation, mein Wundsein, es ebbte ab. Mein Mann kam, wir fuhren nach Paris, dort empfing ich unsere Tochter. Sie rettete mich, meine arme Tochter, sie rettete mich. Und erst spät verstand ich: Mein Sohn, mein Sohn, sie musste mich trösten. So lange, lange, hatte ich seiner nicht gedacht. Und Mutter, du, ich weiß es, erträumtest du nicht einen Sohn, als du empfingest mich? Mutter, Liebste, die Töchter, sie trösten, sie lassen uns leben und muß ich nicht denken, meine Tochter, sie wird empfangen einen Sohn, meine Tochter wird und wird empfangen einen Sohn. Ach Mutter, Mutter.)
Und er, der kam mit seinem Sohn... ich liebte ihn ja, diesen Vater, er saß so verloren in meinem Raum (Wurm, Wurm hatte ich einmal gesagt)... und plötzlich, mein Atem stockte, er glitt zu Boden, fand seinen Platz neben mir, nah, so nah, und er nahm auf diese Spielfigur, die Elfengestalt mit Flügeln aus meinen Händen, er sah sie lange und ernsthaft an, als hätte er so etwas noch nie gesehen. Und sein Sohn, als verstünde er alles, er sprach: Papa, du musst mit ihr spielen (wen er wohl meinte?).
Und es ist wirklich so,
mir stockte der Atem,
und ich denke auch,
das wird mir niemand glauben.
Er setzte sich plötzlich dicht neben mich,
ich spürte seinen Arm,
so dicht, so dicht war er bei mir,
er berührte meine Hand sehr zart,
entwand ihr die Spielfigur,
die kleine Elfe mit den Flügeln,
und er versank im Betrachten der Spielfigur...
und ich Liebster, saß ich nicht in Kabul
(vielleicht, vielleicht irre ich, und er, gerade er, er wartet auf mich)
(bin ich nicht dabei, mit ihm nun, zu beginnen ein erfundenes Gespräch?)
Und weißt du,
mit ihm ist alles frisch erstarrt in meinem alten Nonnenblick?
Meinerseits, ich versank,
ich wusste nicht mehr, wo ich war,
ich machte mich tot,
denn Liebster, ich war dieser Wurm,
der er sein wollte nicht mehr.
Ich kroch und kroch,
zu Boden gerichtet mein Blick,
ich sprach kein Wort.
Ich hörte die Spielfigur hinabgleiten, zu Boden,
ich fühlte, er ging zurück zu seinem Stuhl
und ich sah ihn erst wieder an, als er ging,
zu Boden gerichtet sein Blick.
Wir schämten uns so schrecklich,
heimlich aber sah ich auf und dachte:
wie vertrocknet er ist, wie niedergedrückt sein Angesicht,
kann ich ihm nicht einmal sagen,
wie wunderbar er ist,
wie vor dem Fall,
wie für mich gemacht.
Mit ihm, Liebster, ich träumte zu vermischen mich,
ich wollte ja nicht stehen nackt vor dir...
und niemals, niemals führe er mit mir,
als sei gerade gefallen der Schnee
und, wollten wir nur,
wir könnten herausgraben uns aus der kalten Erde,
müssten, müssten sterben
vielleicht nicht, nicht.
Richteten wir nur die Augen fest und sicher
auf einander,
dann, dann,
vielleicht, die Sterne fielen auf uns
und die gleissenden Felder,
ich sähe sie noch einmal....
Weißt du, er vermisste mich schon,
als ich noch vor ihm stand,
er wusste nicht,
ich war so sicher,
die Zeit zu bestehen
ohne mich,
seine Haut,
sie trocknete ein,
ich sah ihn verdorren,
er dürstete,
ach, er war für mich gemacht.
Und siehst du, nun will ich austauschen dich,
du enttäuschtest mich maßlos,
ich konnte atmen nicht mehr die dunkle Luft,
sein nicht mehr in dem öden Land,
in dem ein Denkmal zu bauen ich trachtete,
aber, aber, es zerfiel, zerfiel es nicht?
Begann ich nicht zu träumen von Kabul,
flehte ich nicht,
wusste ich nicht,
niemals würdest du kommen mit mir
(nicht in diesem und dem nächsten Jahr,
Liebster ich vermag das Warten nicht mehr)
und immer, immer,
du versprachest so vieles,
dereinst, in einer anderen Zeit,
in der, sei sicher
ich nicht mehr leben werde,
nun plötzlich, mein Atmen ist kurz, sehr kurz
und ich trachte, ja ich trachte alles zu nehmen,
was mir ankommt
wie vor dem Fall,
Liebster, nun werde ich alles nehmen,
ich anverwandle mich dir,
Vermischer,
das warest du, du lehrtest mich,
du verschwandest, für immer.
Und er, er kam ein letztes Mal in diesem Jahr,
ich schlug die Augen nieder, verstummte,
er aber, die Treppe schon hinuntergehend,
sah er hinauf zu mir und sprach zögerlich:
"Ich wünsche Ihnen ein Gutes Neues Jahr",
und ich, wie (wie was?)
wie lebendig, plötzlich,
ich strahlte
(ich sah ich ihn strahlen zurück,
wer außer dir, hatte jemals so gestrahlt?),
ich sprach
(was sprach ich?)
und ja, die Felder gleissten,
in dieser besonderen Weise, ja,
wir umarmten uns,
fielen einander in die Arme.
Und Liebster, ist das nicht seltsam,
er, er ging die Treppe hinab,
da erkannte ich ihn,
du aber, immer warest gerannt du hinauf.
Bin ich jetzt mit denen, die hinab gehen?
Muß ich jetzt gehen nach Kabul?
Versäumte ich die alte Böschung nicht?
Dezember kam,
Schnee fiel,
und in diesem alten, alten Jahr,
ich weiß es so sicher, ich werde sehen dich nicht mehr,
nicht mehr,
nie mehr, vermutlich nie mehr.
Liebster, du wirst mich vergessen in deinem Gram,
dem Tod deiner Frau,
der Not deiner Kinder,
Liebster, ich werde,
ich werde gar nicht mehr sein,
und es wird auch gar nicht nur sein die Gram,
denn Liebster, Vermischer,
du wirst dich vermischen erneut,
vergessen mich,
niemals wirst du rennen die Treppen hinauf,
ach, ich träumte zu lange.
728 Tage,
ich habe gerechnet,
noch einmal 272 Tage,
zum Ende des nächsten Sommers,
es werden 1000 Tage sein,
und ich will und will mich betrügen,
bedenken das erfundene Gespräch,
in dem mir war,
als sprachest du:
Im nächsten Sommer, komm nicht jetzt,
im November,
wenn der Nebel fällt,
komm wenn es Sommer wird,
sonst kannst du mich nicht finden,
die Felder werden gleißen nicht,
du wirst die Böschung versäumen.
(ich antwortete: ach Liebster, ich kann und kann nicht mehr warten)
Und ich sehe mich sitzen,
den ganzen Winter, den Frühling und die Hälfte des Sommers,
ich sehe mich hunderte von Seiten beschreiben,
mich festhalten an dir,
deinem erträumten, erfundenen (?) Wort
und ich sehe mich sitzen mit tausenden von anschwellenden Seiten,
diesem seltsamen Denkmal
(wird jemals einer diese hunderte, tausende von Seiten lesen?).
Manchmal muß ich denken:
Das bin gar nicht ich,
meine Worte sind kurz, dicht und schnell
(sie sprachen, von Anfang an: es wird gar nichts bleiben),
nun aber mutieren sie in die Endlosigkeit des erfundenen Gespräches,
nun sehnen zu verlöschen sie in Kabul.
Denn, siehst du,
ich habe mich verbissen in dir,
verbissen in das Bleiben.
Ich bin mir so fremd,
immer, immer ging ich schnell,
sehr schnell
und es gefiel mir das schnelle Gehen,
mein Nonnenblick,
der Elfenbeinturm,
er machte mich stolz,
ich liebte mein Nein.
Das warest du, Geliebter,
du machtest mich träumen vom Bleiben, von einem Ja, ja, ja,
du machtest mich verbeißen in dir.
Das warest du, ausgerechnet du,
der du gingest,
beilagest den Frauen,
gar nicht zu warten gedachtest,
und nun,
ich fürchte mich,
denn die Verfolger,
sie stehen auf,
sie beginnen zu rühren,
anzuklagen mich
und ich denke:
sie werden uns finden.
Noch sprechen sie sie nicht von uns,
aber ich höre sie,
sie beginnen zu sprechen über mich:
sie klagen mich an,
denn ich konnte nicht schweigen, ich sprach,
und schuldig wurde ich in meinem Sprechen,
nun, Liebster, sie heften sich an meine Fersen.
Weißt du, ich sprach, als schweigen hätte müssen ich,
aber ich sprach.
Das war ich, ich hatte meine Kemnate verlassen,
verloren den Nonnenblick,
liebte ich es nicht zu sprechen?
Liebte ich nicht die Liebe,
verirrte ich mich nicht?
Ach, ich sprach und konnte nicht schweigen,
denn, Liebster, ich wollte sprechen von uns,
aber, aber,
ich verstellte alles, alles,
ich sprach von Liebe und Küssen
in verbotenem Raum,
es erregte mich,
ich sprach von anderen,
sie wagten die Liebe,
ich, ich ja nicht, nicht.
Warum nur, warum nur
kann nicht alles so sein, wie es ist?
Warum muß ich in fremden Worten sprechen,
nicht aber von uns?
Liebster, ich wurde schuldig,
ich zerstörte der anderen Liebe,
(war sie nicht geheim, der unseren gleich?)
wie böse, wie böse ich bin.
Ach, ich sprach und musste sprechen,
uns, ich meinte uns,
aber, aber,
ich fürchtete mich,
schweigen aber, ich konnte es nicht.
Liebster, nun bin ich
(ist es vermessen, das zu sagen?)
in Kabul,
sie werfen die Bomben auf mich...
ich sprach von geheimer Liebe,
von dem, was nicht sein darf,
die Burka, ich hatte abgeworfen sie,
nun werden sie finden mich,
sie werden mein Denkmal zerstören,
nein, nein,
war das nicht ich, ich zerstörte es?
Und ich sehe sie,
mit dem Finger zeigen auf mich,
zusammenfügen das Mosaik,
es ist ja nicht schwer...
da bin ich,
ich liebte,
wo ich nicht lieben durfte,
dich, dich.
Sie werden zurückschicken mir das alte Denkmal aus Worten
(hatte ich es nicht gebaut und gebaut),
sie werden sagen: Nein, nein, nein,
und ich weiß ja,
die Kelle,
sie fiel mir aus der Hand
und immer hatte ich gewusst:
Es wird gar nichts bleiben.
Aber, ich rang ja und rang,
ich bestand aber nicht,
Liebster, ich verlor,
ich habe verloren."
"Liebste, Liebste,
du verirrst dich in der dunklen Nacht,
kannst du nicht einmal stillstehen und auf den Sommer warten?
Ich weiß auch nicht, wer ich bin,
so zu sprechen mit dir,
ich habe kein Recht,
aber sie, die an deine, unsere Spuren
nun sich heften,
Liebste, sage ihnen Nein,
Liebste, ich trachte zu verweben meine Gedanken mit deinen,
ich trachte zu überstehen die geweihte Nacht,
die dunkel ist, wie alle anderen Nächte,
weißt du, sie unterscheidet sich nicht,
es ist nicht unsere Nacht.
Liebste, ich muß dich im Sommer treffen."
"Ach Liebster,
meine Tochter,
heute (und ist es nicht die geweihte Nacht?)
trifft sie den, der sie maßlos enttäuschte,
und wieder, wie seltsam:
zwei Jahre ist es her.
Niemals hatte bedacht ich dieses Zusammenkommen.
Zwei Jahre ist es her
(war es nicht gestern?),
da verloren wir unseren Liebsten,
sahen ihn zum allerletzten Mal
(war es nicht eine Dezembernacht?),
und meine Tochter: Sie hörte auf zu träumen von Liebe,
ach, sie folgte ihrer Mutter, der alten Nonne.
Jetzt aber, ich habe schreckliche Angst:
Wird er sie noch einmal stoßen können in diesen furchtbaren Schmerz?
Wird sie noch einmal beginnen zu hoffen?
Und ich will nicht verschweigen:
es kamen ein Glück und ein Frieden über mich,
als ich sie gehen sah,
Liebster, ich träumte,
auf deinen Spuren, ich träumte:

zweimal,
zwei Jahre,
ich träumte,
meine Angst aber, sie wuchs und wuchs
und ich dachte: zweimal,
mag ihr gelingen, was mir nicht gelang.
Denn, stelle dir das vor:
Zwei Jahre später,
sie traf ihren Liebsten,
ist es nicht wunderbar?
Aber ich weiß ja nicht,
werden die Felder ihr nun gleissen?
Wird das Schicksal ihrer Mutter überwinden sie,
jemals?
Liebster, ich, ich vermochte es nicht,
Liebster, ich vermochte nichts,
auch das Denkmal, es stürzte, es stürzte ein,
ich weiß alles,
bevor es geschieht,
aber sie, meine Tochter,
kann sie nicht ihren verlorenen Liebsten wieder finden?
Will ich nicht verloren geben dich für immer,
fände sie, fände sie ihren Liebsten einmal, ein zweites Mal?
Kann ich nicht sagen: es genügt, nun genügt es,
meine Tochter, sie fand, was ich finden konnte nicht?
Aber wird sie finden?
Wie ich zweifeln muß
und ängstige mich.
Ach, Liebster,
fände sie einmal wieder diesen,
den ihr verlorenen Liebsten
(vergaß er sie je?),
könnte ich atmen nicht,
nun will ich alles beschwören,
versprechen aufzugeben für immer,
Gott, lass sie finden ihn,
sie wartete so schrecklich,
wie kann man warten so lange,
so jung, so jung?
Liebster, das war ich, das war ich,
mein schreckliches Schicksal,
diese Schuld,
hinab geworfen auf sie,
Gott, lass sie einmal atmen,
vergessen mich, meine Mutter,
alles was war,
lass sie die gleissenden Felder betreten
am allerersten Tag,
am Tag vor dem Fall,
und ich werde aufhören zu träumen von Kabul,
ich werde, ich werde vergessen dich,
denn ich will, ich will,
dass meine Tochter einmal atmen kann.
Bin ich nicht bereit zu betreten mein Nonnengemach erneut?
Ach, Liebster,
ich werde alles vergessen für sie,
ich werde auch nicht gehen nach Kabul,
für sie werde ich harren,
für immer,
denn es gibt gar nichts,
was ich wünsche mehr,
als sie: sie soll nun finden ihren Liebsten.
Liebster, ich werde werden alt,
meinen Elfengang vergessen für immer, immer,
auch dich werde vergessen müssen ich
(kann ich das?),
aber, sollte, sollte sie nun finden, was mir verwehrt,
Liebster, ich würde, ich würde
vergessen alles, alles,
würde ich es nicht lieben?
Könnte ich für sie nicht einmal,
noch einmal sagen: Nein,
könnte ich nicht noch einmal finden den Elfenbeinturm,
für sie, für sie?
Könnte ich nicht sterben für sie,
könnte ich nicht einmal sein,
ein einziges Mal?
Liebster, vielleicht,
nun müssen aufgeben wir,
Liebster, ich weiß es nicht,
ich habe schreckliche Angst.
Aber, aber,
ich ahne,
sie kam zurück nach vielen Stunden,
ich hörte sie,
und am Morgen danach,
ich sah,
es war nichts, nichts war gewesen,
meine Tochter, sie atmete schwer.
Sie fand ihren Liebsten nicht, nicht.
Und ich, darf ich nun noch atmen,
mich sehnen nach dir,
kann es sein,
dass,
wenn ich aufgebe dich,
sie ihren Liebsten finden kann?
Würde sie nicht?"
"Liebste,
ich würde so gerne aufhalten dich,
dein dich Vermischen dem Schicksal deiner Tochter,
gerne würde ich sagen:
was auch immer ihr widerfährt,
das ist sie, es widerfährt ihr...
aber,
ich kann auch fühlen deinen Schmerz,
Liebste,
auch wir,
wollten nicht einmal leben wir...
und vielleicht,
könnten, könnten leben wir,
auch sie, deine Tochter,
sie könnte leben?
Wie soll sie die gleissenden Felder finden,
wenn du stehst und stehst und träumst und träumst,
bleibst und bleibst,
Liebste, wie sollte sie?
Muß sie nicht bleiben und bleiben,
stillstehen wie du in deinem Nonnengemach?
Und niemals trachtetest du zu verlassen ihn,
ihren Vater, deine Mann,
der dich quält und sie
und willst du noch in tausend Jahren stehen vor ihm,
der nichts weiß von dir und wissen kann?"
"Aber, Geliebter,
er starb ja fast,
kaum hatte ich ihn gesehen,
er lag im Sterben,
und suchte ich nicht zu verlassen ihn?
Wie hätte ich jemals dieses gekonnt?
Und er wollte auch nicht geben mir ein Kind,
Liebster, ich entrang es ihm,
ausgerechnet ihm,
der im Sterben lag,
und unser erstes Kind,
es starb,
dann kam sie, meine Tochter,
sie ähnelte ihm, unglaublich,
und ich dachte:
meine Tochter, niemals, niemals
will ich den Vater ihr nehmen,
ich werde alles, alles ertragen,
denn ein Vater,
war es nicht alles, was ich jemals hatte?
Liebster, ich wäre gestorben,
einen Vater zu geben ihr.
Lass mich träumen von dir,
am letzten Tag des Jahres,
in dem dein Bild mich umschlang.
Kannst du mich noch hören,
sitzt du nun mit ihr
(mir ist, als überlebte sie)
und den Kindern im alten Zimmer
(mir ist, als kehrtest du zurück)?
Wirst du ein einziges Mal in dieser Nacht
gedenken meiner?
Wird mein flüchtiges Bild
vorbeiflirren vor deinen geschlossenen Augen,
wenn du müde wirst,
wirst du nicht nachdenken, ins Grübeln kommen,
nicht mehr wissen, wer ich war,
wirst du plötzlich träumen...
Denn Liebster, mein Bild, ich schicke es aus,
einzufangen dich...
ich mache es umschlingen dich.


170. Nach tausenden von Jahren, lebten wir noch?

Wie seltsam, Liebster,
nun schriebest du mir wirklich und wirklich
(schon am nächsten Tag)
einer unter vielen, wie ich vermute,
(mein Atem stockte: ich traute meinen Augen nicht, als ich deinen Namen,
deinen Namen wieder las)
(dreimal gleich, Liebster das bist du, du liebst es zu spielen)
(niemals hatte ich dieses hoffen können)
(ich begann zu lächeln und konnte nicht aufhören damit, sofort dachte ich:
sie gehört mir, die Welt),
versprach ich nicht:
Ich werde antworten, wie vielen die Nachricht auch geschickt,
ich werde,
und ja, ich antwortete,
sofort, sofort,
(ich schämte mich)
meine Worte waren karg,
(ich sagte nicht: all die Zeit musste ich denken an dich),
aber, aber,
ich wagte es, dir ein gutes neues Jahr zu wünschen.
Deine Adresse verwirrte mich,
eine vollkommen fremde, entlegene, östliche Stadt,
Liebster, gingest du allein,
verließest du sie und die Kinder?
Wem lagest du bei,
wie viele Frauen enttäuschtest du?
Wen triffst du am heutigen Abend,
denn ich bemerke:
du antwortest mir nicht,
und ich denke,
er geht nun aus,
er trifft sich mit Frauen,
mein alter Missbraucher,
geht fort und fort.
Ich aber,
ich antwortete,
verließ mein Gemach,
und sprach ich auch karg,
es bedeutet mir viel,
manchmal denke ich: wird es vernichten mich?
Werden die kargen Worte anschwellen nicht,
Liebster, ich durfte ja nicht,
ich wandelte auf verbotenen Pfaden,
rief die Verfolger auf den Plan,
sie werden mich schicken nach Kabul.
Hörtest du mich,
ich zweifle,
aber, aber,
dein Name, dein Name,
am ersten Tag des neuen Jahres,
du schriebest mir erneut
(bin ich in deinem Verteiler noch,
das Relikt einer vergangenen Zeit?),
wem sonst noch schriebest du?
Und ich kann merken,
das Wunder, das geschah,
ich muß zweifeln und zweifeln,
und ich habe Angst,
denn morgen werde ich fahren nach Wien,
Nachrichten empfangen können nicht,
und will ich nicht antworten und antworten nun?
Ersehene ich nicht alles,
was du mir schreiben magst,
Liebster,
ob du nun zögerst,
zu überlegen beginnst,
sie, die nun antwortete,
warum antwortet sie?
Eine schwere Trauer fiel über mich in Wien,
ich saß am dunklen Fenster,
Schnee fiel,
über dem Dom
(zu ihm träumte ich mich)
(erstrahlend in einem gleissenden Licht)
stand ein blasser Mond,
die schwere, dunkle Trauer
würgte mich
und ich sah auch nicht dein Bild.
Ich schämte mich schrecklich.
Das Haus war so hoch
und ja, ich hatte Angst vorzubeugen mich,
zu stürzen hinab.
Mein kärgliches Leben,
das ich verbringe in einem anschwellenden Traum,
es überfiel mich maßlos.
Wenige seltsame Worte von dir,
geschickt an viele,
waren alles, alles?
Wie dürftig, ach, wie karg mein Leben war,
und Liebster,
schnell vergaß ich dein Wort, deinen Namen,
meine Freude,
Liebster, ich wollte nicht,
zurückkommen nach Frankfurt nicht.
Aber ich kam, wo sonst wohl hätte hingehen sollen ich?
(außer hinab-, hinabstürzen mich)
Und weißt du,
meine Träume,
du verdientest sie nicht, nicht.
Schrieb ich dir nicht in gemessenen Worten,
übertrat ich nicht die mir gesetzte Schwelle...
Du aber verfielest in Schweigen erneut,
ach, du sprachest kein einziges Wort,
ich aber,
ich sehe mich sitzen,
ich stricke mit spitzen Nadeln,
ich webe ein Gewandt
zu umhüllen mich
und weiß ich nicht,
einfangen dich,
ich werde nicht, nicht.
Liebster, du beliebst zu spielen mit mir.
Und deine kärglichen Worte,
sie vertausendfachen meinen Schmerz.
Und niemals wird umschlingen dich mein Bild,
ach könntest du nur sprechen ein einziges Wort mir,
mir allein
(bin ich nicht unersättlich,
und niemals meine ich, was ich sage:
dass zufrieden geben werde ich mich),
Liebster, ich kann nicht
und ich weiß auch nicht,
war es nun dein, war es dein Wort,
das mich erreichte am letzten Tag des Jahres...
hast du nicht einfach eine Taste gedrückt,
und es schien nur so,
als hättest du meiner gedacht?
Und sahest du überhaupt:
Ich antwortete.
Warum antwortetest du nicht,
ich begann doch zu sprechen...
Was es wohl war,
was umflirrte dich,
will ich noch einmal nicht stehen vor dir,
in schwarz, ganz in schwarz,
bemalt die Augen, den Mund...
Liebster, wie kann es nun sein, dass du sprachest zu mir
und ich zu dir...
aber, aber,
dass nun,
da wir sprachen...
dieses schreckliche, schreckliche Schweigen ist.
Und weißt du, nun ist es sicher,
zu mir allein musst du sprechen.
Ich weiß ja nicht, wo du bist,
diese seltsame östliche Stadt...
Träumte ich nicht,
du, du würdest mich fragen,
ob du kommen kannst zu mir,
hinein in die alte, westlich Stadt,
ach, Liebster, willst du nicht einmal kommen?
Wird nicht einmal mein Bild umfangen dich,
denn leben kann ich nicht mehr,
Liebster, ich kann es nicht.
Und ich werde mich auch nicht zufrieden geben mit den alten Worten und Bildern,
Liebster, ich träume davon, dich zu sehen.
Und wie ich das Träumen hasse,
dieses verzweifelte, jahrelange Träumen.
Warum muß und muß ich lieben in dieses Nichts hinein,
warten und warten.
Als ich ausging heute,
in der Mittagszeit,
ich dachte mir zurecht:
Er steht nun da, vor meinem Haus,
schreiben wird er nicht mehr,
(Schrieb er nicht? Antwortete ich nicht?)
nun wird er kommen,
sein Auto,
ich werde es an dem östlichen Kennzeichen erkennen,
es wird in meiner Straße stehen.
Liebster, es umschlingt und umschlingt mich dein Bild,
es nimmt mir den Atem
und kannst du nicht einmal stehen vor mir,
kann ich nicht einmal bedenken:
Warst du das,
bist du das,
verkannte ich dich,
was wird sein,
wenn ich dich wirklich, wirklich sehen kann?
Ohne dich, wirklich, ganz wirklich,
ich komme zu keinem Schluss.
Und ahne ich nicht manchmal:
Kämest du wirklich,
was sollte noch sein?
Wäre nicht alles, alles vorbei?
Machst du nicht alles richtig?
Denn ist es nicht so,
ich, ich höre mich sprechen: Nein
und rennen sehe ich mich,
denn Liebster:
Kann ich jemals angehören dir?
Fürchte ich nicht wie den Tod
die Wirklichkeit?
Und war es nicht schon alles und viel,
zu viel,
die ersehnte Antwort von dir?
Und sprach ich nicht steif, so steif,
wollte in meinem Antworten dir nicht auslöschen ich alles,
was ich geträumt?
Wie soll ich mit meiner Scham und Angst
dich finden,
die gleissenden Felder betreten?
Liebster, du fürchtest dich vor mir
und glauben kannst du nicht und niemals,
dass ich will,
was ich versprach...
Und nun, da du östlich gingest,
nun musst du nach Westen laufen,
mich zu treffen...
und könnten wir nicht einmal sitzen
in dem alten, erträumten Café,
und ich kann dich hören,
du wirst die alte Nonne verfluchen,
ihre schäbigen, trockenen Worte,
aber Liebster,
spiele mit mir,
laß mich einfangen dich,
ich stricke mit spitzen Nadeln,
und soll nicht einmal das Gewandt,
zu meinem Schutze erdacht,
einfangen dich?
Und dann,
ich dachte: Kämest du, wir wären in Kabul.
Auch trüge ich mein neuestes und allerschönstes Kleid
(ich erstand es in Wien).
Auch nach tausenden von Jahren
ich träume davon,
dir den Atem zu nehmen,
ich legte an die silbernen Kugeln aus Afghanistan,
korallenbesetzt hingen sie in meinen Ohren
und bezauberten dich,
Liebster, nur dich.
Und vielleicht, vielleicht,
schnell, sehr schnell,
es wäre alles vorbei...
vielleicht, vielleicht,
wir würden sagen Adieu,
aber:
Warum, warum können und können wir nicht bis zum Ende gehen?
Liebster, Liebster,
ich will alles wissen,
und ich kann ja nicht glauben,
dass etwas bleibt,
aber, aber, ich muß und muß dich sehen,
ach, komm zu mir,
lass mich einmal sagen ja oder nein.
Und du, was wirst du sagen zu mir,
wenn ich vor dir stehe?
Liebster, du darfst sprechen ein Nein,
aber bitte, sprich es, wenn du vor mir stehst,
lass uns sagen Adieu in dem erträumten Café
(ich wollte ja nicht gehen dahin...ach hätte, hätte ich...),
betöre mich noch einmal mit der Wirklichkeit,
du, du kannst das,
und, bitte, erzähle mir alles, ich will alles wissen,
was verschlug dich in die östliche Stadt,
kommst du nun nie mehr in den Westen,
laufe ich umsonst, umsonst durch die Straßen?
Willst du denn niemals wieder sehen mich,
Missbraucher,
vergaßest du alles, alles,
und warum, warum schriebest du mir erneut
(mich meinend nicht),
berichte mir von den Frauen,
ich ahne, es waren viele, noch einmal viele,
du lagest ihnen bei
und für mich, Geliebter,
hast du das karge Wort,
du schickst es aus,
zu zerstören mich,
Liebster, Zerstörer,
nun schicktest du aus dein Wort
zu vernichten mich
und ich kann dich auch nicht mehr sehen,
sah ich dich nicht in der Zeit deines Verstummens?
Nun, da du sprachest,
antratest zu zerstören mich,
ich sah die Scherben deines Bildes
und ja, ich suche zu senken meinen Blick.
Ach, wie böse, böse du bist,
wie du zerschneiden willst alles,
was ich wirke,
und ich, wie böse, böse ich bin,
wie ich nicht zufrieden bin
(gab ich es nicht an?),
sein kann nicht,
wie nichts mir genügt,
gar nichts mehr,
deine kargen Worte nicht.
Ach, hättest geschwiegen du, Liebster,
ich hasse und hasse dich.
Umschlang mich nicht dein Bild eine unermessliche Zeit,
wie kannst du sprechen und mich meinen nicht?
Wie tot deine Worte sind, wie tot,
und wie tot meine sind,
Liebster,
wir wollen töten einander,
wir gehen umher und töten und töten.
Und wie ich hasse mich selbst
in meinem Sprechen zu dir,
muß ich nun gehen in die östliche Stadt?
Und wieder dachte ich an das steinerne Haus
(ich ersehne es so schrecklich)
und musste lachen, laut, laut und falsch.
Denn niemals, niemals werde ich haben ein steinernes Haus.
Ist es nicht so, mein Mann, er besitzt ein wunderbares steinernes Haus,
aber:
Er hasst dieses Haus,
es zerfällt,
stehend in einer weiten Landschaft,
es zerfällt,
von keinem bewohnt.
Mein Mann,
er liebt es zerfallen zu sehen dieses Haus,
und heute,
da leise der Schnee zu fallen beginnt,
ich vermag es, mich zu trösten,
es ist alles so still und weich
und ich beginne nachzudenken:
warum, warum nur,
trat ich nicht an zu bauen ein Haus,
warum nur muß ich setzen die luftigen Worte,
warum, warum,
vermochte ich ein steinernes Haus zu bauen nicht?
Und lebte ich auch ganz allein in diesem Haus,
ich liebe es, daran zu denken,
alles, alles wäre gut,
ich aber,
die Wortkettenerfinderin,
ich wohne in den Nebeln,
am Meeresgrund,
in Kabul,
auf den Minen
und immer nur fand ich solche,
sie wollten kein Haus, kein steinernes Haus
und niemals vollbrachte ich,
was meine Mutter, meine arme, junge Mutter
einmal sich wünschte:
ein steinernes Haus,
ein Haus nach dem Garten, dem verbotenen,
einen Ort, um zu sein,
für immer, für immer.
Ist es nicht seltsam,
mein Mann,
dass er nun besitzt dieses Haus
(immer träumte ich davon),
aber, aber:
er sehnt sich danach,
es zerfallen zu sehen,
niemals wollte bewohnen er es,
auch verkaufen aber,
meinem Vater gleich,
will er nicht.
Mein Mann will alles zerfallen sehen.
Verwandelt er sich nicht an mir in diesem:
"Es soll gar nichts bleiben."
Und manchmal, manchmal,
kann ich mich erinnern,
ich erinnere mich,
warum ich wählte ihn, gerade ihn,
es war aus diesem einzigen, einzigen Grund.
Und du Liebster, du musst mich hassen,
schrecklich hassen,
ich wage kaum noch zu atmen,
zu bedenken dich.
Deine Antwort,
einem Dolchstoß gleich,
nach tausenden von Jahren,
Liebster, wie du mich hasst,
mit deiner Antwort hasst,
verhungern lässt.
Und mir ist,
alles weißt du,
wie ich aufstand,
als gehörte mir die Welt
einen Augenblick,
zusammenstürzte dann,
schon kurz nachdem deine Antwort mich erreicht und ich will dir sagen:
Wir leben nicht mehr,
wir bauten umsonst,
Liebster, willst du mir nun sagen Adieu,
muss ich nun sagen Adieu?
Und ich kann dich auch nicht mehr erfinden,
Liebster, es ist alles vorbei,
seit du sprachest,
es ist alles vorbei."
"Das neue Jahr begann,
es wird mein Jahr,
auch dir,
vergangene Liebste,
ein gutes neues Jahr.
Ich beginne neu, ganz neu
und niemand, der war,
soll finden mich,
Farwell, farwell."
"Ach, ganz, ganz neu,
also,
warum wohl du beliebtest zu senden mir
den Ort deines Seins?
Und farwell,
mein Gott,
wie kitschig du sprichst.
Liebster, ist es nun so,
entlehnte ich dich den vergangenen Romanen?
Du machst mich hassen
dich,
ach, wie schrecklich du bist
und ich kann und kann begreifen nicht,
dass deine Antwort das Ende nun ist.
Wartete ich nicht und wartete ich nicht auf ein Wort von dir?
Du drehst noch einmal alles um.
Ich dachte nach.
Du willst mich fangen,
in deinem kärglichen Sprechen und Verstummen,
Liebster, du willst spielen mit mir,
mich verenden sehen.
Wie sicher ich bin,
nun willst du mich am Boden liegen sehen,
du weißt genau, so genau,
wie zu hoffen ich begann.
Und ich, ich gestehe,
meine Antwort war kärglich,
und ich erwartete zu viel,
du solltest verstehen,
ich antwortete kärglich,
aber antwortete ich nicht?
Liebster, ich erwartete zuviel.
Nun willst du mich machen zu einem Wurm,
erneut, zur Ratte,
auf den gleissenden Felder soll ich liegen,
von Mähdreschern zerstört,
du wirst hinweggegangen sein über mich,
Liebster, nun wirst du siegen
und mein armes Denkmal,
ich ahne,
sie werden zerstören es.
Farwell,
ich hasse und hasse dieses Wort,
ach könnte, könnte ich die sein,
die zerstören kann dich,
ach müsste ich nicht liegen vor dir,
betäubt, betäubt,
immer wartend,
ach könnte ich einmal wenden mein Geschick
und entrinnen dir,
Missbraucher,
deinem höhnischen Wunsch:
Happy new year.
Und ich verstand auch nicht,
lange verstand ich nicht,
nun muß ich aufhören zu erträumen dich,
plötzlich verstand ich:
Du erinnertest dich nicht.
Ich hatte umsonst gesprochen.
Du konntest sehen mich nicht mehr.
Und seltsam,
es war deine Antwort, deine karge Antwort,
sie ließ mich sehen,
du warest nicht mehr,
nicht mehr für mich,
du vermischtest dich mit den Frauen,
dein Jahr begann glücklich.
Denn,
teiltest du mir nun nicht mit,
am neuen Ort deines Seins,
dein Glück,
wolltest du hinausschreien es nicht in die Welt,
sollte es mein karges Zimmer erreichen nicht?
Was ich wohl sagen soll, Liebster,
farewell,
wir fanden uns nicht,
einmal begegneten wir uns,
(vielleicht, ich träumte nur)
Liebster, ich träumte zuviel,
alles, alles sprach ich dir zu,
du wolltest ja nicht,
du entwandest dich der Schlinge,
sprachest du nicht Nein?
Ach, ich liebte dich unsagbar eine unwägbare Zeit,
Liebster, du tröstetest mich,
aber wusstest du, wusstest du?
Ach, ich wollte soviel,
Liebster, ich musste dich erfinden,
alles erfand ich,
und gar nichts war, gar nichts...
Liebster, du entrannest mir...
festhalten dich, ich konnte nicht, nicht.
Meine heimlichen Gedanken, sie fuhren fort und fort,
und lange, lange schon,
du warest gar nicht mehr da,
und ich, ich begann zu bauen,
das Denkmal zu bauen
und Liebster,
sie werden mir sagen Nein,
meine Verfolger werden nun sage mir Nein,
ich habe keine Hoffnung mehr,
ich wartete zu lange, zu lange,
nun werden sie mir,
gleich dir,
antworten nicht,
und antworteten sie selbst,
Nein, Nein sagten sie.
Ich habe solche Angst,
wie kann es sein,
dass ich nun dich verliere,
das Denkmal aber auch, mit dem zu überleben ich trachtete?
Weißt du,
du schickst mich nach Kabul...
Sie, die Verfolger,
werden sie nicht unterschreiben den Vertrag:
Kabul, Kabul.
Sie lebte, sie durfte nicht,
sie muß nun fahren nach Kabul...
und wusste ich nicht,
als ich begann, alles:
Es wird gar nichts bleiben.
Und seltsam weht mich an
(ich kämpfte und kämpfte doch)
das Hallen des Vorbei, Vorbei
und schlimmer noch:
das Hallen des Erträumten,
dass also nichts war und gar nichts,
das war ich allein:
ich suchte zu träumen,
erwecken wollte ich,
was niemals war.
Liebster, ich erfand dich,
dein beschwörendes Wort
(war es nicht meines),
wie fern du gerückt,
der du belebtest mich,
und es ist ja auch nicht wahr,
dass gar nichts war,
einmal umschlang dich mein Bild,
und am ersten Tag des Neuen Jahres,
fühltest nicht noch einmal meinen Atem du?
Und meine Antwort...ich werde es nie verstehen, nie,
dass du nun antwortest nicht...
meine eine und einzige Antwort,
du machst sie mich sprechen in dieses Nichts.
Liebster, du gingest voran und voran,
dem Häuserbauer gleich,
wirst du Kinder und Kinder zeugen,
deine Erinnerungen einschmelzen und verkaufen,
daraus machen einen goldenen Ring,
den Frauen, die kommen werden
(wie oft wohl den Ring du schmelzen musst?).
Ich aber,
ich sehne mich abzuwenden meinen Blick,
zu vergessen meinen Schmerz,
dich, an dem ich festhielt mich,
festhalten musste,
und du, Liebster,
du ahntest mich kaum,
Liebster, war ich nicht verboten dir,
dem Häuserbauer gleich?
Ach, ich klammerte mich an und an,
ich wollte nicht sterben,
sandte aus die heimlichen Blicke,
ich konnte das,
ich traf dich wohl tausend mal auf dem Grunde des Meeres,
und führte ich nicht gerne, gerne fort
dich zu treffen in dieser Weise,
in der finstersten Nacht?
Aber, aber,
Liebster, das bist du,
nun gehst du voran und voran
und die Kelle,
sie fällt erneut aus meiner Hand.
Wohin wohl ich gehen soll,
mich zu retten?
Ich kann und kann mich nicht lösen von deinem mich umschlingenden Bild.
Mußt du nicht einmal antworten mir,
die ich antwortete dir?
Wie es wohl sein mag in M.,
der fernen östlichen Stadt, die ich niemals besuchen kann,
Liebster, ich weiß genau, niemals werde ich kommen dahin...,
du suchtest nun einen Ort,
an den, ich weiß gar nicht warum, ich niemals kommen kann.
Es wäre zu fremd, M. ist unmöglich,
von dieser Stadt hatte ich niemals geträumt
und ich weiß auch nicht, warum dahin du gehen mochtest,
es ist nicht deine Stadt,
sie passt nicht zu dir,
wie fern von allem, was wir träumten,
sie ist...
Liebster erwähltest du sie aus diesem Grund?
Ich hörte auch, nun ist sie verschneit,
und ich beginne zu überlegen:
Warum willst du nicht gehen nach M., der verschneiten Stadt?
Ich, die den Schnee ich liebe,
könnte, könnte ich nicht einmal,
wenn der Schnee fällt,
kommen in die östliche Stadt?
Aber Liebster, ich ahne alles:
Ich werde dich finden mit deinen neuen Liebsten.
Ja, du wirst eingerichtet dich haben
für eine kurze Zeit,
du wirst beiliegen den Frauen der östlichen Stadt,
und Liebster,
weiß ich nicht,
es wird haben keinen Bestand.
Schnell, ganz schnell,
alles wird sein, als wäre es nie gewesen...
Kabul, Kabul, es klingt in meinen Ohren,
sie töten sich dort,
und ich bin ganz sicher,
es wäre unser Ort
und mein Herz, Liebster, es krampft sich zusammen in einer schmerzlichen Weise,
Liebster, mein Herz, es schmerzt
und seit ich den fernen Dom in Wien sah,
es schneite langsam,
der Mond war sichtbar,
ich starrte und starrte
und konnte begreifen nicht,
dass du das warest, der noch einmal gesprochen hatte zu mir,
ich ahnte alles,
wie immer, gemeint hattest du mich nicht,
nicht mehr,
und mein verrücktes Antworten,
ich lief hinein in ein leeres, ödes Land,
aber Liebster,
dass du sprachest überhaupt,
nach tausend Tagen,
Liebster, wie konntest du?
Warum?
Und warum, warum konntest fallen in dieses schrecklichste aller Schweigen du?
Heute, am Abend, ich hörte noch einmal das Lied der gleissenden Felder,
die wilde Musik, mit der ich dich beschwor,
zu denken begann, schließlich zu denken begann: Kabul.
Und plötzlich muß ich zweifeln:
Warest du je?
Und gerade deine Antwort ist es,
die mich zweifeln lässt...
denn deine Antwort...
sie löste meine,
meine allererste Antwort aus.
Ich warf mich hinein in dein unvermutetes Sprechen,
zerwarf mein Nein, mein elendes Nein.
Sprach ich nicht Ja?
Dachte ich nicht und lachte,
nun gehört sie mir doch, die Welt,
er ist da
und nun werde ich einlösen mein altes Versprechen:
Einmal will ich da gewesen sein,
verstecken mich nicht.
Einmal werde ich tun,
wovon ich träumte
in einer unerinnerbar langen Zeit:
ich werde, ich werde.
Und überfiel mich auch diese furchtbare Traurigkeit,
einem Ersticken gleich,
kaum hatte ich gesandt dir mein Wort:
Ich hoffte doch und hoffte.
Ich suchte zu überhören den Schlag meines Herzens,
wie schnell, wie rasend schnell es zerschlug mich,
den Atem mir nahm,
Liebster, es zerpresste mich der Schlag meines Herzens,
da waren die Tränen,
sie zerstießen die Kehle mir,
sie wollten stoßen empor,
sie zerrissen mein Atmen, meinen Leib.
Und ja,
es war als hörte ich auf zu atmen,
um noch einmal zu atmen.
Der Schlag meines Herzens,
der den Atem mir nahm,
der Schlag meines Herzens,
der die Tränen trieb meine zertrocknete Kehle empor,
den Leib mir zerpresste,
mein Geschlecht noch einmal verschloss...
der Schlag meines Herzens
erregte mich schmerzlich und gierig.
Liebster, ich ersehnte dich furchtbar,
zu öffnen mein Geschlecht.
Und schlug und schlug nicht mein Herz,
immer und immer,
so laut, so gierig,
ach, zerpresste es mich auch,
es war wunderbar,
dir geantwortet zu haben,
deine Antwort,
endlich, endlich
gehört zu haben...
getan zu haben, was ich so lange versprach.
Weißt du, ich liebte es.
Dann sah ich heute ihn,
(er hatte erinnert mich an die alte Zeit mit dir)
und sagte er nicht, er strahlte mich an:
"Ein glückliches neues Jahr."
Ich weiß, ich sah ihn entgeistert an,
als könne ich nicht glauben, was er sprach zu mir,
wählte er deine letzten, allerletzten Worte nicht...
(ja, ja, tausende von Menschen sprechen so in dieser Zeit...)
und ja, er kam mit seiner Frau.
Und dieses Mal,
ich begann mich zu schämen.
Ich wusste, ich darf das nicht.
Es war aber so, er sprach und sprach,
ich verlor mich in seinen Worten...
und sie, ich schaute sie an und an,
konnte meinen Blick nicht lösen von ihrem verzerrten Gesicht.
Und während ich seinen Worten lauschte
sah ich sie an und an,
zu beschwören sie...
ich wollte sagen: ich höre ja nicht, ich verschließe mein Ohr.
Ich fürchtete mich,
als ich stark empfand:
er und ich, wir sind ganz allein in diesem Raum.
Und Liebster, das Denkmal,
heute antworteten sie mir,
sie sagten nein, ja.
Liebster, sie anerkannten uns und alles,
was gewesen war,
sie sprachen nicht nein, nicht ja,
sie sprachen nein und ja,
sie verschoben ihre Entscheidung in eine ferne Zeit,
und genau benommen:
Die Verfolger, sie sprachen ein Nein.
Alles, alles ahnten sie,
Liebster, sie sprachen ihr Nein.
Sie sprachen das mir verhasste Nein, Nein, Nein...
verstanden sie nicht, plötzlich standest du vor mir,
alle Stockwerke überwandtest du.
Sie gaben in mich hinein eine schreckliche Angst,
sie machten mich fürchten vor dir,
wie ich gefürchtet hatte dich,
bevor ich begann zu träumen von dir...
und es kann ja auch keiner verstehen, Missbraucher,
dass du das warest:
du wurdest das Objekt meiner Begierde, meiner Träume,
du wurdest das Objekt einer alten, alten Sehnsucht,
ohne dich wollte ich leben nicht mehr,
dich hatte ich gefunden auf den gleissenden Feldern meiner alten Angst, Angst, Angst.
Dir war ich nachgereist,
(fand dich nicht)
dich allein wollte ich suchen und suchen,
zu bauen das alte Haus,
es steht nun in Kabul.
Liebster, willst du nicht einmal fahren mit mir dorthin?
Und ich ahne,
kämest du,
(stündest in meiner Straße)
ich wendete noch einmal alles,
mein ganzes Leben,
ach, ich liebte es.
Ich liebe es hineinzurennen, die Stoppschilder zu missachten,
tat ich nicht schon einmal dieses?
Sie, alle, alle warnten mich vor meinem Mann,
in mir aber wuchsen die Warnungen der Verfolger zu einem großen, großen Wunsch.
Ich wollte, ich wollte,
wovon alle abrieten mir.
Und schnell, sehr schnell verließ ich mein Leben,
begann neu...
Und schließlich, ist es nicht seltsam:
Wie lange, wie lange es dauert.
Liebster, wir können Atem schöpfen.
Die Verfolger, sie wissen nichts, gar nichts.
Und empfing ich nicht selbst ein Kind?
Er, von dem sie schlecht sprachen, immer nur schlecht
(Liebster, nun sprechen sie von dir),
wir empfingen ein Kind,
eine unermessliche Anzahl an Jahren fiel uns zu.
Ach, Liebster, warum soll ich bleiben müssen?
Mein Vater, der Häuserbauer,
er ging voran,
und er gab hinein in mich
das "Nicht-bleiben-Können".
Und ich träume davon,
wie einst,
als ich mein Leben verließ und ja,
ich konnte neu beginnen
(mit ihm, du ahnst nicht, wie schlecht sie sprachen von ihm),
(wie mich beflügelte dieses:
Den Verfolgern wollte sagen ich: Ihr wisst nichts, gar nichts,
ich kann, ich kann,
ich werde mein Schicksal wenden).
Und auch von uns,
sie wissen nichts, gar nichts.
Liebster, ich bin wirklich gut im Wenden meines Schicksals.
Liebster, ich kann alles wenden.
Da ist meine Mutter,
sie schaut mich an,
sie weiß alles,
sie will sagen, ach, höre ich sie nicht fort und fort:
Du darfst gehen, gehen.
...Würde, würde ich wirklich gehen,
stündest du vor meiner Tür...
Ich sehe voraus das Strahlen in meinem Gesicht,
ich sehe mich fallen in deinen Arm und weinen.
Liebster, ich werde sagen, ich werde sicher sagen:
Ich konnte nicht mehr leben ohne dich, ich konnte und konnte nicht.
Liebster, dann werde ich aufhören zu atmen,
dann musst du atmen für mich,
das Leben einhauchen mir,
Liebster, das bist du,
dann musst du sagen,
wohin wir gehen müssen...
auf die gleissenden Felder, vielleicht,
Liebster, ich werde nicht mehr atmen können ohne dich.
Und, ja, berauschte ich nicht immer an deinem Atem mich?
Werden wir das Flugzeug besteigen nach Kabul?
Das Denkmal, das alte Denkmal,
wie brüchig es war, wie umstellt,
tausendmal fiel die Kelle aus meiner Hand...
und ja, das Denkmal aus Worten, aus steinernen Worten,
sie ahnten ja alles,
Liebster, diesesmal,
ich vermochte es nicht, zu verbergen mich,
und du, ich weiß ja,
du wolltest nicht,
ein steinernes Denkmal, du sagtest Nein.
Und hätten, hätten sie es bauen lassen mich nun,
(es genügte nicht)
ich weiß nicht,
was wäre aus uns geworden?
Hätte ich dich vergessen?
Hätte das Denkmal genügt?
Wohin ich wohl gegangen wäre?
Liebster, nun muß ich gehen und gehen zu dir,
immer weiter zu dir.
Laß mich fallen in deinen Arm und weinen,
und Liebster,
ich werde dich halten fest,
dieses Mal, ich werde dich halten fest.
Ich sehe dein Antlitz, dein Lächeln,
lass mich fallen in dich hinein.
Nie mehr werde ich sagen Nein.
Kannst du nicht einmal stehen vor meiner Tür?
Heute, ich lief durch die nächtliche Stadt,
der schmerzlichste aller Gedanken flog mich an:
Er vergaß dich.
Es ist ganz einfach.
Er hat dich vergessen.
Während du ihm zufällst und zu,
er weiß dich nicht mehr.
Und nun kannst du singen und singen,
dein Liebster ist nicht mehr...
und auch erträumen,
das Träumen ist vorbei, vorbei...
mir fällt auch gar nichts mehr ein,
was ich sprechen könnte,
(ich schäme mich so)
das Jagen, das Träumen, es ist vorbei,
Liebster,
nun anverwandelst du dich meiner Mutter,
sie starb...
aber selbst sie, Liebster,
manchmal sprach sie mit mir,
sandte ihre Worte hinein in mein Elfenland,
ich konnte sie hören...
dich aber nicht...
Liebster, wie grausam, wie grausam du bist,
dass mir nun,
da du sprachest
verstummt dein Wort.
Und wirst du nicht einmal bereuen alles, alles,
dass du bedachtest meine mühsame Antwort nicht,
dass du mich hineinsprechen ließest in dieses Nichts,
wirst du nicht einmal bereuen alles?
Wie du es verstehst mich zu töten,
erwecktest du mich einmal nicht?
Aber: Ich bereue nicht.
Da warest du, einmal warest du da,
da war ich, ich wohnte in meinem Turm,
ich verließ ihn nicht.
Wie dünn die Luft mir ward,
ich konnte kaum noch atmen...
das warest du,
für dich betrat ich die Straßen mit meinem Elfengang
(du warest schon gegangen),
ich ging weiter und weiter
(wähnte dich),
ich schritt hinein in die gleissenden Felder
(sah die toten Tiere),
fand dich, Mutter
(dich suchend, Geliebter, fand ich sie).
Das neue Jahr
(hatte ich geglaubt, es begänne jemals?)
der allererste Tag des neuen Jahres,
sprachest du, löschtest du alles aus?
Liebster, du spielst nicht mehr.
Meine Antwort erreichte dich nicht
(du kannst mich lesen nicht mehr),
überschlugest die Seiten du nicht,
drängtest voran...
ja, kam es dir nicht vor,
als sei da etwas
(vorbei, vorbei),
im Nebel vorbeigezogen an dir
(vorbei, vorbei),
aber, aber:
es tröstet mich so schrecklich
(vergaßest du auch alles)
(phantasiere ich?),
Liebster, nach tausenden von Jahren,
du schicktest mir dein Wort.
Ob der Schnee fällt in deiner fremden Stadt...
fällt er langsam und unaufhörlich,
bedeckt er die Straßen und Bäume,
(ob du aus dem Fenster schaust?)
(nein, heute, du vermischst dich nicht)
(heute, es umflirrt dich mein Bild)
(heute, in der Nacht, du träumst)
(heute, in der Nacht, du kannst nicht schlafen)
(du wirst trinken Glas um Glas)
(ich werde da sein)
(auf dem Meeresgrund werde liegen ich)
(ich ziehe dich hinab, hinab)
(nach Kabul),
siehst du ihn fallen,
Liebster, heute, in der Nacht,
ich eilte und eilte,
ich fühlte den Schnee,
er fiel auf mein Gesicht,
ich eilte und eilte zu dir
in dieser antwortlosen Zeit.
Niemals, Geliebter, planst zu antworten du mir.
Ich kann dich nicht mehr sprechen machen,
nun, nachdem du sprachest,
ich dir antwortete,
ich kann nicht, kann nicht,
Liebster, du beschämtest mich schrecklich,
dein Wort
es raubte mir meine Gedanken, meinen Traum,
und das Denkmal, es stürzte ein,
schon als du unvermutet schriebest mir,
es wankte,
Liebster, du hast alles ausgelöscht,
du wolltest hören mich nicht mehr.
Und ich, rennend zu dir,
ich sah in den Spiegel:
Ich sah mein altes, altes Gesicht,
ich wollte verstecken mich.
Wie hässlich, wie hässlich ich war,
ich wusste nicht:
wie sollte überleben ich den nächsten Tag,
angeschwollen meine Augen,
zerwirkt mein Gesicht,
ach Liebster, ich konnte nicht mehr aufbewahren mich.
Das Denkmal, der Elfenturm,
eingestürzt,
zerstört mein Antlitz,
ich will die Burka tragen und gehen nach Kabul,
ich will mich verbergen
(verbarg ich nicht immer mich, in der Kemnate...),
auch als ich schön war noch,
ich trug die Burka,
das warest du allein,
Liebster,
du rissest sie hinab,
du sahest mich an,
mein Antlitz,
meinen Körper,
mein Geschlecht."
"Am ersten Tag des neuen Jahres,
Liebste, schrieb ich dir.
Ich dachte: Ich werde, ich werde, werde
schreiben ihr.
Ich dachte böse und voller Wut:
Nun soll sie erreichen mein unerreichbares Wort,
diese schreckliche Frau, die ich hasse,
einmal begehrte,
ich werde machen, dass gar nichts war.
Und, Geliebte, deine Antwort,
deine seltsam steife, kalte Antwort,
umflirrte mich in der Nacht,
in der ich träumte,
wir fielen einander in die Arme.
Liebte ich nicht die Steifheit, die Kälte deines Sprechens?
Erkannte ich dich nicht?
Wusste ich nicht, sie,
sie wird vorbeigehen an mir...
und doch, ich lachte,
es war unglaublich:
du Liebste, ich hatte dich bewegt zu einem Wort,
einem kärglichen Wort.
Ich stand auf in der Nacht,
ging umher und umher in meinem Zimmer
und konnte mich nicht trösten
über die Antwort von dir,
sie kam so schnell, so schnell.
Ich will nicht träumen, du hättest gewartet auf mich,
Liebste, ich werde, werde nicht.
Nun werde ich ein weiteres Jahr verstummen,
dir antworten nicht.
Es gefällt mir
(kann ich das?)
dich zu quälen."
"Ach, Geliebter,
ich ahne:
Nun müsste, müsste ich noch einmal sprechen,
dir endlich sagen:
Ich kann und kann nicht mehr leben ohne dich,
aber weißt du, sie verbieten es,
sie halten mich fest,
und das Schlimmste von allem,
ich kann und kann nicht sprechen ein erlösendes Wort,
die Verfolger,
sie lassen verstummen mein Wort,
sie machen es kärglich.
Ob ich wohl einmal,
erneut,
mein Leben verlassen kann
und neu beginnen?
Liebster, ich will nicht laufen in dieses öde, leere Land,
in dem ich rieche deinen Hass,
er wird mich vernichten.
Wie kärglich ich bin, wie kärglich,
wie groß meine Angst, Angst, Angst.
Und weißt du,
ich antwortete schnell,
zwanzig Minuten waren vergangen nur,
kannst du nicht einmal, einmal ahnen mich,
vergessen deinen Hass
und wissen
sie, sie wollte,
wie kärglich sie auch sprach,
und du, Geliebter,
auch du sprachest kärglich,
wie konntest jemals vermuten du,
ich beträte nun dieses fremde, fremde Land,
ginge zu auf dich, Missbraucher,
wie konntest du?
Aber ich weiß ja, ich ahne,
wir werden finden uns nicht.
Wir verloren uns.
Ich konnte das Denkmal bauen nicht,
blieb dieser Wurm, die Ratte,
Liebster, ich konnte bauen nicht...
und standest auch auf du, der Rattentöter,
Liebster, du verstummtest,
Liebster, sie kamen und kamen,
sie fielen mich an.
Ich trachte zu versteinern mein Gesicht,
mein Körper ist steif, ganz steif,
gemauert in Stein.
Liebster, nun mauere ich meinen Körper in Stein.
Ich vereise mein verknotetes Geschlecht.
Ich haue ein schäbiges Denkmal aus meinem Fleisch.
Werden die Verfolger denken nicht:
Sie ist tot. Sie starb.
Werden sie nicht sagen:
Ja, nun ist es gut,
sie lebt nicht mehr.
Werden sie nicht vergessen mich?
Kann ich jemals machen ihr Vergessen-Mich?
Werden sie, Ratten gleich, ausschwärmen...
werden zerschellen sie nicht an meinem Körper aus Stein?
Ich aber, ich schlage meine Augen nieder,
ich kann sie nicht mehr sehen,
ich mache das,
ich schlage meine Augen nieder.
Ich werden den Aufprall ihrer Körper auf meinem spüren,
(und sei er auch aus Stein)
sehen aber, sehen werde ich sie nicht.
Denn weißt du, sie ekeln mich,
wie hässlich, wie hässlich sie sind.
Ohne dich,
Rattentöter,
sie werden holen mich.
Sie werden glauben nicht meinem versteinerten Gesicht.
Es sind doch Ratten,
sie werden alles wissen
und haben wollen,
sie werden mich riechen,
meine Angst.


171. Kabul II

Ich begann zu grübeln:
Hatte ich ein einziges Mal dich angesehen und gelächelt?
Hatte ich ein einziges Mal dich gesehen, berührt?
(alles erdacht, erdacht).
Und nun, da die Felder bebaut,
für immer bebaut
(ach, wirklich für immer?),
ich will nicht mehr gehen dahin,
Liebster, sie gleissen nicht mehr.
Ich kann nicht mehr wandern dahin
(wußte ich jemals, wo sie waren?),
waren sie?
Werden sie,
die Verfolger,
nun machen,
dass ich nichts erinnern kann?
Werden sie kommen
(zerstörten sie das Denkmal aus Worten nicht?)
(hielt ich nicht hin meinen Leib,
hieb ihn, als wäre er aus Stein?),
Liebster,
sie sind mitleidlos,
sie verzeihen nicht.
Wollte entfliehen ich nicht,
nach Kabul?
Erfand ich nicht die die gleissenden Felder neu,
wollte ich bauen nun nicht mein schändliches Denkmal
in Kabul?
Geliebter, wie soll ich Atem holen,
wenn die Felder mir verstellt, verbaut,
wohin soll ich gehen in der Nacht,
wie soll ich überleben die Nacht?
Ach, ich kann und kann nicht.
Ich werde ersticken in der Nacht.
Ich muß und muß die gleissenden Felder sehen.
Und weißt du, sie wollen mir nun nehmen alles, alles,
sie trachten zu nehmen mir mein Erinnern
und Mutter,
ich werde sicher kommen zu dir,
ich weiß ja, wo du bist,
Mutter, da warest immer nur du
und sie, die Verfolger, das können sie nicht,
machen, dass du nicht warest,
Mutter du warest,
einmal werden stehen sie stumm.
Sie werden machen können das nicht,
noch einmal, ich verliere dich nicht...
vielleicht, vielleicht alles werde verlieren ich,
meinen Liebsten,
die gleissenden Felder,
dich Mutter, aber nicht.
Und wenn ich nicht mehr Atem holen kann:
Mutter, dann treffe ich dich.
Dich, Mutter, werde einmal treffen ich,
Mutter, du tröstest mich.
Mutter, dich werde ich finden in Kabul.
Und ist es nicht so: Das warest du Mutter,
auf den gleissenden Feldern fand ich dich,
ich verirrte mich,
ich dachte:
ich will nicht sterben wie sie,
einmal will ich meinen Liebsten finden,
ich verbog mich, zermarterte meinen Leib,
ich wollte und wollte leben,
Mutter, ich dachte, da wäre ein Leben,
Mutter, ich täuschte mich,
nun kommen sie und fallen mich an,
die alten Ratten,
sie hören nicht auf,
aber, Mutter,
ich werde, ich werde gehen dahin,
wo du bist,
Mutter, wie ich an dich denken kann,
die Ratten, sie werden zerfressen nicht meinen Leib.
...und er, der Rattentöter,
fällt er mich nicht noch einmal an,
Mutter, nun spricht er sein schreckliches Nein,
Mutter, er will nicht gehen mit mir,
Mutter, er will den Atem mir nehmen,
vernichten mich...
und Mutter, Liebste,
erdachte ich ihn nicht, erdachte und erdachte ihn...
er war ja nicht, mein Geliebter, der Rattentöter,
war er jemals?
Doch, doch, er verließ mich,
er liebte es einzuzementieren mich in meinem Verließ,
Mutter, er sprach nicht,
er hörte einfach auf zu sprechen...
manchmal sprach er ein einziges Wort,
er ließ mich rätseln, sterben, sterben,
ersticken,
Mutter, er hasste mich so,
tausenden von Frauen lag er bei
und wird er fortfahren nicht in diesem Bestreben?
Mutter, er wird und wird den Frauen liegen bei,
mir aber nicht,
Mutter,
er verhöhnt mich,
er hasst mich so schrecklich,
und er kann auch nicht hören mein Wort,
das Denkmal nicht.
Ihn kann wachrufen ich nicht,
er ist toter als tot,
und doch, doch,
ich rufe ihn in jeder Nacht,
ohne ihn kann ich nicht sein,
ich rufe und rufe,
es ist mir alles egal,
das bin ich,
der elende Wurm,
aufhören zu kriechen kann er nicht, nicht.
Ich sehe mich betteln, auf den Boden werfen mich,
kriechen,
vor ihm, ihm,
aber Mutter, er hört mich nicht,
taub hat er gemacht sein Ohr
und nun werde ich noch einmal tausend Jahre
harren, kriechen
(ich, der Wurm),
dann aber Mutter, ich, die Ratte,
werde anfallen ihn
und er wird nicht entrinnen.
Einmal, Mutter, ich werde diese Ratte sein,
mein Schicksal wenden,
anspringen ihn,
in ihn werde ich hinein geben
diese Angst, Angst, Angst,
Mutter, ich werde.
Da wird diese Ratte sein
(einmal war sie ein Wurm),
er vergaß zu töten sie,
der Rattentöter vergaß sie.
Schien sie nicht tot?
Lag ihr Leib am Boden nicht,
zerschunden vom Schlag des Hammers,
ein zerstörtes Denkmal aus Fleisch?
Denn bauen,
bauen können Ratten nicht,
aber sie sind schlau,
sie finden Unterschlupf,
sie fressen, was sie finden,
alles, alles,
sie können verstecken sich,
sie überleben,
überall,
sie bevölkern die unterirdischen Schächte Kabuls.
Und siehst du, Liebster,
eine solche Ratte bin ich
und war ich immer, immer,
sie fanden mich nicht.
Im tot stellen bin ich gut,
ich entwickelte es zu einer hohen Kunst.
Ich verbarg meine Gier,
meinen schrecklichen Wunsch zu leben,
ich verstummte,
ich war nicht.
Das warest du,
du fandest mich,
für dich verließ ich meinen Unterschlupf
(es war auch kein Elfenbeinturm,
eine Kemnate nicht),
es war ein schmutziges, verdorbenes Verließ in der Erde
(Mähdrescher waren hinweggefahren über mich,
zerstümmelten meinen Leib),
ich atmete schwer und gierig,
ich atmete weg die Erde,
sie fiel auf mein Gesicht...
und als ich dich ansah,
meine Augen waren fast blind,
die Erde verkrustete mein Augenlicht
(denn, denn aus dem Grab meiner Mutter kroch ich empor).
Und glauben konnte ich nicht,
dass noch einmal einer gekommen sei,
anzuschauen mich.
Ich fürchtete mich,
wie sollte ich bestehen vor deinem Blick?
Und weißt du, ich kann das,
wieder und wieder,
ich finde meinen Unterschlupf,
ich wühle ein Loch in die Erde,
ich grabe einen finsteren Gang,
ich lege Vorräte an,
da werde ich hocken,
sie werden finden mich nicht.
Da werde ich hocken
und überstehen dein Nein,
dein kärgliches Wort,
meine Gier,
meine furchtbare Gier,
meine Scham...
denn grub ich mich nicht empor,
vermochte ich es nicht anzusehen dich,
aber weißt du,
immer musste ich denken:
Nun sieht er mich an
(ich empfand so stark, du begehrtest micht),
er sieht mich an,
als sei ich rein und karg,
geboren am vorvergangenen Tag,
aber, Liebster,
hatte ich nicht entwunden mich,
dich zu sehen,
einer alten, alten Qual?
Ach, wie erdverkrustet alles an mir war,
wie falsch meine schwarzumrandeten Augen
mit denen ich dich ansah, als sähe ich, als sähe ich,
als könnte ich sehen,
Liebster, an mir war alles falsch,
das gleissende Gewand, das ich trug,
die schimmernden Haare,
mein leichter Gang,
mein Blick...
Liebster, das werde ich im ganzen Leben nicht begreifen:
Wie konntest du sehen mich?
Was sahest du?"
"Damals, ich sah dich sofort,
ich zweifelte nicht,
begann zu suchen dich.
Ich wusste, du verbargest dich vor mir,
zu fliehen trachtetest du,
aber,
ich konnte dich immer sehen.
Auch wenn ich gar nicht bei dir war,
zu zogest an meinen Blick.
Liebste, warum fragst du,
das warest du, ich sah dich.
Du aber wolltest nicht,
du weißt schon,
da war diese Angst, Angst, Angst.
Ich, seltsam, immer sah ich die,
die wartete, wartend sich verbarg,
gefunden werden wollte,
und, Liebste, dich zu finden vermochte ich nicht.
Ist das so,
weil du schnell warst, so schnell,
ich aber langsam, verweilend, anschauend dich
und so bemerkte ich kaum,
du warest gegangen,
als ich noch anschaute dich.
Und ja, du erschienest mir heil,
unzerstört,
wie gerade geboren,
eine wie dich hatte ich noch nicht gesehen.
Mit dir hätte ich leben können,
neu, alles neu.
Aber, aber,
wie du ranntest,
aufhalten dich,
ich vermochte es nicht.
Du stürztest mich hinein in die Erde.
Ich lag und lag, wollte atmen nicht mehr.
Liebste,
zu lange, zu lange,
suchte ich dich...
dann, ich dachte und dachte
(meine Frau lag im Sterben),
was hattest du aus mir gemacht?
Ich stand auf,
Liebste,
ich wollte nicht mehr finden dich,
nun wollte ich beginnen erneut,
vergessen dich.
Dann sandte ich meine Botschaft
aus der neuen Stadt,
am ersten Tag des neuen Jahres
und ich dachte:
Nun werde ich diese Botschaft schicken,
soll sie nun wissen,
ich bin gegangen,
sie muß warten nicht mehr,
nicht auf mich.
Sie brauchte auf alle Zeit,
in der ich warten konnte auf sie.
Liebste,
es gefällt mir ungemein,
dein Ersehnen mich,
deine Fragen,
(manchmal betören sie mich,
manchmal beginnt alles erneut),
dein Denkmal,
dass du es zu bauen suchtest,
zu spät, zu spät.
Liebste, dein Denkmal,
es scheint zu stehen mir einsam, allein,
es schaut mich an,
Liebste, dein Denkmal
(ich wollte es nicht, niemals, ich wollte es nicht),
mach es einmal sprechen von uns,
wir kamen ja aus der Erde,
wir krochen empor,
ach, Liebste, dein armes Denkmal,
lass es einmal sprechen von uns,
laß uns gewesen sein,
Liebste, das kannst nur du,
sprechen und schweigen zugleich.
Und versäumte ich dich auch,
die Böschung,
den Beginn der gleissenden Felder,
Liebste, ich stand da,
nördlich,
ich sah die Sterne fallen,
Liebste, ich versäumte dich,
denn:
Ich konnte warten nicht mehr, nicht mehr."
"Ach, ich lege und lege die Worte hinein in deinen Mund,
Liebster,
mein armes Denkmal,
es bestand nicht,
mein Denkmal,
es zerbrach,
nun werden sie mich finden,
du aber nicht,
nun werden die Ratten anfallen mich,
ich aber werde sein eine von ihnen,
ich werde in den Schächten hausen,
bauen nicht mehr
(vor so langer Zeit schon,
die Kelle,
sie fiel aus meiner Hand).
Und das Haus, versprachest du nicht einmal ein Haus?
Nein, du sprachest ja nicht.
Ob ich wohl noch einmal bauen kann?
Ich will doch nicht, dass gar nichts bleibt,
ach, ich will es nicht,
ich sah ja: die Kelle fiel aus deiner Hand,
sie fiel und fiel...
und auch der Schnee, der in diesem Winter fällt und fällt,
weich, so weich,
spricht er auch von dir, ich finde dich nicht, nicht.
Kann ich aufhören zu erträumen dein Wort, deine Gestalt, dein Antlitz?
Werde ich jemals begreifen,
du, du lasest, vor dir stand mein Wort,
ich antwortete,
es genügte, genügte nicht,
Liebster, warum?
War ich zu leise,
war es,
weil da war diese Angst, Angst, Angst?
Hörtest du nicht auf zu warten,
warum sonst wohl verfehlte dich mein Wort,
ich sprach doch wirklich, wirklich,
überwand meine Scham,
Liebster, du begreifst mich nicht.
Mein Wort, ich ahne, erschien dir steif,
dass ich überhaupt sprach,
mich überwand nach tausenden von Jahren,
du lebtest nicht mehr,
du konntest nicht schätzen mein steifes Wort,
Liebster, es war ja gegangen hindurch,
durch eine eisige Zeit,
Mähdrescher hatten verstümmelt mein Wort,
Erdkrumen, Eiskristalle hefteten sich an,
war es überhaupt noch ein Wort,
hatte das Sprechen ich nicht verlernt,
(Liebster, ich hatte gekauert, gekauert, ich hatte in den Schächten,
der Erde gelebt, ich hatte gefroren),
deine Frau hatte im Sterben gelegen,
meiner Mutter folgen wollen,
ich wusste nicht mehr ob ich leben, sprechen darf,
so sprach ich steif, sehr steif,
ich wählte,
nein, ich wählte nicht,
ich sprach,
als wäre nichts gewesen,
Liebster, du musst mich hassen.
Wie konnte, konnte ich sprechen so steif zu dir,
so alles verleugnend?
So kann ich dich nicht finden,
und doch, doch,
kannst du nicht einmal hören mich,
ich verweile in den Schächten,
ich sah dich:
du lagest den Frauen bei und bei
und ich bin so sicher,
fortfahren wirst du.
Liebster, es schützt mich mein steifes, steifes Wort.
Liebster, du schweigst,
warfest dahin dein seltsames Wort,
ich fand die Weise dir zu antworten nicht, nicht.
Und mein Denkmal,
einmal groß,
es zerbricht,
ich kann und kann nicht bauen,
Ratten und Würmer können das nicht, nicht.
Und ich weiß ja, bedachte es lange, lange,
einmal werden wir schweigen müssen,
alles vergessen,
Liebster, suchte nicht zu verführen ich dich,
immer, immer,
schwarz gemalt meine Augen,
waren sie nicht erdverkrustet und blind,
Liebster, du sahest das nicht.
Muß ich nicht denken an M.,
diesen seltsam fernen Ort,
an den es dich nun verschlug
und ich warte auch nicht mehr auf dein Auto,
das fremde Kennzeichen,
dass du nun stehst in meiner Straße,
wartend auf mich,
es ist vorbei...
und wie schäbig du sprachest zu mir,
ich sah mir alles noch einmal an:
Du warest schrecklich,
ganz schrecklich,
und ich, ich wollte nicht sehen,
du meintest mich nicht, gar nicht,
wie ein Wurm war ich bereit gewesen,
nun alles, alles zu nehmen,
ein Wort nun, irgendein Wort,
ich kroch und kroch,
Liebster,
kriechen will ich nicht mehr,
nun hause ich in den Schächten Kabuls,
ich habe gehortet,
was ich brauche,
ich werde überleben,
sterben nicht, nicht,
dich, Missbraucher, werde überleben ich.
In meinen schmutzigen Gängen werde ich lauern und warten,
bei passender Gelegenheit
gehe ich an die Luft und atme tief,
mich werden sie holen nicht,
mein Atem ist lang,
ich übte ihn in tausenden von Jahren,
ich kroch aus dem Grab meiner Mutter empor,
ich weiß, wie das ist.
Dir aber werde ich kriechen nicht hintan.
Liebster, ich werde nicht, nicht mehr...
und ist es auch so, sie verlassen mich, alle,
sie meiden mich,
ich sitze in meinem Schacht
(einmal, da warest du noch da,
da nannte ich ihn den Elfenturm, meine Kemnate),
ich weiß genau,
wann ich hinausgehen, Atem holen kann,
ich kann alles bedenken,
dann kehre ich zurück,
und es ist mir ganz egal,
wie schmutzig und kalt alles ist,
ich wärme mich an der Nahrung,
ich sammelte sie,
ich sah ja alles voraus,
ich habe vorgesorgt,
ich kann das.
Ich fresse mir an einen fetten Rattenleib,
ich bin schlau wie die Ratten
(ein Wurm nicht mehr,
Liebster, das warest du,
du machtest mich zu einem Wurm).
Du wirst es nicht glauben,
wie ich überleben kann.
Beginnst du dich nicht zu fürchten vor mir,
der fetten Ratte,
niemals wird verhungern sie,
sie glaubte zusammen ihr Futter
auf den gleissenden Feldern,
die Mähdrescher,
sie überlebte alles, alles,
sie flickte zusammen ihren zerschundenen Leib,
sie trug die verbotenen Bücher hinfort,
gebunden auf ihren armen Leib.
Sie machte, sie machte,
dass alles nicht war,
der Tod nicht, ihr Verlassensein,
sie fraß sich an ihren fetten Leib,
alle betrog sie,
die haben wollten sie,
sie überlebte,
sie wollte sagen:
Ich kann das,
überleben,
ganz allein,
ohne Denkmal
(was soll ein Denkmal Ratten sein?),
ich werde fressen und fressen,
hausen in den Schächten Kabuls,
wenn die Bomben einmal fallen nicht,
ich werde Atem holen,
hinaustreten aus meinem Schacht,
als sei er das lange versprochene Haus.
Liebster, nun ist unser Haus ein Schacht,
er zieht sich durch die unterirdischen Felder Kabuls,
sie gleissen und gleissen,
du aber, wirst finden mich nicht mehr, denn ich,
ich fresse mir an einen fetten, fetten Leib.
Weißt du, mein Leib wird mich schützen,
ich will nicht mehr rufen nach dir,
ich habe alles, alles,
was ich brauche.
Und rufen, ich kann ja nicht mehr,
meine arme Stimme, sie versagt,
wie soll ich sprechen?
Die Luft, sie schwand mir in den Schächten Kabuls,
ich zögere zu treten hinaus,
ach, mein Atem ist kurz.
Was zu sagen ich trachte,
ich kann es sprechen nicht mehr,
Liebster, ich werde ersticken in den Schächten,
mein gehortetes Fressen wird genügen nicht,
ich werde meinen Mund öffnen, um zu schreien,
aber weißt du, es fehlt mir die Luft,
die tausende von Worten,
die zu sprechen ich plante,
sie ersticken mich...
mein armes, armes Denkmal,
ich sehne mich so schrecklich danach noch einmal zu bauen,
die Worte zu setzen,
versetzt, immer versetzt.
Und auch in den Schächten Kabuls,
wo ich hause nun
(sie können das nicht: bringen mich um),
ich, die Ratte, muss träumen,
ach wie sollte ich haben ein Recht?
Grub ich mich nicht mehrfach empor,
fand, fand aber nicht, nicht?
Ach, Liebster,
ich träume von dir in den Schächten,
ich erträume dich,
wie du einmal warest,
nie mehr sein wirst,
kannst du mir sagen:
Wie können Ratten träumen?
Wie kann es sein,
dass es niemals aufhört,
die Worte versiegen können nicht,
(ich kann sie ja nicht mehr sprechen,
mir fehlt die Luft),
wie aber,
sie hallen und hallen in diesem schrecklichen Raum,
in den ich nun ging.
Liebster, ich vermag es nicht,
ich kann mich graben in die Erde nicht,
die gleissenden Felder,
sie versuchen und versuchen mich,
sie lassen mich hoffen,
und weißt du,
sie sind nicht in Kabul,
hier fand ich sie nicht, nicht,
du, niemals, niemals bautest du das mir versprochene Haus,
wo es wohl stehen soll,
ich werde es niemals finden,
mein Atem wird genügen nicht.
Und in drei Tagen,
ich werde noch einmal nach München reisen.
Damals, damals,
beim allerersten Mal,
ich kam zitternd an,
ich hatte solche Angst, damals hasste ich dich, Liebster, nun habe ich noch einmal dasselbe Hotel gebucht,
ich will dich ja noch einmal finden,
noch einmal verlassen die Schächte Kabuls,
deinen Atem riechen,
wie nah er mir einmal war,
wird er bevölkern nun das verlassene Zimmer?
Ich weiß ja, du bist nicht mehr da,
nach München kommen wirst du nicht.
München ist eine verlassene Stadt,
aber, aber,
einmal kam ich hierher,
ich floh dich,
ein anderes Mal, ich kam,
dich zu suchen.
Ich liebe München,
es ist unsere Stadt,
in ihr verfehlten und suchten wir uns.
In München werde ich deiner gedenken können,
meines armen Denkmals,
meiner Mutter, meines Vaters,
München ist hinter den Blitzen rot,
denn, einmal war es deine Stadt,
einmal fuhr ich dahin,
zu suchen, zu meiden dich,
nun erneut,
dich zu suchen,
aber, Liebster, ich weiß alles,
du bist nicht da,
du willst nicht ein zweites Mal treffen die Ratte aus Kabul,
du versäumtest zu töten sie,
sie irrt nun umher,
sie sucht zu treffen dich in München.
(Und traf und traf sie nicht ihn (nicht dich),
er sah sie an,
sie zwang ihn
(zwang sie ihn?),
er kam und kam,
auf ihn wartete sie,
und er kam auch,
als sie ihn gar nicht erwartet hatte,
er kam...
er kam und kam,
und leuchtete nicht sein Gesicht,
konnte sie nicht machen dieses:
das Leuchten in seinem Gesicht,
sog sie nicht fest sich an diesem Leuchten,
ach, Liebster, sie zwang ihn und zwang,
und hatte geleuchtet dein Antlitz jemals so?)
Ein kalter, voller Mond stand über der Stadt.
Es regnete und ich dachte:
Zum allerletzten Mal werde ich sein
an diesem unglückseligen Ort.
Könnte, könnte nun nicht alles enden in München?
Ich erwartete dich nicht im schäbigen Licht der Laternen.
Und doch,
es beruhigte mich,
die Straße, dein Haus zu sehen,
zu denken:
Einmal, er war,
er bewohnte ein Haus aus Stein.
Ach könnte, könnte ich klopfen an seine Tür,
hätte getroffen ich ihn in der alten Zeit
und bleiben können.
Ich sah ja das Licht, das aus den Fenstern drang.
Ich stand auf dem großen Platz und schaute hinauf.
Bleiben wollte ich,
nicht mehr gehen,
für immer in München bleiben.
Als ich zurückfuhr,
(Liebster, nun werde ich niemals mehr nach München fahren)
der Himmel zerriss,
seltsam klare, weiße Wolken trieben weit oben dahin,
entwanden sich der schwarzen Luft,
die den Boden berührte, auf dem ich fuhr.
Dann stand ich viele Stunden,
Züge fuhren nicht mehr.
Es war ein Niemandsland,
ich wusste nicht, wo ich war.
Die Flüsse explodierten,
Bäume fielen um und ich träumte davon,
bleiben zu müssen,
nie mehr nach Frankfurt zu fahren.“
„Heute ging ich und ging,
es hatte noch einmal geschneit,
ich war auf dem Weg zu ihr,
die ich fand,
Liebste, das warest du nicht,
ich meinte dich nicht,
ich ging zu ihr,
ich fand sie in der fremden Stadt,
ja, ich liebte es,
beizuliegen ihr.
Wir lachten und lachten
und ich dachte,
ich werde noch einmal beginnen.
Und ich hasste dein Bild,
das sich vor mich schob,
du warest so lange vergangen,
du vermischtest dich meinen Kindern,
ich sah sie nicht mehr,
sie waren so fern,
ach, ich vermisste sie schrecklich,
und manchmal schien es mir,
ich würde sterben ohne sie, ohne dich."
"Nun, da der Herbst ein Sommer war,
der Frühling ist verschneit,
es schneit und schneit.
Und heute,
ich, die Ratte aus Kabul,
kroch umher am alten Bahnhof Zoo.
Liebster, du darfst nicht fragen warum,
ich wartete lange,
fast hörte ich die Ansage nicht:
"Der Zug nach M. fährt heute auf Geleis 22 ein"
(ich hatte es geahnt, es war unvermeidlich:
Nun würden sie sprechen von M.).
Und plötzlich,
es regnete Sterne,
an der alten Böschung stand ich,
wo die Wege sich gekreuzt,
die toten Tiere gelegen hatten, Ratten
Liebster,
es waren Ratten,
in ihrem schrecklichen Spiegel hatte ich mich erkannt.
Und nun,
ich war gekrochen,
hatte unterirdische Gänge gewählt,
den alten Bahnhof Zoo gefunden,
den Rattenbahnhof,
von hier,
von hier gingen die Züge nach M.
Und ja, ich sah einfahren den Zug,
Geleis 22.
Weißt du, ich lachte,
ich lachte schrecklich und laut.
Denn gekommen war ich,
zu sehen den hinwegfahrenden Zug,
weißt du,
Ratten besteigen keinen Zug,
Ratten lauern,
sie halten ihr Gesicht in die Erde,
sie lieben den schattigen Gang.
Und nun,
da ich erkannte mein Rattengesicht,
will ich dir berichten:
Ratten fürchten sich,
sie stehen nicht still,
es peinigt sie eine schreckliche Angst,
sie schlafen nicht.
Ratten fürchten angegriffen zu werden von anderen Ratten.
Und niemals, niemals hatte ich ahnen können,
dass ich eine Ratte war,
damals,
als ich durch die Felder rannte,
und fand ich das kühlende Wasser auch,
Liebster,
ich benötigte mein ganzes, langes Leben,
ich benötigte dich,
den ich nicht wiederfand,
zu sprechen:
damals, in den gleissenden Feldern,
die toten Ratten, die ich fürchtete wie den Tod,
ich war eine von ihnen,
Mähdrescher waren hinweggefahren über mich,
aber, aber,
-so sind Ratten-
ich hatte es verstanden,
meinen wunden Leib zu flicken
und manchmal dachte ich,
die Mähdrescher,
mich werden sie töten nicht, nicht,
nun bin ich schlau,
sagen sie nicht,
Ratten sind schlau.
Aber weißt du,
wirklich schlau sind wir nicht,
außer im überleben.
Im überleben, Liebster...
und wie überhaupt kannst du,
eine Ratte,
ich rieche dein Rattensein,
entgehen mir?
Lebst du nicht in Kabul,
kennst du die Schächte nicht?
Liebster, ich kann dich riechen,
deine Botschaft zum Neuen Jahr,
sie warf dich nach Kabul,
und deine tausende von Liebsten,
sie können dich halten nicht.
Vielleicht musst du sterben,
vielleicht fallen die Bomben auf dich,
vielleicht zerstören sie deinen Gang
und wühlen sich hinein in die Erde,
tief hinein,
dahin, wo du bist.
Und ja,
du wirst ganz sicher sterben,
denn Kabul ist der Todesort.
Sie sagen, die Ratten sterben zuletzt,
aber, Liebster, sie sterben,
und überstanden Mähdrescher sie,
in Kabul sterben auch die Ratten,
es ist ihr geheimer Sehnsuchtsort,
sie ziehen in Karawanen da hin,
auszulöschen ihren geschundenen Leib.
Und war es nicht so:
Es waren die Mähdrescher,
sie verrichteten ihr Werk
-und gleissten die Felder auch,
sie flüsterten so lange schon von Kabul.
Und wäre das kühlende Wasser nicht gewesen,
Liebster,
ich wäre lange, lange schon tot.
Es versprach mir einen wie dich,
es murmelte und rauschte,
es sprach von einem,
die Mähdrescher waren hinweggefahren über ihn,
er hatte geflickt seinen zerschundenen Leib
und alles, was ihm geschah,
es hatte sterben ihn lassen nicht,
es hatte entfacht seine furchtbare Gier.
Sprang er mich nicht an?
Hatte ich nicht hingehalten meinen Leib?
Und seltsam, Liebster,
nach allem,
diesem langen, begierigen Vorspiel,
wir vermischten uns nicht.
Was da wohl war,
das uns abhielt?
Als du mich ansprangest, wieder und wieder,
ich wich zurück
und rannte weit.
Dann lief ich den ganzen Weg zurück.
Auf den Knien lag ich vor deinem Bild und betete:
Gott, laß, laß ihn anfallen mich.
Du aber, Liebster,
du lagest den Frauen bei,
als ich begann zu träumen von dir.
Deine Liebsten,
ach, waren sie nicht wirklich schnell,
so schnell wie du in deinem Vergessen mich.
Mein Zögern,
du ertrugest es nicht,
und es war ja auch kein Zögern, es war ein : Nein, Nein, Nein.
Den Haken, den ich schlug,
du ahntest ihn nicht,
wie ich biß und biß
mich fest an deinem flüchtigen Bild.
In der Nacht hörte ich dich keuchen,
den Frauen liegen bei.
Ich bestieg das Flugzeug nach Kabul,
kroch umher in den Schächten,
ich hatte solche Angst vor dem Licht,
ich schämte mich,
keiner mehr sollte sehen meinen zusammengeflickten Leib
...es sei denn, du, Geliebter,
begegnetest mir in Kabul,
dem Todesort.
Dir könnt ich noch einmal singen,
heil machen alles.
Und ja, ich stand auf dem Rattenbahnhof,
Geleis 22,
ich sah dich liegen ihnen bei,
einer nach der anderen und ich dachte:
Nun wird er fort- und fortfahren,
es ist furchtbar,
werfen,
den Ratten gleich,
in die Erregung sich hinein,
seinen geschundenen Leib verbrauchen.
Nun, Liebster, du musst mir meine eine und einzige Frage beantworten:
Warum vermischten wir uns nicht?
Wir waren doch Ratten,
sprangen uns an,
im ganzen Leben werde ich begreifen nicht dieses:
Warum vermischten wir uns nicht?
Liebster,
wir waren seltsam,
Gott, er bremste uns aus,
verbot uns die Lust,
er trat an zu töten uns,
es war kein gütiger Gott,
und wir, die Ratten,
hingen ihm an,
wir waren ja aus der Kemnate gekrochen,
dem öden Land,
wir hatten vergessen die Mähdrescher, alles,
die gleissenden Felder,
wir waren Würmer, Liebster,
wir vermischten uns nicht.
Wie glücklos wir waren und blieben,
ich kann es nicht begreifen,
wie mutlos wir wurden,
...die Kelle,
sie fiel uns aus der Hand.
Ich begann auch noch einmal
zu studieren die Karten,
ich fand M.,
den verlorenen Ort,
ich ortete ihn,
plötzlich wusste ich,
er war so nahe dem Rattenbahnhof,
nur einige Würfe entfernt..."
"Vielleicht, vielleicht,
manchmal war mir, Liebste,
als hätten wir uns vermischt,
hätten gekeucht und gekeucht...
und es war auch gar nicht geträumt,
alles war, wir träumten nicht,
was wir träumten, war wirklich geschehen,
das kann man träumen nicht.
Wie sicher ich plötzlich bin,
dir lag ich bei,
anfasste ich dein Gesicht,
ich berührte dein Geschlecht,
wir sprachen nicht mehr
und Liebste,
damals,
wir waren in den Schächten nicht,
es war,
ich bin sicher,
auf den gleissenden Feldern lagen wir.
Ich meine mich zu erinnern,
Liebste, es gab diese Zeit,
wir gaben anheim sie dem Meeresgrund,
den Schächten Kabuls,
Liebste, willst du dich erinnern nicht?
War es nicht so,
unser Vermischen,
es hatte keinen, keinen Bestand,
es war,
als wäre es nicht gewesen,
und ich zermartere mir den Kopf,
ich weiß und weiß nichts sicher,
wie nah kam ich der Nonne,
hat sie einmal gekeucht?
überwand ich einmal ihren kalten, kalten Blick?
Ob ich wohl träume?"
"Ach, Liebster,
ich weiß es nicht,
ich erinnere mich nicht,
aber...
Ist es nicht so,
mein Mich-Festbeissen an deinem Bild,
mein Rattensein,
vielleicht, vielleicht,
einmal lag ich dir bei,
ich, die Nonne,
keuchte ich einmal?
Lag ich dir einmal bei,
bevor ich mich verbarg in den Schächten Kabuls?
Ob wir uns vermischten ein einziges Mal?
Wie ich träumen muß,
Liebster,
nun bin ich leer, ganz leer
und du musst noch einmal kommen zu mir,
liegen mir bei,
ich erinnere mich nicht.
Du musst noch einmal alles machen,
wie du ankommst bei mir,
anfasst mein Gesicht,
wie du berührst mein Geschlecht.
Ich ging, an zwei aufeinander folgenden Abenden,
zu hören eine alte Musik.
Alles hatte ich abgesagt,
mein Elfenkleid aus Wien getragen,
noch einmal
die Ohrringe aus Kabul.
Die Augen hatte ich mir schwärzer als schwarz gemalt.
(Sie ahnten nicht, woher ich kam.)
Ich saß still, sehr still,
ich bewegte mich kaum,
erst am Ende des zweiten Abends hörte ich die Musik,
für die ich gekommen war.
Ich hatte sie geahnt.
Eine uralte Passion,
ein einsam klagender Ton
dehnte sich aus über mir,
er hörte nicht auf
und erfüllte mein leeres Herz.
Und ja, war ich nicht gekommen,
zu hören von dir?
Ist es wirklich wahr,
wir vermischten uns,
träumten nicht?
Und Liebster,
es genügte nicht,
da war dieser klagende Ton,
er wiederholte sich endlos,
ihm hing ich an,
und falls es jemals so gewesen ist,
lass mich noch einmal, einmal keuchen.
Falls wirklich und wirklich war,
was ich träumte und träumte,
Liebster, warum, warum,
geschah, was geschah?
Ich glaube dir nicht.
Es war nichts.
Gar nichts war.
Ich habe geträumt.
Du warest nicht,
ich biß mich fest an deinem Bild,
ich empfing diesen klagenden Ton.
Ich nahm ihn mit nach Kabul,
in die Schächte.
Dort warf ich ab mein allerschönstes Kleid,
den Schmuck, ich wischte ab das Schwarz von meinen Augen,
die Haare schnitt ich mir ab,
ich leckte meinen nackten Leib.
Liebster, meinem Leib wuchs ein Fell, ein Rattenfell,
denn ich wollte hören und träumen nicht mehr,
hinausgehen nicht.
Und doch,
es betört mich deine Idee
(wir hätten uns vermischt)
und ich bin auch ganz sicher,
du wirst noch einmal kommen,
die Zeichen ordnen sich.
Die ganze Welt spricht von Missbrauch,
ich kann an nichts anderes mehr denken.
Liebster, wir werden sicher noch einmal sprechen.
Ich träume davon,
dass du kommen wirst,
missbräuchlich mir begegnen.
Denn du, Liebster,
wirst deinen tausenden von Frauen gelegen haben bei
und nie wieder werde ich ersehnen können dich.
Falls, falls,
wir vermischen sollten uns noch einmal,
ich werde niederstürzen,
Kabul wird ein vergangenes Paradies gewesen sein,
ich werde gewünscht haben zu sterben,
in diese Verzweiflung werde ich stürzen hinein.
Ich werde träumen von meinem vergangenen Nein,
und doch,
noch einmal werde anfallen ich dich,
haben, haben wollen,
Mißbraucher, alles, alles täte ich,
zu vermischen mich mit dir,
alles, wirklich alles,
gäbe ich auf,
deinen Atem, deinen Leib zu spüren auf mir,
und hättest auch du dich vermischt mit tausenden von Frauen,
Liebster,
der Ratte aus Kabul ist alles egal,
und wären auch vorangegangen Tausende,
Liebster, einmal, einmal
will ich beiliegen dir,
geträumt haben nicht, nicht,
und alles, alles vermöchte ich,
lägest ein einziges Mal du mir bei.
Liebster, ein Mal will ich sicher sein,
es war, es war,
wir träumten nicht,
suchten zu erinnern uns nicht,
weil,
weil, es war und war.
In der Nacht spann ich aus meinen Traum,
wie betäubt von einem tiefen Schlaf lag ich da und träumte
lange, lange,
ich war so schwer, konnte aufstehen nicht mehr.
Du riefest mich an,
deine Frau war gestorben,
du wolltest verabreden dich mit mir.
Ich zögerte nicht, schlug vor den Zoo.
(Da hatte ich uns laufen sehen vor Jahren, damals,
als du ein Bild von mir machen wolltest, für deinen Sohn,
...er vermisste mich, hattest du gesagt.)
Ich dachte aber auch,
kaum hatte ich den Hörer aufgelegt:
Ich habe Angst, sie sollen mich nicht sehen.
Dann traf ich dich.
"Das ist nicht richtig, dass wir uns nun treffen",
sprach ich sofort, kaum hatte ich dich gesehen,
(ich sah dich gar nicht an)
"wir dürfen das nicht,
es ist falsch, ganz falsch...
es macht mir Angst."
Und Liebster, dann erinnere ich meinen Traum nur schemenhaft,
ganz sicher nahmest du mich in den Arm.
Und ich träumte in meinem Traum,
ich wäre nicht die Ratte aus Kabul.
Ach, könnte, könnte erinnern ich mich,
wohin wir wohl gingen,
gingen wir irgendwo hin?
Gar nichts, gar nichts weiß ich,
selbst meine eigenen Träume,
sie bedrohen mich,
denn Liebster,
ich bin sicher,
du hieltest meine Hand,
es war wunderbar,
und ich glaube, es war so,
wir liefen durch den Zoo,
wir überlegten,
wo sonst noch könnten treffen wir uns...
und dann, ich sah dich auch an,
ich hatte so lange, so lange gesehen dich nicht,
geträumt, immer geträumt...
und ja, es war ja auch nur ein Traum,
in dem ich anschaute dich,
du warest genau so,
wie ich gedacht,
sehr dünn und muskulös,
kaum größer als ich,
zerwirkt dein Antlitz, zerwirkt,
umschattet.
Du warest, Liebster, du warest der,
von dem ich geträumt,
in den gleissenden Feldern,
den Schächten,
Liebster, du warest das Wasser,
es umspielte mich.
Und ja, ich lag schwer auf meinem Bett,
wollte und wollte aufstehen nicht mehr,
Liebster, ich hielt mich fest,
so fest an deinem Bild,
wollte aufwachen nicht, nicht.
Und er, der mich erinnerte,
Liebster, du weißt schon,
er kommt nun die Treppe empor,
immer, immer,
das Telefon an seinem Ohr,
er schaut mich nicht an,
ich bin gar nicht da für ihn,
Liebster, wie du, er ging,
sie gehen nun alle.
Ich aber, die Ratte aus Kabul,
ja, ja, einmal sah ich die gleissenden Felder,
nun aber muß ich mich begnügen,
es fällt auch nicht mehr der Schnee,
mit ihm tröstete und tröstete ich mich,
der Frühling aber, Liebster,
ich hasse und hasse ihn,
ich will und will nicht sehen die Knospen,
sie springen nun auf.
Dann dachte ich:
Wüßtest, ach, wüsstest du,
du weißt ja nicht.
Wüßtest du,
es gefiele dir,
du kämest anzuschauen mich,
Liebster, wüsstest du,
du kämest gerannt.
Wie kann ich einmal wissen machen dich,
schieben hinein mich,
zwischen hinein
in das Lager deiner Liebsten,
die du verlässt,
die dich verlassen,
wie, wie könnte ich mich schieben hinein?
Müsste ich nicht warten und warten,
könnte ich mich schieben hinein...
Liebster,
könnte ich nicht einmal machen, dass du mich sehen musst?
Du würdest es lieben,
wer hat sich jemals in dieser Weise nach dir gesehnt?
Wüßtest du, du kämest,
noch einmal, die Treppen empor gerannt.
Es gefiele dir,
wie ich ersehne dich.
Und ich liebe auch dein Angesicht,
ich sehe es an und an und ich hasse die Menschen,
die dich sehen, die du siehst.
Einmal musst du kommen nach Kabul.
In den Schächten werden wir allein sein, ganz allein.
Liebster, ich ertrage die Menschen nicht mehr,
ich fange an die Dunkelheit zu lieben.
Ach, ich will dich einfangen in den Schächten Kabuls,
nur für mich sollst du noch atmen.
Ich sperre dich ein in den Schächten,
so vieles will ich versprechen:
dort, dort werden wir sein...
und ich, die ich mich fürchte seit tausenden von Jahren,
dahin, dahin will ich gehen.
Hörte ich richtig,
sprachest du nicht,
konnte ich nicht hören dein Wort,
sprachest du nicht:
alles, was wir zu träumen meinten,
es war gewesen, gewesen...
So hätten wir also gelegen,
gekeucht und gekeucht,
die Verfolger,
sie hätten vergessen haben uns.
Ich hätte mein Nein verwandelt in ein Ja,
dann aber, dann...
(Nein, nein, wir waren nicht,
ja, ja, wir keuchten.
Es war ein wirklicher Traum.
Wir konnten das,
wir erträumten, was war und es war.)
Dann verlor ich dich,
sie schlugen die Kelle aus meiner Hand,
nein, nein, das warest du,
du bedachtest mich nicht mehr.
Du ließest mich zurück in der Hölle.
Manchmal stehen sie auf und wollen mich töten.
Und dann ist mir,
als ob ich mein ganzes, ganzes Leben lang
hoffen muß,
dass du mich einmal wieder findest,
noch einmal erkennst mein Angesicht.
Kann ich nicht alles,
kann ich nicht mit Toten sprechen?
Und gesetzt den Fall selbst,
was ich beschwor und ahnte,
es wäre und wäre,
nichts bliebe von dir, gar nichts,
niemals wieder würdest du erinnern dich meiner
(Liebster, ich glaube es nicht,
du wirst umhergehen,
nicht ruhig sein können,
mein aufblitzendes Bild wird deine Nacht durchziehen),
ich ginge und ginge,
ich sähe dein Bild,
Liebster, dein Bild,
ich sähe es für immer und ich muß nun sagen:
Es ist gar nicht wahr, dass gar nichts bleibt,
etwas bleibt, etwas bleibt.
Ich bin auch wieder schön,
plötzlich sehe ich wieder aus,
als gehöre mir die Welt...
und Liebster,
das musst nun du entscheiden,
ob du kommen willst,
werde, werde ich nicht
noch einmal die Straßen betreten,
Liebster, ich kann,
ganz sicher,
ich kann,
die Kelle,
ich ergreife sie.
Ich werde bauen ein neues Haus,
mein armes, altes Denkmal aufrichten erneut,
ich werde kriechen aus den Schächten hinaus.
Am Ostersonntag begann der Himmel zu leuchten in hellstem Blau...
Ich sah den alten, alten Turm im Wald...
Dahin wollte ich noch einmal, hinauf und hinauf...
Kleine schwarze Menschenschemen standen und schauten hinab...
Damals, vor tausenden von Jahren, als alle gestorben waren,
(Liebster, erfundene Geschichten erzähle ich nicht)
ich lief, wieder und wieder,
hinauf und hinab,
ich rannte und rannte.
Und doch, so schnell ich auch rannte,
da war eine furchtbare, furchtbare Angst...
ich wagte es nicht,
zu schauen mich um und hinab...
ich sah gar nichts,
ich war blind vor Tränen
und ich fürchtete mich vor dem Tod,
so schrecklich, so schrecklich...
und nun will ich, Liebster, einmal will ich
besteigen den Turm und gehen hinauf und hinab,
langsam, ganz langsam,
ich werde umherschauen,
alles sehen wollen.
Sind da nicht diese Wälder
(ich ahnte sie, doch ich ahnte sie),
kann ich nicht einmal schauen,
durch das klaffende, zerwirkte Holz hindurch
(der arme alte Turm, ich kann es gar nicht fassen,
wie tausende von Jahren er den Regen, den Schnee überstand),
schon damals, in dieser kaum erinnerbaren Zeit,
es zerblätterte sich...
weißt du, meine Hand glitt am alten Holz empor und hinab,
ich hielt mich immer fest,
ich rannte, die alten Holzgeländer umfassend,
das Holz durchlief meine Hand,
es war wunderbar glatt,
manchmal aber, manchmal,
zerfetzte das gesplitterte Holz meine Hand,
in ihr pochte das Blut, es trat hinaus,
es tat mir gut, so gut,
ich sagte kein Wort.
Ich verschloss meinen Mund,
kein Schrei, nur kein Schrei.
Liebster, ich verbarg meine blutende Hand,
versteckte sie in meiner Hosentasche,
alles war naß,
zerklebte,
ich rannte weiter und weiter.
Du glaubst nicht, wie klein ich damals war,
damals,
als alle gestorben waren
und ich wollte und wollte nicht,
dass sie hören meinen Schrei.
Liebster, ich lernte das Laufen im Turm,
hinauf und hinab.
Ich liebte es, niederzutönen meinen Schrei,
zu ersticken ihn,
ich schämte mich unglaublich,
ich wollte leben nicht mehr,
sollte einmal einer, jemals,
angesichtig werden meines Schmerzes.
Ich war wirklich gut im Rennen,
im Niedertönen des Schreies...
und ich hätte noch einmal tausend Jahre rennen können...
aber, aber, da warest du, Liebster,
-ich, die ich alles vermocht hatte,
niederzutönen den Schmerz,
die zu sein, die Schmerzen bereitet,
verlässt und verlässt,
die, die rannte mit blutender Hand,
allein, ganz allein...
Liebster, das warest du,
du fasstest an meine blutende Hand.
Von da an, ich vermochte nicht mehr,
was ich vermocht eine unendliche Zeit,
Liebster,
das warest du,
du gabest mir den Schmerz
und ich konnte rennen nicht mehr, nicht mehr...
Ich begann und begann, ich hörte nicht mehr auf zu bedenken dich...
Du warest lange schon dahingeeilt...
ach, du wusstest mich nicht mehr,
lagest bei deinen Liebsten,
es war mir ganz egal,
ich hatte begonnen zu lieben dich,
als du angefasst meine blutende Hand,
wer sonst hätte bemerkt wie zerklebt und nass sie war?
Das warest du,
du fasstest mich an,
an deinem Leib glitt meine Hand empor
und zersplitterte nicht,
es war alles so glatt wie
es das alte Holz manchmal war
und ich zersprang erst,
von tausend Splittern zersprengt,
als ich fühlte:
Auch du, du warest gegangen.
Liebster, flüchtest du dich,
ihnen gleich,
in den Tod?
Ich weiß ja nicht,
wohin du gingest,
wie sollte ich das wissen?
Liegst du noch deinen Liebsten bei,
oder aber,
es graut mir,
wirst du dich werfen hinab von dem Turm,
den ich beschwor,
mein ganzes, ganzes Leben lang
und mein Leben,
es war ja nicht ganz,
es war kärglich, zersplitterte sich am alten Holz,
ich aber wollte so schrecklich leben und aufhören nicht,
Liebster, so sehr ich mich auch schämte,
ich sehnte mich schrecklich nach dem Leben,
und war ich nicht bereit in die Schächte zu gehen,
nach Kabul,
Liebster, mir war wirklich alles egal...
Und ich konnte aufhören zu träumen nicht,
von dir, von dir...
Aber, wenn du nicht kommen willst,
ich gehe noch einmal allein,
ich stecke meine blutende Hand in meine Hosentasche
und sie werden nicht hören, dass ich schreien will,
ich werde sie noch einmal betrügen,
Liebster, ich kann das,
und ich träume ja auch davon
noch einmal zu gehen hinauf und hinab,
wenn du nicht willst,
ich mache alles, alles allein.
Und doch, sei sicher, das warest du,
ohne dich, ich wäre nicht mehr,
du machst mich erinnern,
in deiner Abwesenheit gerade
machst du erinnern mich.
Da war etwas an dir,
es verzauberte mich
weit über den Zeitraum deiner Anwesenheit hinaus,
du lehrtest mich,
was bleibt.
Nach dir war ich neu.
Ach, es ist wahr,
ich verzehrte mich nach dir,
aber vielleicht, vielleicht,
manchmal denke ich das:
Es ist nicht wichtig,
dass du nicht bleiben willst,
du warest.
Von dir kann aufhören zu träumen ich nicht.
Ach, wüsstest, wüsstest du.
Ich weiß es genau,
drückte auch ich ein einziges mal die Taste,
vielleicht, vielleicht, sicher, sicher,
dir begegnete ich,
so aber, so Liebster, will ich nicht.
Vielleicht muß ich schweigen,
für immer,
so, so will ich nicht.
Das bist du, du müsstest noch einmal erinnern dich meiner,
und Liebster, du musst ja nicht,
was du mir gabest,
es war viel,
mehr als ein anderer mir jemals gab.
Das warest du, der Rattentöter,
der Ritter, der zerhieb den Elfenturm.
Liebster, du gabest mir meinen Atem zurück,
wie das kühlende Wasser
umspieltest du mich.
Für dich verließ ich die Schächte
(du darfst mir nicht glauben,
dass du mich in die Schächte triebest, nach Kabul,
vielmehr:
mein ganzes, ganzes Leben war ich da:
die Ratte, ich hauste in den dunklen Gängen,
nur Liebster, ich wusste es nicht),
das ganze Leben erfand ich neu.
Hätte ich jemals gedacht,
noch einmal so tief zu atmen,
emporzutauchen aus der Erde,
dem Grab meiner Mutter,
hätte ich des Denkmals je gedacht,
der Kelle,
einmal war sie in meiner Hand."
"Die Taste,
du wirst sie berühren nicht.
Du willst nicht.
Liebste, Liebste,
haust du nicht noch immer in deinem Turm,
den Schächten...
und das soll ich sein,
der kommt, ein seltsamer Narr,
der die Knöpfe drückt
(du verachtest sie).
Ich werde sicher nicht.
Das müsstest schon du sein,
du müsstest bewegen deine Hand.
Und weißt du,
das Wasser bin ich nicht
und will ich nicht sein.
Der ferne Erlöser bin ich nicht.
Aber, Liebste,
warum bewegst du nicht ein einziges Mal deine Hand,
wie einfach das wäre,
du hast sicher recht,
die Treppen,
ich rennte sie noch einmal empor...
du aber,
es gefällt dir noch immer, die Nonne zu sein,
die Ratte in den Schächten,
es ist alles gleich...
du bist so eine schreckliche Warterin,
du bewegst dich nicht, nicht,
Liebste, du atmest allein,
mit mir, dem Bewohner der Erde,
willst du teilen nichts, nichts,
verachtest du ihn nicht in deinen heimlichen Gedanken?
Was machst du aus mir,
einen Tor...
eine seltsame Gestalt."
"Liebster, ja,
wie ich warten kann...
manchmal war ich taub und blind und steif vom Warten.
Damals, du weißt ja,
in der vergangenen Zeit, wir zogen um und um.
Mein Vater fuhr mich zu den Schulen des jeweils verlassenen Ortes.
Früh brachen wir auf.
Mir ist, als sei es immer kalt gewesen,
Schnee fiel,
am frühen Morgen saßen wir im Wagen,
langsam brachen die Scheibenwischer das Eis...
der Motor lief,
es war warm,
wir hörten Musik
und sahen zu,
wie das Eis wich,
die Dunkelheit hineinließ in den Wagen,
dann fuhren wir los...
hielten die Luft an,
wenn wir vom weitem die Fähre sahen...
wären wir schnell genug,
führe sie plötzlich los...
dann setzten wir, aufatmend, über den schwarzen Fluß...
Oft, sehr oft kam ich zu spät,
betrat den Klassenraum mit Schamesröte im Gesicht...
senkte meinen Kopf und verstand nicht, was sie sprachen,
ach, ich verstand gar nichts mehr,
brach plötzlich in Tränen aus...
vor ihnen bestand ich nicht,
nicht mehr,
seit wir umherfuhren
(das meiner Mutter gebaute Haus verlassen hatten),
die Fähre nur knapp erreichten,
verlor ich meinen Stolz,
Liebster, ich wurde richtig dumm
und ich liebte es weiter-und weiter zu ziehen,
ich war ein Zigeunerkind,
ich fing neu an und neu,
so sehr ich mich auch fürchtete vor dem neuen Auftritt,
allein, vor fremden Menschen,
ich liebte es die Stätten meines Versagens zu verlassen...
und ja, ich warf die alten Hefte in einen Gulli,
als ich auf meinen Vater wartete,
der spät kam, immer spät,
es scheint mir, er bremste stark,
ich sprang hinein,
dann fuhren wir los...
mein Vater hatte Termine...
ich musste warten...
manchmal wartete ich Stunden...
gepeinigt von einer schrecklichen Wut,
die verschwand,
wenn ich ihn sah,
wie er gerannt kam,
in den Wagen sprang und losfuhr...
dann schenkte er mir einen Blick,
er versöhnte mich mit allem
und ich verstand,
immer verstand ich:
Mein Vater wollte alles auf einmal,
dasein und wegsein,
es schmerzte mich,
aber weißt du,
so lange ich auch warten musste,
meine Liebe wurde kleiner nicht,
ist es nicht seltsam,
größer und größer ward sie
und manchmal weiß ich nicht,
wie ich überlebt habe,
Liebster, ich weiß es nicht...
Mein Vater ließ mich schrecklich warten,
dann war er plötzlich da
und ich vergaß alles, alles,
denn er war da.
Dann fuhren wir nach Hause,
wieder spielte Musik,
wir sprachen nicht,
wir setzten zurück über den schwarzen Fluß,
und ich,
ich erwartete den Morgen,
die vereiste Frontscheibe,
das Eis, das zurückwich...
wir fuhren und fuhren,
hin und zurück,
wir setzten über den dunklen Fluß,
manchmal war mir,
als müsste ich sterben,
wenn ich wartete und wartete,
auf meinen Vater,
er fuhr und fuhr,
Liebster, wie ich warten konnte,
ich konnte das...
Ich wurde die schreckliche Warterin.
Was verlangst du von mir?
Ich ging ja immer hinein, weiter hinein in mich,
niemals hinaus.
Ich kann nicht spielen,
drücken den verdammten Knopf,
alle, alle können das,
ich aber nicht.
Solltest du noch einmal mich treffen wollen, Liebster,
die elende Warterin,
dann musst du zu ihr kommen...
(das begreifst du nicht),
sie beherrscht das Warten in der allerunglaublichsten Weise
(als habe eingesogen sie es an ihrer Mutter Brust).
Sie verhungerte nicht
(ist das nicht seltsam)
(mein Vater brachte mir die Milch
meiner todkranken Mutter...
er fuhr hin und her... sie pumpte die Milch aus ihrer Brust...
er brachte sie mir,
mein Vater fuhr und fuhr).
An Ostern feierten wir den 80. Geburtstag der Orangenschälerin,
du glaubst nicht, wie schön sie noch immer ist.
Da sah ich ein Bild,
ich hatte es noch nicht gesehen,
darauf waren
mein Vater und die Orangenschälerin,
sie hielt meine Schwester im Arm am Tag ihrer Taufe.
Ich erschrak.
Alle drei, sie hatten den gleichen Blick,
gramvoll, angespannt, die Gesichter verzerrt,
schauten sie vor sich hin.
Liebster,
Kabul,
der Todesort,
er ist der Ort meiner Geburt,
mein Lebensort.
Ich las auch,
nun sprechen sie endlich von Krieg.
Und er, der begann mich zu fürchten,
er der nur noch kam, das Telefon an seinem Ohr,
heute,
er kam mit seiner Frau die Treppe empor,
ich schaute an ihm vorbei,
ich strahlte nicht,
wie ich immer hatte strahlen müssen,
wenn ich ihn sah,
ich gab ihm nachlässig die Hand,
die ich ihm hätte schlagen wollen ins Gesicht.
Ich sah ihn an mit meinem alten Nonnenstolz,
gleichwohl,
ich nahm wahr sein altes Strahlen.
Es kam auf erneut, als wir uns verabschiedeten,
er biß sich fest an meiner Hand,
den strahlenden Blick gerichtet auf mich...
Liebster, nun ähnelt er dir mehr und mehr.
Kaum war er gegangen,
ich sah in den Spiegel und seit tausenden von Jahren
musste ich denken:
Du bist schön.
Das war er, er sah dich noch einmal an.
Und dein Liebster,
wo er wohl sein mag,
wem er wohl beiliegt...
und ja, ich las:
deine Frau, sie überlebte...
sie erholt sich nun...
und ich hatte auch solche Angst, heute Nacht,
ich verlöre alles,
was du mir zu Beginn des Jahres geschrieben...
ich habe solche Angst, dein Name,
endlich noch einmal gefunden,
er schwände...
ach Liebster, das wirst du im ganzen Leben nicht begreifen,
wie viel mir das bedeutete,
dein leeres Wort,
denn war es nicht gezeichnet von deinem lange verlorenen Namen,
den ich liebte, schrecklich liebte,
als stündest du selbst nun vor mir.
Wie einen Schatz will ich aufbewahren,
was du mir schriebest,
ich will auf alles verzichten,
wenn ich halten kann dein allgemeines Wort,
denn es war ja so,
du sandtest es mir
(nicht mir allein, wie ich wünschte),
Liebster, du standest noch einmal auf...
als hättest du geahnt:
Sie kann nun warten nicht mehr.


172. Ich hasse die gleissenden Felder, sie verstellen dein Bild.

Und der Sommer, Liebster, die Felder,
ich wage nicht mehr zu hoffen...
ich beiße mich fest am geliebten Namen,
denn weißt du,
je näher der Sommer rückt,
der so fern mir schien,
um so größer wird meine Angst:
Auch im Sommer,
nicht einmal im Sommer
wird dein Liebster begegnen dir,
wird er sich nicht verirren
in der Neuen Welt,
und ich,
ich darf ihm begegnen da nicht,
ich drücke die Taste nicht, nicht.
Er wird mich hassen und hassen...
Ich werde dich erneut verlieren,
im Sommer,
so fern schien er mir,
wie tausende von Jahren und Seiten entfernt,
die ich nicht voraussah
beschreiben zu können,
aber Liebster,
ich kann,
hunderttausende von Seiten werde beschreiben ich.
Ich werde sehen deinen Namen,
dein verlöschendes Bild,
ich mache es groß, sehr groß.
So gerne, so gerne,
berichtete ich dir:
heute, heute,
die Ratte aus Kabul,
der verwandelte Wurm,
wand sich aus der Höhle heraus,
verließ den unterirdischen Schacht,
sprach und sprach,
erfreute sich am einfallenden Licht.
Und Liebster, sie sprangen mich nicht an,
Liebster, sie lächelten.
Nun,
da ich selbst die Verfolger bezwang,
nun,
da mein Atem stark war
(hatte ich gezweifelt nicht?),
da ich atmete hinein in mich,
tief hinein,
ich dachte noch einmal an dich,
Retter, Erlöser
(ich weiß schon, du willst ja nicht)
und ich weiß so sicher,
das warest du,
du gabest mir den Atem,
Rattentöter,
das warest du,
du verwandeltest mich,
du gingest hindurch,
du durchwandeltest meine Angst, Angst, Angst,
du gabest mir das Wort,
das gesprochene Wort,
das Atmen...
denn, weißt du,
ich fürchtete mich so...
schreiben kann ich alles, alles,
sprechen aber...
ich bedurft deiner so schrecklich...
mein Atem,
stand er nicht still,
fürchtete zu sterben ich nicht.
Ach, lebendig sein,
sprechen und lachen,
Liebster, das warest du,
du machtest mich.
Und ja, nun weiß ich,
ich kann sprechen,
ich werde laut.
Laut, laut
werden meine Gedanken,
sie bahnen sich einen Weg,
Liebster, nun vermag ich alles
und stillstehen will ich nicht,
wieder und wieder will ich sprechen,
ich sehne mich danach.
Ach, ich täuschte mich,
über den Zeitraum vieler Tage
war mir plötzlich, als müsse ich weinen.
Ich schämte mich
und ich wusste auch nicht,
was geschehen war...
waren es die Verfolger,
Liebster, sie standen wieder und wieder auf
und du warest ja nicht da,
mich zu beruhigen,
sie klagten mich an,
tausendfach...
ich wollte nur noch rennen,
zurück nach Kabul,
vergraben mich in den Schächten,
ich wollte sprechen nicht mehr
und zum ersten Mal
in dieser langen, langen Zeit,
in der ich suche nach dir,
Liebster, zum allerersten Mal,
ich hätte gerne gesprochen mit dir,
sonst nichts,
ich hätte gerne gehört,
was du sagst
(Liebster, vielleicht verstehst du das nicht,
ich hörte auf zu träumen von deinem Erlöserbild,
von dem mir immer gewesen war,
erscheine es nur,
alles begänne neu
wir beträten die gleissenden Felder, ich läge dir bei),
nein, Liebster,
wie seltsam,
ich wünschte wirklich zu sprechen mit dir,
deine Gedanken zu hören.
Was du wohl sagen würdest über mich...
die Verfolger,
inmitten derer ich mich wähnen muß,
Liebster,
plötzlich war mir,
das wärest du,
du sprächest ein klärendes Wort,
du stündest mir bei in der Stunde meiner Düsternis,
du erschienest mir so wirklich, wie ich dich niemals gesehen...
zum allerersten Mal erträumte ich dich als eine wirkliche Person
und ersehnte dein Wort,
ich wusste ja,
du hattest gelitten,
schwer gelitten...
Liebster, das bist du,
du könntest mir sprechen ein Wort.),
ich hörte auf zu denken an den,
der den Frauen lag bei,
den,
der mir der Missbraucher und Rattentöter gewesen war,
Liebster,
ich wiederhole: zum allerersten Mal,
ich dachte an dich...
wie klug du gewesen warst...
wie wunder-wunderbar,
wie du sprachest zu mir,
der verrückten Nonne in ihrem Verließ,
ach, du hieltest mich fest und fest.
Und Liebster,
wie schrecklich ich war,
niemals durfte ich hören dein Wort,
damals, als du sprachest zu mir...
und als du gegangen warest,
ich erschuf dieses Götzenbild,
diese furchtbare Erlöserfigur,
ich weiß ja,
das warest du nicht, nicht.
So vieles, so vieles muß ich dich fragen
(stündest du einmal,
ich kann es nicht glauben, vor mir),
Liebster, ich will alles wissen,
wer bist du überhaupt?
Und diese schrecklichen, gleissenden Felder,
Liebster, ich will alles vergessen,
Liebster, ich verstellte dich,
dein wunderbares Wort,
deine unnachahmliche Geste,
den Schmerz,
den furchtbaren Schmerz,
er zeichnete dein Angesicht,
Liebster,
ich will nicht mehr,

kein einziges Mal mehr
zerren dein Bild in die Felder und nach Kabul.
Kann und kann ich nicht einmal sehen dich,
dich, nur dich?
Kann ich einmal aufhören zu verstellen dein Bild?
Nun, da der Sommer kommen wird,
es ist still, so still,
weißt du noch,
einmal träumten wir
(versprach ich nicht zu schweigen),
dann,
im Juli des nächsten (nun seienden) Jahres
du würdest mich erwarten,
wenn ich auf die Felder käme...
wir wussten ja nicht,
dass du gar nicht mehr da sein würdest,
wo zu treffen mich du zu versprechen schienest.
Liebster, nun bist du in M.
und ich grüble und grüble,
fährst du noch immer dahin,
in den kleinen, mir bekannten Ort,
besuchst du da sie und die Kinder?
Ich habe schreckliche Angst vor dem Sommer,
schon jetzt, im April, ich fürchte ihn,
immerzu denke ich: der Sommer, dieser Sommer,
du dachtest, er käme nie, nie
(beschriebe ich nicht noch einmal tausend Seiten,
käme, käme er nicht, nicht)
und Liebster, vielleicht kann ich das machen:
Ich springe in den Winter hinein,
es wird wieder schneien,
die Felder werden zugedeckt sein,
sie werden versuchen mich nicht,
da wird sein dieses düstere Licht,
zu spät, zu spät
höre ich erklingen diese alte, alte Melodie,
vorbei, vorbei,
da ist dieses Murmeln und Rauschen,
ich kann es hören,
alles, alles bedeckt von Schnee...
und das kühlende Wasser,
muß ich nicht erfrieren in ihm,
sehe ich nicht den Meeresgrund voraus
auf den das kalte, kalte Wasser mich schlagen wird.
Ich will mich nicht mehr bewegen,
ich will stehen still,
die Zeit soll aufhören zu sein...
ich will den Sommer hören kommen nicht, nicht.
Der Sommer wird mich töten.
Den schrecklichen Frühling möchte ich töten,
er geht nun um und um.
Wie rätselhaft du bist...
unser Denkmal
ich werde und werde es noch einmal bauen.
Dieses mal wird es neu sein
(ach ich baute es ja seit tausenden von Jahren),
aber, aber:
Ich werde nun machen, dass sie es sehen und hören.
Ich will die Verfolger noch einmal machen sehen mich.
Ich werde ihnen noch einmal berichten von dir,
so fremd, so vertraut
(als hätten wir das Leben miteinander verbracht).
Ach, Liebster, ich verbrannte meine Hand,
ich schrie aber nicht...
ich tauchte meine Hand hinein in die unvergessene, unerinnerbare Zeit,
dann schrie ich auf,
wie weh es tat,
plötzlich tat alles so weh,
als ich machte, ja ich machte, dass alles zu Stein wird,
ich konnte das,
ich zerfror meine Hand, die brannte lichterloh,
ich baute ein Denkmal mit meiner brennenden, schmerzenden Hand...
plötzlich, plötzlich,
alles tat weh."
"Heute, ich fuhr zurück nach M.,
das weißt du nicht,
an jedem Ende der Woche fahre ich nach D.,
am Sonntag zurück,
ich sehe meine Kinder,
ich fahre und fahre...
und heute,
es umschlang mich dein Bild...
was du wohl sagen würdest...
weißt du, ich kämpfe und kämpfe,
ach Liebste,
sag mir ein Wort, ein einziges Wort...
ich bin so gut im Kämpfen,
ich gehe jetzt voran und voran,
sehe ich voraus mein Fallen nicht?
Du musst jetzt sagen,
dass ich innehalten darf,
sag mir, dass ich stillstehen darf,
Liebste, ich kann nicht mehr,
sie versiegt, meine Kraft versiegt,
sie fließt heraus aus mir
und wer außer dir,
auf der ganzen Welt,
vermöchte zu beruhigen mich?
Das warest du,
du schautest mich einmal an,
du machtest mich still,
so still,
es genügte mir dich zu sehen,
für immer hätte ich so stehen wollen vor dir,
aber, aber,
niemals verstand ich,
dass aufhörte, was gerade begann.
Liebste, du schicktest mich in die Hölle.
Nachdem du gegangen warest,
(rief ich nicht nach dir?)
sie wollte mich töten,
ich floh.
dann lag sie im Sterben,
sie starb aber nicht,
nun erstarkte sie neu,
sie will mir die Kinder nehmen,
sie will mir alles nehmen.
Und ja,
ich lag,
so beliebtest zu nennen du es,
den Frauen bei,
Liebste,
ich verlor mich und verliere mich.
Ich fahre und fahre,
und dich, verlorene Liebste,
ich sah dich in einem einzigen Augenblick, die dunkle Straße lag vor mir,
ich fuhr schnell, sehr schnell,
wie betäubt,
ich sah die steile Kurve nicht,
plötzlich stieg sie an vor mir
und ich spürte, einen kurzen Moment lang,
nun könnte ich fahren die unbefahrbare Spur,
sie zeigte himmelwärts,
dahin, dahin schien es zu flüstern in mir,
ich sehnte mich zu fahren himmelwärts,
aber, aber: es umschlang mich dein Bild,
es hielt mich fest,
es durchfuhr meinen Körper mit ungeahnter Macht,
unerinnerbare, unvergessene Liebste, du umschlangest mich,
hieltest mich fest,
und da war dieses Murmeln und Rauschen,
war es ein Lied...
es versprach mir viel, alles,
mein Wagen schleuderte,
ich fing ihn ein...
und dann, ich fuhr nach M.,
als sei nichts geschehen, gar nichts."
"Ach Liebster,
nun sprechen sie alle von Kabul,
dem geheimen Sehnsuchtsort,
du aber,
du fährst nach M.,
dein Wagen schleuderte,
du fingest ihn ein,
trafest deine Liebste,
weißt du denn nichts, gar nichts
vom geheimen Ort?
Willst du nicht einmal wandern nach Kabul,
den Ratten anverwandeln dich,
die sicheren Schächte erreichen,
ja, sie sind dunkel und schmutzig,
wie zum überleben gemacht,
Liebster,
nun musst du aufhören zu fahren.
Liebster ich fürchte mich vor deinem Tod.
Ich buchte noch einmal das alte Hotel in Wien,
von dessen Fenster aus ich sah
den verschneiten Dom...
damals,
in der Zeit deiner plötzlichen Antwort,
als ich hoffen musste,
Liebster, vergaßest du nun alles,
wirklich alles,
wer weiß,
vielleicht meinen Namen selbst
und nun bin ich ein Gespenst,
eine Nebelgestalt,
sie zieht dich hinab,
dem Meeresgrund zu.
Ist es so,
nun spricht dieses Murmeln und Rauschen:
sie, die nicht war,
niemals war,
sie war ja nicht,
sie wollte und durfte nicht sein,
ich traf sie hart,
sie machte mich steuern himmelwärts,
in ihrer verbotenen Umarmung
umschlang mich der Tod
und niemals wieder will ich ihr geben Namen und Gestalt...
Liebster, ist es so?
Hast du mich gemacht zur Verderberin,
der Todesumschlingerin?
Mir ist, du fürchtest mein Angesicht,
als wollte es machen deinen Tod
und ja, du löschtest meinen Namen aus.
Dein Name aber, Liebster,
groß und unauslöschlich steht er vor mir,
einer nie verlöschenden, immer wieder aufblinkenden Leuchtschrift gleich,
sie erhellt die dunklen, schmutzigen Schächte,
in denen ich unterkroch,
sie beleuchtet meinen Weg,
meine Unterkunft.
Und weiß ich auch,
niemals werde ich machen können,
dass mein Name aufscheint vor dir,
deinen muß ich lesen und lesen im Irrlicht der Gänge,
(Liebster, wer grub sie,
werden sie stürzen einmal, unvermutet, ein?)
im Untergrund Kabuls,
des zerbombten Sehnsuchtsortes,
der Todesstadt..."
"Ach Liebste,
du musst aufhören zu sprechen von Kabul,
es ist auch gar kein Sehnsuchtsort,
der Tod ist hier und überall,
alles zerbombt.
Du sollst aufhören die Gänge zu beschwören,
ich will das nicht, nicht.
Willst du nun wirklich, wirklich gehen für immer?
Denn weißt du, in Kabul,
dem tödlichen Sehnsuchtsort,
keiner, keiner wird dich finden da
und auch ich,
ich kann nicht gehen da hin,
Liebste, ich werde nicht."
"Warum nicht, Liebster?
Warum nicht der Verderberin einmal folgen?
Das warest du, du fuhrest nahezu himmelwärts,
das warest du,
du sehntest dich nach Kabul
auf der sich dahinwindenden Straße,
er schien dir auf,
ich bin sicher,
der Sehnsuchtsort.
Und du weißt ja, die Ratten,
sie ziehen nun alle da hin.
Du glaubst nicht,
wie ich es liebe, eine Ratte zu sein,
nun gehen und gehen zu können,
zu stürmen dahin
(wollte ich nicht immer, mein ganzes langes Leben, da sein?),
ich werde nichts mehr bedenken.
Mein Atem wird freier und freier,
je tiefer ich mich grabe in die Schächte hinein...
ich sehe die leuchtende Schrift,
sie spricht von dir,
sie nennt deinen Namen,
wo sonst, Liebster, könnte ich ihn lesen so klar?
Liebster, ich lese deinen Namen in Kabul.
Und wie frei mein Atem nun wird,
ich liebe es zu sprechen und zu sprechen.
Und doch,
ahne ich nicht
(weiß ich nicht seit tausend Jahren):
Die leuchtende Schrift, die die Schächte erhellt,
sie kann lebendig nicht machen dein blasses,
schwindendes Bild.
Ihm grabe ich nach,
je dünner es wird,
um so wilder grabe ich nach,
mich ganz in die Erde hinein,
zurück dahin,
woher ich einmal kam,
ins Grab meiner Mutter hinein.
Wie verblendet ich bin,
wie die Leuchtschrift den Blick mir verstellt, wie sie zu versprechen scheint:
"du musst nur tiefer graben",
...mich vergessen lässt,
dass ich nicht bauen kann
und alles erfinden muß.
Denn ich vermag und vermag es nicht zu sprechen:
Aus löschte er dein kärgliches Bild.
Strich dich aus seinen Gedanken heraus.
Dein fremder Erlöser,
der Rattentöter,
dessen Leuchtschrift dich verfolgt,
er löschte aus deinen Namen, dein Gesicht, deine Gestalt.
Er kann das,
vergessen,
die Erinnerung töten.
Die Karawane bin ich,
ihm folge ich nach,
seiner schwindenden Spur und ich suche und suche
zu beruhigen mich,
ein klares Wort zu sprechen,
ein einziges Mal zu sagen:
Er vergaß dich,
es ist vorbei,
es ist alles vorbei.
Er starb auch nicht,
deiner Mutter gleich,
siehst du das nicht,
er kann das,
alles vergessen,
auslöschen dich,
"es wird gar nichts bleiben" sprechen...
Und würde, würde er nicht fragen:
(vernähme er dich)
War da etwas, es war doch nichts...
Gestern, am Abend, ich schämte mich,
sie sprachen über ein Mädchen,
es fürchtete sich,
es lebte in einem einsamen Turm,
den Menschen fern,
von denen zu träumen es aufhören konnte nicht,
und ja, ich hörte,
sie sagten dem Mädchen "Nein".
"Du musst nun", sprachen sie, "hineingehen in die Welt,
sonst können wir nehmen dich nicht."
"Ich liebe die, die in Romanen leben", sagte ich
Ich zog meinen schwarzen Mantel an,
richtete mich her zum Gehen,
da hielten sie mich auf.
Auf schrak ich,
war benommen in einsamen Gedanken gewesen,
als wäre ich gar nicht da.
Ich hörte sie lachen, lächelte verwirrt und sprach:
"Nun wollte ich einfach gehen, ich habe Sie ganz vergessen."
"Wir haben Sie verunsichert", erwiderte einer und sah mich an.
"Wir lebten unser Leben damals", sprach ein anderer,
"dann traten Sie in unser Leben hinein, kamen dazu...",
er lächelte mich an.
Ich sah an ihm vorbei,
denn alles, alles war vorbei,
ich sehnte mich danach
ihn wegzustoßen von mir.


173. Liebster, wähnte ich, warest das du, du sprachest leibhaftig?

So leise, so leise war alles. Dein Wort fiel laut in mich hinein.
Fast wäre ich gestorben.
Die Leuchtschrift, mein alter, einsamer Stern,
sprang mich an,
die Ratten, ich konnte es fühlen, versammelten sich.
Sie horteten ihre Schätze,
banden sie auf den Rücken,
bereit zu wandern erneut
eine unendliche Zeit.
Einer Karawane gleich
stellten sie sich auf,
ich aber,
eine von ihnen,
(hausend in den Gängen, erhellt, verwirrt vom Irrlicht, fettgefressen meinen Leib)
Liebster, mir,
mir sprachest du, heraus aus der alten Zeit.
Ich drohte hinabzuwerfen mein Gepäck,
es beschwerte meinen Rücken schwer.
Liebster, das war ich,
ich wollte
(spielte mit dem Gedanken)
folgen deinem Ruf.
Denn nun, da der Sommer kommt,
als wüsstest du alles, was ich geträumt,
als hättest du gehört,
was ich dir zugedacht,
(als seiest das du gewesen, du hättet gesprochen, ich hätte erfunden nichts:
"Die Novemberfelder gleissen nicht, du musst im Juli kommen.")
am Ende des Mai begannest du zu sprechen (leibhaftig),
erinnertest dich meiner...
(war ich nicht endlich dabei ruhig zu werden, so tödlich ruhig)
und du schriebest mir auch nicht als einer unter vielen,
du antwortetest mir,
der kargen Nachricht,
die ich einmal gesandt,
gedachtest der vergangenen Zeit.
Ich schrak zurück,
schrie auf und dachte: Nein, nein, nein.
Ich will nicht, ich will nicht,
diese furchtbare Scham überfiel mich heiss.
Liebster, wie schrecklich ich bin,
ich vermochte es nicht zu lesen,
was du mir zugedacht.
So schrecklich fürchtete ich mich,
schaltete den Bildschirm ab,
dann wieder an und aus.
Wie furchtbar ich bin.
Und war es auch, als erfüllte sich nun alles,
wovon ich geträumt,
ich fürchtete mich so,
Liebester, ich wollte nicht, nicht, nicht.
Und doch: also erfand ich nicht alles,
Liebster, das warest du, wirklich du
(leibhaftig),
du existiertest in dieser unendlichen Zeit,
in der ich wartete und wartete,
du beliebtest mir zu schreiben.
Wie lang, wie lang mein Atem ist
(wie lange deiner),
ich konnte es gar nicht fassen und dachte:
Es ist nicht wahr,
es war doch ein Traum,
ein langer, langer Traum,
(war mir nicht immer gewesen, als hätte ich von Erfundenem gelebt?)
hatte ich jemals erwartet die ersehnte Antwort (leibhaftig),
war ich nicht geeilt vom Elfenturm, der Kemnate nach Kabul,
dem Grab meiner Mutter zu, in die Schächte hinein?
Fand ich nicht ein Genügen in der hellen Schrift,
die die Gänge durchzog und von dir sprach?
Saß ich nicht in meinem Schacht,
hatte gehortet, was zum überleben mir wichtig war?
(Ach, Liebester, war ich nicht froh, wirklich froh,
einmal, ein einziges mal dir begegnet zu sein...
es tröstete mich unsagbar... du machtest die Gänge hell, die dunkel waren,
schwarz, schwarz.)
Wie konntest du wissen,
wie erinnern dich,
Liebster,
wie vermochtest du zu sprechen,
zu sehen die vergessene Zeit?
Wie ich immer ahnte,
du bist unbeschreiblich,
dich muß und muß ich einmal treffen,
und fürchte ich mich auch zu Tode vor meinem Traum,
meinem endlosen Traum,
ach, es überfällt mich diese schreckliche, schreckliche Angst, Angst, Angst.
Es war so zart und wirklich,
das kannte ich nicht,
plötzlich sprachest du so,
als sei gewesen (was nicht war),
als habest du teilgenommen an meinem langen, langen Traum.
Du sprachest: "Es war."
(leibhaftig)
Und hätte ich dich nicht geliebt seit tausenden von Jahren,
nun, Liebster, ich begänne,
nun muss ich beginnen,
wohin wohl soll ich mich träumen (gehen) noch,
nun, da du sprachest?
Ach, ich träume mich in deine Arme hinein.
Es ist auch der Regen,
nun fällt er wieder und fällt
(über den ganzen Mai hinweg),
ich laufe hinein,
ich liebe, liebe es so unglaublich,
ich laufe und laufe hinein
(Aber: Kamen sie nicht und hielten mich auf,
zerrten sie nicht an meinen Armen, die
ausgebreitet hatte ich...
werde, werde ich einmal laufen können in den Regen hinein?),
warum, Liebster, warum,
warum ist, was ist,
warum verließest du,
erinnertest du dich meiner
(so nahe, so nahe kamest du mir, meinem Traum,
selbst ich, die Träumerin,
ich erschrak),
in welch merkwürdige Welt gebaren sie dich,
mich zu treffen,
welch seltsamer Weg ließ dich finden mich?
Und die Traurigkeit,
eine solche hatte ich nicht gekannt,
sie überfiel mich,
als du,
wer sonst wohl vermöchte das,
mir wirklich wurdest,
noch einmal zu sprechen begannest,
auslöschtest alles, was ich erfand,
denn du,
plötzlich warest du wirklich da
und alles,
was ich erdacht,
es geschah.
Welches Wort nun sollte ich finden,
einem,
der bei mir war, als er mich verließ,
zu senden?
Ich bin doch die Worteerfinderin,
alles, was mir mangelte,
ich verstand es zu erfinden,
was auch immer mir geschah,
wisst ihr,
es war gar nicht,
ich hüllte mich ein in einen fortfahrenden Traum,
nichts, gar nichts war,
und niemand, keiner war da,
der mich in den Schächten fand,
auch die Leuchtschrift,
das war ich,
ich zündete sie an,
sie wärmte mich,
und ja,
wünschte fortzufahren ich nicht mit Erfundenem,
denn wisst Ihr,
kann es wirklich sein,
nun, da der Rattentöter wiederkehrt
(warum, warum versinke ich in dieser Traurigkeit?),
ich werde untergehen in meiner alten Angst, meinem alten, alten Schmerz.
Noch einmal, noch einmal,
Liebster noch einmal,
ich vermag es nicht.
Und wie ich einstmals flehte nach deinem Wort,
dass du mich meinst,
nun ist mir,
als flehte ich:
Laß mich erfinden dich,
laß mir die unendliche Zeit,
in der ich erträume dein Bild,
die Leuchtschrift,
sie wärmt mich.
Ach, wie schrecklich ich bin
und ich darf, ich darf nun nicht,
Liebster, ich will und will das nicht,
fortfahren, als sei nichts,
gar nichts geschehen.
Ich will mich reißen hinaus aus der unendlichen Zeit,
dich will ich töten nicht,
ich werde nicht, ich werde nicht,
ich werde ringen um ein Wort,
dass ich dir schicken kann.
Und ich weiß schon,
es darf sein kein erfundenes Wort,
Liebster, ich verirre mich.
Wirst du überhaupt wissen,
dass ich das war,
ich war da,
immer da,
in dieser schrecklichen, unendlichen Zeit,
und immer, immer ist mir,
das war ich, mein langer Atem,
ich machte dich senden mir dein Wort.
Einer furchtbaren Verführerin gleich,
ich ließ und ließ dich nicht los,
ich wollte und wollte,
nichts anderes konnte ich mehr denken,
nichts, gar nichts.
Außer dir,
nichts, gar nichts war mir mehr wichtig,
ich erträumte dich an jedem einzelnen Tag des vergangenen Jahres,
ich wob mein Spinnennetz,
Liebster, nun fing ich dich ein,
mir widerstandest du nicht
und Liebster, ich fürchte mich so,
es ängstigt mich, was ich vermag.
Darf ich, darf ich noch einmal, ein einziges Mal erfinden dein Wort?
Darf ich, einmal noch, sprechen machen dich
(warum nur, du sprachest doch?)?
Wie ich mich nach den Träumen sehnen muß,
wie die Wirklichkeit mir verstellt,
denn da ist diese Angst, Angst, Angst.
Ach Liebster, es schreckt mich dein Wort,
es treibt mich hinein in eine schwere Traurigkeit,
ich fühlte sie nicht in den Schächten,
hatte ich sie nicht erhellt mit der erfundenen Leuchtschrift,
hatte ich nicht angefressen mir einen fetten Leib,
hatte ich nicht geträumt und geträumt von deinem fernen Wort,
war ich nicht sicher gewesen, ich stürbe nicht,
denn du, du gedachtest meiner.
Liebster, dich hatte ich erfunden für immer und immer.
Ach, wie feige, wie wirklich feige ich bin.
Du hattest schon recht, ich bin die Nonne,
ich hause in meinem Turm.
Und Liebster, das warest du,
du ranntest noch einmal,
so war mir, die Treppen hinauf.
Wie schnell du bist.
Wie mein Atem,
der stark war, so stark in den Schächten
langsam wird, so langsam,
mein Herz aber, es beginnt zu schlagen in einem heftigen, unberechenbaren Takt.
Liebster,
feine, feine Risse schlug mein Herz
in diese Hülle aus Eis,
als du sprachest,
mir den Atem nahmest
(noch einmal),
der ruhig war, so ruhig in den Schächten.
Werde ich einmal atmen können dich
und sagen:
Nun, ein Wunder, ein wirkliches Wunder geschah,
er, von dem du träumtest seit tausenden von Jahren,
er spricht zum zweiten Mal,
ein drittes Mal wird er sprechen nicht.
Kannst du ein einziges und einziges Mal ihn nehmen,
wenn er kommt,
wirst du finden ein erlösendes Wort?
Wirst du dich vergraben erneut,
die Nonne sein, die du immer warest...
Wirst du die gleissenden Felder finden ein zweites Mal?
Denn weißt du, die Ratten, er tötete sie
ein zweites Mal
(er gab dir zurück eine scheinende Gestalt),
nun könntest du gehen,
endlich gehen,
die Schächte verlassen,
dein Liebster,
er schrieb dir unvermutet,
er meinte dich,
nun hofft er auf ein Wort,
und ich bin sicher,
meinem ersten gleich, so kärglich,
darf es nicht sein.
Nun musst du einmal sprechen,
atmen hinein in die Luft,
die ihn umgibt,
nun kannst du ihn
(zum allerletzten Mal)
finden.
Nun könntest du dich graben
aus dem Grab deiner Mutter hinaus,
die Schächte verlassen,
deinen alten, alten Sehnsuchtsort,
den Todesort Kabul,
schien er dir nicht wie geschaffen für dich,
deiner Angst, Angst, Angst?
Willst du noch einmal leben,
deinen Liebsten finden,
ihm senden ein Wort,
oder aber,
willst du jetzt und gleich
dich vergraben für immer,
willst du verharren in der schrecklichen, sehnsuchtvollen Zeit,
der Hölle, der Hölle.
Ob du überhaupt die Kraft noch findest
zu setzen einen Fuß vor den anderen,
willst du noch bauen in die unendliche Zeit hinein,
in der sie dir sagten: Nein, nein nein...
reicht dein Atem aus,
wirst zu zuwarten können ihm?
Wirst du ein einziges, einziges Mal mutig sein,
ihm gleich,
oder aber:
Werden die Verfolger einholen dich?
Wirst du dich hinwerfen in den Sand, Sand, Sand?
Morgen, morgen, schon morgen, Liebster,
ich werde niederknien,
ich will ja, ich will,
alles, alles bereitete ich dir,
ich weiß genau, ganz genau,
wie das geht,
ich werde langsam, langsam schreiben,
Wort für Wort,
ich schicke es hinein in die unendliche Zeit.
Aber, aber, ich fürchte mich.
Bin ich verrückt?
Will ich nun alles zerstören, was ist, mein ganzes, seltsames Leben?
Will ich hineinlaufen in die alte, alte Zeit?
Liebster, ich bin verrückt,
mein Herz klopft panisch und manchmal will ich sprechen zu mir:
Hör auf, hör auf.
Dein erfundener Dialog,
der nun wirklich ward,
du musst ihn beenden,
hör auf, hör auf
zu beschwören,
alles zu beschwören,
hör auf, hör auf.
Mit deiner kargen mail zu Neujahr,
übertratest du die unsichtbare Grenze nicht?
Und dauerte es auch lange, lange,
genau so lange wie du geträumt, erfandest,
wie furchtbar du alles erfinden konntest
(die Sommerfelder, das gleissende Licht),
dein erträumter Liebster,
nun ward leibhaftig er,
sprach zu dir, dir allein.
Nun steht er vor dir gespenstergleich,
nein, nein, ganz wirklich steht er nun vor dir.
Und Liebster, wenn ich nicht kann,
wenn ich nicht kann,
wenn ich nicht kann?
Liebster,
das machst du,
nun lebe ich erneut in der vergangenen Zeit,
und ich weiß nicht,
kann ich gehen,
muß ich bleiben,
werde ich antworten dir,
der du sprachest zu mir
(endlich).
Du nahmest auf die karge Spur
der zwölf Worte,
die ich sprach,
zu sprechen wagte
(ich dachte, nun wären sie verhallt),
und in einem Furor,
am gestrigen Abend,
ich begann zu sprechen erneut,
ich drückte die verhasste Taste,
dann ging ich umher,
den ganzen folgenden Tag,
fürchtete mich zu Tode.
Dann dachte ich, Liebster, das bist du,
du wirst finden die richtige Zeit...
du denkst ja auch nicht immerwährend an mich,
du weißt ja nichts, gar nichts von der Ratte aus Kabul
(wie sie bei dir ist, dich denkt, dich verfolgt),
Liebster, es beruhigt mich seltsam,
wie fern du bist,
wie ruhig und vernünftig und zart du sprachest,
und ich suchte ja auch ein Beispiel zu nehmen mir an dir,
aber, aber:
die Taste, die ich drückte, sie sandte einen langen Text,
viel zu lang, viel zu lang,
und ich fürchte mich,
wirst du nun lesen etwas über mich,
was ich dir nicht sagen wollte, vermochte ich es zu verbergen mich?
Und Danke, ich danke dir tausendfach,
Liebster, du antwortetest nicht am folgenden Tag
(stürmtest die Treppen nicht ein weiteres Mal empor),
denn weißt du,
ich hätte ertragen können es nicht.
Und ja, ich sehne mich danach,
dir in der fremden Sprache, mit fremdem Namen zu sprechen,
die Worte scheinen zu fließen und fließen,
ich will aber nicht,
Liebster,
dir will ich nicht in fremden Sprachen sprechen,
ich will, will nicht.
Ach, so vieles könnte ich sagen,
es bedrängt mich unheimlich, Liebster.
Ich werde auch nicht noch einmal erfinden dein Wort,
nie mehr, Liebster, nie mehr.
Nun ist alles wirklich, so wirklich,
dass ich es kaum ertragen kann.
Nun werde ich sitzen in meinem Schacht,
und ich weiß nicht,
erträume ich deine Antwort, dein Schweigen?
Werden wir, einmal, in einer unendlichen Zeit,
begegnen einander,
oder aber, werden wir nie, niemals
wiedersehen uns, wird es ein zweites Mal geben nicht?
Nun will ich alles nehmen,
ich werde es nehmen, wie es kommt,
du weißt ja,
so sehr ich mich sehne,
so sehr fürchte ich mich vor dir,
und rannte ich nicht bis nach Kabul,
zu entrinnen dir,
in einem wahnwitzigen Gedanken zu finden dich?
Liebster, du müsstest nun laufen weit,
sehr weit,
in die schneebedeckte Landschaft hinein,
und weißt du,
es gefällt mir unermesslich,
wie langsam du nun bist,
wie sicher ich bin,
du wirst antworten mir,
nicht am morgigen Tag,
aber, Liebster, du wirst.
Nun atme ich ruhig.
Nachdem du antwortetest mir,
ich atme ruhig, so ruhig,
ich bin so sicher,
das ist dein Liebster,
er kennt die Stunde, die Zeit.
Wie ich niemals dachte,
er ist da
und niemals wieder kann sein,
sein Vergessen dich.
Ach, Liebster, nun warte ich hinein in die unermessliche Zeit,
wie ruhig, wie ruhig ich bin.
Und gestern, er, er kam,
wieder strahlte er in mein erloschenes Angesicht hinein,
ach Liebster, er rannte die Treppen empor und stand schon vor mir,
als ich die Tür öffnete (Liebster, warest du das, schicktest du ihn mir?)...
Am gestrigen Morgen sah ich unvermutet
(ich saß in einem fahrenden Zug),
die Sonne strahlte heiß,
die Felder wogen in einem leisen Wind
(seit tausenden von Jahren hatte ich kein Feld mehr gesehen),
das Getreide war hoch gewachsen, sehr hoch
(warum, warum so hoch, schon jetzt, schon jetzt?),
bald würden sie ausfahren,
es einzuholen,
ich sah die Mähdrescher voraus,
Tränen schossen in die Augen mir,
aber ich sah und sah hinein in das Wogen der ähren,
sie betörten mich,
ich sehnte mich danach auszusteigen aus dem fahrenden Zug,
in die Felder zu gehen,
meinen fallenden Körper in die ähren hinein,
die allerunglaublichste Sehnsucht erfasste mich,
"als käme ich nach Haus".
Denn weißt du,
all die verlassenen Häuser,
die ich mit meinem Vater bewohnt,
sie standen am Feldesrand.
(Ich schlug mir einen Weg in die Felder hinein,
ich lief durch die Felder hindurch,
bahnte mir einen schmalen Weg,
fiel atemlos nieder in der Mitte des Feldes,
riss die wogenden ähren mit hinab.
Ich glaubte die Körner aus den ähren heraus,
zermalmte sie mit meinen Zähnen zu einem süßen Brei,
dann begann ich zu lesen das verbotene Buch.)
Dort, am Feldesrand, Liebster, traf ich dich.
Die alte Böschung,
nicht weit entfernt von deinem alten Haus,
einem Haus meines Vaters,
plötzlich standest du da
(und ich gedachte noch einmal der kitschigen Romane,
mit denen ich in die Felder geeilt,
an denen ich die Augen mir gelesen hatte blind:
sie hatten gesprochen:
du wirst ihn finden,
du wirst ihn küssen,
er wird berühren dein Geschlecht).
Im ganzen Leben nicht kann ich antworten dir erneut.
Liebster, du bist so da,
und ich so entrückt.
Denn... am Abend, du fuhrest fort zu sprechen,
heraus aus einem fahrenden Zug
(es ist wirklich wahr,
wisst ihr, ich erfinde nichts mehr,
mein Liebster, er gedachte meiner heraus aus einem fahrenden Zug),
er sah die ähren wogen,
er sah mich fallen hinein.
Sein Wort war nun langsam, tastend,
das konnte ich fühlen,
er anverwandelte sich mir
und zugleich,
wie unschuldig er war,
wie beim allerersten Mal,
wie unbeschämt,
das war er, er fand das unverstellte Wort
und mich, die Worteerfinderin,
er nahm sie mit
(ihm anverwandelte ich mich),
er nahm mir die Angst, Angst, Angst
(vor meinem Wort, dem Drücken der Taste),
nun begann er zu träumen
(nun nahm ich ihn mit).
Er verstand zu lesen mein kunstvolles Wort,
er las alles richtig,
er belebte mein vereistes Wort,
entstellte es,
und nun aber,
wie sollte ich jemals wieder sprechen ihm?
Muß ich nicht in die Felder laufen,
da, wo die toten Tiere lagen,
es waren Ratten,
ich eine von ihnen,
ich grub mich in die Schächte,
bis nach Kabul,
und werde ich jemals wieder träumen von meinem Liebsten,
nun, da er da, mich treffen will?
Ich weiß nicht, ich weiß nicht,
es ist so eine eisige Sommernacht,
werde, werde ich,
wie soll ich noch einmal finden ein wirkliches Wort?
Liebster, ich weiß nicht,
werden wir bestehen die neue Zeit,
nun kündigt sie sich an.
Wovon ich immerzu träumte, begann,
nun werfe ich mich hinein in die ähren
und ich weiß auch gar nicht mehr, wo ich bin.
Könnte, könnte ich nicht einmal gehen voran, nur voran,
vergessen, was war,
treffen dich
(mir ist, als sehntest du dich nach einer wie mir),
verlassen alles, was war,
ich sehne mich danach zu schreiten voran,
mein Haus zu verlassen,
die Schächte, die ich einmal erwählt,
der Leuchtschrift zu folgen,
hinabzuwerfen mein elendes Gepäck,
mich herauszugraben aus dem Grab meiner Mutter,
zu verlassen Kabul.
Ich finde und finde nicht das Wort,
Liebster, ich finde kein Wort für dich,
und ich will und will doch nicht,
jetzt, gerade jetzt,
da wir leibhaftig sprachen,
weichen zurück,
ich will nicht,
Mutter, du sandtest mir das scheinende Gewandt,
Mutter, schick du mir ein Wort,
wirf es hinab von dem Baum,
du weißt schon,
er steht auf deinem Grab,
wie ich dich hören kann,
du willst mir schicken ein Wort,
Mutter,
was soll ich meinem Liebsten sagen,
er steht nun leibhaftig vor mir.
Ach, Liebster,
ich werde nicht aufhören zu suchen nach dem Wort,
das ich dir sprechen kann.
Siehst du, ich kann ja nicht schreiben:
"Seit ich dich sah, muß ich bedenken dich,
du erhelltest, was dunkel war
und plötzlich war mir gewiss:
Die Mähdrescher, sie hatten verrichtet nicht ihr Werk,
da warest du, du wartetest auf mich."
Liebster, so kann ich sprechen nicht.
Und ich habe auch Angst,
was immer mir einfällt,
du wirst die Worte lesen,
wie keiner sonst sie zu lesen vermag.
Du wirst alles wissen,
alles weißt du schon,
du entstelltest mein kunstvolles Wort.
Liebster, ich habe diese Angst, Angst, Angst,
mich zu vermischen mich mit dir,
(wie es schon einmal geschah?),
Liebster, mir ist (erzähltest du nicht davon?):
Es geschah, alles geschah.
Dann sprach ich erneut
in die unerinnerbare, unvergessliche Zeit,
die Zeit meines Scheiterns, meiner Angst, meines Schmerzes, meiner allergrößten Hoffnung.
Ich sah die Vögel,
Kraniche weideten am zerwilderten Teich
(die Kraniche, die Kraniche des Ibikus),
Tukane bewegten ihre schweren Schnäbel auf und ab,
und die Kormorane, die Kormorane schwangen sich in die Luft,
ich sah sie stoßen hinab,
verbeißend sich in mannigfacher Beute...
und die Pelikane,
ich saß stundenlang und starrte sie an,
sie breiteten ihre Flügel aus,
die zu groß waren, viel zu groß
(so schien es mir),
wohin sie wohl zu fliegen trachteten?
Mir schien, da war ein unermessliches Gewicht auf ihren Schwingen,
der ausladende Schnabel zog sie zum Boden hin.
Ich saß auf einer verlassenen Bank.
Liebster, ich träumte, nun kämest du,
wieder und wieder saß ich da, auf der Bank,
am Gehege der Pelikane,
war vorbeigewandert am Bärengraben,
gedachte der Eisbären,
sie waren lange schon tot.
Ich verstand auch nicht,
wohin sie gegangen waren,
ihr gesamtes Revier den Braunbären überließen,
deren Dasein so kümmerlich, wirklich kümmerlich war.
Liebster, wenn, wenn,
solltest du einmal leibhaftig kommen,
ich sehe mich sitzen am Gehege der Pelikane,
erwarten dich,
ich werde tragen mein allerschönstes Kleid
und die Ohrringe aus Kabul,
die Haare offen und lang.
Ich weiß schon,
ich werde Angst haben zu sterben am Schlag meines Herzens,
aber, aber,
ich werde, ich werde.
Ich will es noch einmal wagen,
alles wagen.
Mir ist auch, nun wiederholt sich alles
(Liebster, nein, nein),
noch einmal werde ich fahren nach Wien.
(Ich werde den dunklen Laden besuchen,
"Kabul" steht auf der Häuserwand,
ich werde dem alten Mann noch einmal begegnen,
wird er erkennen mein Angesicht, wird er leben noch?)
Den alten Dom werde ich,
hinausgelehnt aus meinem alten Fenster,
anschauen erneut,
aber, aber: nun wird die Sonne werfen ihren gleissenden Schein
(der Schnee wird fallen nicht, nicht)
und ich,
ich werde träumen von deinem mir gesandten Wort,
meiner Antwort,
denn nun, Geliebter,
falls, falls,
das Schicksal mir gewogen,
Gott und meine arme Mutter mich vergessen haben nicht,
vielleicht, vielleicht,
ich werde zurückkommen,
sitzen am Teich der Pelikane
und warten auf dich...
denn gestern, sie spielten plötzlich, ganz plötzlich
die Musik der Felder,
ich traute meinen Ohren nicht,
dann warf ich mich hinein
(wer weiß, werden sie noch einmal spielen diese Musik?),
und ich sehnte mich an Zeichen zu glauben,
denn ich wusste ja nicht,
nun, da du gesprochen hattest leibhaftig,
würde es weitergehen,
ich dich einmal sehen, wirklich sehen, leibhaftig?
Denn siehst du, Liebster,
mit nichts kann ich zufrieden sein.
Nun werde ich sitzen am Teich der Pelikane
und ich werde
sicher, ganz sicher,
harren deiner leibhaftigen Gestalt.
Nichts, gar nichts anderes wird zufrieden stellen mich.
Ich kann nicht mehr an Worte glauben,
jetzt musst du einmal kommen und stehen vor mir.
Und ich träume:
Du wirst mich treffen wollen,
vorschlagen einen Ort...
und ich werde, Liebster, sei sicher,
ich werde sagen:
"Bitte, bitte, komm zum Pelikanenteich."
"Liebster", werde ich sagen,
"dort sitze ich seit Jahren und Jahren
und ich träumte und träumte, sähen wir uns einmal (leibhaftig),
der Teich der Pelikane müsste es sein."
Es war auch seltsam,
ich vergaß dich in Wien
(du glaubst nicht, wie angestrengt und verwirrt ich war,
wie ich mit letzter Kraft den Laden betrat... der alte Mann war nicht mehr da,
nun war da sein Sohn, ich wusste nicht, warum das so war und ich fand auch nichts,
gar nichts, was mich trösten konnte, nichts nahm ich mit aus dem alten Laden, alles was da war, war falsch, ganz falsch, nicht richtig für mich.)
(dachte, das warest du, du vergaßest mich),
und wäre da nicht gewesen ein einziger kleiner Stern,
fast unsichtbar am Abendhimmel
(einen anderen Himmel sah ich nicht,
alles war mir verstellt in Wien),
Liebster, ich wäre gestorben.
Mit angestrengten Augen starrte ich Nacht um Nacht zum Himmel,
suchte den einsamen, einzig mir verbleibenden Stern,
(ihr wisst ja, ich bin die große Leserin der kitschigen Romane)
suchte zu sprechen ein Wort,
warum, Liebster warum,
alles war tot,
als seiest du, nun, da du mir leibhaftig wurdest,
erneut gegangen,
lägest den Frauen bei
(mir aber nicht),
Liebster,
ich konnte es merken,
du vergaßest mich,
und ich weiß auch nicht,
träumte ich erneut,
warest du das, Geliebter, leibhaftig,
warest du das,
hattest du gesprochen mir?
(ich begann zu zweifeln)
Am Abend sah ich die Vögel,
die Pelikane,
sie lagen im Sterben,
ihr weißes Gefieder getaucht in öl,
schwarz, ganz schwarz.
Liebster,
nun sterben die Vögel,
und Liebster,
sie wissen es nicht,
dass sie sterben müssen,
schwer, ganz schwer tauchen sie empor
aus dem Wasser, es ist schwarz,
ungläubig schauen sie umher,
sie kannten das nicht,
das Wasser, so schwer und schwarz.
Und warum, warum die Pelikane?
Immer und immer die Pelikane,
ich kann es gar nicht fassen:
Nun sterben sie,
die Vögel,
von denen ich geträumt.
So oft, so oft schon, Liebster, sang ich dir,
nur spärlich gelang es mir zu erwecken dich.
Mit gar nichts war ich zufrieden,
auch dein leibhaftiges, mir zugedachtes Wort,
es tröstet mich nicht.
Liebster, ich bin unersättlich.
Es ist auch gar nicht wahr,
dass ich von Worten, Erträumtem leben kann.
(Ja, ja, ich fraß mir an einen fetten Leib,
ich hortete meine Schätze,
band sie auf den Rücken mir,
fand Zuflucht in Kabul,
in den Schächten,
ich entzündete die Leuchtschrift,
die deinen Namen trug,
so atmete ich.)
Alles scheint zu wenig für mich.
Und ich schäme mich schon jetzt,
denn ich ahne,
deine Gestalt,
deine leibhaftige Gestalt,
wird sie trösten,
zufrieden machen mich?
Träfen wir uns dereinst am Teich der Pelikane,
was würde sagen ich?
Wie viele Tage wohl fiele ich in die Arme dir?
(Und du, wirst du riskieren einen einzigen Tag?
Wirst du, wirst du nicht plötzlich innehalten
und wissen: Nicht mit ihr, niemals und gar nicht mit ihr,
der alten Enttäuscherin, der Elfenturmbewohnerin,
sie wird und wird mich noch einmal halten hinan...
sie wird mich töten, einmal wird sie töten mich,
denn sie will nicht, sie will nicht vermischen sich...
nun will sie spielen mit mir.)
Liebster, Geliebter,
was ist das,
dass ich nichts versprechen kann,
umschlang ich nicht seit tausenden von Jahren deine schwindende Gestalt?
Vermischten wir uns nicht mehrfach,
vielleicht, vielleicht.
Als ginge ich nun zurück zum Anfang,
spräche: Nein, nein, nein.
Aber, aber: noch immer und immer,
ich sitze am Pelikanenteich.
Du musst mich einmal fragen
(die Treppen stürmen empor),
leibhaftig ansehen mich,
ob du das wohl kannst?
Die Hitze des Sommers fährt voran,
die Felder gleissen
(zum allerletzten Mal vielleicht),
wirst du antworten mir ein weiteres Mal,
wird mein altes Bild sich schieben hinein in das Lager,
das du mit deinen Liebsten teilst,
wirst du es sehen, erneut,
ein einziges Mal noch,
ach, Liebster,
werde ich,
die ich nichts, gar nichts versprechen kann,
noch einmal umschlingen dich?
Werden wir endlich, endlich vermischen uns?
Werden leibhaftig wir voreinander stehen
und alles, alles entscheiden,
wirst du der sein,
von dem ich träumte seit tausenden von Jahren,
werde ich die sein,
die du einmal gesehen
und losließest nicht, nicht.
Liebster, wirst du nun kommen zum Pelikanenteich?
Wirst du, wirst du?
Und weißt du,
ich fände es wunderbar,
ganz unvergleichlich,
und zitterte auch meine Hand,
Liebster, ich käme gerannt,
denn,
will ich nicht einmal alles wissen?
Dabei, dabei,
alles spreche ich groß,
was klein ist, winzig klein.
Alles blähe ich auf,
mache Liebe daraus,
die kleinsten Krumen kommen mir recht,
ich lese sie gierig auf,
backe einen dicken Laib,
ich, die Hineinleserin,
ich mäste mich am erfundenen Brot,
die alte Leuchtschrift erhellt mein heißes Gesicht.
Liebster, wie jämmerlich ich bin.
Denn: Sprachest du ein einziges kleines Mal wirklich von Liebe?
Nein, nein, nein...
war ich nicht froh zu entringen dir das allerkleinste Wort?
Liebster, ich will aufhören,
mich nicht mehr setzen auf deine kärgliche Spur...
Wer du überhaupt bist
vermochte zu finden ich nicht,
denn, Liebster,
das war ich,
ich erfand dich,
und du,
dein erstaunliches Wort...
(leibhaftig)
zu wem du es wohl sprachest
(nach tausenden von Jahren),
zu mir doch nicht, niemals zu mir,
der Worteerfinderin, der Träumerin,
wen du wohl meintest...
in welchem Spiegel fingest du ein mein Bild?
Und... es war auch nicht meines,
nein, nein, nein,
von welchem Trugbild, Liebster,
beliebtest du zu träumen,
über das Lager deiner Liebsten hinweg?
Wer das wohl war, zu dem du sprachest?
Sei sicher, ich war es nicht.
Wie wir uns träumen machten,
hallunzinierten,
umschlangen, vermischten uns
(vermischten wir uns, Liebster?)
und immer fern waren, ganz fern,
wie wir suchten des anderen Land,
fremd, unermesslich fremd.
Und doch, ich weiß schon,
da war etwas,
das Niemandsland der gleissenden Felder,
dort,
wir trachteten zu begegnen uns
(im Spiegel, im Spiegel),
dort gierten wir nach des anderen Atem,
zu sterben nicht,
Erlösung erbittend.
Und Liebster,
ich weiß es nicht,
der Pelikanenteich
(nun tauchen die Vögel schwarz empor),
existiert er,
existierte er je?
Wohin wir uns wohl noch träumen werden
zu bestehen die allerletzte Zeit.
Heute, wieder und wieder,
sie spielten die alte, verführerische Feldermusik
(warum, warum?),
ich saß auf meinem Stuhl,
die Hitze gleisste schwer,
Liebster, nun trug ich ein allerneuestes Kleid,
ich sah es in Frankfurt, kaum war ich gekommen aus Wien,
es war ein Felderkleid,
es war ein Kleid,
wie ich es einmal getragen hatte in der alten Zeit,
es umfing mich wunderbar und ich dachte noch einmal,
noch einmal Liebster,
nun müsstest du kommen und sehen mich,
kommen zum Pelikanenteich...
Und Liebster, ich ahne,
warum du zögerst,
mir gleich,
...die Unschuld, wir verloren sie,
nun ist alles so ernst...
wie viele Botschaften sollen wir austauschen noch
(leibhaftig)?
Wohin wohl gehen?
Es ist ein furchtbarer Ernst,
er wirft seine Schatten über uns,
es ist die Leibhaftigkeit.
Werden, werden wir ein einziges Mal noch wenden unseren Blick
und sehen einander, sehen in die Augen uns?
Werden wir alles wagen?
Oder aber: Wird plötzlich, was unvermutet begann, vorbei sein?
(die Leibhaftigkeit)
Und ich weiß ja,
das bin ich, ich sprach alles groß,

du aber, Liebster,
der du dein Lager teiltest mit einer unermesslichen Anzahl von Liebsten,
manchmal schien mir,
das wärest du,
du wolltest noch einmal
gehen in die alte Zeit,
in der du begehrtest, suchtest mich,
die Treppen ranntest hinan.
War es nicht so,
als ich dich suchte,
auf nahm ich dein geheimes Wort?
Liebster, ich träume.
Aber, aber, ganz sicher, in diesem Sommer,
ich gehe zum Pelikanenteich,
ich werde es lieben, dort zu sein.
Ich sehne mich furchtbar danach.
Und du musst auch gar nicht kommen,
Liebster,
ich werde noch einmal beginnen zu träumen von dir.
Ich mache mit dir, was ich will,
du glaubst gar nicht, wie viel ich will.
Und wenn du nicht kommst (leibhaftig)
(du wirst nicht kommen)
dann tauche ich hinein in den Pelikanenteich,
mein Atem ist lang, unendlich lang,
ich werde finden den unterirdischen Weg,
ich tauche empor in Kabul,
ich werde meinen Schacht wieder finden,
die Ratte sein, die ich immer war
(wie lächerlich, ich träumte zu werfen ab mein Gepäck),
ich zünde die alte Leuchtschrift an
(sie wärmte mich einst, werde ich nicht beginnen zu hassen, hassen sie?),
ich werde sterben nicht, nicht, nicht.
Ich las noch einmal die letzte Botschaft,
die ich dir gesandt und erschrak:
Wie verwirrt und rätselhaft ich sprach:
Als wüsstest, hättest gelesen du alles, was ich geschrieben,
die tausend Seiten,
Liebster, ich schämte mich
und fühlte (plötzlich):
Nun warf ich ab mein Gepäck,
begab mich in deine Hand.
Es war mir auch (plötzlich) alles egal.
Als spräche ich:
Nun soll mein Liebster, wenn er denn will und kann,
alles sehen...es ist nun alles, wie es ist und nicht zu ändern.
Nun soll er sich mir zu- oder abwenden,
es ist, wie es ist.
Nun darf er sprechen ein Nein oder schweigen für immer...
und wollte er... er käme zum Pelikanenteich.
Und alles, alles wird bleiben,
denn niemals wieder werde vergessen ich ihn
(den Enttäuscher, Missbraucher, Erlöser, den Wurm, den Rattentöter),
ihr wisst ja, er machte, träumte mich,
in seiner unvergleichlichen Weise,
er war da,
als alle schwiegen,
er belebte die Leuchtschrift,
sie erhellte mich,
ihn traf ich in der unvergesslichen, unerinnerbaren Zeit,
im Spiegel, im Spiegel.


174. Dann kamest du noch einmal, zu vernichten mich

Ich sah es sofort,
grell sprang mich der Schein der Leuchtschrift an,
als wolle vernichten er mich,
flüchtig, sehr flüchtig nahm ich Worte wahr,
ich löschte alles, alles aus,
sofort und für immer,
keine Sekunde dachte ich nach.
Das kann ich
(hatte ich nicht seit tausenden von Jahren gefürchtet zu verlieren,
was ich nicht besaß...
hatte ich nicht gehortet deine Worte, die leuchtende Schrift, deine mir scheinende Gestalt?).
Dein Hass sprang mich an,
jedes einzelne deiner Worte umschlang meinen Hals.
Du suchtest zu töten mich,
wie kalt, wie kalt du sprachest,
als nähmest du nun endlich Rache,
als suchtest du zu ersticken mich in einem mörderischen Hass.
Ich liebe es, dich ausgelöscht zu haben, deine furchtbaren Worte,
sie wollten mich töten,
aber, aber,
ich bin schnell, sehr schnell,
mich kannst du holen nicht, nicht, nicht.
Schnell, ganz schnell
bemalte ich meine Augen, meinen Mund,
meine Haare glänzten im Sonnenlicht,
als ich ausging,
strahlend,
als gehöre mir die Welt.
Siehst du, erträumter, furchtbarer Geliebter,
nichts, gar nichts,
soll niederwerfen mich,
auch die böse, böse Fratze nicht,
die du mir nun zeigtest,
nachdem...nachdem du beliebtest mir nahe zu rücken,
sehr nah,
leibhaftig wurdest
(das weißt nur du, warum),
ich (schnell, viel zu schnell)
ab warf ich mein Gepäck
(warum nur, war ich das, wirklich ich?).
Ach, wie schutzlos ich vor dir stand
(vor keinem stand ich so),
die Zeichen hatten betrogen mich
(sie hatten).
Denn weißt du,
vom Leibhaftigen verstand ich nichts,
gar nichts,
und doch, einmal, einmal wollte ich nehmen,
was ist,
hinab werfen mein Gepäck.
Du aber, furchtbarer Geliebter,
du schleudertest in einem seltsamen Furor
zu Boden mich,
mitsamt meines Gepäckes.
Und ich weiß ja, es ist,
weil ich träumte zuviel, zuviel.
Niemals vermochte zu erdenken ich,
wie schrecklich du bist,
und also, ich fiel,
Missbraucher, das warest du,
du machtest mich fallen zum zweiten Mal.
Und die Julifelder, nun gleissen sie zum allerletzen Mal,
ach, wie ich hineinfiel in sie,
wie die ähren umschlangen mich,
wie ich alles wollte,
anhalten konnte nicht...
("Wenn meine Schmerzen schweigen,
wer spricht mir dann von dir?")
Es war,
es war ein Rattenbiß,
mein furchtbarer Liebster fiel mich an einer schmutzigen, elenden Ratte gleich.
Er nutzte das abgeworfene Gepäck,
dass ich nackt nun vor ihm stand
im hochgewachsenen Korn.
Einem Mähdrescher gleich fuhr er hinweg über mich.
Alter Missbraucher, wie konnte ich jemals träumen von dir,
beschreiben tausend Seiten?
Ach, ich suchte dich,
und immer nur dich
(träumte und träumte:
dein alter Missbraucher,
einmal, einmal wird er kommen und halten deine zersplitterte Hand).
Und war es nicht wirklich wunderbar,
als wir sprachen (leibhaftig)
(eine begrenzte Zeit).
War ich das, beschwor ich herauf deinen schrecklichen Zorn?
Beschwor ich die Ratte empor?
Es ist mir auch alles egal,
vergangener Liebster,
ich werde heraufbeschwören die lange vergangene Zeit
(du, die Ratte, der Mähdrescher warest gefahren noch nicht),
in der ich träumte,
du seiest der Rattentöter,
die Mähdrescher hätten nicht verrichtet ihr Werk,
du, gerade du, Missbraucher,
könntest machen atmen mich.
Wie verblendet ich war,
meinen Vernichter zum Erlöser erkor,
wie wirklich dumm ich war,
anhing der alten Ratte, die mich vernichten wollte.
Liebster, wie schrecklich du bist,
wie du alles vergessen kannst, alles, alles,
ich aber nicht.
Wie ich nun wandern werde zum Pelikanenteich
(tauchten die sterbenden Vögel nicht schwarz empor?)
Und also, ich suchte auf den beschworenen Ort,
die heiße Sonne schien mir ins Gesicht,
der Bärengraben war leer,
ich ging aber weiter,
und auf einem verschlungenen Weg,
ich fand den alten Teich, er existierte noch,
(ich sah ein Schild: "Der Frankfurter Zoo ist im Umbau begriffen... Wir sind dabei ein neues Gehege für die Nashörner zu bauen.")
drei Pelikane standen eng aneinander gedrängt auf einem Felsen,
ihr Gefieder wie zerborsten,
ich dachte:
Es ist ganz unmöglich, sie können ausbreiten ihre Schwingen nicht.
Ich ging sehr nah heran,
einer der Pelikane kehrte seinen Schnabel plötzlich von außen nach innen,
als wolle er zeigen, was er vermöchte.
Ich fürchtete mich, ich war zu nah, zu nah.
Ich suchte das alte Schild, auf dem das Leben und die Herkunft der Pelikane beschrieben stand.
"Sie leben in Afrika. Sie treiben mit ihren großen Schwingen die Beute zusammen, sie agieren in der Gruppe, und dann öffnen sie plötzlich ihren riesigen Schnabel, ergreifen die mannigfache Beute mit dem unteren Schnabel und setzen den oberen Schnabel darauf, wie einen Deckel."
Ich dachte sofort, wie jämmerlich das Leben der drei Pelikane war. Denn niemals öffneten sie ihre Schwingen, es gab auch keine Beute im ausgetrockneten Teich. Ich war ganz sicher, sie hatten das Fliegen verlernt und alles, was sie einmal, vielleicht, vermochten, denn Pelikane werden alt, sehr alt, über fünfzig Jahre alt. Es war auch niemand außer mir am Pelikanenteich. Ich stand sehr lange, lange dort und dachte darüber nach, was sie wohl mit den Vögeln vorhatten. Sie gaben ja an, ein Terrain den Nashörnern zu bauen. Warteten sie auf den Tod der Pelikane, ich konnte es stark empfinden, sie waren alt, sehr alt, und mir war auch, als hätte ich sie schon als Kind gesehen, später, ganz sicher, mit meiner kleinen Tochter. Wir hatten dort Bilder geschossen, es geliebt dort zu sein. Damals, so schien es mir, die Pelikane hatten ausgebreitet ihre Flügel. Sie waren wunderbar gewesen, nun schienen sie eingetrocknet und ich dachte, ich will noch einmal im Herbst dahin gehen, sehen, wie es den Pelikanen geht....werden sie leben noch, werden unvermutet sie ausbreiten ihre Schwingen.
Furchtbarer Geliebter,
das warest du,
deiner gedachte ich nicht am Pelikanenteich,
du warest tot, lange schon tot
und vielleicht,
du hattest niemals gelebt,
dich erwartete ich nicht,
niemals und gar nicht dich.
Und die Flamingos, rosafarben ihr Gefieder,
sie begrüßten mich nicht am Beginn meines Rundganges,
so, wie es immer gewesen war,
wo sie wohl waren?
Und die Eisbären,
du weißt schon,
sie starben vor einer unerdenklichen Zeit...
und nun ist mir,
die Pelikane allein,
sie können machen erinnern mich...
eine kurze, kurze Zeit nur,
nicht aber, nicht aber deiner,
denn du,
furchtbarer Geliebter,
du entstelltest mein Wort, meine Erinnerung,
du fuhrest einem Mähdrescher gleich hinweg über mich,
für dich warf ich mich noch einmal in die ähren,
umsonst, umsonst,
Ich hasse dich, schrecklicher Geliebter.
Als wäre ich ein lästiges Insekt,
vertriebest du mich mit einem Schlag deiner Hand.
Aber, da ich die endlose Nachdenkerin bin,
mir wurde bewusst,
im Abwerfen meines Gepäckes,
einer seltsamen, mich schützenden Gegenbewegung gleich,
ich hatte, bevor du zerstörtest mich,
alles zerstört, was ich ersehnte.
Denn Liebster, ich weiß schon,
ich sprach, als sei nun alles vorbei,
als spräche ich zum allerletzten Mal zu dir
(wie sonst, Liebster, wäre es mir gelungen, abzuwerfen mein Gepäck?).
Ich sprach, ich höre dich hohnlachen, heraus aus meinem Turm,
und da ich alles nun löschte, was ich sprach, was du antwortest mir,
es ist nun alles gleich und vorbei,
und ich weiß ja, ich erwartete zuviel,
noch einmal zuviel
und hattest nicht zu hunderten von Malen du mir gesagt,
der Erlöser wollest du nicht sein.
Und trotzdem, ich hatte es nicht geahnt,
den Furor, in dem du würdest antworten mir,
nachdem du so wunderbar gewesen warest,
nur eine Woche zuvor
(wie ich zurücktrieb, verwundete dich),
wie ich die Auslöscherin bin,
wie du dich anverwandelst mir in diesem furchtbaren Attribut.
Dann dachte ich,
plötzlich war ich ruhig:
Du wirst noch einmal schreiben,
ich werde warten müssen.
Es wird dich beunruhigen,
dass ich nicht bestätigte den Empfang deiner Botschaft
(und es ist so, als wir leibhaftig sprachen, anverwandelten uns,
du verlangtest die Bestätigung nicht)...
nun wirst du auch denken, ich bin gar nicht da,
ich bin in den Sommerferien,
du wirst nicht denken können,
dass ich
(ich will ja nicht)
suche nach deinem Wort.
Liebster, du wirst noch einmal sprechen müssen,
die Leuchtschrift wird deinen Namen noch einmal erhellen.
Vielleicht aber, vielleicht,
ich gehe fehl
und ich versäumte den Moment, in dem alles vorbei.
Könnte so fehl gehen ich,
dass ich versäume den Moment des Abschieds?
Aber, Liebster,
wie könnte ich vergessen die Zeit,
als leibhaftig du sprachest, dich anverwandeltest mir?
Einmal warest du doch da,
zum zweiten Mal,
und ich,
ich mühte und mühte mich,
dir ein Wort zu senden,
zu umschlingen dich,
zu machen dich sprechen:
Liebste, ich muß dich sehen,
verabreden mich mit dir.
Ach, Liebster, du wolltest nicht mehr,
wie sicher ich auch war,
dass du wollen würdest,
ein zweites Mal,
du gingest hinan in einem schrecklichen Furor,
deine seltsame Liebste enttäuschte dich,
als sie sich entkleidete vor dir,
sie sprach: es ist alles vorbei,
gar nichts wird bleiben.
Und Liebster, du,
du warest nicht so mutig, wie ich geträumt
(ich erdachte dich ja),
Liebster, du warest schäbig,
du verstandest nichts, gar nichts,
wie schrecklich dumm du warest,
-hattest du die Ratten getötet nicht-
Aber nichts,
gar nichts verstandest du vom Scheitern
(wie ich es liebe, alles, was unvollendet ist),
du zitiertest,
ich erinnere es vage,
einen Nationalökonomen,
ich weiß nicht, was er sprach,
du führtest ihn an in einer sehr wichtigen Weise
(und ich vermute: das Scheitern, davon verstand er nichts, gar nichts).
Wie fremd du mir bist, Liebster,
und doch,
das warest ja du, von dir träumte ich,
und einmal, ich bin sicher,
du träumtest von mir.
Und ja, wir entgleisten auf dem Weg,
den ersehnten wir,
konnten glauben aneinander nicht, nicht, nicht.
Trotz allem, allem, was mir weht tat,
es rührt mich,
wie du begannest deine schreckliche mail
(siehst du, alles, alles hat sich, nach einem flüchtigen Blick
eingebrannt in mein Gehirn),
du sprachest:
"So vieles, was geschah, ich kann und kann es nicht mit meinem Verstand begreifen..."
und Liebster, dann zitiertest du einen Nationalökonomen.
Und jetzt, gerade jetzt, ich würde schrecklich gerne wissen,
was er wohl sagte,
aber, aber, du weißt schon, ich habe alles gelöscht.
Dabei habe ich mir gar nichts gedacht,
ich wollte nichts als entrinnen einem unermesslichen Schmerz,
es geschah schnell und plötzlich
und ich, nein, ich bereue es nicht.
So werden wir also nicht
sehen einander,
zerwarfen uns aus der Ferne heraus,
mit Worten,
und immer dachte ich,
hätte Gott es gewollt,
dass wir zufällig einmal begegnen uns,
anschauten, anschauten uns,
vielleicht, vielleicht,
wir hätten etwas gesehen,
was hätte Bestand.
Vielleicht, vielleicht wir hätten an dem alten Denkmal gebaut,
schrecklicher Geliebter,
wie schade es ist,
dass alles vorbei,
nichts bleiben wird,
denn ich, ich weiß es genau,
da hätte sein können etwas.
Unsagbar schäme ich mich
anzuhängen dir,
Missbraucher.
Beschrieben sie es nicht tausendfach
und nannten es:
Stockholm-Syndrom.
Die Stiefel, die Stiefel im Gesicht...
Aber, die Zeichen, Liebster,
erträumte, erfand ich alles?
Ich sah sie doch, sicher und klar.
Und, vermochte ich nicht dich sprechen zu machen?
War ich das nicht, die Leibhaftigkeit beschwor ich empor?
Und du Liebster, das warest du,
du sprachest noch einmal zu mir...
warum wohl, warum,
wovon du wohl träumtest,
denn ich bin sicher,
du träumtest,
plötzlich begannest du zu träumen,
anzuverwandeln der Träumerin dich.
Und bald schon,
schrecklicher Geliebter,
sie werden mähen das hohe Korn.
Die Zeit der gleissenden Felder ist noch einmal vorbei,
das Ende des Juli naht.
Ich muß auch lachen, sehr, sehr laut,
dann denke ich;
Wie oft noch willst du davon träumen,
die Juli-Felder zu erwandern,
wie lange wohl reicht dein Atem noch,
wie viele Sommer noch
wirst du erträumen das hochgewachsene Korn,
die wunderbaren schlanken ähren,
sich biegend im leisen Wind,
diese Zeit meiner heißesten Hoffnung
(vorbei, bald vorbei, ich will es nicht glauben:
noch einmal vorbei),
dann wird sich jähren die Zeit des Todes,
im August, dem Todesmonat,
ich werde zum Grab meiner Mutter kriechen,
wieder werde finden ich es nicht,
ich werde fremde Menschen fragen müssen,
schrecklicher Geliebter,
wie lange, wie lange noch,
muß ich mich drehen im Kreis,
fällt die Kelle aus meiner Hand,
wendest du ab dein Angesicht?
Und ich nahm es doch richtig wahr,
Liebster: Du begannest erneut zu sprechen...
Aber, aber,
es muß wohl so sein,
du meintest mich nicht,
ich ahnte es ja.
Aber, aber, Liebster,
am gestrigen Abend, ich musste furchtbar weinen,
ich verbiß mich erneut in deinem schwindenden Bild.
Und es ist so unermesslich schwer zu begreifen,
dass du zu sprechen begannest um zu vernichten mich,
wie schrecklich ich bin,
am Leben dich halten muß,
Missbraucher.
Kann ich, werde ich noch einmal sprechen
durch die unendliche Nacht hindurch,
durchdringen die Nebelwand
(wie oft noch?),
wirst du noch einmal abbiegen auf deinem Weg
und sehen mich, die alte Verführerin, Zerstörerin,
wirst du dich noch einmal erbarmen ihrer,
schicken ihr ein unbestimmtes Wort,
zum Meeresgrund hin, zum Grunde des Meeres,
Liebster, du ließest mich so schrecklich allein.
Am Abend sah ich an die Bilder Kabuls,
über allem lag ein tröstlicher Schnee,
die hohen Berge glänzten im Sonnenlicht,
ich sehnte mich furchtbar.
Nun, da es gewiß:
Ich kann nicht mehr eilen zu dir,
-nun träume und träume ich von Kabul allein.
Werde, werde ich einmal verlassen mein Leben und gehen,
die Schächte wiedersehen?
Ach, ich will mich noch einmal graben hinein in die zerstörte Erde,
tief, ganz tief hinein,
dahin, wo die Leuchtschrift nicht mehr scheinen kann.
Aber, aber, fürchte ich mich nicht vor der Dunkelheit,
als sei sie schlimmer als der Tod?
Werde nicht alles ich wählen,
was mich betrügt,
dunkel aber nicht ist?
Könnte ich nicht in die eisigen Berge wandern,
wandern im Sonnenlicht...
ich verlange auch nicht viel,
ich verlange keinen Unterschlupf,
alles wird mir genügen,
nur bitte, bitte,
lasst mich sterben im Licht.
Ich erfröre auch gern,
ich würde es lieben.
Die Zeit wird mir lang, sehr lang,
seit du gegangen,
die Zeit vergeht nicht, vergeht nicht.
Nun, da ich nicht mehr warten kann,
mir alles verstellt,
wohin wohl soll ich gehen?
Nun, da mein armseliges Bild dich umschlingen wird nicht mehr,
nun, da ich abwarf mein Gepäck,
wohin soll ich gehen?
Und heute, am Morgen,
du sprachest erneut,
in der alten Weise,
wie ich vermute,
vielen bestimmt,
ganz sicher aber mir.
Du verlangtest erneut
die Bestätigung deiner Nachricht,
wie immer, ich verweigerte sie.
Dann denke ich: Ich, ich mache Ferien,
ich bin gar nicht da und ich fürchte mich vor der Zeit,
da die Ferien vorbei.
Aber es war auch so,
dass du mir im Juli noch einmal schriebest,
ich liebte es unglaublich.
Aber, aber,
ich sah mir nun nicht an den Film,
den du mir geschickt...
schon in drei Tagen würde er im Fernsehen kommen,
deine Geschichte und die deiner Kinder...,
die du nur spärlich siehst...
ich dachte sofort, deine Frau,
lag sie nicht im Sterben und erstarkte erneut...
willst du sie nun töten für immer...
Liebster, du machtest mich fürchten,
ich hatte auch Angst,
du nenntest nun meinen Namen...
aber, aber: niemals werde ich sehen diesen Film,
ich verbarg nun auch alles,
was ich schrieb in einem abschließbaren Eisenschrank.
Das ist, weil ich mich fürchte,
ich habe schreckliche Angst, du Mißbraucher,
deiner Frau gleich,
wirst du mich ziehen hinein in deinen wilden Kampf,
du willst mich zwingen,
ich soll bestätigen den Empfang deiner mails.
Ich dachte: Er ist verrückt, vollkommen verrückt,
er wird dich verfolgen,
aufgeben wird er nicht...
die seltsamen, von mir erdachten Worte,
die er schrecklich ahndete,
er wird verfolgen sie...
Du liefertest dich einem Verrückten, einem Stalker aus...
und fandest du auch nun, sehr spät
eine Weise hinanzuhalten alles, was dich bedrängt
(alles verschlossest du in einem Eisenkasten,
und kein einziges mal mehr riefest du an sein Bild),
er, er läuft nun los,
und es kann schon sein,
dass er dich beschämen wird...
und wenn, und wenn schon,
ich muß jetzt alles nehmen, wie es kommt,
ich werde, ich werde,
denn zu bauen,
ich habe nichts mehr,
es darf nun alles untergehen,
und käme er nun zu ziehen dich hinein in diesen unermesslichen Strudel,
dein schrecklicher Geliebter,
dann gingest, dann gingest du dahin...
war es nicht das, was du ersehnt seit einer unermesslichen Zeit?
Soll er nun kommen,
dich zerstören,
das arme Denkmal, daran wird er bauen nicht, nicht.
Käme er,
er löschte alles aus,
er suchte zu töten dich
und du könntest von Glück sagen,
rettetest du dich nach Kabul,
sähest die Schächte noch einmal,
könntest träumen von den schneebedeckten Bergen,
dem Sonnenauf- und untergang,
Liebster,
wohin muß ich noch gehen
zu überleben dich?
Ach ja, ich ahnte sofort,
nun, da ich gesprochen und sodann in Schweigen verfiel,
du würdest verfolgen mich.
Ich verstummte (endlich),
(verschloss, was ich geträumt, in einem Eisenschrank),
begann mich zu fürchten vor dem,
den ich erträumt
(einem Mähdrescher gleich fuhr und fuhr er voran).
Denn er, er war nicht der, den ich meinte
(gleichwohl, Zweifel überfielen mich),
wie schrecklich ich war,
wie hart,
wie unberührt
(plötzlich fiel mir ein, meine Tochter, sie hatte schrecklich geweint, sich gefürchtet, mich verzweifelt gesucht... es verfolgte mich maßlos, wie kalt ich gesprochen hatte, kein Wort fand für sie... wie sie in meinen furchtbaren Träumen vor mir stand.)
(auch meine Freundin fiel mir ein, sie war schwer erkrankt und fürchtete sich zu sterben, ich aber, ich aber... wo ich wohl war (im Eisenschrank, im Eisenschrank))
(und er, hatte er mir nun nicht mehrfach gesandt, was ihm am Herzen lag und auf ein Wort gehofft).
Der Mähdrescher bin ich,
ich fahre voran und voran,
ich strebe den alten Schächten zu,
und immer und immer,
ich fuhr voran,
Liebster, wie furchtbar ich bin
(immer leben wollte, so schrecklich leben),
einer Ratte gleich nahm ich, was mir vorkam,
alles, alles nahm ich...
und Liebe, ob da wohl Liebe war,
ob mein alter Verfolger mich einmal wird sehen können,
ich ihn...
es wäre wunderbar,
aber, aber,
nun sah ich an den Film
(wie dünn mein altes Nein geworden),
den du mir geschickt
und schrecklich wie ich bin,
ich verliebte mich ein weiteres Mal.
Ich träumte die ganze folgende Nacht von dir,
wie schön du warest, wie du Unterschlupf suchtest
für dich und deine Frau,
mit ihr (sie war sehr krank)
in meinem Zimmer nächtigtest,
wie du heimlich sprachest zu mir:
"Ich liebe dich." Dann fügtest du hinzu: "Aber nicht für immer."
Ich erinnerte mich:
Vor tausenden von Jahren
brachte mein Vater die Orangenschälerin
in das Zimmer,
das wir,
(nach meiner Mutter Tod)
allein bewohnten.
Ich wünschte: Sie (die Orangenschälerin, auch sie) stürbe.
Ich hallunzinierte: Mein Vater tröstete mich,
er sprach mir von Liebe,
er würde vergessen, verraten mich nicht.
Dann ahnte ich:
"Nicht für immer", sprach er.
"Für immer, für immer nicht",
"einmal nicht mehr",
sprach er
und ich wusste alles sofort:
Die Orangenschälerin,
er wünschte nicht
(gleich mir),
dass sie stürbe.
Ach, schrecklicher Geliebter,
ich hörte auf zu schlafen,
abwenden konnte ich nicht
meinen Blick
von deiner schönen
(ihr werdet lachen)
betörenden Gestalt,
ich beschwor sie noch einmal tausendfach.
Furchtbarer Geliebter,
auf der ganzen Welt gab es keinen Mann wie dich,
so für mich gemacht
und manchmal war ich bereit zu besiegeln dieses
mit meinem Tod
(noch einmal, noch einmal).
Mein Mann drohte zu verlassen mich,
meine Freundin verzweifelte an mir...
meine Tochter schien fern, so fern,
denn ich...
ich lebte in der vergangenen Zeit,
ich wartete und wartete...
denn einmal, ein einziges Mal
sollte einer einlösen mir das Versprechen,
das mein Vater mir gemacht
(ich wähnte, ich wähnte)
und Ihr wisst ja nun:
er sprach, niemals sprach er: für immer,
er sprach: für immer nicht.
Nachdem ich den Film gesehen,
es war alles neu,
nicht, wie es gewesen war,
ich verfiel dir so schrecklich, Geliebter,
deine Gestalt, dein Angesicht,
ich konnte ertragen
die Ferne nicht mehr, nicht mehr...
ich hörte auf zu schlafen,
Liebster, ich konnte nicht mehr schlafen
und wenn du nicht noch einmal kommst...
dieses Mal, ich werde sicher sterben.
Warum aber, Geliebter,
solltest du?
Tausend mal sah ich an den Film,
den du mir gesandt,
ich sah dein Raubvogelangesicht,
deine geschmeidige, mich betörende Gestalt,
und ich dachte,
warum nicht noch einmal,
ein einziges mal?
Plötzlich verstand ich,
warum du das warest,
dem ich anhing und an,
ich liebte es hineinzusehen in dein Angesicht,
es versprach mir so vieles, so viel
und ich liebte,
ja, ich liebte deine umhergehende Gestalt.
Hätte, ja hätte ich nicht vieles,
sehr vieles gegeben,
dich zu sehen noch ein einziges Mal?
Aber, aber, meine Fähigkeit zu umschlingen dich,
sie scheint sich zu mindern...
und ich fürchte mich auch,
sie teilten mir nun mit,
die gesandten Nachrichten,
sie erreichten mich nicht mehr,
und doch,
so sicher weiß ich,
du schriebest mir nicht mehr, nicht mehr.
Ob du wohl manchmal wartest auf eine Nachricht von mir?
Ob ich dir wohl sagen soll, dass ich sah deinen Film?
Ob du wohl wartest auf eine Nachricht von mir?
Erlischt nicht meine Verführungskunst,
nun, da ich einmal abwarf mein Gepäck?
Nun, da ich nackt stand in den Feldern...
auch über gar nichts mehr sprechen wollte,
deine Kinder nicht,
alles was war, nicht,
nur über das, was sein könnte...
ich hatte alles falsch gemalt.
Hatte ich nicht vermeint,
du erinnertest dich des allerersten Anfangs,
deiner Verführungskünste,
meines Widerstehens,
aber, aber,
es war, als sei nichts gewesen,
und ich wagte es ja auch nicht
zu sprechen von der alten Zeit,
wie du mich fürchten machtest,
bedrängtest,
ich war feige, Liebster,
ich hatte schreckliche Angst
und doch,
ich hatte so schrecklich gehofft,
du verständest mein verstelltes Wort,
dass ich hatte sagen wollen:
Ich begann dich zu lieben in der vergangenen Zeit,
ich konnte nicht aufhören damit,
ich verbrachte meine Zeit mit dem Anrufen deiner schwindenden Gestalt,
ich starb fast, als du beliebtest zu erinnern dich meiner,
dann erwartete ich alles,
knüpfte an an deine alte Kunst des Verführens,
aber, aber,
du, schrecklicher Geliebter, hattest alles, alles vergessen.
Dann sah ich dein unverschämt lachendes Gesicht,
du hattest es bereitgestellt,
alle, alle, auch ich sollte es sehen.
Und ich sah mich schießen hinein in dein Gesicht,
die auseinandergerissenen Zähne,
der weit geöffnete Mund,
ich sah die Machetenkugel zerfetzen dein Angesicht,
denn ich konnte und konnte nicht mehr leben mit deinem Lachen,
es zerstörte mich
und alles, was ich jemals geträumt,
und leibhaftig, Liebster,
warest du das,
ich muß dich verwechseln,
denn niemals, niemals
hätte einer, der träumte von mir,
so hohngelacht meiner
und ich erträumte die Taliban,
sie würden zu zerschmettern wissen dein schreckliches Lachen.
Liebster, ich weiß schon,
nun vergrabe ich mich in meinem Hass
und alles, was du jemals warest,
soll untergehen.
Quäler, schrecklicher Quäler,
du verfolgst mich,
ich aber, ich werde sprechen:
Alles, alles soll untergehen,
nichts, gar nichts wird bleiben.
Und morgen schon wirst du aufwachen,
zerstört von der schrecklichen Nacht,
in der ich dich zu töten trachtete,
du wirst noch einmal taumeln,
ich weiß es genau,
denn Liebster, schrecklicher Geliebter,
ich bin die Rächerin,
ich werde alles, alles ahnden,
mir entkommen wirst du nicht,
vielleicht, vielleicht,
wirst du plötzlich beginnen nachzudenken, zu erinnern,
was einmal war,
vielleicht, vielleicht wirst du denken:
etwas war, da war etwas, was es wohl war...
und du wirst nicht, du wirst nicht wissen was und wer es war,
dass ich das war,
dass ich zu töten trachtete dich.
Schon bald aber, am 12. August, sieben Tage vom Tod meiner Mutter entfernt,
werden die Sterne vom Himmel fallen,
und Liebster, ich werde, ich werde
da sein und harren,
ich werde alle Sterne sehen,
ich werde meine tausend Wünsche schicken hinein in die unendliche Zeit
Nun sagten sie mir,
es würde regnen an diesem Tag,
auch mein Mann gab nun an genau,
genau an diesem Tag zurückkommen zu wollen...
Liebster, ich fürchte mich so schrecklich,
als müsste ich ersticken...
denn einmal, einmal noch,
will und will ich schicken meine Wünsche
hinaus in die unendliche Zeit,
will ich harren deiner,
deiner schrecklichen, schrecklichen Gestalt.
Denn, sei versichert,
keiner verstand es mich zu enttäuschen wie du,
hinwegzugehen über meinen Leib,
das Brot, das ich buk,
das Denkmal, das ich baute und baute,
die alte Kelle in meiner Hand,
furchtbarer Geliebter,
das warest du allein,
du hohnlachtest meiner,
dir, dir hing ich an,
im Spiegel, im Spiegel.
Und sollte wirklich und tatsächlich
nichts und gar nichts bleiben,
werde ich es nicht geliebt haben,
die Sterne fallen zu sehen,
und ich werde sie auch im Regen sehen,
ich werde noch einmal meine alten Wünsche schicken zu dir.


175. Wie lange noch, Liebster, wie lange noch (werde bewahren ich dein Bild, werde leben ich)?

Ich sah sie aber nicht,
vergass sie vollkommen,
die Sterne,
es regnete,
ich versank in einen tiefen Schlaf,
ich hörte sie, die Tropfen,
hämmern an das Fenster des Zimmers,
in dem ich mich nieder gelegt,
und du Liebster, wie fern du warest,
und verstand ich nicht,
niemals, niemals wieder würdest du suchen
meine seltsame Gestalt,
hatte sie vorgelegen dir nicht,
hatte sie gesprochen nicht,
gestammelt und gesucht,
hatte der Atem ihr nicht versagt,
hatte sie nicht geträumt und geträumt
und musste nicht einmal, einmal
enden alles,
Geliebter, ich war das nicht,
ich wollte es nicht, nicht,
Liebster, das musst du gewesen sein,
ich war es nicht,
niemals und nicht,
denn immer und immer,
ich suchte deine schwindende Gestalt,
suchte ich den Pelikanenteich nicht auf,
hätte...hätte ich nicht...
wärest ein einziges mal gekommen du nur,
Liebster, verlange ich zu viel?
Ein einziges, einziges Mal,
warum du wohl nicht kannst?
Wie schrecklich, wie schrecklich du bist,
niemals und niemals wirst du finden
die alte Enttäuscherin,
du wirst nicht,
Geliebter,
du wirst mich verlieren,
mich umschlingen nicht mehr,
einmal,
alles wird sein vorbei, vorbei,
nichts, ganz einfach,
nichts wird bleiben,
schrecklicher Geliebter,
du wolltest ja nicht,
du fuhrest ein das gemähte Korn,
niemals fragtest du.
Und, da die Zeit nun eilt dahin,
morgen schon, schon morgen,
es jährt sich der 19. August,
der schreckliche Todestag.
Und da ist auch die Orangenschälerin,
sie kämpft nun um ihr Leben.
Niemals, niemals
hatte ich geträumt,
nun um ihr Leben zu fürchten.
Aber, aber, nun da der Tod kommt,
(kommt er, kommt er wirklich),
ich will sie halten ganz, ganz fest,
sie bitten
bei mir zu bleiben,
zu gehen nicht, nicht
und ich werde auch weit zu ihr fahren,
denn weißt du,
einmal, einmal,
ich liebte sie so schrecklich,
damals,
als sie in ungeahnter Kunstfertigkeit
die Orangen mir schälte...
sie bezircte mich ganz unnachahmlich
(die Lieder, ach die Lieder, die sie mir sang)...
Vergaß ich nicht alles,
die dunklen Vögel,
die blauen Prinzen, die mich holen wollten,
eine kurze Zeit lang,
sie verstand es mich zu trösten,
damals, bevor sie mich verließ,
ich sie zu hassen begann
und mir ist,
nun erst, da sie um ihr Leben kämpft,
kann ich wieder nahe bei ihr sein,
sie trösten vielleicht...
denn, ich weiß ja, ihr Leben und meines
umschlangen sich unheilvoll,
wir litten unermesslich.
Am heutigen Morgen betrat ich eine Parfümerie,
ganz schnell, ich wählte den Duft der Orangen
und erst spät fiel mir ein:
Welchen Duft wohl sonst solltest du der Orangenschälerin wählen?
Nun, da sie so schrecklich erkrankt,
ich beginne zu erinnern die alte, alte Zeit,
die Zeit, als wir uns liebten,
es war die Orangenzeit,
die Zeit der Lieder,
die Zeit unserer kurzen, kurzen Liebe,
der Duft der Orangen umhüllte uns,
wir tauchten sie,
so süß sie auch waren
in Zucker,
die sich aus der Schale heraus entblätternden Fruchtachtel,
wir aßen sie gemeinsam,
getunkt in den weiß schimmernden Zucker,
Mutter, es war wunderbar...
(Liebste, du musst mir verzeihen, dass ich erst jetzt,
in der Stunde deiner Schmerzen wiederfinde das Wort...)
und nun, da ich ganz allein fahre zu dir,
mir ist, wir könnten uns erinnern,
du glaubst gar nicht, wie froh ich bin,
dass niemand da sein wird, außer mir,
sie werden gefahren sein,
sie werden später kommen,
(all die Kinder, all die Kinder)
Mutter, wir werden haben eine kleine, kleine Zeit,
wir hatten niemals mehr,
wir werden eintauchen in den alten Orangenduft,
Mutter, erinnerst du dich?
Erinnerst du dich der Lieder, der Orangen,
die wir einmal geteilt eine kurze, viel zu kurze Zeit...
Wirst du wissen, dass ich nicht überleben konnte ohne dich
und in einem meiner Träume
du konntest sterben nicht, nicht,
wie sehr ich dich auch hasste,
du warest immer da,
ich benötigte dich, Arme,
zu hassen dich.
Und sie,
plötzlich stand sie vor mir
(am Frankfurter Hauptbahnhof),
ich fiel ihr in die Arme
und ich dachte:
Gott hat mir einen Engel geschickt
(zu überstehen alles, alles).
Als mein Kopf sich am Abend neigte,
sah ich das Holstentor im Meer.
Und der Mond, Liebster,
er sah mich an
und meine Mutter, Liebster,
muß sie nun sterben?
Und du,
kannst du nicht sehen den Mond,
er schaut in mein Angesicht.
Plötzlich,- ich fuhr nach Hause-,
sah ich die Felder erneut,
unendliche Felder,
die Mähdrescher waren gefahren über sie,
sie schienen mir wie nackt,
sorgsam gepackte Heuräder standen überall.
Wie leer die Felder waren...
dann, ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben,
sah ich den Hafer,
der Hafer stand hoch und wild,
ich fuhr und fuhr,
es war aber so,
die kleinen Haferfelder bildeten Inseln in der ödnis der gemähten Felder,
ich schaute nach rechts und links,
ich verbog mir den Kopf,
denn kein einziges Feld sollte entgehen mir,
voller Angst und Lust sah ich hinein
in die Haferfelder,
sie eilten vorbei
und Liebster, schrecklicher Geliebter,
ich träumte von dir.
Wirst du noch einmal den Zug besteigen,
fahren an den Haferfeldern vorbei,
werden sie nicht erinnern dich meiner,
wird der Mond, der mich ansah,
nicht berichten dir von mir?
Wirst du nicht empfinden,
die alte Enttäuscherin,
sie ruft noch einmal nach dir...
Wirst du die Haferfelder sehen,
wie schön sie sind,
wie wild sie sich biegen im Wind,
als ahnten sie ihr Schicksal nicht,
wirst du noch einmal trachten
zu sein der,
den ich ersehnte in der alten, alten Zeit
(die Mähdrescher waren gefahren noch nicht)?
Warum, warum eigentlich nicht,
schrecklicher Geliebter,
solltest du nicht noch einmal gewahr werden meines Bildes,
meiner Gestalt, meines Angesichtes...
ich sprach ja tausend Jahre zu dir...
hielt dich auf und an...
immerfort,
umschlang dich,
lauerte am Wegesrand,
belagerte dein altes Haus,
stand an der Böschung,
warum, warum schrecklicher Geliebter,
eigentlich nicht...
sollten meine alten Gedanken
sich verbinden deiner
und sprechen:
Es ist furchtbar, es ist unerträglich,
ohne dich kann ich leben nicht, nicht, nicht.
Warum, warum du wohl trachtetest zu verwerfen die,
die du einmal suchtest?
Ich weiß schon,
es war zuviel, es war viel zuviel.
Vielleicht, wie ich, du liebst das Suchen,
das Finden aber nicht.
Und mir ist auch,
als habest du entleert all deine Gedanken von mir,
als sei ich ein schrecklicher Feind
und niemals konntest erinnern du,
das warest du,
du suchtest mich schmerzlich und unaufhörlich,
und gleichwohl, Liebster,
es erstaunt mich,
deine Fähigkeit zu vergessen mich,
es verblüfft mich ungemein.
Wie du es vermagst zu vergessen alles,
was war,
wie schnell du bist,
mich hinter dir lässt,
denn ich bin schnell, wirklich schnell,
wie du rennen kannst,
selbst ich, die Davon-Rennerin,
du lässt mich hinter dir,
Drachen- Rattentöter,
ich setze mich auf deine seltsame Spur.
Ich liebe es unglaublich,
wie du rennen kannst,
hätte ich jemals geträumt von einem,
der schneller ist?
Ach, schrecklicher Geliebter,
von einem wie dir konnte träumen ich nicht, nicht, nicht.
Und nun,
soll er nicht
schnell, sehr schnell
sich erinnern meiner,
der alten Enttäuscherin, der Davon-Rennerin,
das ist ja er,
er kann so schnell rennen wie ich,
so einen traf ich noch nicht,
im ganzen schrecklichen Leben,
nicht.
Und nun, sie setzen sich auf deine Spur,
Missbraucher,
sie klagen dich an...
Ich aber Liebster, werde ruhig sein,
ganz still.
Die tausende von Briefen, die ich dir schrieb,
ich werde abschicken sie nicht.
Ich ahne,
alles, alles missverständest du,
jedes einzelne meiner Worte.
Ich, die Worteerfinderin
weiß kein Wort für dich.
Und ich weiß so sicher,
alles, alles,
was ich dir schreiben kann,
wirst du zu zerstören wissen
(schon einmal, schon einmal).
Und doch
(seltsam),
wir verstanden es zu sprechen leibhaftig,
wir bewohnten die ferne, alte Zeit,
warum wohl so schnell wir uns überwarfen?
War mir nicht immer,
als wüsstest du alles,
wie schrecklich fehl ich ging,
die Nonne, die Nonne...
und trotzdem, Liebster,
ich horte deine ausgelöschten Botschaften,
ich spreche sie auswendig daher,
sie entfachen ein tröstliches Licht,
sie sprechen von dem, was unauslöschlich war,
denn ohne dein Gewesensein, Liebster,
ich wäre schon tot,
das bist du,
deine unvermeidliche, ersehnte Gestalt,
zu dir spreche und spreche ich,
und solange ich lebe,
ich werde aufhören nicht.
Und es ist mir auch ganz egal, was du denkst,
wo du bist, wie du mich verwirfst und verwirfst,
ich werde ausschicken meine seltsamen Gedanken,
sie einem Lasso gleich werfen, zu umschlingen deinen Hals,
Liebster, ich werde,
denn aufhören, aufhören kann ich nicht, nicht,
dem zu schreiben, der mich nicht hört und missversteht,
meinem alten, alten Missbraucher,
den ich zu lieben begann wie die Pest.
Im nächsten Monat werde ich gehen zu hören
die alten, alten Lieder.
Ich werde gehen ganz allein.
Ich träume und träume davon.
Und vielleicht, vielleicht,
wirst du sehen mich,
vielleicht wirst du kommen in die Lieder hinein,
wirst dein Angesicht schieben hindurch,
kannst du nicht einmal noch leibhaftig sitzen mir voran?
Wie, Liebster, vermagst du es dich zu verabschieden von deiner fremden, fernen Liebsten,
wie zu vergessen alles?
Und weißt du, ich hämmere erneut,
ich will das alte Denkmal bauen,
und je ferner du bist,
um so fester werde ich mauern.
Ich werde tausend große Häuser bauen,
das kleine, verlorene,
das dir in all meinen Träumen verbundene Haus meiner Mutter
wiedererstehen zu lassen.
Ich werde ächzen und stöhnen,
die Kelle wird drohen zu fallen aus meiner Hand,
Liebster, ich werde mauern und mauern.
Denn alles, was ich will ist,
das alte Haus,
es soll dastehen
(und bewohnen wir es auch nicht,
es ist ganz egal),
ich werde mauern es.
Ach, wie schade, Liebster,
ich träumte ja einzuziehen mit dir in das alte, alte Haus,
wie furchtbar schade, dass du nicht willst.
Ich werde und werde noch einmal ein Denkmal bauen,
den gleissenden Feldern, allem, was verloren, für immer verloren zu sein scheint,
denn dich, dich finde ich nicht mehr,
wo du wohl bist,
welcher Liebsten du wohl beiliegst,
Liebster, dich, die alte Ratte,
ich liebe dich wie die Pest.
Abend für Abend schaue ich an dein verlorenes Bild,
ach, wie wirklich arm ich bin,
beiliegen dir will,
du auf mir,
wie ich spüren muß deine Haut,
wie sie mich zerbrennt,
du aber gehst und bist gegangen.
Ach, erinnere dich meiner,
Liebster,
ich beschwöre dich ernst und leibhaftig,
kannst du nicht noch einmal zurückwenden deinen voraneilenden Blick
und sagen:
Sie, sie war doch da, einmal war sie da,
einmal lag ich, träumte zu liegen auf ihr
(und einmal, einmal, es war, wir vermischten uns).
Wie kannst du alles vergessen, schrecklicher Geliebter?
Ich wähnte, du könntest nicht, nicht.
Liebster, wie machst du das?
Das Vergessen, wie machst du das?
Ich, ich kann nicht, vergessen kann ich nicht und nicht.
Wie lange, Liebster, muß ich noch träumen dich,
deine Antwort, dein Angesicht, leibhaftig,
vor mir, vor mir,
als kämest du schon am nächsten Tag?
Schrecklicher Geliebter, wie kann ich einmal vergessen dich?
Verschloß ich nicht alles in einem Eisenschrank,
spreche ich nicht auswendig alles daher
was du einmal zudachtest mir?
Wie soll ich einmal, einmal, jemals
sprechen,
es wird gar nichts bleiben?
Ach, das warest du, dein Angesicht, deine wunderbare Gestalt,
Missbraucher, das warest du,
du machtest mich träumen,
von etwas,
und sei versichert,
es war wunderbar,
unvergleichlich,
und vermutlich,
ich werde sprechen können nicht mehr:
"Es wird gar nichts bleiben."
Denn du,
es ist als könntet enttäuschen du mich nicht, nicht.
Und wirst du auch in diesem Leben mir schreiben nicht mehr,
leibhaftig werden nicht ein weiteres Mal,
kein einziges Mal mehr stehen vor mir
(du weißt nicht, wie furchtbar das ist),
Liebster, ich bin die Anruferin, die Beschwörerin,
in allen Nächten stehe ich vor dir,
gespenstergleich,
ich suche zu reichen dir meine Hand
(wird sie nicht einmal abfallen mir, pestbefallen),
ich schaue und schaue an die schneebedeckten Berge Kabuls,
ach, wie ich sie liebe,
den Sonnenauf- und Untergang,
ich träume und träume,
ich fühle die alte Leuchtschrift,
sie vermag es mich zu wärmen,
und erträumte ich sie auch nur,
du weißt schon,
es ist mir alles egal...
nun erwärme ich mich
(wiederholend mein schäbiges Geschick)
an Erfundenem,
denn, Liebster, anderes wurde und wurde mir nicht
in diesem manchmal, manchmal aufschreienden Leben,
in dem die Felder gleissten, als gleissten sie zum allerletzten Mal,
denn, das warest du, Liebster, du standest da,
verloren wie ich,
(ist es nicht furchtbar?)
stand ich erneut und erneut,
allein, allein
und ich weiß schon,
ich fand die Worte nicht, nicht,
so sehr ich auch suchte,
dich erreichten sie nicht (leibhaftig),
ein einziges Mal nur, ein schäbiges einziges Mal,
(Nein, Liebster, es war zweimal)
und ich
(verloren, wie ich bin)
alles, alles begann zu hoffen ich.
Ich warf mich hinein.
Du aber, schrecklicher Geliebter,
wie du es vermochtest mich zu zerstören,
wie du es verstandest abzuwenden dich
(niemals erträumt),
wie du warfest mich hinein in die unendliche Zeit
(warum Liebster, warum?)


176. Stockholm

Zum zweiten Mal träumte ich dein abgewandtes Angesicht.
Ich saß neben dir, ganz dicht in der Ritze des Sofas,
da standest du plötzlich auf.
Missbraucher, du wolltest nicht, nicht.
Wie soll ich das im ganzen Leben begreifen:
Mein alter Missbraucher: ein Neinsager,
und ich, ich in Stockholm, für immer.
Mit ausgebreiteten Beinen liege ich da
und träume davon, beim nächsten Mal,
er wird mich nehmen,
hohnlacht er auch meiner
(wie ich hasse dein lachendes Gesicht)
(wie ich liebte dein schmerzliches Antlitz),
einmal wird er zart sein und zerstreichen meinen Schmerz.
Denn es ist nun so:
Da keiner mehr berührte mich, Missbraucher, außer dir,
ich erkor dich zum Erlöser,
armselig, so armselig wie ich war und bin,
verloren im Traum von Stockholm,
verloren in schrecklichen Gedanken:
Der, der missbrauchte mich,
einmal, einmal, gerade er,
nur er, niemand, wirklich niemandem sonst
(dieser furchtbare Mensch, der mich anfiel und vergass,
mich noch einmal zu zerstören trachtete: leibhaftig)
niemandem sonst auf der ganzen Welt
werde ich anbieten meine Scham.
Es muß nun er sein, wirklich und wirklich er,
und ich verließe alles, was ich habe
(es ist viel, sehr viel, Liebster)
in einem einzigen Wimpernschlag.
Ach, wie gerne stürzte ich mich hinein.
Aber, aber ich rede ja nur.
Denn du, du willst ja nicht, und wer weiß, wer weiß...
Würde ich, würde ich...
Das müsstest du nun ein einziges, einziges Mal sagen:
Ich will, ich lasse sie sitzen in der Ritze neben mir,
ich will das Lager teilen mit ihr,
ich habe sie vergessen nicht,
ich sehe noch immer vor mir ihr Angesicht, ihre Gestalt.
Ich sah sie vor mir, als ich einbog in die steile Kurve,
es war, als stände sie an der alten Böschung
zu meinem schon lange verlassenen Haus,
damals, als ich sterben wollte.
Es war sie, sie belebte mich, hielt mich am Leben.
Ach, wolltest du nur missbrauchen mich,
es wäre doch jedenfalls ein Gebrauchen,
ein Brauchen vielleicht.
Denn wer sagt,
dass der Missbraucher nicht braucht?
Und weißt du, ich, ich ganz allein,
ich verstünde zu lesen des Missbrauchers Gebrauchen,
ich, ganz allein.
Warum, warum, Liebster,
muß ich die einzige bleiben, die du nicht mehr missbrauchen willst?
Lebst du noch,
dachte zu Tode ich dich nicht mit meinen umherschweifenden Gedanken?
Wem liegst du bei,
wen wirst als nächstes du betören, missbrauchen, vergessen?
Ich ahne, du stehst auf und auf
(liebte ich dich nicht deshalb),
dich werden sie niederwerfen nicht.
Und ich, träumte ich auch manchmal,
ich sei die, die niederwürfe dich,
Liebster,
nun gebe ich auf.
Ich muß mich begnügen.
Einmal traf ich dich,
das warest du, du erinnertest:
wir lagen uns bei,
und all die Felder, das gemähte Korn
(es erinnert mich so ungeheuerlich),
wie kahl, wie kahl die Felder nun sind,
ich kann es nicht begreifen,
in diesem Jahr aber, Liebster,
ich suchte dich, du antwortest mir für eine kleine, sehr kleine Zeit,
es war wunderbar,
einen Moment lang, sehr kurz,
ich dachte, wir, auch wir, wir wären,
unsere Zeit sei nun gekommen.
Liebster, du schenktest mir die geträumte Zeit,
und musstest du auch gehen voran
(ich weiß ja nicht, warum),
die Zeit mit dir,
sie war besser als alles,
was vorlag,
sie verzauberte mein schreckliches Leben,
Liebster, sie gab mir das Leben zurück,
und sei es auch,
du, du verstandest nichts, überhaupt gar nichts,
nun fahre ich voran.
Dein Bild, es verblasst,
ich empfinde stark, wie es in die Ferne rückt.
Aber Liebster, es ist und ist,
auf den Feldern, von denen der Nebel zu steigen beginnt
ein weiteres Jahr,
es weicht nicht und weicht.
Liebster, ich halte dich fest,
dich lasse ich nicht mehr los.
Deine unwägbare Antwort, dein Schweigen,
mir ist alles egal,
dass du einmal warest erfüllt mich
so ungemein.
Und wie du vergessen konntest alles,
auch dieses,
der du einmal sprachest:
wir lagen uns bei,
es wird beirren mich nicht,
ich öffne meine Ohren für die vergangene Zeit,
sie tönt laut in mir, sehr laut,
und weiß ich nicht,
selbst du,
einmal, einmal,
wirst du antworten mir erneut.
Wirst du?
Liebster,
wirst du
noch einmal
(es ist wichtig, wirklich wichtig)
sehen mich?
Wir lagen uns doch bei,
ach, Liebster, ich weiß es,
wir liegen und liegen,
es gibt auch gar nichts anderes,
was wir tun können,
wir liegen und liegen uns bei.
Wir überstehen die schreckliche Zeit.
Warum kamest du niemals, leibhaftig,
warum schriebest du,
warum schrieb ich,
all die schrecklichen Worte,
ich kann es so sicher fühlen,
einmal muß ich sehen dein Angesicht, deine Gestalt.
Dabei, ich weiß es genau,
dein Vermögen zu erinnern dich meiner,
es ist begrenzt von deinem Haß.
Missbraucher, du willst mich löschen aus
(ich in Stockholm).
Wie du einstmals verfolgtest mich
(ich liebe die Verfolger),
so löschtest du aus den Pelikanenteich
(es war ja auch schon alles schwarz, zerstört, tot).
Schrecklicher Geliebter, du kannst das,
nicht mehr sein.
Einmal fasstest du mich an,
es war mein abgewandtes Angesicht,
es betörte dich,
hast du wirklich und wahrhaftig vergessen,
du ließest und ließest nicht nach,
du machtest mich fürchten,
ich rannte nach Kabul.
Als ich umkehrte,
du warest gar nicht mehr da,
und sprachest du auch leibhaftig.
Hatten wir uns auch vermischt, einmal, einmal,
unsere Worte holten nicht ein,
was gewesen war.
Alles war plötzlich falsch, so falsch.
Es gab nämlich kein einziges Wort für das,
was geschehen war.
Die Worte töteten uns,
sie sind nicht leibhaftig.
Wir versandeten im Sprechen der Worte,
Liebster, es gab kein einziges Wort für uns.
Und will ich nicht zurückgehen in die alte, wortlose Zeit,
Liebster, ich muß
Und weiß ich nicht, genau, ganz genau,
mit den Worten werde treffen ich dich nicht, nicht,
allein in diesem schrecklichen Traum,
nirgendwo sonst,
ich weiß es genau,
da warest du.
Ich bemerkte auch,
du spieltest nicht mehr,
es war plötzlich alles furchtbar ernst,
ab warfest du deinen alten Verführergestus.
Ach, Liebster, wie du sprachest und sprachest,
mir die zu bestätigenden mails sandtest,
ach, Liebster.
Wieder und wieder sprang mich die Leuchtschrift an,
zerberstend, explodierend,
lange nach Mitternacht (ich liebte es).
Und konnte ich auch nicht abwenden meinen Blick,
alles an mir gefror,
wurde steif,
Eiszapfen wuchsen aus meinem Mund.
Waren zerbrannt die Finger mir nicht,
als ich festzuhalten suchte diesen gleissenden Schein?
Und doch, wieder und wieder,
sie betört mich unnachahmlich,
ihr Aufhören-Können-Nicht,
dass sie wieder und wieder, unberechenbar,
erscheint,
mich erwärmt und durch die Straßen schickt
mit diesem Hurengang,
die Leuchtschrift, sie schickt mich nach Stockholm.
Sie wendet mein fieberndes Gesicht,
dir, Missbraucher, zu
und die Schächte Kabuls,
ich erreichte sie nicht mehr.
Nun ziehen die Ratten nach Stockholm,
das überwintern genügte ihnen nicht,
all die Schätze, die sie gehortet,
gebunden hatten auf ihren Leib,
es genügte nicht,
sie hungerten nach Stockholm,
sie erkoren einen neuen Sehnsuchtsort.
Sie wollten nicht sterben in den Schächten Kabuls,
sie träumten davon
(die Ratten, sie waren ja einmal Würmer)
sich aufzurichten in Stockholm.
Vermeinten und vermeinten sie nicht,
im furchtbarsten aller Sehnsuchtsorte,
in Stockholm,
zu überleben?
Denn, so dachten die Ratten:
In Stockholm allein,
da wären sie, was sie immer waren:
Zertretene Geschöpfe,
vom alten Mähdrescher,
ihrem Lieblingsfeind,
zerstört.
Sie sehnten sich so furchtbar nach Stockholm,
sie sahen die Waffen,
gerichtet auf sich,
sie liebten es,
die Ratten wollten sterben,
verwirrt von der alten Leuchtschrift,
die sie einstmals gesehen hatten
in Kabul,
schien sie nicht noch in Stockholm?
Nein, nein, die Ratten,
sie liefen sicher ihrem Ende zu,
ihrem Tod.
Das unberechenbar aufscheinende Licht,
die Leuchtschrift,
es verwirrte sie für immer.
Mit auseinandergespreizten Beinen lagen sie, wie tot,
Eiszapfen im Mund, in Stockholm
und ersehnten ihren alten Liebsten,
den Missbraucher...
hatte er nicht einstmals gemurmelt vom zweiten Mal,
und die Ratten,
sie nahmen alles, was ihnen vorkam,
die schäbige Leuchtschrift auch,
sie froren furchtbar,
Eiszapfen in ihrem Mund,
träumend von der Leuchtschrift,
einmal, in Stockholm,
einmal, zweimal,
einmal.
Liebster, du schicktest und schicktest mir die Leuchtschrift,
dieses schreckliche Gleissen,
wohin soll ich noch gehen?
Werde ich einmal, einmal
begegnen dir leibhaftig,
werde ich spreizen meine Beine,
folgen dem Huren-, dem alten Elfengang,
wirst du mich nicht nehmen in Stockholm,
wie weit wohl liebe zu spreizen ich mich
zu begegnen dir,
zu begegnen dir, leibhaftig,
und wie ich alles, alles vergessen muß,
die Vögel, sie verendeten,
aber es ist mir alles egal.
Solltest du dich einmal erinnern meiner,
wirklich und wirklich
(Liebster, das tatest du nicht),
schlösse ich mich nicht an dem Zug der Ratten,
nun hatten sie abgeworfen ihr Gepäck
und fühlten sich seltsam leicht.
In den Schächten, die sie so lange geborgen hatten
nahmen sie Witterung auf.
Sie witterten die unberechenbar flackernde Leuchtschrift,
versiegte sie nicht?
Aber, sie waren wirklich schlau,
sie nahmen die Witterung auf,
sie gaben aus ein neues Losungswort: Stockholm.
Dahin nun trieben sie,
wollten sterben in den lichtlosen Schächten,
verlassen von der alten Leuchtschrift, nicht.
Und weißt du, hatten sie auch abgeworfen ihr Gepäck,
sie träumten nicht mehr
(Können Ratten träumen?).
Die Witterung, die aufnahmen sie,
sie führte sie in ein kaltes Land.
Die Ratten erfroren massenhaft,
mit gespreizten Beinen lagen sie am Wegesrand,
der Weg war ja auch so weit,
Gebirge und Meere durchwanderten sie,
und ja, war ihr Augenlicht nicht erblindet in den Schächten?
Wußten sie überhaupt noch, wo sie waren?
Auch an der alten Böschung, Liebster,
sie lagen noch einmal zu Tausenden,
ihre verendenden Leiber drängten sich aneinander,
die Beine gespreizt.
Bereuten sie nicht ihr wirres Unterfangen,
abzuwerfen ihr Gepäck,
mit in der Dunkelheit erblindenden Augen voranzustreben,
der flackernden Leuchtschrift nach,
nach Stockholm?
Nein, nein,
die Ratten bereuten nichts,
sie liebten es zu treiben voran,
der Leuchtschrift,
immer der Leuchtschrift nach
und ahnten sie auch,
in Stockholm,
im Norden, im Westen
(waren sie nicht geflohen in den Süden, den Osten)
ihr Schicksal würde erfüllen sich,
endlich, endlich,
denn sie waren müde.
Die, die überlebten,
lagen niedergestreckt,
die Beine gespreizt
und erwarteten alles, alles,
und doch,
waren sie Kabul geflohen nicht
um ein allerletztes Mal in Stockholm
(nur wenige erreichten das Ziel)
(ich wiederhole mich)
ihre Beine zu spreizen
...für dich, Liebster,
Verfolger, nur für dich.
Denn den Ratten, es schien ihnen,
du, du allein,
der Missbraucher,
der der Rattentöter war,
du allein
könntest sprechen ein erlösendes Wort.
Lagen sie nicht den Vögeln gleich,
verendend vor dir?
Die Ratten liebten dich und ich,
ich war eine von ihnen,
ankam ich in Stockholm,
ich weiß gar nicht, wie,
manchmal weiß ich, dir, Rattentöter,
dir hänge ich an,
deinem Wort, deiner lichten Gestalt,
sie betört mich ungemein.
Warest wirklich du das, erwartest du mich in Stockholm,
die Beine gespreizt,
allein, ganz allein.
"Liebste", würdest du einmal sprechen (laß mich träumen),
"ich wartete und wartete auf dich,
und ich vergaß dich auch nicht, niemals werde vergessen ich dich,
einmal werden wir uns treffen im neu gesähten Winterkorn,
es keimt schon in der Erde..."
"Aber, Liebster, mir ist, als könntest und könntest erinnern du dich nicht
an die Zeit, als du die geheimen Botschaften mir sandtest,
warum, warum?... und auch ich, ich wagte niemals zu sprechen dir davon,
ich fürchtete mich so schrecklich,
hatte ich überhaupt richtig gehört,
damals, in der vergangenen Zeit?
Hattest du wirklich und wahrhaftig gewünscht,
dass ich deine Botschaft vernahm?
Und weißt du, sie war laut, so laut,
sie sandte mich nach Stockholm."
Wieder sah ich den schwarzen Wagen,
er stand vor meinem Haus und fuhr heftig an,
als ich die Straße betrat.
Weißt du, ich träume noch immer
es könnte sein:
Du stehst vor meiner Tür,
hättest vergessen mich nicht, nicht,
begännest erneut zu spielen
und der zu sein, von dem ich träumte, nur träumte.
Missbraucher,
nun wandle ich auf deiner Spur,
denn alles was mir einfällt,
dich zu verführen
erscheint schäbig und falsch.
Gleich dir, vor Jahren,
warf ich ab mein Gepäck und wagte, verfehlte alles.
Ich lese die Leuchtschrift,
die du mir schickst,
wann es dir beliebt.
Ich aber,
ich trachte und trachte
nichts zu versäumen,
Tag für Tag
stürze ich mich hinein in die Dunkelheit
und erhoffe alles.
Und ich hatte es ja versprochen
(dir, Liebster, dir).
Ich würde noch einmal den Teich der Pelikane aufsuchen
im Herbst.
Eine dünne Sonne stand über dem Teich.
Die Vögel putzten ihr Gefieder in einem verendenden Lichtstrahl,
sie sahen mich nicht an,
völlig selbstverloren fuhren ihre Schnäbel in die zerzausten Federn.
Und Liebster, schienen sie auch zu erholen sich
(wovon... waren es nicht tropische Vögel... für die Sonne gemacht)
sie blieben schäbig und nun dachte ich weiter nach,
was wird sein, wenn der Winter kommt,
werden sie auch im Winter bleiben in diesem schrecklichen, kleinen Teich,
auf diesem in der Mitte hervorragenden Felsen,
die Flügel vermutlich gestutzt.
Liebster, auch im tiefsten Winter werde ich einmal gehen zum Pelikanenteich,
ich werde dir von den Pelikanen berichten.
Werden sie sie hineinholen in ein warmes Zimmer?
Werden die Pelikane den Winter überleben?
Und ja, es ist ja offensichtlich,
sie vermochten zu überleben soviel...
Dann sah ich, unvermutet
(ich blickte ja nicht umher)
(in der Nachbarschaft der Pelikane)
das neue Gehege der Tiger...
da waren durchsichtige Wände erbaut
und es schien, als liefen die Tiger auf mich zu,
ich erschrak,
da war auch ein Gewässer im Außengehege
und sie beschrieben,
das Gewässer sei so tief, dass die Tiger zum Sprung nicht würden ansetzen können,
denn könnten sie,
sie nähmen die Menschen als Beute.
Sie hätten alles ausgemessen, sprachen die Tafeln,
die ich seit tausenden von Jahren zu lesen liebe.
Wieder und wieder las ich die Tafeln,
ich kannte sie auswendig,
hatte sie vor tausenden von Jahren auswendig gelernt
und immer wieder, es kamen neue hinzu.
Denn die Tiger, hatte ich sie nicht in ihrem engen Käfig gekannt,
hin und her die schweren Körper wendend.
Nun bemerkte ich, der alte Tiger,
der älteste von allen,
er schritt voran und zurück
als befände er sich noch immer in dem alten Käfig,
dabei, das Gelände war nun wirklich groß.
Der alte, schöne Tiger aber,
er schritt voran und zurück
als stünden nur wenige Meter ihm zu Verfügung.
Ich dachte, er will das nicht sehen, das Gelände,
das ihm nun zur Verfügung steht...
er wandelt dahin in seinem alten Gang,
er ist noch im engen Käfig,
er sieht die Weite nicht,
die sie ihm nun zur Verfügung stellten.
Gleich mir, so dachte ich,
er kann die Welt nicht mehr sehen,
nun wandelt einer alten Liebe er nach.
Und ich erreiche dich auch nicht mehr, Liebster,
so sehr die Leuchtschrift auch anschwillt, Tag um Tag,
du gingest mir verloren.
Was du mir schickst, es ist angstvoll,
du spielst, vertraust mir nicht mehr.
Bist du das, Liebster,
gingest du nun nach Stockholm?
Liegst du da,
entblößt dein Geschlecht,
Liebster, ich rieche dich,
du verfolgst meine armselige Spur,
das bist du,
du liegst verendend in Stockholm.
Rattentöter, müsste nun ich das sein,
die dir den Weg weist,
ausgerechnet ich,
die Ratte aus Kabul,
ankommend in Stockholm,
warum, warum ich,
ich überlebte ja kaum,
und doch,
ich sah die Tiger,
als ich den Teich der Pelikane besuchen wollte.
Dann warf ich mich noch einmal auf die Straßen Stockholms.
verführte dich erneut zu sprechen mit mir.
Ich verging fast vor Scham
(denn nicht nur hatte ich abgeworfen mein Gepäck,
nun lag ich da, die Beine gespreizt)
und sehnte mich so furchtbar nach dem alten Schacht,
dem verlassenen Elfenturm,
Liebster, ich irre umher in Stockholm,
die Stadt ist voller Ratten und du willst ja nicht kommen dahin.
Du willst die fetten Ratten nehmen nicht mehr,
das bist jetzt du, du sitzt in einem alten Turm
und ich kann verführen dich nicht mehr,
so wie ich das will, ganz und für immer.
Aus dem alten Turm heraus sprichst du mir kärgliche Worte,
aber, aber, da waren auch diese Bilder,
du sandtest mir sie,
sie versöhnten mich.
Dann sprach ich zu mir:
"Warum bist du nicht zufrieden, du,
die du gewähnt, niemals mehr ein Wort deines Liebsten zu vernehmen?
Warum ist das so,
das alles dir nicht genügt?"
Aber, Liebster,
ich träume doch,
noch immer,
einmal kämest du leibhaftig
und sprächest nicht mehr.
Muß ich nicht zufrieden sein
mit allem, was ist,
deiner kärglichen Antwort,
der unablässigen Leuchtschrift,
die du mir schickst,
als wüsstest du nicht,
nun bin ich nicht mehr in Kabul,
ich bin in Stockholm.
So verrückt ich werde,
so ruhig wirst du,
es ist ganz unglaublich,
mein alter Missbraucher,
nun lebt er in Kabul
und ich in Stockholm.
Und dass es nun er ist,
der alte Missbraucher,
ausgerechnet er,
der mir gewährt,
was ich immer zu meiden verstand:
Das Verlassenwerden.
Aber, war es nicht so,
ihn, ausgerechnet ihn erkor ich,
zu verlassen mich,
ihn zu betören,
festzuhalten, ganz fest.
Mit dir, Rattentöter,
fechte ich aus ein altes Duell.
Und ich weiß schon,
dieses Mal will ich alles wissen.
Wirst du, meiner armen Mutter gleich,
gehen für immer,
wirst du vernehmen mein flüsterndes, beschwörendes Wort,
werde, werde ich, Liebster, nicht zweimal, ein einziges Mal
verführen dich,
der du mich verführtest zum Leben,
werdet ihr alle, die ihr zum Leben verführtet mich
ein einziges Mal vor mir stehen, leibhaftig,
Liebster, wirst du?
Dass du verließest mich, Liebster,
es verwandelt mich dir an,
ich liebe dein Verlassen mich.
Es wirft mich hinein in die alte Zeit,
dein Nein, nach deinem schrecklichen Ja,
es betört mich.
Nur du, Rattentöter, wirst mich einmal
ahnen können,
sollte, sollte
die Erde sich drehen gegenläufig,
sollte sie..."
"Liebste, du stehst doch vor mir,
immerzu,
wie kannst du wissen das nicht,
die Erde dreht sich gegenläufig fort und fort
und umfängt mich mit dieser Angst, Angst, Angst.
Und die Worte, die ich spreche, sie sind furchtbar,
ganz furchtbar, ich habe Angst empor zu tauchen nicht mehr,
Liebste, das bist du allein,
ich erträume dich,
werfe ich nicht zur nächtlichen Stunde einen Anker in dein Herz?
Liebste, lebst du noch?
Wirst du einmal da sein, wenn ich sterben muß?
Und vielleicht, alles, alles, wird misslingen mir,
ich renne und renne,
und dann, später, Liebste, werde ich stehen an der alten Böschung,
sie wird im Nebel versunken sein,
es wird Dezember sein,
der Schnee wird fallen erneut
und zum allerletzten Mal,
Geliebte,
werde ich suchen müssen dich."
"Wirst du Liebster,
ich zweifle ganz unglaublich,
denn ich ahne dein brüchiges Wort,
ich kann es riechen.
Wirst du nicht alles vergessen,
was du mir sprachest um Mitternacht,
der von mir geliebten Zeit.
Existiere ich noch?
Nein, nein, nein.
Liebster, du hast die Felder vergessen,
sie gleissen nicht mehr
und es umschlingt dich nicht länger mein flüchtiges Bild,
es verlor sich in Kabul, in Stockholm
und es ist, als könne ich nie mehr sprechen
zu dir, meinem Liebsten, dem alten Missbraucher.
Du machtest dich davon,
hinein in die Wüste,
da zieht die Karawane voran und voran
und ich habe Angst, Angst, Angst.
Wirst du kein einziges Mal mehr liegen mir bei,
ich ertrage es nicht,
niemals werde ich ertragen dieses.
So schrecklich verlor ich dich,
du kannst gar nicht ahnen,
wie furchtbar das ist.
Liebster, du versteinertest,
die alten Lieder berühren dich nicht mehr,
nicht mehr,
und ich, ich muß doch singen und singen.
Kannst du nicht ein einziges Mal
richten dein Ohr, dein Auge
in die alte Zeit,
kannst du ein einziges zweites Mal nicht
hören mich,
mich allein?


177. Es ist alles nur für dich.

Weißt du,
es gelingt mir jetzt alles, alles,
ich mache, dass die Welt mir gehört,
und auch du,
schrecklicher Geliebter,
sollst einmal angehören mir.
Ohne dich ist alles umsonst.
Es ist alles nur für dich.
Gar nichts wäre gewesen ohne dich.
Es war um deinetwillen,
ich verkroch mich in den Schächten Kabuls,
ich rannte nach Stockholm.
Und Liebster,
ist es nicht merkwürdig,
ich starb nicht.
Ich dachte,
(meinem Vater gleich)
ich scheine zu leben fort und fort,
nichts, gar nichts wird zerstören mich,
ich ziehe hinein in den Krieg.
Eine Ratte, ein verwandelter Wurm bin ich.
Ich nehme die Witterung auf,
manchmal nehme ich auf mein Gepäck,
dann werfe ich es ab.
Wovon ich träumte, es verwandelt sich an jedem neuen Tag
(Ratten, die alten Würmer, sie sind so, Liebster),
es macht mich sterben nicht, nicht, nicht.
Mein Vater, der alte Häuserbauer,
der alles verkaufte, was er besaß,
mein Vater, der in den Krieg zog
("Es war seltsam, ich war nicht aufzuhalten, ich war verrückt", sprach er in einem Gespräch mit meinem Mann, das ich nur flüchtig anhörte, "niemand konnte aufhalten mich, ich wollte hinein in diesen Krieg."),
ihm verwandelte ich mich an.
Meinem Vater gehörte die Welt,
er liebte sie unnachahmlich.
Mein Vater rettete mich.
Ihm fuhr ich nach.
Traf ich jemals einen wie ihn?
Ach Liebster, wüsste er von dir,
mein Vater spräche: Nein, nein, nein.
Ich aber, ihm, meinem Vater gleich,
ich will und will
aufgeben nicht, nicht, nicht.
Ich richte und richte mich auf,
ihm gleich
sehne ich mich zu umschlingen
das Leben,
diese unvergleichliche Totenmelodie
(Mutter das warest du, dir gehörten wir an),
ich muß und muß.
Liebster, das bist du allein,
dir hänge und hänge ich an.
Das warest du, du allein,
du machtest mich finden die gleissenden Felder erneut,
du machtest die Kelle fallen aus meiner Hand,
die Schächte suchend,
die betörende Leuchtschrift.
Es war alles nur für dich.
Wie ich abwarf mein Rattengepäck
und die Beine spreizte
(ich schäme mich)
in Stockholm,
erwartend dich,
Liebster, es war alles nur für dich,
der du verschlossen hattest dein Ohr
für das "zweimal",
das warest doch du gewesen,
der es sprach.
Für mich, Liebster, es war für immer,
es war alles nur für dich,
beschwörend möchte ich dieses murmeln fort und fort
und vergessen meine furchtbare Angst, Angst, Angst.
Würdest, ach würdest du, Liebster, einmal suchen eine wie mich,
die Kelle war gefallen aus ihrer Hand,
in Kabul war sie verfallen der Leuchtschrift,
sie hatte die Beine gespreizt in den dunklen Gassen Stockholms,
sie wartete auf den schwarzen Wagen vor ihrer Tür,
er würde hinwegholen sie,
in dem schwarzen Wagen säßest du, Liebster,
du allein.
Liebster, ich sehe dich vor mir,
du öffnetest die schwere Tür,
für mich, nur für mich.
Denn nun, da das Haus zerfiel,
es bleibt mir der Wagen
(meinem Vater gleich),
ihn erwarte und erwarte ich.
Wohin wir wohl führen, Liebster,
kämest du, von mir herbeigeträumt?
Können Ratten, Würmer träumen?
Können sie ihren Liebsten finden,
ihm angehören?
Wird er finden sie und einmal sprechen:
Liebste, das warest du allein, du allein,
die mich leben machte,
ich erkannte dich in deiner sich verwandelnden Gestalt,
ich sah dich in den Ratten und Würmern,
ich sah dich auf den gleissenden Feldern,
ich sah
dich in Kabul und Stockholm,
das warest immer nur du.
Liebste, einmal sollst du sprechen,
"es war alles nur für dich."
"Liebste,
ich habe begonnen und begonnen zu fürchten dich,
ich will nicht, ich will nicht.
Ich lebe nicht mehr, nicht mehr so,
wie du es erträumst,
bin nicht mehr der, der ich einmal war.
Liebste, ich sage dir Nein,
ich zerreiße das Band.
Was ich sah, es genügt,
was war, es genügt,
ich kann nicht weitergehen.
Es ist auch nicht,
weil ich dich verlor,
dein Bild nicht mehr sehen kann,
es ist,
weil, weil
es meine Kraft übersteigt.
Gerade du, Liebste, übersteigst meine Kraft
und nie mehr wieder werde ich ankommen
vor deiner mich so lange, so lange betörenden Gestalt.
Liebste, das warest du,
du lehrtest mich das Nein,
nun spreche ich es zum allerersten Mal,
zu dir.
Mein Nein, es ist alles nur für dich,
für dich, die Bewohnerin des Elfenturms,
Liebste du warest so seltsam für mich,
niemals verstand ich,
warum du suchtest mich.
Du versuchtest mich so schrecklich
Und immer ahnte ich: ich war nicht gemeint.
Ich sehne mich, dir zu sagen mein Nein,
Liebste, verzeih' mir,
mein Wagen wird nicht vorfahren vor deiner Tür,
ich werde nicht reisen nach Kabul, nach Stockholm,
niemals, niemals."
"Wirst du mir nun niemals mehr begegnen, Liebster,
nicht in der lauten, nicht in der leisen Musik,
nicht auf den gleissenden Feldern, nicht in den Schächten Kabuls,
nicht in den dunklen Gassen Stockholms?
Liebster, ich muß sterben,
wenn du wahrmachst dein schreckliches Unterfangen.
Ich werde leben können nicht mehr,
Liebster, ich werde sterben.
Und ich glaube dir auch nicht,
im ganzen Leben glaube ich dir nicht.
Es ist ganz unmöglich, was du planst.
Warest das nicht du, der einmal leben wollte,
so schrecklich leben.
Warest nicht du das, der aufgab nicht?
Erwärmte mich nicht deine wunderbare Gestalt,
dein unaufhörliches Wort?
Liebster, es kann versiegen nicht,
Liebster, du warest gemeint,
wen sonst wohl hätte meinen können ich?
Du lebtest,
warest du nicht der einzige, der lebte im Totenreich?
Von wem sonst wohl könnte eine Antwort erwarten ich,
und Liebster,
ich bin so sicher,
du wirst und wirst,
einmal wirst du antworten mir,
genauso, wie ich es erträumt,
es ist alles nur für dich."
Ein Wort für dich zu finden
stelle ich mich auf den Kopf
und sammle die Brosamen auf.
Dann fuhr ein Wind durch die Stadt nach tausend Tagen
(ich habe mitgezählt),
ich hielt den Atem an,
verwirrt vom Gleissen der Leichtschrift
(sie kündete deine Ankunft mir, leibhaftig)
schloss ich meine Augen,
dann sprach ich "Nein"
(vergrub mich im alten Turm).
Liebster, wie rätselhaft du bist
(wie schrecklich ich).
War ich das, rief ich dich herbei?
War ich das, machte ich sprechen dich?
Kann ich das,
das zweimal machen?
Hätte, ja hätte ich nicht
leibhaftig (nicht geträumt)
nun wandern können zum Pelikanenteich
(ein wirkliches Wunder,
ich kann es ja selbst nicht begreifen,
du hattest ein Nachtlager gefunden am Zoo).
Hätte ich nicht anschauen können dich, leibhaftig?
Liebster, wieder und wieder bist du wunderbar,
du wirfst ab dein Gepäck
(ahnst, das ich sterben muß ohne dich).
Aber, aber,
aufsammelnd alles, was ich besaß,
aus den Gassen Stockholms rannte ich zurück nach Kabul.
Missbraucher, ich habe schreckliche Angst.
Wirfst du ab dein Gepäck, sammele ich meines auf.
Werfe ich meines ab, du packst deines.
Werde ich nicht bereuen bis zum Ende meiner Tage,
als du endlich riefest mich
(zu einem leibhaftigen Treffen, Worten nicht),
ich verbarg mich
in meinem Nonnenkleid, legte die Burka an.
Ach, Liebster, es ist alles nur für dich.
Für dich verberge ich mich und renne umher.
Und ich weiß ja, ich bin so sicher,
du wirst aufhören nicht zu rufen mich.
Nach der Wurm-und Rattengestalt die Form der Spinne nahm ich an,
ich webe ein Netz.
Es ist unglaublich, wie ich jetzt spielen kann,
Liebster, das bist du, es ist alles nur für dich.
Wie böse ich bin,
dich manchmal zerstören will für immer und immer.
Dann denke ich:
Nun fing ich ihn ein in meinem Netz,
nun werde zerstören ich ihn,
ich werde ihn verhungern lassen,
nun hängt er mir an,
nun kann er nicht mehr verlassen mich,
nun wird er nicht aufhören mir seine Botschaften zu schicken,
nun werde ich ihn schicken nach Stockholm.
Mit gespreizten Gliedern wird er in den Gassen liegen,
erwarten mich,
ich aber werde gegangen sein.
Liebster, ich bin furchtbar
(warnte dich keiner vor mir?).
Alter Missbraucher,
ich gebe dir alles zurück,
ich wähle die Währung,
die du verstehst.
Ich werde noch einmal die alte Enttäuscherin sein,
Liebster, ich kann,
du wirst mich sterben machen nicht.
Du glaubst nicht, wie ich es liebe,
die Enttäuscherin zu sein.
Den Brosamen werde entsagen ich,
auf den Kopf stellen mich nicht mehr,
nie mehr.
Ich werde dich tausend Jahre warten machen.
Liebster, es ist alles nur für mich.
Du ahnst nicht, wie böse ich bin.
Ich werde alles vernichten, alles, was war
und leben fort und fort.
Liebster, Rattentöter,
ich werde töten dich,
vielleicht werde töten ich dich.
Und springt auch die Leuchtschrift mich an,
Tag um Tag,
ich erhebe meinen Kopf,
ich wandere hinweg.
Nun müsstest du, fremder Missbraucher
viele, sehr viele Worte sprechen,
meiner Mutter Haus müsstest sehen du,
die Kelle, sie fiel aus meiner Hand,
die Häuser meines Vaters,
du müsstest sie sehen,
die gleissenden Felder müssten einmal sprechen zu dir.
Mich müsstest noch einmal sehen du,
mich ganz allein,
wie ich mich verbarg,
dich suchte,
Liebster,
es war alles nur für dich.
Und ich wollte wirklich und wirklich begegnen dir,
dir allein,
Liebster, die Leuchtschrift,
sie erreichte mich unablässig,
aber, aber,
wirst du einmal mich finden wollen,
so wie ich bin,
so armselig und verlassen,
so düster und grau,
so vom Scheitern gebrannt,
Liebster,
das wirst du wollen nicht, nicht.
Träumst du nicht von der alten Geliebten,
sie war wunderschön,
ihr Haar wehte im Wind,
sie trug ihre Gewänder nur für dich,
ihr Körper war jung und fieberte,
ein einziges Mal nur hättest berühren du müssen ihn,
Liebster, nun bin ich tot,
Liebster, ich starb,
ich wurde alt, so alt,
wirst du noch einmal finden mich,
wirst du wirklich und wahrhaftig ersehnen wollen mich?
Manchmal, manchmal
ich springe dich an,
manchmal ist es wie am allerersten Tag,
damals,
als wir unschuldig waren,
von der Leuchtschrift wußten nichts,
gar nichts,
damals,
Missbraucher,
damals, als du ängstigest mich,
Liebster,
nun musst du gehen in die alte, alte Zeit.
Willst du überhaupt finden mich,
den alten Wurm, die fette Ratte, die schreckliche Spinne?
Wirst du anfassen und verwandeln sie?
Wirst du, ausgerechnet du, alter Missbraucher, mein Rattentöter,
anfassen mich zum zweiten Mal und dich fürchten nicht,
dich fürchten vor gar nichts.
Dazu nämlich, Liebster, erwählte ich dich in meinen einsamen Gedanken,
er, so dachte ich, er allein, wer sonst,
einmal wird er anfassen mich.
Wer anfasste mich, die Nonne, ein alter Missbraucher, ein Rattentöter müsste er sein.
Er müsste mich riechen,
den verfaulten Gestank Kabuls,
den Geschlechtergestank Stockholms,
er müsste ahnen, dass ich nichts zu verlieren habe
und er, auch er,
er dürfte bedenken nicht zuviel.
Müßte nicht hineinwerfen er sich in die alte, alte Zeit?
Nun müsste er aufgeben alles, was ihm wichtig ist
(niemals, Liebster, du wirst nicht),
die alte Ratte treffen,
die einzige,
er tötete sie nicht.
Nun irrt sie umher,
und wird sie nicht schöner mit jedem Tag?
Wirft sie nicht ab ihr altes Fell,
gleisst sie nun nicht wie am allerersten Tag?
Nun müsstest du einmal sprechen zu ihr:
"Liebste", müsstest du sagen,
"ich sehe dich vor mir wie am allerersten Tag."
Denn, Liebster,
die alte Ratte, sie ist nicht mehr,
was sie einmal war,
sie gebar sich neu,
nun leuchtet sie.
In der Erwartung deiner wunderbaren Gestalt,
(kündete die Leuchtschrift nicht von ihr...)
verwandelte sie sich,
warf ab ihr Rattenfell,
ihr Angesicht gleisst und gleisst.
Liebster, sie erwartet deiner.
Es ist alles nur für dich.
Wer hätte gedacht, dass noch einmal umgäbe sie dieser Schein,
und liebt sie nicht das Aufscheinen der Leuchtschrift,
sie hört gar nicht mehr auf,
Liebster, das musst du sein,
du schickst sie mir,
du sehnst dich nach mir,
der alten Ratte,
nach Kabul, nach Stockholm,
dem Teich der Pelikane,
dem Gehege der Tiger.
Für dich, Liebster, wandere ich umher,
es ist alles nur für dich.
Ich bin auch so sicher,
Liebster,
nun wirst du weiter sprechen zu mir,
mich wirst vergessen können du nicht, nicht, nicht.
Niemals, Liebster,
es ist unmöglich.
Wieder und wieder wirst du kommen in meine Stadt
und einladen mich.
Und einmal werde ich vor dir stehen,
einmal werde ich kommen,
du kannst ganz sicher sein.
In deine Arme werde fallen ich.
Ich habe schreckliche Angst,
genieße das Warten so unheimlich,
das Vorher,
die Zeit ,
bevor alles sich entscheiden wird,
denn vielleicht, vielleicht, Liebster,
wirst du noch einmal schultern dein Gepäck,
vielleicht werde ich das sein,
die davonrennt.
Vielleicht muß ich nun die Seiten schließen,
mir wird so bewusst,
die aufscheinende Leuchtschrift,
eine Antwort ihr finde ich nicht, nicht, nicht.
Da bist du, ich kann dich sehen,
Liebster, du verwirrst dich,
du vergaßest mich,
der du die Leuchtschrift schickst,
du weißt gar nicht mehr,
wo du bist,
wo ich bin.
Verloren wir uns nicht?
Werden die gleissenden Felder wir sehen ein einziges, einziges Mal?
Wirst du dich erinnern an mich,
wie ich einmal war,
wirst erinnern du dich an dich, wie du einmal warest?
Liebster, du enttäuschtest mich unnachahmlich.
Für dich lag ich in den Schächten, in den Gassen Stockholms.
Es war alles nur für dich,
du aber,
vermochtest nicht,
zu hören nicht, was ich sprach:
Es ist alles nur für dich, für dich, für dich.
Wie dumm ich bin,
so alt und fett und rattengleich ich wurde,
Liebster,
von dir konnte aufhören zu träumen ich nicht.
Das warest du,
niemals verstandest du die alte Melodie,
sie suchte und suchte dich,
niemanden sonst.
Liebster, wie schrecklich du bist.
Ich will das nicht mehr,
ich will das alles nicht mehr
und ich komme auch nicht,
Liebster, ich will nicht.
Schreib mir nie mehr über deine Kinder, deine Frau,
ich hasse es,
ich laufe davon,
sprich mir kein einziges Wort mehr davon.
Ich will alles vergessen.
Nie mehr will ich hören ein Wort,
das mich nicht meint.
Wie ich die Leuchtschrift hasse.
Liebster, es ist soweit,
ist es nach tausenden von Jahren nicht endlich soweit?
Mußt du nicht endlich sprechen und sagen:
"Ich liebe dich, seit tausenden von Jahren liebe ich dich,
dich allein... und fand ich auch hunderttausende von Methoden
dich zu lieben nicht, nun ist die allerletzte Zeit gekommen...
und ich will auch nicht mehr verstellen mein Wort,
nun höre ich auf die Leuchtschrift zu schicken,
Liebste,
nun musst du nicht mehr rennen nach Kabul,
liegen in Stockholm,
nun musst du nicht mehr berechnen mein unwägbares, murmelndes Wort,
nun spreche ich laut und deutlich."
"Liebste, wirst du hören können es?
Sandt' ich es nicht schon einmal aus?
Wie viele Male verlangst du?
Soll ich mich werfen in den Sand?
Wohin ich mich wohl werfen soll?
Wohin einladen dich?
Gibt es diesen Ort,
an dem ich dir begegnen kann?
Wie nackt muß ich sein,
wie entblößt?
Wie trifft man den alten Wurm,
der zu begehren begann,
die überlebende Ratte,
die schreckliche Spinne?
Wohin muß man gehen?
Stand ich nicht tausende von Malen vor dir,
schreckliche Geliebte?"

"Liebster, nun musst du unvermutet kommen,
deinen Wagen parken vor meiner Tür.
Nur um meinetwillen musst du kommen,
sonst sage ich Nein.
Den ganzen weiten Weg musst du fahren,
nicht wissend, ob ich da bin.
Liebster, du musst.
Und öffne ich nicht meine Tür,
dann musst du liegen vor meiner Tür.
Denn einmal, ein zweites Mal,
ich werde treten hinaus,
einmal werde aufheben ich dich,
gesetzt den Fall, Liebster,
du suchst mich, mich ganz allein,
ich werde ganz sicher kommen zu dir.
Gesetzt den Fall, Liebster,
du sprächest nicht mehr,
kein einziges Wort,
denn ich kann die Worte nicht mehr ertragen,
Liebster ich spreche kein einziges Wort mehr,
nun halte ich Ausschau nach deinem Wagen,
deiner Gestalt,
nun will ich in die Arme fallen dir."
"In welchem deiner alten Romane, Liebste,
hast du gelesen?
Zu wem du mich wohl machst,
zu welch angelesener Gestalt?
Wem ich wohl nachzueifern habe,
welch verlorenem Tor?
Wie viele Drachen soll ich töten für dich?
Du aber, Liebste, wo bist du,
verharrst du in Kabul,
ranntest du nun nach Stockholm,
oder aber,
bist du das,
du erwartest mich an der Böschung
(wo eigentlich ist das?).
Stehst du nun genau da,
genau an dieser Stelle,
von der hinwegrennen musste ich?
Und warum überhaupt
hörst du nicht auf zu fragen mich?
Denn, Liebste,
ich glaube dir nicht, nicht, nicht.
Und ich werde auch nicht antreiben lassen mich,
niemals von dir, nie wieder von dir.
"Aber, Liebster,
das bin doch einfach nur ich
und es ist mir so egal,
wo du mich findest,
im Tierpark vielleicht,
warum nicht endlich dort?
Du musst nur ein einziges Mal noch fragen,
dann komme ich,
ich schwöre.
Und sicher, ganz sicher,
ich stehe da,
genau an der Stelle,
von der hinweg ranntest du,
genau da stehe ich.
Liebster,
nun musst du abholen mich,
bitte, bitte.
Warum schreibst du mir nicht mehr,
was du wohl verlangst?
Ich verlange gar nicht viel,
du musst auch keine Drachen töten mehr,
nur ansehen sollst du mich,
ein einziges Mal,
ich weiß schon,
ich rannte davon,
ich kam ja nicht,
so wie du es wolltest,
Liebster,
ich konnte nicht.
Ich will auch nicht, was du willst,
ich will die Worte nicht mehr,
nur ansehen will ich dich
und Liebster,
warum kommst du nicht einfach einmal anzusehen mich,
mich allein.
Es ist ganz sicher,
nun müsstest du vergessen alles,
was dir wichtig ist
und hineinwerfen dich
in die schreckliche Nacht,
denn Liebster,
ich erwarte dich ganz unnachahmlich
und niemanden sonst.
Wie stumm du bist,
wie du mich hasst, mein schreckliches Schweigen.
Ich weiß es nicht mehr,
warf ich nun erneut ab mein Gepäck?
Liebster, das musst du mir sagen,
ich weiß es nicht mehr,
antwortete ich dir oder schwieg ich,
ich erinnere mich nicht.
Mir ist, als hätte gesprochen ich erneut.
Bitte, bitte, nun musst du mir eine Antwort schicken,
Liebster, du darfst schweigen nicht mehr,
wirf mich nicht hinein in die tote Zeit.
Wie sicher, wie sicher ich war am gestrigen Abend,
wie erregt und verwirt,
Liebster, am gestrigen Abend
standest du deutlich vor mir.
Liebster, manchmal verstehst du es mir zu schreiben,
als sei alles entschieden,
als gehörten wir einander an,
als gäbe es auch für uns ein "wie immer".
Liebster, du bist wunderbar,
jedoch,
kein weiteres Mal ludest du mich ein,
und sprachest du auch,
als meintest du mich allein,
du kommst nicht vor meine Tür.
Du wirst nicht kommen.
(Ich erwarte zuviel, viel zuviel...
wie schrecklich ich bin...
warum kann ich das nicht,
einfach zufrieden sein, Liebster,
das warest du,
du allein,
du hörtest mein Wort,
ich deines...
dein wunderbares,
nicht versiegendes Wort,
es rettete mich...
leibhaftig und unnachahmlich schicktest du mir dein Wort,
du machtest mich auferstehen aus dem Totenreich.)
Aber, Liebster, einmal werde ich machen das Leibhaftige,
ganz sicher, Liebster, ich werde,
ich werde mich setzen auf deine Spur,
ich kann dich ahnen,
du ersehnst mich
und alles was du sprichst,
es handelt von mir.
Und wollte ich nun, ein einziges weiteres Mal,
begegnen dir,
ich wüsste, wie das geht.
Ich weiß es ganz genau.
Am 15. Dezember, so las ich,
wird ein unendlich langer Vollmond stehen in der Galaxie,
sei versichert,
dich werde schauen ich an,
und es war mir auch, als hättest du alles verstanden vom Mond in Wien,
Liebster, wie wunderbar du bist,
von der alten Stadt meiner Träume sprachest,
als wärest du mit mir gegangen durch sie.
Wie ich dich beschwören will,
komm ein einziges Mal mit mir nach Wien...
bitte, bitte, Liebster,
kannst du,
nun da der Vollmond unendlich scheinen wird in wenigen Tagen
nicht abwerfen dein Gepäck?
Ich will dir auch versprechen,
abzuwerfen meines.
Lass mich rennen nach Wien,
die von dir so genannte Stadt aus einer anderen Welt.
Woher weißt du das?
Wie kannst du wissen, dass der Winter mir scheint,
als gleissten die Felder?
Liebster, warum weißt du alles?
Vielleicht, vielleicht,
nach der Rattenschächtestadt Kabul, der Rattentodesstadt Stockholm,
nun scheint der Mond in Wien,
der alten Stadt meiner größten Liebe, meiner Hoffnungsstadt,
ich erträume, nun scheint der Mond in Wien,
und kann ich ihn auch nur verhalten sehen,
blass, so blass,
Liebster ich muß auf dich warten in Wien.
Zu Beginn des Neuen Jahres werde ich gleich zweimal fahren dahin,
kommst du nun oder auch nicht.
Der blasse Mond über dem Dom wird mir Auskunft geben.
Wie immer wird er mir Auskunft geben
und vielleicht wird er sagen:
Dein Liebster, morgen schon wird er kommen,
das neue Jahr wird er versäumen nicht, nicht, nicht.
Er wird auch nicht mehr atmen können,
das neue Jahr wird bestehen können er nicht ohne dich.
Die Zeit des Aushaltens,
nun ist sie vorbei,
ich hoffe so sehr, nun ist sie vorbei.
Aber Liebster,
wie recht du hast.
Niemals, niemals wird mein Traum erfüllen sich,
das bin ich
(wie seltsam),
ich will nicht.
Manchmal werfe ich ab mein Gepäck,
dann renne ich zurück
es überzuwerfen mir.
Und je länger ich nachdenke, Kabul ist meine Stadt.
Das warest du,
die begehrte Leuchtschrift,
sie lockte die Ratte aus dem Schacht,
in dem sie sich verborgen hatte
ihr ganzes schreckliches Leben lang.
Dass sie nicht blind ward,
ein Wunder.
Dass sie das Begehren nicht vergaß,
ein unglaubliches Vorkommnis.
Missbraucher, das warest du,
du triebest die Ratte nach Stockholm.
Und weißt du, so einsam wie dort war sie noch nie gewesen,
betäubt vom Geruch der Geschlechter
lag sie da mit gespreizten Beinen.
Sie erfand Worte,
angelockt vom Geruch deines Geschlechts.
In Stockholm lag sie ohne Gepäck und schämte sich nicht,
denn sie wünschte zu sterben,
starb aber nicht,
und lagen die Ratten auch zu tausenden sterbend in Stockholm,
Liebster, ich starb nicht und konnte nicht sterben.
"Liebste, das war ich,
ich nahm dich auf und trug dich hinweg,
dein Gepäck sammelte ich auf.
Kannst du dich nicht erinnern?
Der Schnee begann zu fallen,
die Dunkelheit fiel ein.
Eiszapfen wuchsen aus deinem Mund.
Nein, Liebste, ich küsste dich nicht.
Ich nahm dich auf und trug dich hinweg.
Zum Feuer trug ich dich,
in Stockholm brannten tausende von Feuern
in dieser Zeit,
in ihrem Schein zerschmolz das Eis.
Erinnerst du dich nicht?
Von meinen Kindern, weit weg von mir, erzählte ich dir,
und dass ich nicht mehr leben kann ohne sie,
dass du meine allerletzte Hoffnung bist,
gab ich an.
Alles, alles breitete ich aus vor dir.
Im Schein des Feuers von Stockholm taute das Eis.
Und ich sah, du,
die du sterben hattest wollen,
die Hitze des Feuers belebte dein Angesicht.
Mir war auch, du murmeltest fremde Namen und Worte,
die ich nicht verstehen konnte
und Liebste, ich dachte,
was bin ich ihr,
nun spricht sie die fremden Namen,
meint mich nicht.
Plötzlich war ich ganz sicher,
so sicher wie ich immer gewesen war,
das war nicht ich,
mich meintest du nicht.
Eine tiefe Traurigkeit erfasste mich.
Ich dachte:
Sie, die ich aufgenommen hatte,
sie weiß nichts von mir,
meiner erinnern wird sie sich nicht,
niemals wird sie begreifen,
wie stark ich ihrer bedarf,
dass ich einmal sie trug zum Feuer in Stockholm."
"Liebster, doch,
wer sonst wohl hätte tragen mich können?
Und hörtest du nicht deinen Namen,
ich sprach ihn so laut,
immer und immer,
ich sprach nur von dir,
es ist alles nur für dich.
Liebster, das bist du,
du allein.
Warum ist das so,
dass du nicht hören kannst,
wie ich deinen Namen spreche allein?
Warum eigentlich küsstest du mich nicht,
damals am Feuer?
Wozu sonst war ich gewandert nach Stockholm,
als meinen alten Missbraucher zu treffen,
leibhaftig,
das war er, den ich floh, er hatte mich losgeschickt,
hatte die Leuchtschrift mir gesandt nach Kabul.
Seinem alten Duft hing ich an,
er macht die Beine spreizen mich.
Warum nicht, Geliebter?
Was dich wohl bewog,
mich nicht zu küssen, zu gebrauchen in Stockholm?
Warum nicht, Geliebter?
Mir scheint auch,
dessen Namen ich murmelte,
er existierte nicht mehr,
er vermochte zu vernehmen nicht mein gemurmeltes Wort.
Ausgerechnet in Stockholm,
Rattentöter,
das warest du,
du schrecktest zurück.
Als sei ich nun die Heilige in ihrem Turm,
als müsse man mich auf Händen tragen,
als hätte ich nicht tausend Mal geträumt von Stockholm,
als müsstest du liegen vor meiner Tür...
Hättest, ach hättest du mich genommen in Stockholm...
ich wäre ganz sicher gestorben
und ich wollte sterben,
dich hatte ich auserkoren zu töten mich,
die Beine gespreizt.
In einem schrecklichen letzten Akt,
einem leibhaftigen,
so hatte ich geträumt,
würde verlassen ich die Welt,
und, Liebster, das wärest du gewesen,
der mich zum letzten Mal berührt mit seinem furchtbaren Geschlecht.
Wie du dich verwandelst, Geliebter,
ich kann es nicht begreifen.
Wer du bist und sein willst,
ich ahne dich nicht mehr.
Du bist nicht mehr der,
dem ich anhing,
Missbraucher,
du willst mich missbrauchen nicht mehr.
Ich aber,
immer und immer ersehnte den Missbraucher ich,
denn ich wollte sterben und leben nicht.
"Liebste, ich bin und bin nicht der,
der ich immer war.
Für dich blieb ich gleich.
Und trug ich dich auch zum Feuer von Stockholm
und küsste dich nicht,
wer sagt, dass ich das nicht war und bin?
Für mich ist alles vorbei,
vom Beiwohnen den Frauen träume ich nicht mehr.
Ich habe alles vergessen,
ich lebe nicht mehr.
Eiszapfen wachsen aus meinem Mund.
Ich werde mich werfen vor deine Tür,
vor der mein Wagen anhalten wird nicht, nicht, nicht.
Liebste, nun musst du aufheben mich."
"Liebster, ich will.
Am übernächsten Tag, ich werde,
der Vollmond wird scheinen eine unendliche Zeit,
Liebster, ich werde.
Ich werde dich küssen machen mich,
ich weiß,
wie das geht.
Ich werde sprechen:
Liebster, wo bist du,
warum versäumtest du das Feuer in Stockholm,
nun kam einer,
der suchte zu zerbomben Stockholm,
er scheiterte,
Stockholm,
nun scheint diese Stadt,
als wäre sie entkommen den gleissenden Feldern."
"Liebste, du willst mich küssen machen dich,
ich höre,
ich höre alles, was du sagst.
Und wieder kehrst du alles um und um,
verwirrst dich und mich,
der ich einmal küssen wollte dich.
Liebste, ich wagte es nicht.
Auch am Feuer in Stockolm,
ich wagte es nicht,
seit tausenden von Jahren,
in denen du mich zum Missbraucher machtest,
ich wage es nicht
und will sein nicht der,
den du aus mir machst.
Ich werde und werde nicht.
Vielleicht aber, einmal,
wirst du sehen mich,
ich bin der alte, alte Wurm,
der verwandelte Rattentöter
und Liebste,
das warest du allein,
du verwandeltest mich,
es war ganz unglaublich,
ich wusste nicht mehr ein und aus,
das war ich sicher nicht.
Niemals war ich,
was du geträumt,
es bezirzte mich unnachahmlich
und immer wollte ich sprechen:
Liebste, das bin nicht ich, den du siehst,
und doch, es gefiel mir so sehr,
so unglaublich,
du, ausgerechnet du jagtest mir nach,
einer Hallunzination.
Ich sonnte mich in deinem Fiebertraum, in ihm begann ich zu leben."
"Ach Liebster, du musst mich einmal küssen,
bedenke wie lange der Vollmond in der Galaxie scheint,
so lange, wie es keiner gedacht.
Mach den Wind noch einmal kommen in meine Stadt,
laß mich nicht den ganzen Winter warten.
Ich will so schrecklich machen,
dass du hörst mein Wort
und nicht schlafen kannst,
nie mehr.
Am Feuer von Stockholm,
laß uns noch einmal fahren dahin,
berühre mich endlich.
Ist es nun deine Berührung,
ist es die Abwesenheit ihrer,
dies lange Vermissen,
Liebster, lass einen Wind fahren durch die Stadt,
ich will jetzt alles wissen.
Hallunzinierte ich,
war es wirklich ein Fiebertraum,
oder aber,
Rattentöter, Missbraucher,
wolltest du einmal treffen mich allein,
war ich das, die dich ersehnte?
Tausend Tage
(ich dachte: tausend Jahre)
in denen du schwiegest,
ich dich aber nicht verlor,
ich hielt dich fest mit meinem erdachten Wort.
(Aber, aber,
nachdem du gegangen warest, von mir verwünscht
(so trieb ich noch keinen hinaus,
so kalt und unerbittlich)
ich vergaß dich eine lange Zeit,
ich wusste gar nicht mehr, dass du existierst,
dieser schäbige Mensch, der mich hatte missbrauchen wollen,
ich ließ ihn zur Hölle fahren,
hinein in den dunkelsten Schacht der Welt.)
Wie hast du das gemacht, dass ich dir nachkroch,
den ich verachtete, suchte,
den ich fürchtete, ersehnte,
den Missbraucher zum Erlöser erkor?
Und ich sprach auch noch hunderte von Tagen,
nachdem du verstummt, mit dir, mit dir allein.
Ich konnte aufgeben nicht.
Den Grund kenne ich nicht und will ihn nicht kennen.
Und ist es nichts so,
es war ein verstörend wunderbares Jahr,
dass sich nun neigt.
Ein solchen Jahr konnte erfinden ich nicht.
Ich fand dich, verlor dich erneut, fand dich wieder
(leibhaftig).
Ich hörte dein Wort.
(War ich das, erweckte ich dich zum Leben?
Wie habe ich das gemacht?)
Liebster,
warest du das
(wie ich zu träumen liebe)
du konntest vergessen und vergessen mich nicht.
Und ist es nicht seltsam, du vergabest mir,
wie ich dir vergab?
Du verzaubertest mich.


178. Du meinst mich nicht.

"Es bohrt sich der schrecklichste aller Gedanken in mein Herz:
Du meinst mich nicht.
Es war alles umsonst.
Und alle Brosamen,
die ich auflas und verwarf,
sie sind bedeutungslos,
denn Liebster,
du meinst mich nicht
und meintest mich niemals.
Und alle Worte,
die ich machte sprechen dich,
sie sind falsch und erpresst.
Liebster, du meinst mich nicht.
Mach, dass ich schlafen kann,
erwachen muß nicht.
Mach mich sehen dein Antlitz für immer,
Liebster, ich will erwachen nicht mehr.
Lass mich vergessen den Wind,
ich vermeinte, er führe durch die Stadt.
Nie mehr wird er fahren,
alles versäumte ich,
dass du einmal wägtest zu meinen mich.
Zu dieser seltsamen Heiligen erkorest du mich,
ich kann es gar nicht fassen,
Liebster, alter Missbraucher, Rattentöter,
du, ausgerechnet du,
hörtest auf zu meinen mich.
Du verdrehtest die alte Zeit,
machtest sie "vorbei, vorbei"
und all die Worte, die du sprachest:
sie raunten: "vorbei, vorbei,
alles vorbei."
Und damals, am Feuer in Stockholm
(war ich nicht fast gestorben, dir zuzufallen?),
du küsstest mich nicht.
Liebster, du meintest mich nicht.
Und ist es nicht furchtbar,
nun, da wir sprachen ein Jahr lang,
alles löschten wir aus,
was gewesen war
mit unsere Worten...
wir löschten die gleissenden Felder aus,
wir löschten Kabul und Stockholm,
wir löschten den Mond über dem Dom in Wien
und je länger wir sprachen
um so ausgelöschter ward,
was gewesen war.
Meine allergrößte Hoffnung wurde zur allergrößten Niederlage mir,
ich kann es nicht mehr verschweigen,
es ist alles vorbei,
denn du, Liebster,
vergaßest den Beginn,
dein Begehren,
in einer schrecklichen Schleife
machtest du mich noch einmal
zur Bewohnerin des Elfenturmes,
der alten Nonne,
verhungern mich.
Es war,
als seiest du nicht gewesen,
niemals gewesen,
als sei ich umsonst gerannt
die gleissenden Felder zu sehen,
nach Kabul, nach Stockholm,
umsonst hatte ich die Beine gespreizt,
denn mich hattest du nicht gemeint."
"Ich weiß nicht, Liebste,
ich weiß nicht.
Du bedeutest mir so viel.
Ohne dich wäre gestorben ich.
Anderes kann ich nicht sagen,
denn ich bin nicht mehr der,
der ich einmal war,
vielleicht,
wir verfehlten uns.
Und kannst du nicht fühlen, wie ich deiner bedarf?
Und das Feuer in Stockholm,
Liebste,
die gleissenden Felder auch,
sie bewegten mein armes Leben,
ich dachte tausende von Tagen an dich,
immer nur an dich.
Aber, dich zu nehmen wie einst,
es kam mir nicht in den Sinn."
"Wie schade,
wie wirklich schade,
Liebster.
Nun, da ich verließ mein altes Gemach,
das bist du,
du verbarrikadierst dich,
ich weiß gar nicht, wo.
Wie überstehst du die Zeit,
die sogenannte geweihte Zeit...
ich habe Angst.
Wie kannst du überleben die Zeit,
ohne den Frauen zu liegen bei?
Liebster, ich flehe dich an
zu gehen hinaus,
und du musst auch gar nicht bedenken
und meinen mich.
Liebster, du darfst mich vergessen.
Ich war ja kaum.
Und doch, manchmal konnte ich dich sehen
und ich träumte so heftig
auch du,
du sähest mich
und es war,
als hätten wir uns gemeint.
Dann sah ich die Kurve,
ich sah den Wagen,
gesteuert von dir,
er fuhr himmelwärts
und ich dachte,
das war ich,
ich hielt dich auf.
Was ich wohl anmaßte mir,
welche Bedeutung ich zusprach mir,
denn, Liebster,
du meintest mich nicht."
Ich wusste sofort,
mein schrecklicher Wunsch, er erfüllte sich.
Wie um mich zu trösten sprachest du davon
nicht allein zu sein in der geweihten Nacht
("ich fand einen Menschen, dem es nichts ausmacht, wenn ich anstrengend bin").
Ich wusste sofort,
nun liegst du ihr bei.
Ich wusste sofort,
du meinst sie nicht.
Ich wusste sofort,
nun tut er mir weh.
Ich wusste sofort,
nun will ich ihn verwunden.
"Ich feierte die geweihte Nacht mit meinem Mann"
(nun zauberte ich ihn hervor, von dem niemals die Rede gewesen war),
plante zu schreiben ich
und ja, ich schrieb.
Ein technischer Defekt allein verhinderte die übermittlung meiner Botschaft
(oder warst du das, Mutter, warest du das Vater,
hieltet ihr eure schützende Hand über mich und wolltet nicht,
dass ich sterben muß vor Scham?),
denn es beschämte mich meine schnelle Antwort, mein schreckliches Drängen,
die unsagbare Enttäuschung,
denn hatte ich nicht gehofft,
einmal würdest du sprechen zu mir:
"Ohne dich, ich werde verderben."
Und hatte ich dir auch tausende von Geliebten gewünscht,
deinen Tod gefürchtet und meine Schuld,
Liebster, deine Heilige,
sie wünschte zu töten dich,
dann fiel sie auf die Knie,
denn, war es nicht wunderbar,
die Worte, die ich geschrieben,
ich vermochte zu halten sie an.
Vor dir aber,
ich werfe mich nicht in den Sand,
vor dir knie ich nicht,
deinen Liebsten verwandle ich mich nicht an
und einen wunderbareren Tag als den heutigen
erlebte ich kaum,
denn Liebster,
meine Botschaft, sie erreichte dich nicht,
und ich hoffe und hoffe,
nun fahre ich fort
zu schreiben dir nicht.
Ich bete zu Gott,
laß mich vergraben sein in den Schächten,
laß mich mauern am Elfenturm,
laß mich nie wieder gehen hinaus.
Denn, Liebster, es beschämt mich das Licht,
das Feuer von Stockholm.
Laß mich träumen von dir
und nichts erhoffen,
laß mich die Wirklichkeit vergessen
eine lange Zeit.
Später vielleicht
wird noch einmal gehen ein Wind durch die Stadt,
später vielleicht
werde aufrichten ich mich.
Ein furchtbarer Traum bedrängte mich in der Nacht.
Wir feierten den Geburtstag meines Vaters,
da warest plötzlich du,
du standest in der Küche und wuschest das Geschirr.
Ich umarmte meinen Vater,
er war schweißbedeckt,
ich sah dich ansehen mich.
Ich fühlte mich so fremd, so allein,
und außer meinem Vater hatte ich keinen.
Dann gingen alle, viele, viele Menschen
zu dem Ort,
an dem wir meinen Vater feiern wollten.
Du aber warest plötzlich nicht mehr da.
Ich schrak auf in einer unglaublichen Furcht:
Ich dachte, nun wird er alles lesen, was ich schrieb,
er blieb in der Wohnung,
er wird alles, alles lesen.
Alles, was ich schrieb, wird mitnehmen er.
Ich rannte zurück,
aufzuhalten dich,
dann wachte ich auf,
schweißbedeckt.
Liebster, das war ich,
ich hielt die Botschaft auf,
niemals sollte erreichen sie dich.
Niemals sollte sie künden dir.
So seltsam charmant du auch dich geriertest,
mich kannst du nicht betrügen,
du liegst den Frauen bei
und niemals gedachtest zu sprechen du:
"Ohne dich, ich werde verderben"
(manchmal vielleicht, Liebster,
dann wenn die Nacht dunkel war), ich weiß es nicht.
Nun werde eine unerdenkliche Zeit ich nicht mehr senden mein Wort,
ich werde verstummen,
Liebster, ich kann, ich kann das,
ich bete zu Gott und meinen Eltern,
sie werden da sein
zu beschützen mich,
sie werden bewahren mich,
Liebster, du wirst schon sehen.
Und genügte dir deine neue Liebste,
ich rennte davon für immer.
Sollte genügen dir,
etwas außerhalb meiner,
ich rennte ganz sicher davon.
Heute, Liebster, es war ein wunderbarer Tag,
ich begann ihn aufrecht und mit Stolz,
(auch ohne dich, gerade ohne dich)
ich war wunderschön,
deiner bedurfte ich nicht,
der schreckliche Traum hatte mich befreit,
ich atmete.
Und ich sehnte mich zu leben
ohne dich,
den Frauenbeilieger.
Ach, Liebster, nichts ist schwerer
als zu senden dir nicht mein Wort,
noch einmal löschte ich alles aus,
und ich verbarg es auch nicht in meinem Eisenschrank,
nein, Liebster,
ich löschte alles, alles aus.
Ich werde warten eine unendliche Zeit,
Liebster, ich kann das.
Denn niemals wieder werde ich schreiben einem,
der meinte mich nicht.
Einem, der alles vergaß, alles, einfach alles,
Liebster, wie kannst du,
wie kannst du vergessen alles?
Umschlang dich nicht mein Wort im alten Jahr,
ich liebte es ganz unglaublich.
Bitte, bitte sag nicht,
dass es nicht war,
bitte, Liebster,
du musst mir schicken ein Wort,
ein einziges Wort.
Sag noch einmal, ein einziges Mal:
Ich will dich treffen.
Mach noch einmal den Wind fahren durch die Stadt
und lass mich stark sein
und antworten dir: Ja.
Seit ich dir nicht mehr schreibe
(und du mir nicht),
nachdem wir einander jagten in einem
unablässigen Dialog,
beginne ich zu grübeln,
ich wäge ab die vergangenen Worte,
die du sprachest zu mir,
suche herauszufinden,
wer ich bin
für dich.
Ob es dich nicht seltsam anmutete,
wie oft ich dir schrieb,
wie oft du mir?
Wie die Zeit verflog und nicht verging,
denn wir waren schnell,
wirklich schnell,
kaum hielten wir den Atem an.
Liebster, wer ich wohl bin für dich?
Wer wäre schon so verrückt
nach Jahren
aufzunehmen einen abgebrochenen, scheiternden Dialog,
wer wohl hätte es vermocht
festzuhalten, sich festzubeißen
außer uns?
Wie du das wohl siehst?
Ich ahne:
Du suchst die Heilige
und
(deshalb liebe ich dich),
es drängt dich
zu machen den Wind fahren durch die Stadt,
mir zu liegen bei.
Aufhören wirst du nicht,
bis die Heilige dir liegt bei.
Und ahnen, Liebster, kannst du nicht,
sie ersehnt ja nichts anderes.
Während du sie betörst,
die Heilige beschwörst,
sie spreizt ihre Beine.


179. Ein Erlöserjahr

Eine schreckliche Scham erfasste mich,
wieder und wieder,
aber, aber,
es war ein wunderbares Jahr,
ein Erlöserjahr.
Denn ich war gar nicht tot.
Du lebtest.
Genügte es nicht?
Ich will nicht weiterdenken.
Dir danken will ich.
Und wohin ich auch gehen werde,
wohin du,
es ist ganz egal.
Und sähen wir uns im ganzen Leben nicht mehr,
es ist ganz egal.
Es war ein Erlöserjahr,
du wurdest mir leibhaftig.
Einmal hattest du mir geschenkt den Traum,
nun schenktest du mir Leibhaftigkeit.
Von den gleissenden Feldern rannte ich nach Kabul,
von Kabul nach Stockholm.
Liebster, du hörtest mein Lied.
Ich konnte gar nicht mehr singen,
vom Warten verbraucht.
Da war diese kleine, arme Melodie,
sie schwand nicht.
Ich murmelte sie in die Dunkelheit,
tausend Tage murmelte ich.
Das warest du,
du machtest alles laut,
du machtest den Wind fahren durch die Stadt
und es war,
als ertönte das alte Lied.
Du erwecktest meine Mutter zum Leben,
und in einer meiner verrücktesten Phantasien,
du warest sie.
Da war das Denkmal,
an ihm mauerte und mauerte ich.
Und schlugen sie die Kelle aus meiner Hand auch tausendfach,
ich nahm sie wieder auf.
Liebster, du gabest mir meine Stimme zurück,
die Kelle in meine Hand.
Du warest einfach wunderbar.
Wie hätte ich überleben sollen ohne dich?
Wirst du einmal, einmal ahnen,
dass nicht nur ich das war,
die beistand dir,
dass du das warest,
der mich gefangen nahm,
zuordnete dem Leben hin?
Wirst du einmal begreifen,
ohne dich,
mein Lied,
es wäre verstummt?
Wirst du einmal aufhören
zu beschwören mich,
die alte Heilige,
die Bewohnerin des Elfenturmes,
wirst du einmal erinnern dich
der Gier, der Unersättlichkeit,
Stockholms?
Ich beobachtete das Licht über dem Dom in Wien,
sie versprachen,
es sei eine Sonnenfinsternis.
Aber, aber,
es war gar nicht der Dom,
es war die viel ältere Kirche,
ich weiß nicht mehr wie sie heißt,
"Maria zum Gestade"
vielleicht, die ich sah?
Vielleicht, Liebster, war alles falsch, falsch,
denn niemals sah ich die Sterne über dem Dom,
auch im letzten Jahr schon nicht.
Ich suchte zu denken an dich,
aber, aber,
es war alles so leer,
wo du wohl warest?
Und es ist auch gar nicht alles egal,
das kann ich machen nicht,
gar nichts kann ich machen.
Mein Kopf,
er fällt auf den Tisch,
schlägt auf,
ich kann ihn nicht mehr bergen.
Eine furchtbare Traurigkeit entfaltet sich,
seit ich nicht mehr hoffen will
und mich begnügen.
Wie arm, wie arm ich bin.
Das Gewesene,
es genügt mir nicht.
Ich betrüge mich schrecklich.
Ich senke meinen Kopf,
beginne die Straßen zu hassen.
Ich gehe nicht mehr hinaus.
Ohne dich zerfällt mir die Welt.
Und war es auch ein Erlöserjahr,
mir genügt es nicht, nicht, nicht.
Ich kann es nicht halten,
erinnern mich nicht,
Liebster,
ohne dein Wort bin ich tot.
Und siehst du, nun musst du noch einmal kommen,
denn mir,
mir genügt alles nicht,
und ich will auch nicht denken.
Du musst mich noch einmal tragen zum erträumen Feuer von Stockholm
und schließlich küssen.
Und käme ich nicht überallhin,
beschlössest du zu rufen mich?
Liebster, das neue Jahr,
es beginnt schlecht.
Ohne deine Botschaft,
ich werde ertragen es nicht.
Ach, Liebster,
ich wage es nicht zu lesen, was du schriebest mir
(nachdem erneut ich dich trieb, zu schreiben mir).
Es wirft mich so schrecklich nach Stockholm,
es treibt mich zu seltsamen Antworten,
die mich nicht schlafen lassen in der Nacht,
es treibt mich hinein in die furchtbarste Scham.
Ich bete zu Gott,
lass mich nicht lesen, was er schrieb,
Gott, laß mich schlafen.
Vater, Mutter,
nun müsst ihr beschützen mich und sagen:
Nein.
Am gestrigen Tag
sah ich den alten Häuserbauer, meinen Vater,
der die kranke Orangenschälerin betreut.
Liebster, ich muss es noch einmal sagen:
Wie schön er ist,
wie er schöner wird mit jedem Tag seines Lebens,
wie dicht seine Haare sind,
wie wunderbar seine Gestalt,
wie gemeißelt sein Antlitz.
Wie ich ihn liebe,
es ist unaussprechlich.
Wie alt wir alle sind,
verglichen mit ihm.
Und es ist schon wahr,
wäre er frei gewesen für mich,
ihn allein hätte genommen ich.
Ich weiß schon,
ich spreche verrückt.
Und zum Glück,
vielleicht, vielleicht,
Liebster,
bist da ja du,
und einmal wirst du nehmen mich,
mich küssen am Feuer von Stockholm.
Liebster,
du musst.
Jedoch, ich hörte,
du willst nicht,
du liegst den Frauen in Magdeburg bei.
Und mein allergrößter Plan nun ist,
nie wieder zu hören dein Wort
(ich weiß schon, es wird gelingen mir nicht).
Nie mehr zu hören dich, es wäre wunderbar.
Aber, aber,
ich versinke in schrecklicher Traurigkeit ohne dein Wort,
Liebster,
ich kann ertragen es nicht.
Es kostet mich fast mein Leben
zu lesen nicht,
was du mir gesandt.
Ich giere erneut und sammle die Brosamen auf...
aber, aber,
einen einzigen Tag,
einen einzigen Tag muss ich überleben ohne dich,
Liebster, ich muß.
Wir sprachen dann über
"Diaspora",
meinem Lebensthema,
ich wandte ab mein Herz.
Denn ich will nichts mehr hören,
gar nichts,
von gar nichts,
auch nichts davon,
dass die Magdeburger Liebsten dir nichtig sind
wie ich selbst.
Liebster, du bist absolut schrecklich
und ich will aufhören zu erreichen dich
für immer,
und ja, ich versinke im Tod ohne dich,
du wirst nicht glauben, wie furchtbar das ist,
wie den Missbraucher anrufen ich will,
vergessen meinen Stolz.
Aber, aber
Ich spreizte,
so schien es mir,
die Beine
zu oft
und ich weiß auch nicht mehr:
ist es wirklich wahr,
empfing ich dich einmal,
betrüge ich mich?
Ich höre dich hohnlachen meiner,
du lachst so schrecklich laut.
Sei sicher, ich werde alle ahnden,
du wirst entgehen mir nicht.
Die alte Spinne,
sie spinnt ihre Fäden,
sie wird nicht unten liegen,
sie wird sprechen ihr karges Wort,
vorbei, vorbei,
sei sicher, in ihrem Netz verhungerst du,
denn manchmal, manchmal
spricht sie:
Ich meinte dich nicht...wer überhaupt du wohl warest,
nichts, gar nichts...
ein seltsam verwirrter, abgehackter Mensch...,
den ich floh,
dann wieder
muß ich anrufen dich, um zu sterben nicht,
dich, diesen abgehackten, schrecklichen Menschen,
denn einen anderen kenne ich nicht.
Liebster, du bist der letzte überlebende einer furchtbaren Zeit,
außer dir habe ich keinen.
In dir allein erstand sie wieder auf,
dir, so erscheint es mir,
übertrug sie leben zu machen mich.
Nun wünscht sie,
seit einer unermesslich langen Zeit,
ich möge dich treffen
und leben,
sterben nicht.
Warum sie wohl auswählte dich,
Liebster,
diesen seltsam abgehackten Menschen,
meinen alten Missbraucher?
Liebster,
meine Mutter,
sie erwählte dich
zu erlösen mich.
Vielleicht willst du auch nicht,
vielleicht verstört dich mein, ihr
dringendes Verlangen?
Vielleicht willst du fliehen?
Sei sicher,
wir,
meine Mutter und ich,
wir ersehnen dich unglaublich,
Liebster, gerade dich,
den abgehackten Missbraucher,
den letzten überlebenden der alten Zeit,
wen sonst sollten gebrauchen wir?
Es fällt uns auch sonst keiner ein.
Wir mauern das arme Denkmal
auf deiner Haut,
wir dachten:
Es ist die Rattenhaut,
die Rattentöterhaut,
fest gewirkt, schuppenhaft.
Die Ratte,
der Rattentöter,
sie können nicht sterben,
dachten wir,
eine solche Haut ist wie für uns gemacht.
Und doch, wie wir uns täuschten,
wie sicher wir waren,
Liebster, wie sicher wir waren.
Es war dein lachendes Gesicht,
es kündete mir vor einer langen Zeit
von der Unmöglichkeit unseres Vorhabens.
Liebster, du verlachtest uns,
unser armes Unterfangen,
das Missbraucher-Erlöser-Unterfangen.
Und das Furchtbarste ist,
ich kann nicht mehr träumen,
ich bedarf deiner ganz wirklich.
Ich verschwende meine Zeit mit der Wirklichkeit,
die mich enttäuscht.
Ich kann nicht mehr träumen,
ich jage dir nach,
deinem leibhaftigen Wort.


180. Ich weiß nicht, wer du bist

Ich weiß nicht, wer du bist,
was du denkst.
Ich weiß nicht, was du willst,
was dich bewegt.
Nach dieser langen Zeit,
ich weiß es nicht.
Mir ist,
als geschähe nun alles unter Vorbehalt,
als stünden wir dicht an einer Scheidewand
und fürchteten uns zu Tode.
Als müsse nun alles eines nach dem anderen geschehen,
als müsste ich dir schreiben, dann du mir,
als müsstest du mir schreiben, dann ich dir.
Als hielten wir nun Buch,
als horchten wir einander unablässig ab.
Als fürchteten wir uns zu Tode
vor der Antwortlosigkeit.
Als verlören wir allen Mut.
In der Nacht sah ich den wilden Tiger schon von weitem.
Er strich verloren und rastlos umher in meinem Haus.
Sie liebkosten ihn.
Mein Herz gefror vor Angst,
aber ich öffnete den Hahn,
ließ Wasser fließen,
das er gierig trank
und hoffte,
nun werde er gehen.
Sie hielten ihn auf,
ihre Hände verfingen sich in seinem Fell.
Ich schrie
(ich wusste,
er würde sich verbeißen in ihrem Fleisch),
aber sie hörten mich nicht.
Er allein wandte seinen Kopf.
"Manchmal denke ich an dich
und will dich doch vergessen.
Liebste, du quälst mich."
Aber,
liebte ich einmal einen wie dich?
Fürchtete ich jemals einen wie dich?
Begab ich mich jemals hinein in diese Angst, Angst, Angst?
Erfreute ich jemals mich, Rattentöter, Missbraucher,
an einem wie dir,
deinen wirren Worten,
empfand ich jemals diese absolute Bedrohung meiner Existenz
und konnte doch aufhören nicht?
Liebster, Rattentöter, Missbraucher,
ich begab mich in deine Hand,
konnte fliehen nicht mehr.
Wolltest du, du könntest zerstören mich.
Ich gab dir alles, alles in die Hand,
das bist du,
einmal wirst du auslöschen mich,
ich bin sicher.
Du wirst mich nicht schonen.
Du wirst kommen und töten mich.
Und suche ich auch zum Strahlen zu bringen mein Gesicht,
du wirst mich nicht ein zweites Mal tragen zum Feuer von Stockholm.
Du wirst zu verhindern wissen meine Flucht in die alten Schächte Kabuls.
Liebster, du wirst töten mich.
Muß ich nicht verhindern, was ich ersehne?
Kann ich aufhören nicht?
Kann ich nicht endlich sprechen:
Es ist alles vorbei,
es wird gar nichts bleiben.
Warum, Liebster, kann ich nicht?
Wie verlor ich all meinen Stolz,
mein eisern gewebtes Nein,
den Elfenturm,
Drachentöter,
das bin ich,
du willst mitnehmen mich
in die unwägbare Zeit.
Und will ich nicht schreien laut,
so laut,
seht ihr nicht,
er wird mich nehmen und zurückgeben nicht?
Liebster, wie unglaublich mir das gefällt,
wie ich plötzlich das Spielen liebe,
aber, aber
es ist ein Spiel mit dem Tod.
Wie fern, wie fern du bist,
wie ich nicht aufhöre zu betrügen mich,
dich erfinden will und sprechen laut:
Er liebt mich.
Allen will ich mitteilen nur das eine:
Ihn fand ich.
Nun könnt ihr gehen,
ich bedarf eurer nicht mehr.
Der Rattentöter verzauberte mich,
er machte alles hell
und wisst ihr nicht,
schon bald werde ich gehen,
er ruft mich.
Nun werde ich wandern in ein fremdes Land,
das Land, das ich immer wusste und suchte,
ich werde ankommen am Feuer Stockholms
und dieses Mal,
er wird küssen mich.
Er wird mich nicht mehr verlassen können.
Er wird mein altes Denkmal zimmern,
er allein wird wissen,
was ihr vergaßet.
Endlich, endlich
werde ich die ganze Welt verlassen können,
alles, was war.
Ich werde meine Mutter wiederfinden,
sie wird sein so jung und schön wie damals,
als sie mich verließ,
ihr Haar wird rabenschwarz sein,
es wird zu glänzen beginnen,
und ihre Augen, ihre Augen
(ihre Augenfarbe weiß ich nicht),
sie werden noch einmal anschauen mich.
Es wir ein Anfang sein.
Die schwarze, schändliche Zeit,
sie wird nicht gewesen sein.
Ist es wirklich möglich,
kann ein Mensch,
der die Farbe der Augen seiner Mutter nicht vernahm,
leben?
Ich muß euch sagen,
ja, er kann,
er wird ein Denkmal bauen,
er wird erträumen,
was er nicht vernahm.
Die Augen seiner Mutter,
wie werden sie ihm sein?
Sie werden nicht sein.
Die Augen seiner Mutter werden keine Farbe haben.
Die Augen seiner Mutter werden seltsam sein,
farblos.
Denn siehst du,
wie viele Denkmäler du erbauen magst,
die Farbe der Augen deiner Mutter,
du erahnst sie nicht.
Waren sie nicht blau,
wie sicher ich bin,
Mutter,
sie waren blau.
Mutter, ich erfinde dich
und muß dich erfinden.
Deine Augen ersehne ich als blau,
und manchmal bin ich gewiß,
Mutter, deine Augen, sie waren blau
und tief,
dann kommt eine seltsame Verwirrung über mich
und ich muß sagen:
braun, waren deine Augen nicht braun?
Und grün wie die meinen, Mutter, da bin ich sicher,
waren sie nicht.
Mutter, meine Augen schmerzen so furchtbar.
Ich ertrage das Sehen nicht mehr.
Mutter, komm
und mach meine grünen Augen blau oder braun.
Mach mir das Sehen erträglich.
Es schmerzt mich, das Sehen,
ich kann es ertragen nicht mehr.
Das Grün, es ist wie ein anhaltender Schmerz,
es ist wie eine anhaltende Durchlässigkeit.
Mutter, mach meine Augen blau oder braun.
Mutter, du musst kommen,
der Tränenfluß meiner Augen
zerstört mich,
dieses helle, helle Grün,
Mutter, ich kann nicht mehr.
Es ist dieses Licht,
es bricht durch meine Augen hindurch.
Mutter, mach meine Augen blau oder braun.
Und mein Liebster,
seine Augen sind blau.
Verlor ich ihn erneut?
Ich weiß es nicht.
Das Wort meines Liebsten ist unwägbar.
Manchmal strömt es unablässig,
manchmal bricht es ab.
In seinen blauen Augen ertrinke ich,
und weiß er auch gar nichts, gar nichts von mir.
In seinen Augen ertrinke ich.
Mutter,
mein Liebster,
nun verstummte er erneut.
Mutter, ob ich die Farbe seiner Augen erfand,
Mutter, ich zweifle,
könnten sie nicht braun gewesen sein?
Nein, nein,
die Augen meines Liebsten,
sie sind blau...
Ich sah nach,
er sandte mir einmal diesen Film
und seine Augen, sie waren blau.
Nun kann ich Auskunft geben über die Farbe seiner Augen,
die deiner aber nicht.
Manchmal versinke ich in Liebe,
dann gehörst du mir,
dann gehört mir die Welt.
Manchmal versinke ich in Verzweiflung
und sehen muß ich:
Ich wanderte hinweg
über soviel
dir anzugehören.
Ich wanderte hinweg über alles, alles.
Was, Liebster,
wenn ich dich nicht mehr beschwören kann?
Gesetzt den Fall,
du schicktest mir nie mehr dein Wort,
kämest kein einziges Mal mehr in meine Stadt?
Gesetzt den Fall,
mein inständigstes Hoffen
bewirkte nichts mehr, gar nichts?
Du liefest kein einziges Mal mit mir durch den Frankfurter Zoo
(tausendmal habe ich davon geträumt)
und hieltest meine Hand...
Dann, dann,
ich werde von Brosamen ernähren mich.
Ich werde die Bilder der Leuchtschrift sehen,
sie durchzieht meine Nacht.
Wieder und wieder werde ich die tausend Worte lesen,
die du mir einmal gesandt.
Ich werde rätseln und grübeln über dich,
ich werde nicht aufhören damit.
Bedenken will ich unser seltsames Geschick
für immer und immer, sei sicher, Liebster,
ich werde nicht aufhören damit.
Das warest du,
du lehrtest mich das Bleiben,
das Bleiben von allem,
die vergessene, unvergessliche Zeit.
Und niemals werde ich wirklich wissen:
Träumtest du einmal von mir,
existiere ich auf deinem schrecklichen Lauf von A bis Z?
"Ohne dich, Liebste,
ist alles grau,
ohne dich,
ich liefe nicht mehr.
Es ist auch,
genau benommen,
nur ein Erinnerungslauf.
Er begann, damals,
vor deiner Tür,
den Treppen,
die ich hinauflief zu dir,
wieder und wieder."


181. Krakow

Vielleicht, vielleicht,
ein neues Sehnsuchtsbild erscheint vor meine Augen,
vielleicht, vielleicht...
ich werde nach Krakau gehen.
Ich werde mauern und zimmern,
aufgeben mein altes Denkmal nicht.
Es scheint so hell am heutigen Tag,
Mutter, dem Tag deiner Geburt.
Und dass sie mir heute antworteten,
sprachen mit mir,
es muss, es muss ein gutes Zeichen sein.
Ich kann nicht aufhören anzuschauen die Burg,
deren Namen ich vergaß,
inmitten von Krakau,
sie erhebt sich stolz,
als sei sie mein Elfenturm...
als warte alles auf mich,
als müsse ich nur gehen dahin.
Vielleicht, vielleicht aber, Mutter,
sie werden sagen mir: NEIN.
Sie werden nicht verstehen,
wie wirklich dringend ich nach Krakau gehen muß,
meinem neuen Sehnsuchtsbild,
dass ich ein anderes
finden werde nicht mehr,
dass ich müde bin vom Suchen:
Kabul, Stockholm, Wien...
Lass mich in Krakau die Kelle aus meiner Tasche ziehen,
Mutter, ich will.
Ich werde bauen das Haus.
Und mein Liebster, Mutter,
er ist völlig verrückt
in seinem unwägbaren Treiben,
und Mutter an ihm, gerade an ihm
ein Vorbild nahm ich mir.
Mein Liebster,
er hackt das Holz,
in Stücke hackt er,
dann hebt er in den Himmel mich,
in die Wolken hinein.
Mutter,
ich muß nach Krakau gehen.
Und ich versprach Gott schon alles,
ich werde, ich werde
bauen dein Haus.
Ich werde gehen und verkriechen mich darin,
als seien es die Schächte Kabuls,
in Krakow aber
ich werde sprechen,
wieder und wieder,
ich werde endlich sein,
Mutter,
Krakow wird erlösen mich,
ich fühle es so sicher.
Erwählten sie mich nach Krakow zu gehen, Mutter,
ich spräche ein lautes, lautes Wort.
Ich spräche:
Ich war schon fast tot,
meine Mutter aber,
sie blickte auf mich.
Meine Mutter, sie wollte,
dass ich leben kann
und mein Liebster,
der mich emporliebte
und hinab,
auch er,
ich bin so sicher,
in Krakow,
er würde endlich erkennen mich
und tragen zum alten Feuer Stockholms,
den gleissenden Feldern zu.
Nun ziehen die Ratten Krakow zu,
sie hören und hören nicht auf
zu verkünden ein Sehnsuchtsbild.
Denn ohne dieses,
die Ratten können leben nicht.
Verstandet ihr jemals dieses?
Verstandet ihr die Ratten jemals?
Wie sie zogen von Ort zu Ort,
immer einen neuen fanden,
aufgaben nicht.
Die Ratten, sie geben nicht auf,
sie vermauerten sich in Kabul,
sie konnten sich nicht trösten am Feuer Stockholms,
denn, Liebster, du küsstest sie nicht,
und das Licht über dem unbekannten Dom in Wien,
es verlosch,
die Ratten aber geben nicht auf.
Sie wollen nach Krakow wandern
und Einzug halten in der Elfenburg.
Und ihr Liebster,
er hackt das Holz,
er hackt und hackt.
Einen furchtbareren Liebsten hätten sie finden können nicht.
Und doch,
sie liebten es,
emporgehoben zu werden.
Woher,
so konnten sie aufhören nicht zu fragen sich beständig
nahm der Holzhacker
dieses?
Woher der Himmel ihm wohl kam?
War er,
war er doch
(sie hielten ihren Atem an)
war er,
nein, nein, er war es nicht...
und falls doch...
(die Ratten wollten nichts versäumen)
ach, sie verzweifelten,
denn sie ahnten,
der Holzhacker,
niemals trüge er sie zum Feuer Stockholms
und doch, und doch...
sie liebten ihn,
ach, wie sie ihn liebten,
den Holzhacker lieben mussten,
Mutter, er zerstümmelte sie.
Weit holte er aus mit der Axt,
unter der die Ratten tummelten sich.
Die Ratten, Mutter,
sie waren nicht schlau,
Mutter, sie wollten leben nicht mehr.
Waren sie nicht gestorben schon zum Zeitpunkt deines furchtbaren Todes?
Mutter, sie konnten und konnten abfinden sich nicht
und außer des Holzhackers,
sie fanden keinen, keinen, keinen mehr,
der sie sah.
Mutter, die Ratten wollten sterben,
endlich sterben,
dem Missbraucher anheimfallen nicht.
Und Mutter,
die Felder, sie gleissten nicht mehr,
die Felder waren stumpf, so stumpf,
die Ratten aber,
sie waren nicht schlau,
sie waren furchtbar dumm.
War auch der Mähdrescher gefahren über sie,
sie wandten ihre Leiber tausendfach
und sie glaubten,
sie glaubten das wirklich,
sie könnten entgehen ihrem Tod,
sie röchelten nach dem Leben,
dem alten Missbraucher zu,
dem einzig Verbliebenen.
Wie er sie betörte und betörte,
wie er sie liebte hinauf,
hinauf und hinauf.
Die Ratten verstanden das nicht.
Sie dachten:
Nun kann ankommen ich,
da ist einer,
der liebt mich hinauf.
Sie wussten nicht:
Der Holzhacker,
er liebt hinab.
Der Holzhacker,
hatte er die Ratten jemals gesehen...
Die schäbigste aller Ratten,
das war er,
und hatten hochgelobt wir ihn nicht,
zum Rattentöter gemacht,
der er nicht war,
Mutter,
er war die schäbigste Ratte von allen
und Mutter, wir wünschten seinen Tod.
Nun sollte er endlich liegen vor uns,
am verglimmenden Feuer Stockholms,
niemals, so schworen wir,
würde Krakow er sehen,
die Elfenburg,
niemals, niemals, Mutter,
wir schworen es tausendfach.
Ach,
wie wir es hassten zu beschwören sein Bild,
es war so stark, so stark,
wir verfluchten es tausendfach,
und doch,
niemals verglomm es,
niemals, niemals, Mutter,
und was wir auch dachten und taten und wünschten,
dem alten Missbraucher,
wir hingen ihm an,
seiner schönen, so schönen Gestalt,
seinem Zauberspruch,
Mutter,
er verhexte uns
und es gab niemanden auf der Welt,
dem wir hätten begegnen wollen
außer ihm,
Mutter, ist es nicht furchtbar?
Die Ratten waren dumm, so dumm,
ich eine von ihnen,
die dümmste von allen,
ich konnte und konnte nicht leben ohne ihn
und zerstückelte er mich auch erneut,
es war mir alles egal.
Ich lag da,
am alten Feuer Stockholms
und wünschte nichts sehnlicher
als dass er nun endlich käme,
er, der Holzhacker allein,
er sollte mich küssen.
Und es war mein Leben,
ich gäbe es
dafür.
Mutter,
wer hat so dumm mich gemacht,
war es die Einsamkeit,
Mutter, ich weiß es nicht,
Mutter, ich weiß gar nicht wo ich bin,
lebe ich noch?
Wie hoch er mich lobt,
er weiß nicht,
nun muß ich sterben.
Alles, was mir wichtig war,
verstand er zu töten.
Und nie mehr, Mutter, werde ich sprechen können mit ihm,
mein Liebster, er zerhackt das Holz,
er hackt und hackt,
ich lebe schon gar nicht mehr,
er weiß es aber nicht.
Mein Liebster zerhackte mich.
Er wird mich nicht sehen,
in diesem Leben nicht,
Mutter, ich gebe auf.
Ich werfe die Kelle aus meiner Hand.
Denn
ich will ihn nicht mehr hören
emporlieben mich,
denn, denn
er kann es nicht wissen,
Mutter, was verlange ich von ihm,
es ist genug,
ich will und will endlich sprechen:
Es wird gar nichts bleiben...
Und auch mein letzter Liebster nicht,
auch er nicht,
er wird erlösen mich nicht,
er ist fern, so fern,
er hackt und hackt das Holz,
er zerhackt alles, was war,
die gleissenden Felder, Kabul, Stockholm, Wien,
und niemals werde ich treffen ihn in der Elfenburg,
ich aber, Mutter,
ich werde gehen dahin,
und sei ich auch allein, ganz allein,
es wird mich nicht betrüben.
Ich werde gehen allein
und finden dich.
Und Mutter, ich werde auch nicht hören sein beschwörendes Wort,
ich ahne, nun wird er es sprechen.
Ich will hören es nicht.
Nun soll er sprechen in die lange, lange und leere Zeit,
er wird verhungern darin,
und Mutter,
ich werde aufheben ihn nicht,
Mutter, ich will ihn verlieren,
ich will endlich alles verlieren,
sein beschwörendes Wort,
ich werde hören es nicht mehr.
Ach, Mutter, ich träume,
mein Liebster aber,
er lacht so laut,
dabei hackt er das Holz
und zerstückelt mich,
und verharrte ich am Feuer Stockholms für immer,
er käme nicht,
denn Mutter,
ich träumte ja nur...
ich träumte von einem, den ich fürchtete und mied,
einem, der mich angefallen hatte,
einer Ratte gleich...
und dann, Mutter,
er hob mich hinauf,
er hob mich so hoch
und ich ahnte: er würde fallenlassen und zerstückeln mich.
Denn:
Mein Liebster, er hackt das Holz.
Das Holz bin ich.
Das Holz ist mein Angesicht.
Das Holz ist mein Geschlecht.
Mein Liebster hackt und hackt.
Er will mich löschen aus.
Könnte, ach könnte ein einziges weiteres Mal
ihm begegnen ich:
Mutter,
das wäre ich,
ich zerhackte sein Angesicht,
hinein hieb ich in die Rattenhaut.
Ich sehne mich zu zerstören,
was war.
Ich will mich nicht erinnern,
alles will löschen ich aus.
Und ich meine zu wissen es sicher:
Er wird noch einmal rufen mich,
Mutter, ich warte und warte darauf.
Ich will die Ratte töten.
Ich werde schlagen mitten hinein in ihr Gesicht.
Ich werde auch ausweichen nicht,
ich werde gehen
wohin auch immer er mich bestellt.
Dieses mal werde ich kommen
und fürchten mich nicht.
Ich werde sehen direkt in seine Augen hinein
und lachen...
und dann, er wird es ahnen nicht...
werde ich hacken das Holz,
Mutter, ich kann das,
ich werde treiben ihn aus.
"Liebste, das bin ich nicht.
Eine Rattenhaut wuchs mir nicht.
Und begegnete ich dir einst,
die Zeichen,
sie stehen schlecht,
das bist du,
du machst schlecht stehen sie."
Liebster,
du ahnst nicht, du ahnst nicht,
wie schrecklich das ist,
die Härte deiner Rattenhaut,
ich kann ertragen sie nicht mehr,
ich will dich nicht mehr sehen
hacken das Holz.
Das warest du nicht,
Liebster, du warest es nicht,
von dem ich träumte.
Ich will es ja glauben nicht,
mich betrügen,
könnte, ach könnte ich nur.
Alles umsonst,
alles, alles vorbei.
Ich will ja nicht.
Ich will ja nicht sterben
und sterben muß ich ohne dich.
Erbärmlich wie ich bin,
tausende von Gedanken schicke ich dir täglich,
dir, den ich hasse,
denn Liebster, du hackst das Holz.
Ich ertrage nicht mehr das Geräusch der hinabfallenden Axt.
Ich, die ich mich sehne zu sprechen:
"Es wird gar nichts bleiben",
ich klammere mich fest an dem alten, verfluchten Sehnsuchtsbild,
lese die Brosamen auf.
Denn Liebster, ich bin hungrig,
ich nehme alles, was vorkommt mir
und seien es auch die Späne von Holz,
ich kaue sie weich in meinem Mund,
ich schlucke sie,
sie nähren mich.
Ich kann das, leben von Spänen aus Holz.
Sie quellen auf in meinem Bauch,
ich liebe es,
sie machen mich voll.
Und wolltest du auch geben sie mir nicht,
Liebster, was wolltest du mir schon geben,
ich sammle alles, alles auf.
Ich kann das,
die Brosamen sammeln auf,
und seien sie auch aus Holz.
Sie munden mir,
denn sie sind alles,
was ich kriegen kann,
und weißt du,
ich bin so, ich kann mich bescheiden,
beschied mich schon am Tag meiner Geburt
und las die Brosamen auf.
Ihr werdet es nicht glauben,
sie schmeckten mir wunderbar
und anderes erwartete ich nicht.
Die Brosamen waren mir das wunderbarste Brot,
und die Holzspäne,
Ihr glaubt nicht, wie sie füllen meinen Leib,
der mit allem zufrieden ist.
Ist es nicht seltsam, Liebster,
die Axt, die fällt,
sie erfüllt mich mit Leben,
das kann nur ich,
denn ich fürchte den Tod
und ich werde alles, alles nehmen,
wirklich alles, was mir vorkommt,
wählerisch kann ich nicht sein,
so lehrte meine Mutter mich
am Tag ihres frühen, schrecklichen Todes.
Sie warf mich in die Welt und ging schon kurz darauf.
Ich hielt die Schürze auf
und vermeinte
es wären Goldstücke,
sie fielen hinein,
denn, seht Ihr das nicht,
zu Goldstücken wurden die Brosamen mir.
Ich halte meine Schürze auf,
ich sammle alles, alles ein,
die Holzspäne auch, Liebster,
sie glitzern mir in Gold.
Es genügt mir so wenig, so viel.
Mutter, das hast du gemacht,
denn ich sammle ein dein scheinendes Bild,
ich fand es wieder und wieder
und konnte vergessen es nicht,
Mutter, es gleißt.
Und in Krakow,
Mutter, ich werde finden dich,
ich werde betreten die Elfenburg.
Und werde verstehen ich auch nichts, gar nichts,
ich bin gut darin,
ich sammle die Brosamen auf.
Für ihn fällt mir kein Lied mehr ein.
Ich sehe die Axt, sie fällt
und ich will schreien.
Ich kann aber nicht.
Ich schaue stumm empor.
Und alles, was ich erdachte,
zerstob.
Und eine Antwort will ich nicht.
Liebster,
schick mir nie mehr ein Wort.
Ich werde hören es nicht.
Die Ratten,
lagen sie nicht Zeit ihres Lebens unter der Axt?
Das Metall streifte ihr schäbiges Fell millionenfach,
schliff Löcher in ihren Leib,
sie fühlten es nicht.
Sie wanderten voran und voran,
erkoren sich Sehnsuchtsort nach Sehnsuchtsort.
Niemals kamen sie an,
mir scheint, sie wollten nicht,
vielleicht auch existierte der Ort nicht
und hatte niemals existiert,
den anzuwandern sie so schrecklich liebten.
So lange, so lange
hatten sie es geliebt zu gehen voran
und in der Stunde ihres Stillstands selbst
-sie zerdehnten die Hälse sich-
sie hörten auf zu stammeln nicht,
"Krakow" murmelten sie.
Ach Liebster,
die Ratten waren,
so lange schon,
gezeichnet vom Zeitpunkt ihrer schrecklichen Geburt,
gezeichnet von der Axt,
dem alten Mähdrescher
und du,
ihr allergrößtes Sehnsuchtsbild,
der Rattentöter,
der schreckliche Missbraucher,
sie kämpften wie wild
zu bedeuten dir.
Du aber, Liebster,
wer kann dir schon bedeuten?
Und wählten sie dich nicht aus
aus diesem einen und einzigen Grund:
Sie würden zerschellen an dir,
du führtest die Axt,
sie glänzte und glänzte
im metallischen Schein,
sie spiegelte deine schöne,
unerreichbare Gestalt.
Die Ratten,
verstandest du das nicht,
sie liebten dich.
Die Ratten erkannten dich,
sie konnten dich lesen,
sie lasen dein hoffnungsloses Angesicht,
sie lasen deine Schmach
und der Schein der Axt,
er betörte und heilte sie,
ihm hingen sie an.
Mit dir, Liebster,
würden sie gehen überallhin,
denn du,
du wusstest es nicht,
du teiltest der Ratten Schmerz,
der Ratten unendliche Gier
und wie hätten sie jemals verstehen sollen,
dass du, ausgerechnet du,
nun begannest sie hochzulieben.
Die Ratten hassten dich,
dein schäbiges Unterfangen,
denn sie wollten und wollten
den Schmerz,
sie suchten dich,
von dem sie wähnten unendlich:
er wüsste sie.
Die Ratten, sie verkrümmten ihren verstümmelten Leib,
und weißt du,
sie werden nicht ein weiteres Mal erreichen das Feuer Stockholms.
Und ging auch ein Wind durch die Stadt,
wieder und wieder,
am Tag meiner schrecklichen Geburt,
es war alles umsonst,
die Ratten,
sie verloren und verloren dich,
es kam ihnen gar nicht mehr in den Sinn
zu erreichen dich.
Sie verkrochen sich in der Elfenburg.
Sie erreichten sie kaum
und was sollte sie ihnen schon bedeuten
ohne dich,
ein leeres, leeres Haus,
hinweggefegt von dem lauten, lauten Wind.
Liebster,
das verstandest du nicht und niemals,
du bedeutetest den Ratten soviel.
Sie lauerten auf dein spärliches Wort,
sie machten sich ein Kissen daraus,
darauf senkten sie ihren Leib.
Und manchmal träumten sie,
"nun kann ich schlafen".
Du aber, sie wussten es,
du konntest schlafen nicht
und niemals schliefest du,
die Ratten,
sie verbeugten sich vor dir,
letztlich,
die Ratten versäumten dich,
es gelang ihnen nicht
einzufangen deine wunderbare Gestalt,
du schwandest ihnen,
und doch,
zugleich,
sei versichert, sie sahen dich,
nur dich,
es gelang ihnen zu beugen ihr Haupt,
sie sahen nur dich.
Denn du, der alte Rattentöter,
nun lag er in Stockholm,
sein Haupt auf dem Kissen,
Liebster, das war ich, ich allein,
ich bereitete es dir.
Und Liebster, nun kann ich schlafen,
endlich schlafen.
Denn ich kann uns sehen,
wir werden seltsam ruhig,
ich beginne dich zu lieben,
so stark zu lieben.
Meine Fähigkeit zu Lieben erstarkt.
Manchmal gelingt es mir dich zu sehen,
ich will aufhalten dich,
ich will, dass du schlafen kannst, endlich.
Zum ersten Mal seit einer langen, langen Zeit
kann ich dich fühlen
und will da sein für dich,
dich nicht ein weiteres Mal versäumen...
vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben...
ich gehe zurück...
eine Ratte will ich nicht sein.
Du machst mich so weich,
deine ungeahnten Worte,
sie formen das Kissen, auf dem auch ich einmal werde schlafen können,
ich schlafe ja schon,
ich schlafe, als sei alles gewesen nicht,
als seiest immer dagewesen du,
immer und immer,
als hättest du geteilt mit mir die schreckliche Zeit,
Liebster,
du bist wunderbar,
ich will verlieren dich nicht,
nie wieder will verlieren ich dich.
Ich will dich nehmen,
die alte Kelle,
ich will sie nehmen in meine Hand
und ich will dich beschwören
für immer:
Aber Liebster,
plötzlich
ich kann meine Augen schließen nicht mehr.
Da sind diese Bilder,
sie hören nicht auf,
sie ziehen und ziehen dahin,
sie graben sich hinein in mein Fleisch,
sie zerstören mich.
Und Liebster, ich kann das Kissen machen und machen nicht,
ich kann nicht,
zwar sinkt mein Kopf hinab,
aber, aber,
ich schrecke auf in der Nacht tausendfach,
denn ich weiß ja nicht,
ist es wahr,
ist es wirklich wahr,
du wartest auf mich?
Und niemals wirst du mir schenken ein Wort,
du hockst hinter der Böschung,
niemals wirst du treten hervor,
niemals, niemals,
ich weiß schon,
es ist auch einfach wunderbar,
nun fällst du mich nicht mehr an,
wer hat dir das gesagt?
Wieso kannst du das alles,
ich vermutete es nicht.
Wie du dich hintan hältst,
woher hast du das?
Warum kannst du das alles plötzlich,
Liebster, ist es für mich?
Ist irgend etwas an dir für mich?
Ein einziger Brosamen vielleicht,
so ein verlorener Krumen von Brot,
es las ihn ja keiner auf.
Liebster, ich flehe dich an,
liebe mich nicht hinauf,
ich werde fallen hinab,
ich werde sicher fallen hinab.
Aber, Liebster, gib mir ein einziges Mal den Krumen,
der mir bestimmt,
einen Krumen aus wirklichem Brot,
gib mir den Krumen deines wundervollen Leibes,
den ich ersehne und ersehne,
ohne den ich nicht mehr leben kann.
Kannst du nicht ein einziges Mal noch legen deine Hand
auf mein Geschlecht und sprechen:
"Seit unerdenklichen Zeiten, ich liebe dich."
Kannst du nicht endlich berühren meinen armen, armen Leib,
er dürstet und dürstet.
Liebster, du kannst ihn nicht lieben hinauf,
mein Leib, er fällt hinab auf dich,
als sei er ein Laib von Brot.
"Ich höre ihre Stimme nicht" erklang eine ferne,
wunderbare Melodie.
Ich weiß auch nicht, ob ich die Worte richtig verstand.
Seit hunderten von Tagen
war ich den Tränen nahe.
Ich dachte:
Das ist er, er sehnt sich nach dir.
Nun rennt er durch die Straßen der fremden Stadt
und es überfiel mich die allerentsetzlichste Angst.
Ich sah den Tod dich suchen.
Liebster, bin ich verrückt?
Kann ich dich wirklich sehen?
Ach, ich will dir meine Stimme schicken,
nun singe ich laut,
sehr laut,
die vergessenen Lieder,
sie fallen mir wieder ein.
Sie wollen aufhalten dich,
ein Kissen breiten aus,
auf dem du schlafen kannst.
Ich sah zum Himmel in der Nacht,
kein einziger Stern, auch des kleinsten wurde ich nicht gewahr
und begann zu weinen.
Heute, Liebster,
in dieser Dunkelheit
will ich dir alles versprechen.
Wenn du bleibst, dem Tod anheimfällst nicht,
ich verspreche dir
alles,
mein ganzes, endliches, schreckliches Leben.
Du darfst mich lieben hinab und hinauf,
ganz wie es dir beliebt.
Genau benommen träume ich nur eines,
wieder und wieder:
Dein Leib soll einmal fallen auf mich.
Ich fühle die Abruptheit des Fallens,
wie du mich plötzlich umfängst,
eindringst in mein Geschlecht.
Anderes träume ich nicht.
Mir ist, es genügte
und andere Träume habe ich nicht.
Ich träume den alten Rattentraum,
jede Nacht, jeden Tag,
anderes träume ich nicht.
Und wie ich es liebe zu träumen,
mir auszumalen alles,
dein Körper, Liebster,
auf meinem,
sonst nichts, sonst gar nichts.
Dein Körper, Liebster,
er macht mich so ruhig wie nichts auf der Welt.
Meine Gedanken umkreisen ihn.
Liebster, ich erfinde und erfinde ihn.
Ich sehe mich schmiegen an deine wunderbare Gestalt,
ich empfinde deinen Arm,
er umfängt mich,
ich fühle deinen Mund,
der mich endlich küsst,
ich empfange dein Geschlecht in meinem Schoß.
Wie viele Jahre noch, Liebster,
muß ich dich ersehnen,
bleibst du fern von mir?
Warum, warum nur,
kann ich genügen nicht,
dem alten Missbraucher selbst nicht?
Was ihm wohl fehlt an mir?
Warum liebt er mich hinauf und hinab?
Warum er wohl nicht legt seinen Körper auf mich?
Bin ich so fern,
ist er schon tot,
ich weiß es nicht.
Hat er vergessen, wie schön ich bin,
wie schön ich einmal war für ihn, ihn allein?
Und ja,
wird er ein einziges Mal noch sprechen zu mir,
ich weiß es nicht.
Wird der alte Rattentöter mich vergessen
und nie mehr legen seinen Leib auf mich?
Liebster, ich werde ertragen es nicht,
in meinem ganzen furchtbaren und schrecklichen Leben,
ich kann es nicht.
Ich lebe von deinem Wort,
der Imagination deines Leibes,
er fällt und fällt auf mich,
Nacht um Nacht.
Und ohne ihn
verloren bin ich.
Und gäbe ich nicht mein Leben
wachzurufen dich,
nur dich?
Wie kann ich machen ein einziges Wort?
Liebster, ich kann nicht.
Meine allerfurchtbarste Angst,
sie ist
du seiest tot.
Und du würdest,
gesetzt den Fall,
es sei so,
mir antworten können nicht mehr.
Würde jemals erfahren ich die Nachricht deines Todes?
Wohin, Liebster, muss ich rennen?
Ich werde überleben dich nicht.
Wie kann ich aufhalten deinen Fall?


182. Der Frankfurter Zoo

Ich träume von nichts anderem mehr,
der 26. Mai,
ich erkor ihn zu meiner Sehnsuchtszeit.
Liebster, wenn ich Glück habe,
wenn jetzt alles klappt,
ich werde dich sehen.
Ich träume,
wir laufen zum Teich der Pelikane,
wir werden das Gehege der Tiger besuchen.
Und es ist mir auch ganz egal,
was passieren wird.
Kommst du mit mir in den Frankfurter Zoo,
es wird mich unnachahmlich glücklich machen.
Ich werde versuchen schön zu sein,
vermutlich werde ich nicht geschlafen haben,
die ganze Nacht nicht,
aber es ist mir alles egal.
Du wirst auch gar nicht wissen,
was es mir bedeutet,
als kämen wir an am Feuer Stockholms.
Liebster, du wirst gar nichts wissen,
du wirst nicht ahnen
wie ich ersehnte dich
in tausend Tagen,
mein ganzes schreckliches Leben lang.
Liebster, du wirst gar nichts wissen.
Ich finde es wunderbar,
mit meiner schwarzen Sonnenbrille werde ich begegnen dir,
wer weiß,
vielleicht nehme ich sie einmal ab,
ich weiß es nicht.
Wer hat das gemacht,
dass meine voraneilenden Gedanken
ein Ziel finden nun,
eines, dass nicht geträumt?
War ich das, Liebster?
Warst du das?
War es ein gütiges Geschick?
Mutter, das musst du gewesen sein.
Ich weiß auch nicht,
wohin wir stürzen werden,
werde ich vergraben mich erneut in den Schächten Kabuls,
werde ich vor Scham zu sterben wünschen?
Mühlsteine wälzte ich,
an die Wirklichkeit,
an sie konnte glauben ich nicht,
niemals, niemals.
Sie existierte gar nicht.
Wie soll man die gleißenden Felder finden?
Ich aber,
Mühlsteine wälzte ich,
ich hörte nicht auf.
Unter den Mühlsteinen, Liebster,
fand ich dich,
du sahest mich an,
ich sah dein gleissendes Gesicht.
Mit dir, Geliebter,
mit keinem, keinem sonst
werde ich teilen den Frankfurter Zoo,
die toten Bären, die zerzausten Pelikane,
die verlorenen Tiger.
Mit meinem Missbraucher,
dem Rattetöter
werde ich alles wagen.
Liebster, wir werden wandern umher,
ich kann mir gar nichts Schöneres vorstellen.
Ich werde sehen hinein in dein Gesicht,
vielleicht, vielleicht muß ich sterben.
Denn, Liebster, wie soll ich ertragen dein leibhaftiges Bild?
Ich träumte doch nur.
Ist es so, am Ende des Mai,
wird die Zeit der gleissenden Felder noch einmal auferstehen?
Ich fürchte und fürchte mich,
denn bremsen konnte ich mich nicht mehr,
ich mache alles kaputt,
ich fiel und fiel in dich hinein,
ich schrieb dir,
ich weiß nicht mehr was,
aber, mir ist,
ich schrieb dir, was ich zu verbergen trachtete
und ich legte einen Schwur ab:
Ich werde deine Antwort nicht lesen und schreiben dir nicht mehr,
zehn Tage lang,
Liebster, werde mein Versprechen halten können ich?
Ich werde mich im Schweigen üben,
Liebster, ich muß,
ich schäme mich.
Ich möchte mich verkriechen in den Schächten Kabuls,
kein Licht soll mehr scheinen auf mich,
denn ich vermag zu ertragen deine Antwort nicht.
Ich schäme mich so schrecklich,
mir ist, nun stehe ich nackt vor dir
und ich will lieber sterben und verstummen für immer.
Mir ist, als hätte ich alles, alles zerstört
und niemals wirst du mich nun treffen im Frankfurter Zoo.
Vielleicht, vielleicht aber,
ersehnst du mich,
wie ich dich ersehne
(ich kann es glauben nicht)
(seit tausend Tagen).
Unser Dialog,
er hört ja nicht auf
(leibhaftig)
schlägt einen Pfad ein,
erfindet einen Ton,
mir unbekannt
(als fielen wir in die Arme uns).
Ich weiß gar nicht wie ich warten soll
auf den 26. Mai,
wie überstehen die Zeit
(46 Tage).
Liebster,
ich will mich in die Böschung schlagen,
verstecken mich.
Dann denke ich:
Kommst du wirklich und wirklich in den Frankfurter Zoo,
ich wünsche mir:
Du sollst noch einmal kommen.
Dann geh ich mit dir in die Felder,
siehst du Liebster,
ich muß denken weit voran,
bescheiden kann ich mich nicht.
Von dir, meinem Rattentöter,
dem alten Missbraucher und Verführer,
erwarte ich alles.
Ich weiß auch nicht, wird es sein das Feuer Stockholms,
werden es die Schächte Kabuls,
werden es die gleissenden Felder sein,
oder aber gar nichts von allem,
wenn ich dich leibhaftig treffe im Frankfurter Zoo?
Werde ich überhaupt kommen, in die Augen schauen können dir?
Wie soll ich einmal kommen und anschauen dich,
mich nicht verbergen?
Ich träume, du berührtest meine Hand
(leibhaftig)
und ich will und muss so lange warten,
Liebster, verzeih mir,
ich kann nicht kommen im April,
ich weiß, wie schrecklich, schrecklich ich bin.
Und doch,
du kannst sicher sein, ganz sicher,
ich komme am 26. Mai.
Ich sehe alles vor mir, alles.
Ich trage mein allerschönstes Gewand,
die Augen gerandet in schwarz, ganz in schwarz,
die Haare offen und lang,
mein Gang aufrecht und stolz.
Ich werde, ich werde in deine Augen sehen,
wir werden die Hand uns reichen,
wir werden seltsam lachen
und beginnen durch den Zoo zu spazieren,
wir werden zu sprechen beginnen,
schnell und aufgeregt,
ich träume, wir werden besinnen uns und langsam werden,
dann wirst du halten meine Hand
(es wird am Teich der Pelikane sein)
und ich,
ich werde sagen:
"Ich dachte, ich habe alles, alles geträumt."
Was aber, Liebster, wenn du nicht kommst,
gesetzt den Fall,
es entwickelte sich alles so,
wie ich es nicht voraussehen kann,
gesetzt den Fall
du hättest geliebt den April und wolltest warten nicht auf den Mai?
Liebster, ich werde
mich stürzen in die Schächte Kabuls,
ich werde schaufeln die Erde auf mein Haupt,
ich werde aufwachen nicht mehr,
ich werde für immer begraben mich.
Liebster, wir sind so schnell,
viel zu schnell,
wir verbrauchen uns,
wir aufbrauchen uns.
Ach Liebster, lass uns leise sein und stumm,
lass uns träumen vom 26. Mai,
es sind doch 36 Tage nur.
Nun fürchte ich mich
zu lesen von dir
und kann doch selbst auch schweigen nicht.
Ich zwinge und zwinge mich,
Liebster, ich will uns retten,
ich muß.
Liebster, lass uns schweigen,
bitte, bitte laß uns schweigen,
sonst verlieren wir alles, alles.
Lass uns aufheben den 26. Mai,
mach, dass er kommt.
Da war diese Straße,
ich erkannte sie erst spät,
sie führte zur alten Böschung,
ich stand da und ich fiel in das Gebüsch hinein,
konnte halten mich nicht mehr.
Es war so dunkel, kein Funken von Licht
und ich dachte, dass ich sterben muss,
aber,
ich wand mich empor und schlug mein Gesicht auch immer wieder hart auf,
ich richtete mich auf und ging voran.
Ich glaube, es war der Mond, er begann zu scheinen.
Plötzlich erkannte ich den Verlauf der Straße,
so zerschunden mein Gesicht auch war,
ich begann zu rennen, plötzlich,
Liebster, warst du das?
Standest du, meiner Mutter gleich,
an der schrecklichen Böschung,
an der ich sterben wollte vor einer unerdenklichen Zeit?
Liebster, warest das du?
Konnte erwecken ich dich?
Liebster, ich zweifle und zweifeln muss ich.
Ist es nicht seltsam,
dass ich zu Ostersonntag, dem Datum der Auferstehung,
50 lange Jahre lang
die Familie meiner toten Mutter sehe?
Mein Vater, der Häuserbauer, er lädt sie ein,
er bewahrt meine Mutter für mich.
Ist es so, Liebster,
nun da du sprachest und sprachest,
ich muss dich verlieren?
Ist es so,
nun da wir fest verabredet sind für den 26. Mai,
du wirst kommen nicht?
Du glaubst nicht wie furchtbar es ist,
dein Wort nicht mehr erfinden zu können
und nun warten und warten zu müssen,
ob du kommst.
Liebster, ich kann nicht mehr erfinden dein Wort.
es ist (alles) vorbei.
Entweder du wirst schlafen mit mir
oder aber...
es wird gar nichts bleiben,
entweder dein Körper,
er wird fallen hart auf mich
oder
es wird gar nichts bleiben.
Und fällst du nicht auf mich,
ich werde träumen nicht mehr.
Ich kann nicht mehr warten eine unendliche Zeit,
ich will nicht.
Träumen nicht mehr,
ich will nicht
und kann ich auch nicht mehr erfinden
dein ersehntes Wort,
Liebster,
nun muss ich fallen in dich
oder untergehen,
ich will.
Ach, wie ich mich fürchte.
Liebster, du bist wunderbar,
dass du mit mir sprichst,
nicht aufhörst zu sprechen,
wie hätte ich träumen können davon?
Dass du machst,
dass ich nicht mehr erfinden kann dich,
denn, Liebster, du bist wirklich da
und Abend für Abend,
nun kann ich hören dein leibhaftiges Wort,
aber das weißt du nicht,
wie ich falle in dich hinein,
wie ich, die alte Nonne,
die warten und warten will,
dir verfällt,
wie sie sagt "Nein",
vor dem 26. Mai nicht,
und an anderes nicht mehr denken kann,
an gar nichts.
Die alte Nonne,
sie kann sich kaum noch beherrschen,
Liebster, nun will sie endlich gehen mit dir zu den Tieren,
sie schafft es nicht mehr zu warten,
sie schreibt dir jetzt und gleich,
immer wieder,
sie hält ihre Versprechen, die sie sich gab,
nicht mehr.
Nun muss sie alles gleich und sofort haben und wissen.
Aber, das will ich nicht.
Ich träume: Die Leuchtschrift soll hören auf.
Oder: Sie soll nicht mehr als viermal im Jahr erscheinen,
Liebster, ich kann das nicht.
Ich weiß schon, du machst mich taumeln.
Die Leuchtschrift, sie hört gar nicht mehr auf
(wer hätte das träumen können?)
Dass dein ersehntes Wort mich umbringt?
Dass ich fliehen will es?
Ach, Liebster, du bist wunderbar,
wie du kann ich nicht sein.
Ich will mich verbergen in meinem Turm
und keiner soll sehen mich mehr.
Und doch, ohne dich,
kann ich nicht mehr leben,
auch nicht nach Krakow gehen.
Ich danke dir für dein unverstelltes Wort,
dafür dass du nicht mehr warten kannst,
mich mitreißt
(Liebster, bin ich das, reiße ich dich?),
dass die mich bedrängende Leuchtschrift
nun aufscheint und scheint,
sie hört nicht mehr auf,
Liebster, sie nimmt mir den Atem,
sie treibt mich voran und voran,
als könnte entgehen dir ich nicht mehr.
Als müsste ich in die Arme fallen dir im Frankfurter Zoo,
dem alten Sehnsuchtsort
am 26. Mai.
Werde ich, Liebster,
überleben die Zeit dahin,
sie ist nun so klein,
verglichen mit den vielen Jahren,
die ich wartete auf dich,
und trotzdem,
sind es auch Tage nun nur,
ich fürchte zu überleben nicht.
Werde ich wirklich und wirklich,
von Angesicht zu Angesicht,
gegenübertreten können dir?
Wird mein Angesicht nicht zerfallen,
auseinanderfallen vor Angst, Angst, Angst?
Werde ich einmal aufhören befangen zu sein in Träumen,
werde ich einmal sein,
sterben nicht?
Und falls, falls
ich einmal sehen werde dein Angesicht,
Liebster, ich weiß nicht,
ob ich es ertragen,
überleben werden kann.
Dabei, du tröstest mich,
der Sommer kommt,
er rückt heran in seiner unvergleichlich gleissenden Gestalt,
(so lange, so lange schien er versprochen mir,
ich weiß auch nicht, warum),
nun fährt er auf mich zu,
und es wird auch nur noch zehn Tage dauern,
dann werden wir uns gegenüber stehen
und sagen ja oder nein.
Dabei, Liebster, du tröstest mich schon jetzt.
Du hilfst mir zu bestehen in meiner Angst vor dem Morgen,
du schickst mir dein Bild.
Es steht so groß vor mir
und ich bin sicher, es wird mich retten.
Und werden sie auch zu zertreten mich trachten,
morgen, schon morgen,
ich werde denken an dich,
ich werde bedenken deine unvergleichliche Gestalt,
dass du bei mir bist,
dass sie sich aufbauen vor mir dem Scheinriesen gleich,
ich aber werde sagen:
Da ist er, er wartet auf mich,
er wird gehen mit mir in den Frankfurter Zoo.
Und dann, wenn die Zeit gekommen ist,
morgen in einer Woche schon,
ich werde gehen in den Zoo,
als sei alles nicht wichtig für mich
(und trage ich auch mein allerschönstes Gewandt,
die Haare offen und lang,
schwarzumrandet meine Augen).
Liebster, ich werde mich verbergen vor dir.
Du wirst und darfst nicht ahnen, wer ich bin.
Du sollst meine Hoffnung, meine Resignation
erraten nicht.
Das werde ich sein,
ich werde kommen,
als sei nichts, gar nichts gewesen,
als hätte ich niemals von dir geträumt,
kein einziges Mal.
Ich werde auslöschen das Feuer Stockholms
und anschauen dich
als sähe ich dich zum allerersten Mal.
Liebster, ich werde spielen und spielen,
ich werde übertreffen dich,
du wirst mich einfangen nicht.
Denn ich träume: Der allergrößte Widerstand,
ich werde ihn zu bieten haben.
Ich will dich verzaubern, haben aber nicht
(wie schrecklich ich bin),
dabei, ich weiß es nicht:
Wirst nicht du das sein, der mich verzaubert,
haben aber will nicht.
Und doch, Liebster,
ich bin so sicher,
du wirst erraten mich nicht.
Machen aber kann ich nicht, dass du mich liebst,
davon träumte ich einst,
deiner Hand,
sie würde meine erfassen...
Missbraucher, ich weiß nicht mehr,
was ich will und doch,
ich will dich verhungern machen
(ob ich das wohl kann?)
Ich ahne so sehr,
du liebst mich,
ich fing dich ein.
Nun könnte, könnte
ich haben dich
vielleicht, vielleicht
du sähest nicht mein zerstörtes Angesicht,
die alte Ratte aus Kabul...
Liebster, nun begebe ich mich in das Fieber hinein,
aber bist wirklich und leibhaftig du das,
den ich erträumte?
Ist dein Angesicht dieses,
von dem ich träumte,
ist es wirklich deines?
Werde ich es lieben können,
wenn es in der Wirklichkeit aufscheint vor mir,
werde ich nicht rennen wollen?
Und doch,
nun erträume ich dich so stark,
und vergaß ich die gleissenden Felder auch,
nun da sie heranrücken an mich,
ich vergesse sie.
Da bist nur du,
du allein,
von dem ich weiß,
er ist nicht für mich
und war es nie.
Mißbraucher,
wirst du mich verwunden ein weiteres Mal,
denn ich weiß:
Fing ich dich auch ein,
schien mein Bild auch hell vor dir,
sehr hell,
Liebster, wir werden haben keinen Bestand,
Liebster, wir werden nicht, nicht, nicht.
Wirst du,
wirst du mich
werfen an das Feuer Stockholms
ein weiteres Mal?
Liebster, kannst du das?
Sei sicher, ich verschließe mein Herz,
das werde gar nicht ich sein,
die den Frankfurter Zoo betritt,
...könnte,
ach könnte ich fahren in einem Panzer in den Frankfurter Zoo,
denn du, Geliebter,
sollst wissen mich nicht, nicht, nicht.
Morgen, also
werde ich machen
(nicht, dass gar nichts bleibt):
dass nichts gewesen ist.
Und ich benenne alles neu:
"Es war nichts".
Da war nur ich,
mein irrer Nonnentraum.
Ich habe mich schon so lange danach gesehnt,
dass gar nichts, gar nichts ist und niemals war.
Es war Stockholm,
an dessen Feuer ich mich erwärmte,
der schrecklichste Ort auf der Welt, die Mißbraucherstadt.
Die Ratten starben tausendfach auf ihrer furchtbaren Wanderung über die Berge Kabuls,
erfroren im Frost,
er umhüllte sanft ihren Leib.
Und auch auf dem langen, langen Weg nach Stockholm,
ihrer neuen Sehnsuchtsstadt,
ihre verendenden Leiber verwandelten die halbe Welt in einen Todesort.
Und vor den Toren Stockholms selbst,
sie starben einen Erschöpfungstod,
massenhaft.
Ich aber, ist es nicht seltsam,
mir, der ältesten Ratte von allen,
gelang es mich zu erwärmen am Feuer Stockholms.
Ich weiß schon,
der Preis, den ich für mein überleben zahlte,
war hoch,
viel zu hoch,
es war der Mißbraucherpreis.
Es war das schrecklichste und kälteste Erwärmen der Welt.
Es war mir vorbehalten allein.
Am Feuer Stockholms warf ich mich meinem Missbraucher in die Arme.
Und ich will nicht,
dass es nun aufflackert im Frankfurter Zoo,
das Feuer Stockholms.
Liebster, ich will dich treiben, einem Teufel gleich, aus.
Ich werde,
sehr, sehr schön,
anschauen dich
und du wirst wissen:
Sie ist nicht für mich,
niemals schlief sie am Feuer Stockholms.
Es war nichts.
Du wirst denken:
"Ich verwechselte sie.
Das war sie nicht.
Sie hielt nicht hin ihr Geschlecht.
Mit ihr ging ich fehl.
Ich kann sie haben nicht.
Alles, was ich träumte,
ist falsch."


183. Afterwards

Nachdem du gegangen,
blieb ich zurück,
umhüllt von diesem Tiergeruch.
Er erfüllte mein Haar, meine Haut, meine Kleider
und ich wollte aufwachen nicht.
Ich vermisste dich, nachdem du gegangen warest,
und wünschte, du wärest noch da,
du schriebest mir sofort, sofort ein erlösendes Wort.
Und hatte ich auch all meine Kraft darauf verwandt
(Liebster, gelang es mir...,
das kannst du nur sagen)
dir fern zu sein,
als du vor mir standest
(meinen Mann selbst führte ich ein),
als du gegangen warest,
verfiel ich dir erneut
(wie ich mich schäme zu sagen: deiner wunderbaren Gestalt).
Und nahmest du auch nicht meine Hand
(niemals hätte ich sie dir gegeben),
zum Abschied,
als du die Hand mir reichtest,
mir schien
(erinnere ich mich richtig?)
du hieltest sie lange, lange,
fest, sehr fest.
Siehst du, nun beginne ich wieder zu dichten,
denn nichts weiß ich,
gar nichts weiß ich.
Liebster, du warest wunderbar,
dass du überhaupt kamest,
an der Pforte des Zoos schon standest,
als ich an kam.
Ach, ich erkannte dich sofort,
und schlich ich mich auch vorbei.
Das warest du,
du wandest dich um
und sahest mich an.
Dann wanderten wir durch den gesamten Frankfurter Zoo.
Ich strebte dem Gehege der Tiger zu, sofort,
doch sah ich nicht, was du mir sagen wolltest:
"Da sind zwei Tigerbabys", sprachest du.
"Nein, ich sehe sie nicht", antwortete ich mehrfach,
dann aber, dann, ich sah sie.
Sie waren erst eine einzige Woche alt, die Mutter trug sie in ihrem Maul umher,
Liebster, ohne dich bin ich blind.
Ich kann nicht machen,
dass gar nichts bleibt,
dass gar nichts war,
Liebster, ich vermag es nicht.
Die alte Leuchtschrift
(schien sie nicht immer und immer zu künden von dem,
was sein wird?)
tauchte noch einmal auf vor mir
und es war,
als sei ich niemals in den Schächten gewesen,
als sei ich nicht gewandert an das
trügerische Feuer Stockholms,
als sei ich nicht gestorben.
Eine warme Luft umgab mich,
es war ein leiser, leiser Wind,
er spielte mit meinem Haar,
manchmal fiel der warme Regen hinab.
Er vermischte sich mit deinen Tränen,
ich hätte so gerne gelegt meine Hand auf die deine.
Liebster, mit dir war ich in den Tropen,
die Felder gleissten,
denn, weißt du, es war ja der Sommer,
nun beginnt er erneut.
Und wärest du nicht gegangen,
ich säße noch immer dort, bei dir,
dem Pelikanenteich schräg gegenüber
und schaute dich an,
das könnte ich wirklich für immer tun.
Und auch du,
mir schien,
du schautest und schautest mich an.
Liebster, es war ganz furchtbar,
als du gingest,
meine Hand so fest und lange fasstest.
Du warest so warm,
alles an dir war warm,
ich hatte Angst zu sterben ohne dich.
"Wo waren Sie heute, Frau Langer?"
fragte K. in ihrer klugen Weise und sah mich schweigend an.
"Warum sind Sie so anders heute, Frau Langer?",
fragte N., sehr nachdenklich.
"Du bist so verwirrt", sagte mein Mann
und erkrankte plötzlich an einem schweren Schwindel.
Manchmal will ich machen,
dass nicht war, was war.
Liebster, es ist zuviel für mich.
Ich, die alte Auslöscherin kann mit allem leben,
dem Scheitern, dem Tod, dem Unwiderruflichen
(hierin übte sie ein ganzes Leben sich),
mit der Wirklichkeit aber leben kann ich nicht.
Liebster, ich werde sicher verrückt.
Nun, da ich nicht mehr sprechen kann
"Es wird gar nichts bleiben"
ich möchte sagen:
"Es war nichts, gar nichts war,
niemals war etwas."
Und doch,
kann ich meine Mutter nicht hören,
wie sie spricht mit mir und sagen will:
"Du bist."
Aber Mutter, wie soll ich sein?
Ich lebte ja nicht,
Mutter, wie geht das?
Ich werde sicher verrückt.
Ach, Liebster, wie ich noch einmal erfinden möchte dein Wort,
die alte Leuchtschrift,
sie meinte mich ja nicht,
sie soll scheinen noch ein einziges Mal.
Dann werde ich wieder gehen in alles hinein
und kämpfen,
ich werde abringen dir ein kärgliches Wort.
Liebster, lass mich noch einmal gehen zurück.
Aber, aber,
dass du nun sprichst zu mir,
das ich dich gesehen habe
und du mich...
wie soll ich überleben das?
Die Wirklichkeit ist mein allerärgster Feind.
Sie macht mich verrückt.
Ich überlebe sie nicht.
In der Wirklichkeit leben kann ich nicht.
Träume ich nicht davon tot zu sein,
meiner armen, jungen Mutter gleich.
Überlebte ich jemals sie?
Und du, ausgerechnet du,
mit dir habe ich mir so vieles vorgestellt und geträumt,
seit tausenden von Jahren träumte ich nur von dir.
Niemals aber träumte ich,
du kämest in den Frankfurter Zoo
und schautest in die Augen mir
(lange, so lange, Liebster).
Ich hatte auch vergessen, wie warm es sein kann,
wie zart und zerbrechlich,
das Leben.
Liebster, du machst alles neu,
ich habe solche Angst, Angst, Angst
Und ist es nicht so,
ich träumte richtig...
da warest du,
du erwartetest mich,
alter Missbraucher,
meine letzte Hoffnung,
mein gefürchtetes Band,
du allein
standest da vor mir
und es gab auch wirklich niemanden sonst,
der das verstehen könnte
(meine Mutter ausgenommen).
Du darfst auch sagen, dass ich träume, dass nicht war, was ich sah.
Liebster, du darfst mir alles sagen.
Und wenn du sagst, es ist vorbei,
Liebste, es war nicht, was war,
ich werde rennen zurück
(das kann ich).
Ach, habe ich jemals jemanden vermisst wie dich,
nachdem du meine Hand gehalten hattest
(lange, lange, fest, fest)?
Ich schäme mich so.
Niemals werde ich berichten dir von meiner Scham,
sie zerdehnt meinen Leib.
Wie soll ich jemals leben ohne die Wärme deines Leibes?
Und es war auch so,
du liebtest mich hinauf, hinauf.
Ich sah mich fallen,
mein Kopf schlug hart auf.
Liebster,
du liebst mich hinauf,
du willst mich haben nicht.
Und schautest du auch minutenlang in mein Angesicht,
du erkanntest mich nicht, du liebtest mich hinauf und hinauf.
Ach, könnte ich dich noch einmal wiedersehen,
ich führe nicht mit den Panzern hinein,
vielleicht, vielleicht,
ich würde sagen:
Es ist wunderbar, dass ich dich sehen darf.
Dabei, du wirst alles, alles wissen,
du weißt alles sowieso.
Aber, ob du das wohl wissen kannst,
die tausende von Jahren,
die ich träumte von dir,
ob du wirklich und wahrhaftig ermessen kannst,
was geschah?
Und liebst du mich auch hinauf und hinauf,
Liebster, darin wirst du mich verlieren,
Liebster, du musst mich lieben hinab.
Liebe mich tief hinab,
lass mich die Schächte Kabuls noch einmal sehen,
das Feuer Stockholms,
und will ich auch alles, alles vergessen,
die schändliche Zeit meines Verlorenseins,
die Zeit meiner allertiefsten Scham,
nun musst du mich lieben hinab,
sonst kann ich dich treffen nicht,
nie mehr treffen,
die Felder werden gleissen nicht mehr,
nie mehr,
kein einziges Mal.
Sie werden ganz sicher verlöschen
und nicht gewesen sein,
Liebster du darfst mich nicht lieben hinauf,
du musst mich lieben hinab,
du musst mich lieben hinein in die Zeit meiner Angst, Angst, Angst.
Auch denke ich,
so wie ich auserkor zu lieben dich,
wirst antworten können du mir nicht.
Liebster,
du wirst nicht zurücklieben können mich,
du,
du wirst mich lieben hinauf und hinauf.
Ich aber will geliebt werden hinab und hinab.
Was das wohl heißt?
Ich weiß es nicht,
vielleicht heißt es:
geliebt zu werden da, wo nur unten ist,
da, wo ich nicht mehr bestehen kann
ohne dich.
Liebster, ich,
die Bewohnerin Kabuls,
die Ratte,
die zuwanderte dem alten Feuer Stockholms,
als sei sie neu geboren,
als sei noch einmal der allererste Tag,
ich verwirrte mich unglaublich.
Ich wusste gar nichts mehr,
rechts und links vermochte zu orten ich nicht.
Wo ich wohl war?
War ich überhaupt,
warest du?
Warest du wirklich mit mir gegangen in den Frankfurter Zoo?
Erinnertest du dich?
War wirklich gewesen,
was zu sein schien mir,
der alten Träumerin, der Nonne?
Hattest du dagesessen an diesem Tisch,
dem Teich der Pelikane gegenüber...
(geträumt von mir seit tausend Jahren: dieses Bild)
warest du gewesen das, du hattest geweint...
(Missbraucher, warest wirklich und wirklich
du gewesen das...)
Liebster, wo ich wohl war...
ob ich wohl da war?
Ach, ich vermisste dich so,
nachdem du gegangen,
alles, alles verlor ich,
deine Wärme, deine wunderbare Gestalt.
Werde ich jemals wieder begegnen dir?
Wirst du noch einmal halten meine Hand,
so fest, so fest?
Liebster,
wirst du vergessen mich nicht?
Werde ich jemals gewesen sein?
Liebster, ich muss zweifeln, du liebst mich hinauf.
So wurde ich noch niemals geliebt hinauf.
Aber Liebster,
das bin doch ich,
ich dürstete in den Schächten Kabuls,
die kärgliche Leuchtschrift (deine),
ich sog sie auf,
von ihr nährte ich mich.
Alle, alle Brosamen (deine),
die du beliebtest zukommen zu lassen mir,
ich verschlang sie gierig.
Liebster, ich lebte von deinem Wort
und im ganzen Leben kann ich nicht begreifen
(Ahnte ich es nicht? Verzehrte ich mich nicht in diesem Traum?)
das bist du,
du ersehnst mein Wort.
Du baust ein Denkmal mir
(war das nicht einmal ich,
baute ich nicht deines?).
Ach Liebster,
wir lieben uns hinauf.
Aus Brosamen machen wir Gold,
aus Stockholm die Sehnsuchtsstadt.
Die alte, verlorene Leuchtschrift aber,
sprach sie nicht: Kabul, Kabul.
Sprach sie nicht:
Ich will dich finden im allerdunkelsten Schacht,
da verbarg ich mich
(und alle Schätze, die ich hortete, ich dürstete so schrecklich),
was ich zu bewahren trachtete,
ich verlor es auf meinem Weg nach Stockholm.
In der Mißbraucherstadt verlor ich alles, alles,
in einem rasenden Gang,
dem Feuer strebte ich zu.
Und ich werde auch gar nichts wiederfinden,
in Krakow keinesfalls.
Ich will sie nicht mehr sehen,
die alte Burg,
Liebster, ich will nicht mehr.
Was ich einstmals liebte, ich hasse und hasse es.
Ich will nicht mehr träumen,
verfangen mich nicht in alten Gedanken.
Du aber,
kämest du noch einmal zu mir,
oder aber ich zu dir (nach Berlin),
würde ich nicht sagen:
Krakow, diese Geisterstadt,
ich bedarf ihrer nicht mehr.
Ich will sie nicht mehr sehen,
diese Totenstädte,
Kabul, Stockholm, Krakow
und ich schäme mich es zu sagen,
auch nach Wien will ich nicht mehr fahren.


184. Kabul III

Liebster, ich werde
noch einmal
gehen nach Kabul,
ich will die Berge sehen,
die Gipfel in Eis.
Liebster, ich will erfrieren.
Liebster, du machst die Welt so heiß,
du steckst an meinen Leib.
Und doch, wie wunderbar,
eine Insel erträumtest du,
ich dachte, da wären nur wir, ganz allein,
und weißt du,
(es ist unglaublich)
mit dir auf einer Insel zu sein,
es erschreckt mich nicht.
Denn hätte ich da nicht dich für mich allein
und müsste nicht mehr fürchten die tausende von Geliebten,
die umlagern deinen Weg?
Wäre ich nicht endlich sicher, dann?
Denn Liebster,
ich vertraue dir nicht,
alter Missbraucher,
du liegst den Frauen bei,
du wirst sie alle nehmen,
mich aber nicht.
Ich werde auch nicht kommen zu dir.
Ich will nicht.
Es sei denn,
auf eine verlassene Insel verschlüge es uns.
Liebster, die Zeichen stehen schlecht,
sehr schlecht.
Und kamest du auch in den Frankfurter Zoo
und liebtest du mich auch hinauf und hinauf,
Liebster, du hackst das Holz.
Zu dir werde kommen ich nicht und kein einziges Mal.
Mit deinen Geliebten werde teilen ich dich nicht,
lieber verhungere ich,
lieber laufe ich zurück nach Kabul.
Meinem alten Missbraucher,
ihm laufe ich noch einmal davon,
er kann mich haben nicht,
nicht so, niemals so.
Aber ich verstand auch,
das war ich, ich hackte das Holz.
In einer plötzlich mich anfallenden Leidenschaft schwang ich die Axt.
Ich zerhackte deine Liebsten alle,
sie sollten nicht vorliegen mir
und doch,
ich war furchtbar,
ich konnte fühlen, wie ich dich verlor,
der du mich gesucht hattest,
aber, Liebster,
ich brauche dich für mich allein,
und ahne ich auch,
werde nicht verlieren ich dich in meinem verrückten Unterfangen?
Und ist mir nicht wirklich alles, alles egal,
wenn ich dich nicht haben kann,
allein und ungeteilt?
Das warest doch du,
du schienest zu teilen meinen langen, langen Traum,
und wenn das nicht so ist,
wenn ich alles, alles falsch sah
(Liebster, das passt zu mir),
dann, dann
ich renne zurück nach Kabul.
Dort, so las ich heute,
starben die Menschen wie die Fliegen,
es gab da Menschen,
die schnallten sich den Gürtel um.
Ich habe alles, alles gewusst,
Missbraucher, du würdest betrügen mich,
Missbraucher, du betrogest mich.
Noch wähnte ich,
du wiegtest mich in den Schlaf,
da lagest du ihr schon bei,
drangest ein in sie,
in mich aber nicht.
Mich aber, Liebster,
wirst zum Zeugen machen du nicht, nicht, nicht.
Ich werde laufen davon.
Und doch, wie seltsam es ist,
dich nicht mehr lieben zu dürfen,
denken zu müssen:
es war falsch, alles war falsch, falsch, falsch.
Denn, das glaube ich nicht.
Es gab eine wunderbare kleine und geheime Zeit.
Du warest noch nicht eingedrungen in sie,
du träumtest von mir,
wie ich von dir geträumt.
Und ich werde hinwegmachen sie nicht,
die kleine Zeit.
Ich weiß es so sicher, sie war.
Aber finden dich, Liebster,
kann ich nicht mehr.
Mein Liebster, er liegt den Frauen bei.
Auf hörte er zu träumen von mir
ach nein, er träumt von mir, fort und fort,
und ich,
die Leierspielerin,
ich singe ihm ein Lied.
Aufgeben werde ich nicht, nicht, nicht.
Der kleine Tiger,
hatte ich ihn nicht seit Tagen schon gesehen?
Immer wenn ich schlafen ging,
er saß da und sah mich an.
Er saß in einem Gemach,
weit über dem meinem.
Ich sah ihn wachsen,
und hatte ich es nicht gewusst,
einmal würde er springen hinab.
Ich schrie,
dann wachte ich auf,
denn ich wusste
aufwachen musste ich,
so groß war er geworden.
Ich ahnte, nein, ich wusste,
er würde verschonen mich nicht
und kam er auch,
zu sitzen auf meinem Schoß,
er ahnte alles,
hatte er nicht gesessen auf meiner Bettstatt,
war sie nicht warm, so warm,
kroch ich nicht wieder und wieder hinein?
Liebster, ich stand nicht mehr auf.
Wie im kitschigsten aller Bücher,
die ich jemals gelesen,
erwartete ich dich,
den ich erwarten konnte nicht mehr.
"Ich hatte vergessen, wie schön deine Augen sind",
sprach er, den ich unvermutet traf, und umarmte und küsste mich plötzlich.
Du wirst es nicht glauben,
aber die Tür fiel ins Schloss und wir fanden den Ausgang nicht mehr,
irrten lange umher.
Liebster, siehst du,
hätte ich gewollt,
sein Wagen wartete schon am Straßenrand.
Wären wir nicht losgefahren in die Nacht,
und ja, hätten wir uns nicht wieder und wieder geküsst?
Warum ich wohl wegrannte,
ich weiß es nicht.
Er gefiel mir doch sehr und hatte mir immer gefallen.
Liebster, das bist du,
der du einmal fielest in meine Augen hinein
und machtest, dass ich nur dich noch sehen kann,
selbst ihn nicht mehr, nicht mehr.
Ich sah ihn gehen, die Zigarette in seinem Mund, sie leuchtete.
Ach, wie böse ich war.
Liebster, das bist du,
du machst mich böse.
Wie ein Mähdrescher fuhr ich über ihn hinweg,
der, ich weiß das,
alles verstanden hätte von mir.
Denn er, er hackt nicht das Holz.
Und weißt du, Liebster,
wer sagt, dass ich ihn nicht noch einmal treffen kann?
Liebster, ich suche zu lernen von dir,
ich will meinen Liebsten liegen bei.
Nur eines ist da noch,
du kannst fliegen.
Einmal will ich fliegen mit dir.
Ich sehe mich sitzen neben dir,
ich umfasse deine Hand
und ich,
die ich mich fürchtete seit tausenden von Jahren,
ich fliege mit dir,
ich sehe das so richtig vor mir,
die alte Böschung unter uns,
wir fliegen weiter zum Feuer Stockholms,
wir überqueren Wien,
der Dom, er glüht,
wir aber fliegen weiter,
wir sehen die eisbedeckten Berge Kabuls
und dann Liebster,
wir fliegen zurück und landen mitten im Frankfurter Zoo,
da, wo die Flamingos einstmals standen.
Und dann, dann wandern wir am alten, verlassenen Eisbärengehege vorbei
zum Teich der Pelikane.
Wie setzen uns auf die alte Terrasse,
mein Haar wird fliegen im Wind
und wir werden von den Tigern träumen,
wir werden es kaum wagen zu gehen dahin.
Das wirst du sein Liebster, der spricht:
"Lass uns noch einmal gehen dahin
und in die Augen des alten Tigers schauen."
Liebster, das bist du,
du tröstest mich,
alles, alles weißt du.
Ich habe solche Angst, Angst, Angst.
Wie soll ich noch einmal fahren hinein
in den Frankfurter Zoo
(am 15. September, der neuen Sehnsuchtszeit),
Liebster, ich verdiene dich nicht,
Liebster, ich will noch einmal fahren mit einem Panzer hinein,
ich will noch einmal einen Haken schlagen
und wegrennen dir.
Denn wir beide, Liebster,
wir sind nicht gemacht für die Welt,
wie das Kind meiner Tochter
(nun lebt es nicht mehr),
wir werden haben keinen Bestand.
Was sollte ich nur machen ohne dich,
wie ohne die Idee deiner Existenz leben einmal noch?
Wie wunderbar du
(derzeit)
bist,
als gäbe es nur mich auf der Welt...
Wie du mich einfängst
und aufhörtest zu hacken das Holz, das Holz
(dabei, deine Liebsten,
ich sehe sie schon am Nebelrand),
dabei,
werden sie nicht weichen wieder und wieder,
dem Nebel gleich
und da werde übrig bleiben ich allein
(lass mich träumen).
Wie soll ich dir jemals berichten die Jahre,
die ich zugebracht mit dir?
Manchmal beliebe ich zu denken,
er, mein Liebster, der Rattentöter
(wer sonst?),
alles, alles weiß er von mir,
warum sonst wohl beharrte er
zu lesen, die geplante Veröffentlichung meiner furchtbaren Hymne,
denn etwas anderes ist es nicht
(und nenne ich es auch Gedichte).
Rattentöter, es ist alles nur für dich.
Wie nackt will ich wohl sein?
Wohin werde werfen ich mich,
wenn du erneut beginnst zu hacken das Holz?
Liebster, ich werde alles halten geheim
und im ganzen Leben nicht werde ich anvertrauen dir ein Wort.
Denn du, du wirst alles wissen
(du ahnst es bereits),
in einem einzigen Atemzug.
Du sahest mich rennen nach Kabul,
das warest du am Feuer von Stockholm,
ich hoffe so schrecklich,
du hast alles vergessen
und niemals sollst du wissen,
das warest du allein,
du warest gemeint.
Liebster, so nackt will ich nicht stehen vor dir.
Nun muss ich fahren erneut mit meinem Panzer
hinein in den Frankfurter Zoo.
Du aber, Liebster,
du hieltest an die Zeit.
Wie vor einer langen, langen Zeit,
begannest du noch einmal zu sprechen,
wie nur du es kannst.


185. Der Holzhacker

Ein schweres Fieber erfasste mich,
durchwanderte meinen Leib.
Viele Tage und Nächte
zerbranntest du mich.
Ich rannte auch nicht mehr
und warf mich auf dein Bild
zu verzehren mich.
Der Holzhacker, dachte ich,
nun knie ich mich
ihn anschauend
in den Sand.
Und während ich brannte,
Mutter,
es schien unablässig
dieser schrecklich helle,
kalte Mond.
Mutter, ich sehnte mich nach dir.
Mutter, bist du zerbrannt?
Ich weiß es so sicher,
der Holzhacker,
er wird anschauen mich
(Nun, da ich knie vor ihm. Er liebt mich im Sand.)
Und Mutter, wollte ich,
nun würde er mich nehmen
und
eindringen
in mich.
Schwer, mich beschwerend,
fiele er hinab auf mich,
und Mutter,
ich ertrage das Fieber nicht mehr.
Nun muss er herabfallen auf mich,
in seiner Faust
(ich werde es nicht sehen)
die gleissende Axt.
Jetzt soll er endlich fallen auf mich.
Und die alten Felder, Mutter,
werden sie nicht noch einmal aufscheinen,
dann,
wenn der Holzhacker die Axt führt und auf mich fällt?
Habe ich nicht gewartet und gewartet
und geträumt:
Der Mähdrescher,
nun soll er fahren über mich.
Ich kann nicht mehr rennen,
das kühlende Wasser, Mutter
und wäre es er?
Werde ich
(ich träume)
erwachen verwandelt,
die Axt,
sie wird nicht gewesen sein in seiner Faust,
er wird gefallen sein auf mich wie das Wasser.
Ich werde wieder atmen können.
Die Ratten aber,
sie werden ziehen vorbei an mir,
ich würde sie im Augenwinkel sehen
und flüstern:
Verzeiht mir, verzeiht mir,
das waret ihr,
ihr gewährtet mir Unterschlupf,
aber, aber,
nun kam er,
er flickte meinen zerschundenen Leib,
er nahm das Fieber von mir,
und ihr werdet es nicht glauben,
es war so:
Nun nahm er mich,
das Feuer Stockholms erlosch,
das war er,
er kühlte meinen zerschundenen Leib,
er riss ihn hinaus aus den Schächten
und es war auch gar nicht so,
ich kniete nicht im Sand.
Mutter, das warest du,
du hast ihn mir geschickt,
Mutter,
er fiel so zart in mich hinein
und es war
als fände ich
noch einmal dich.
Dann sah ich dich, Geliebter
du kamest auf mich zu an der Pforte des Zoos.
"Ich kann kaum noch atmen", flüstertest du,
"ich weiß nicht mehr, wo ich bin."
"Das bin doch ich", sprach ich leise,
und strich mit meiner Hand über dein Haar,
"es ist alles, alles gut."
"Mein Gott, ich habe davon geträumt,
das bist du, plötzlich stehst du vor mir,
ich habe es nicht zu hoffen gewagt."
Und dann, Geliebter,
umarmtest du mich wild.
Ich dachte, dass ich sterben muss.
Und dann, du weißt es ja,
wir wanderten stundenlang durch den Frankfurter Zoo,
wir küssten und umarmten uns,
wieder und wieder
und ich,
ich hörte auf zu schämen mich
...
...
...
...
Aber, aber,
ahntet Ihr es nicht?
Mein Liebster schwang seine schreckliche Axt.
Gerade, gerade nur hatte ich wahrgenommen mein Antlitz im gleissenden Schein,
da brach sie hinein über mich.
Sie fuhr mir scharf über den Hals
und zertrennte meinen Leib.
Mein Liebster, Mutter,
er verrichtete sehr gründlich sein Werk,
einem Schlächter gleich.
Und überall, überall,
wo er mich einmal gehalten und geküsst,
er warf die Axt hinein.
Nichts, gar nichts sollte bleiben von mir.
Aber, aber,
die Ratten,
sie retteten mich ein weiteres Mal.
Sie flüsterten leise:
Der alte Mähdrescher,
einmal fuhr er über uns,
und doch,
wir überlebten alles, alles.
Wir wanderten nach Kabul,
wir warfen ab unser Gepäck, wir sahen das Feuer Stockholm
und lagen wir auch niedergestreckt,
unsere Beine gespreizt,
wir starben nicht.
Mutter, das warest du allein,
die mich leben machte
und aufhören werde ich nicht.
Mein schäbiger Geliebter
(wollte ich nicht einmal ein Denkmal bauen mit ihm?),
Mutter, wie dumm und dumm ich war,
er ersehnte meinen Tod.
Ich aber, sterben werde ich nicht
und niemals unter des Holzhackers Axt.
Wie ich die Ratten liebe, Mutter,
sie trösten mich,
sie nahmen mich,
ohne zu fragen,
auf in ihren Reihen erneut.
Mutter, auf die Ratten kann verlassen ich mich.
Der Holzhacker
(träumte ich nicht, das kühlende Wasser sei er?)
aber,
er schwingt die Axt.
Mutter also,
ich täuschte mich,
das warest nicht du,
du sandtest ihn nicht.
Und ist es nicht so,
er fürchtet mich,
schlimmer als den Tod?
Denn ich,
niemals werde ich sagen:
Für immer.
Und der Holzhacker,
ich weiß es nicht,
mir war,
er hörte mein Lied,
wie ich mich täuschte,
mein Leben hätte ich gewettet darauf:
Das ist nun er und er allein.
Ich weinte aber nicht.
Ich dachte:
Ja, das war er, diese leise, leise Melodie
und als sie laut ward,
so laut,
wir hatten keinen Bestand,
und ich, die ich den Mähdrescher überstand,
auch dieses werde überstehen ich
(Mutter, es ist schwer, sehr schwer).
Nun richte ich mich ein in der Zeit,
in der sein Wort nicht mehr ist
und ich zweifle so furchtbar:
War es, war es jemals?
Habe ich jemals einen geliebt,
dem Holzhacker gleich?
Ach, Mutter, warum nur musste ich lieben einen wie ihn?
"Niemals werde ich schlafen mit dir",
sprach er zu mir,
während alles an mir zerbrannte und zerbarst.
"Aber", sprach ich,
"warum mit allen, mit mir aber nicht?"
"Mit dir und gerade mit dir: nicht. Liebste, nun müsstest du sprechen:
Für immer."
"Aber, Liebster, es ist mir doch alles egal, kannst du nicht auch mein Geschlecht einfach nur anfassen, ein einziges Mal? Umfingest du mich nicht hart, sehr hart, im Frankfurter Zoo? Wie schrecklich du bist. Für immer weiß ich nicht. Bitte, bitte, Liebster, fass mich an, berühre mein Geschlecht. Sei das kühlende Wasser. Ich verbrenne."
"Niemals, Liebste, dein Geschlecht werde berühren ich nicht und gefiel es mir auch, zerbrannte ich nicht, dich zu umfangen? Ich werde nicht sein das schändliche Objekt deiner Begierde."
"Aber, Liebster, ich habe doch alles schon eingerichtet. Du musst nur kommen zu mir. Und seltsam,
wovon ich immer träumte,
für immer will ich nicht.
Warum kannst du nicht anfassen mein Geschlecht
und eindringen in mich,
wie sollte ich wissen, was dann geschieht?"
"Nein, nein, Geliebte, ich werde nicht.
Ich weiß alles, was geschieht und es gefällt mir nicht
und sprichst du nicht einmal "für immer"
und verlässt du nicht deinen Mann,
mich kannst du haben nicht und niemals."
"Ach. Liebster, in welchem Turm lebst du?
Ist es nicht meiner?
Aber, aber, weißt du,
in diesem Turm will leben ich nicht mehr.
Mutter, siehst du,
für immer will ich sprechen nicht mehr.
Liebster, nun verfehlen wir uns.
Während ich anschaute dich und träumte von dir,
ich ging und ging voran
und für immer,
wovon ich mein Leben lang geträumt,
ich wollte nicht mehr.
Ich träumte ja,
mein alter Missbraucher,
nun wird er nehmen mich
und alles wird Gegenwart sein.
War ich das, Mutter,
verwandelte ich ihn,
gab ich in ihn hinein dieses "für immer",
ach, ich will es ja nicht.
Wie er mich quält,
ich noch einmal in Stockholm,
die Beine gespreizt,
nass und erregt
und Mutter,
nun nimmt er alle Ratten, mich aber nicht.
Und träumte ich nicht,
ich käme,
berührte er nur mein Geschlecht,
ich, die gierigste Ratte von allen?
Ich vermag es auch nicht mehr,
mich zu verknoten.


186. Dann aber

Liebster,
die Axt,
plötzlich konnte ich es fühlen,
sie war in meiner Hand.
Und in ihrem gleissenden Schein zerhieb ich
alles, alles,
mein ganzes bisheriges Leben.
Und Liebster, es war alles nur für dich.
So viele Tränen, so viel untröstlicher Schmerz,
dabei,
kein einziges Mal zitterte die Axt in meiner Faust,
ich hieb sie überall hinein,
wo ich einmal geliebt hatte,
zertrennte Körper,
sie lagen hilflos vor mir.
Liebster, ich bin eine schreckliche Schlächterin,
ob du mich überhaupt noch nehmen willst,
wirst du nicht denken,
sie,
die über Leichen zu gehen bereit,
wie sollte, sollte
ich glücklich werden mit ihr?
Wirst du nicht zweifeln an mir?
Ich haue meinen Traum in Stein.
Geht das, geht das, Liebster?
Mutter, Mutter,
du kannst dir gar nicht vorstellen
wie ich dich zu lieben lernte,
denn, denn,
nun traf ich ihn
und es gefiel mir zu denken,
wieder und wieder,
du hast ihm mir geschickt.
Er fiel so zart in mich hinein,
er schickte mir all diese lange verlorenen Gedanken,
Mutter,
während er hinein in mich fiel,
fand ich zum allerersten Mal im Leben dich.
Mutter, wie sollte, wie sollte ich sprechen das alte "Nein"?
Mutter, wie sollte ich gehen nicht?
Mutter,
warum muss ich führen die schreckliche Axt,
ach, ach, sag mir, sag du mir den Weg,
die Felder sie gleissen und gleissen.


187. Krakau II

Während ich die Hauptallee entlang schritt,
wiegten sich die Birken im Wind
und dann
am Ende des Weges
die Au.
Die weißesten Wolken zogen am Rande des Himmels vorbei.
Das Gras war saftig und grün.
Ich stolperte und erbrach mich mitten auf der Allee
Dann schloss ich meine Augen,
da sah ich sie,
sie hatten zum Himmel geschaut,
in die wogenden Birken hinein,
ihr Blick war den weißen Wolken nachgeschweift.
Ach ja, sie schritten voran und voran
und ich weiß es genau,
sie wussten alles.
Stolpernd setzten sie Fuß vor Fuß,
den Blick verfangen im Birkenhain.


188. Wir hörten nicht mehr auf miteinander zu schlafen

Uns war alles egal.
Wir vermischten uns unzählige Male in der Nacht,
selbst am Tag
erlosch unser Begehren nicht.
Und vermischten wir uns nicht
wir liefen umher
und hielten einander die Hand,
verbunden in einem schrecklichen Begehren,
nass mein Geschlecht,
deines hart.
Ohne ineinander zu sein
konnten atmen wir nicht mehr.
Und all die schrecklichen Jahre,
in denen ich dich begehrt,
in denen ich nur träumen konnte von dir
(sah ich nicht alles vor mir:
du in mir),
sie nahmen an diese verwandelte Gestalt,
Liebster, war es die Wirklichkeit,
war es wirklich und für immer wirklich?
Träumten wir nicht,
während wir nicht aufhören konnten
ineinander zu sein?
Liebster, wovon wir wohl träumten?
Ach, es sollte aufhören nicht, nicht.
Dabei, Liebster, muss ich nicht ahnen:
Es wird nicht sein für immer,
Liebster, es kann und kann nicht.
Ich habe solche Angst.
Einmal werde aufwachen ich
und du,
du wirst nicht mehr da sein,
alles wird sein vorbei,
diese wunderbare Zeit,
sie wird vorbeigezogen sein an mir,
ich werde schürzen mein Gewandt
und sagen, dass ich weiter wandern muss,
denn du, Liebster,
wirst schon lange gegangen sein,
da werden deine Liebsten sein,
sie warten auf dich,
ich aber, Liebster,
wer wird noch einmal warten auf mich,
wenn du gegangen bist?
Wohin ich wohl noch reisen werde?
Warest das nicht immer du,
nur du,
zu dem ich reisen musste
und einen anderen Liebsten,
sei sicher,
auch meine Kraft wird nicht reichen aus
ihn zu erküren.
Einmal Liebster,
ich weiß es genau,
wirst du gehen,
du wirst gehen voran,
ich werde nachschauen deiner wunderbaren Gestalt,
ich werde deinen Atem,
gerade noch,
spüren auf meiner Haut,
ich werde wissen,
wie es gewesen war,
du in mir,
wie hart und heiß alles war,
ach ich werde vermissen dich
für immer,
denn du,
du wirst wiederkommen nicht,
ich weiß es genau.
Denn, weißt du,
auch ich,
ich erlöste dich nicht.
Und wand ich mich auch und wand ich mich,
einer Schlange gleich,
dich, dein hartes Geschlecht,
ich erlöste es nicht, nicht, nicht.
So nass ich auch immer war,
das Wasser, das Wasser,
es entrann mir,
es zerwirkte sich
an deinem harten Geschlecht,
Liebster, verhallte es nicht?
Und so begierig wir auch waren,
verhallten wir nicht?
Sag mir,
war es,
weil ich geträumt zu viel,
war es,
weil du erhofft zuviel, viel zuviel,
war es,
weil wir nicht aufhören wollten
ineinander zu sein.
Wie hätten erlösen wir können einander,
wir, die wir es benötigten so stark,
dieses zu fühlen,
dass es nicht aufhört,
ach, wir vermochten nichts,
verharrten wir nicht in dieser schrecklichen Umklammerung
und dachten: für immer,
bitte, bitte,
für immer,
und Liebster,
ich wusste alles, alles,
das Ende kannte ich allein.
Und weißt du, ich will mich nicht fürchten.


189. With me everything was memory and desire

With me
everything
was memory and desire.
Fast gelang es mir:
Ich löschte dich aus.
Nichts, gar nichts sollte bleiben von dir.
Aber, aber:
Aufhören zu erinnern,
zu begehren dich,
ich vermochte es nicht.
In der Nacht,
in allen, allen Nächten
sah ich dein Bild,
es versuchte mich
und sprach von dem,
was ich so lange schon vergessen hatte
und vergessen hatte wollen.
Liebster,
es war dein Bild allein,
selbst in Stockholm,
der schrecklichsten und einsamsten Stadt der Welt
ich konnte löschen aus es nicht,
lag auf den Straßen,
die Beine gespreizt,
du weißt schon,
ganz nass
und erwartete dich.
Und auch als ich schon nicht mehr hoffen konnte,
ich hoffte.
Everything memory and desire.
Und doch:
Was hatte ich schon gewusst, erinnert, begehrt?
Je länger ich denke und denke,
vieles,
fast alles wusste ich,
so stark war mein Begehren,
so tief mein Erinnern,
Liebster,
es war so sicher, so sicher,
dass sich wenden würde,
was ich immer gedacht,
alles habe ich umgewandt in meinem Begehren,
meiner Erinnerung,
Liebster, so fand ich dich
und vergaß,
was ich einmal zu ahnen meinte:
"Es wird gar nichts bleiben."
And I know it for sure:
Without memory and desire
I'd be all dead
and never, never
would it have been possible,
you,
looking at me,
seeing everything,
looking into my eyes
while sleeping with me
and dreaming, dreaming
forever.
Because, you see,
sometimes it seems to me
I'm still dreaming,
even now,
because
how shall I know
if memory and desire
can stand against eternity?
I'm afraid,
still,
sometimes I'm afraid,
darkness unfolding
and taking me into its wings.
Want to go with you
into the deepest dark,
really, I will,
I want it dark,
shadows vanishing,
not existing anymore.
I want it deeply dark.
Want to go into this landscape
of memory and desire,
I always saw it,
the land of my dreams,
my escape and surrender.
Be sure,
it was me
I wanted to overcome
exactly this:
memory and desire.
I didn't succed.


190. Unvermutet

Unvermutet
traf mich ein harter Regen.
Er schwemmte mich
weitab.
Schwarze Seen
ringsum.
Kein Ufer.
Dann,
auf dem Grunde des dunklen Wassers
hielt ich mich fest,
ganz fest
und keinem, keinem
(so schwor ich)
gelänge es
zu lösen meine Hand.
Ich krallte mich tief in den schlammigen Boden,
biss mich hinein.
Liebster, du warest nicht mehr
und ich ersehnte
es wäre nichts und niemals gewesen.
Liebster, wie schrecklich ich bin.


191. Die Nähe (please forgive me)

Ersehnte ich dieses?
Beschrieb ich die Seiten,
ich wusste es nicht,
aus diesem einzigen Grund?
Von nichts anderem als
Berührung konnte ich träumen.
Alles nahm ich vorweg,
deine Hand auf meinem Haar,
in meiner,
dein Eindringen in mich.
Ach, wie ich es liebte zu träumen,
von der Wirklichkeit wusste ich nichts.
Nicht einmal erahnen konnte ich sie,
und weißt du (du weißt),
ich fürchtete sie.
Nichts fürchtete ich mehr.
Die Nähe.
Dass sie ist und sein kann,
ich wusste es nicht.
Dass,
was ich einmal verloren,
nicht verloren war,
wie hätte ich das wissen können?
Kann man sich träumen in die Nähe hinein?
Dahin, wo man atmen kann,
kann man das?
Mit dir Liebster,
ich fand dieses betörende Land,
ich wusste ja nicht,
dass es auch mir gehören kann,
immer, wenn du bei mir bist
atme ich tief
und die gleissenden Felder
sie stehen auf erneut
und der Mähdrescher,
es ist, als sei er gefahren nicht.
Und all die Länder,
die ich bereiste,
ach, ich wollte dich finden,
einen wie dich,
der Mähdrescher war gefahren über ihn,
gleich mir,
er hatte alles überlebt.
Er baute das alte Haus mit mir,
er warf die Kelle nicht aus seiner Hand.
Er warf seinen Körper auf mich
und alles war nah,
so schmerzlich nah,
dass ich schreien musste und schreien
und ich wusste nicht mehr,
warum.
Liebster,
es tut wirklich weh,
die Nähe tut weh,
denn aus ihrem Gegenteil allein kann sie sich speisen.
Ich aber,
und winde ich mich auch einer Schlange gleich
und ist es auch so,
mein Geschlecht ist wie mit Wasser getränkt,
Liebster, ich weiß alles.
Das Ende weiß ich allein.
Denn weißt du,
es wird sein.
Und du,
bin das wirklich ich,
die ich erträumte dich so heftig,
die du ersehnst?
Was du wohl erträumen magst, Liebster?
Ist es nicht zu nahe, zu nah?
Ist es nicht unerträglich nah?
Wohin du wohl noch gehen wirst?
Nichts,
gar nichts mehr will ich wissen,
alles suche zu vergessen ich,
denn morgen schon,
am frühen Morgen
wirst du stehen vor mir.
Und weißt du,
ich nehme alles, wie es ist.
Ich will nicht mehr denken,
nicht mehr erdenken und erträumen dich.
Und du,
verzeih mir,
ich muss es sagen,
wie zugleich erregt und verhalten du bist
und ich weiß es nicht,
ich weiß es nicht,
bin ich das,
mit der du einmal kommen kannst,
einfach so,
ich weiß es nicht,
vielleicht nie,
vielleicht,
vielleicht,
wir träumten und träumten umsonst,
vielleicht,
wir,
wir waren das nicht.
Vielleicht,
wir verbrauchten uns schmerzlich
und der Mähdrescher,
der gefahren war über uns,
wir würden überstehen ihn nicht, nicht.
Liebster, verzeih mir,
aber ich, ich habe einmal alles geträumt,
ich weiß schon,
es ist schrecklich,
dieses Träumen und Träumen,
aber, Liebster,
es ist richtig schwer für mich,
denn aufhören kann ich nicht
zu träumen von einem, der nahe, so nahe mir ist und kommen kann mit mir.
Ist es so,
alle, die kamen mit mir,
sie ahnten diese Nähe nicht, nicht
und das bist nun du allein,
der sich mir versagt,
von ihm muß ich träumen?
Liebster, warum ist das so?
Ist Nähe so?
Ich weiß es ja nicht,
gar nichts weiß ich.
Ist Nähe das Fernsein zugleich?
Warum, warum nur Liebster,
suchte ich mir aus einen wie dich,
der nicht kommen kann mit mir?
Wußte ich alles?
Wollte ich einem nahe sein nur,
der fern mir blieb zugleich?
Ach, ich weiß es nicht
und ich hoffe
du wirst mir verzeihen,
alles,
denn ohne dich kann ich atmen nicht mehr.
Ich liebe dich.


192. Ich denke dich

Liebster, ich kann dich denken.
Nun, da du bist
und ich dich träumen muss nicht mehr,
ich denke dich.
Mit jedem einzelnen meiner Gedanken
halte ich dich fest.
Ich singe dir alle Lieder,
die ich jemals gehört,
alle Worte, die ich jemals las.
nun spreche ich sie für dich.
Schon am Morgen beginne ich zu flüstern
und dann denke und denke ich dich
unaufhörlich, immerzu
so lange bis du mich berührst.
Dann Liebster,
habe ich dich gedacht.
Die Ratten aber,
Liebster,
ich kann sie immer hören,
sie schlafen nicht,
die Ratten träumen mich,
immer nur mich,
sie wollen mich haben.
Die Ratten berühren mein Geschlecht
immer dann,
wenn du schläfst
fallen sie mich an.
Liebster, du darfst nicht schlafen,
du musst denken mich
für immer und immer.
Denn weißt du,
sonst werden sie mich holen
und ich werde flüstern:
Ja, ja, kommt und holt mich,
denn mein Liebster,
er muß schlafen
und ich,
ich halte es nicht aus.
Dann rufe ich laut
(ich will ja nicht)
und der Zug der Ratten steht still,
dann fallen sie mich an,
Liebster,
die Ratten sind wunderbar,
sie sind immer da,
wenn ich rufe,
weißt du,
so sind Ratten.
Und schreie ich auch laut,
ich liebe sie,
denn wer sonst schon
legt seinen Körper auf mich
immer, immer,
immer dann,
wenn ich es will,
Liebster,
es sind die Ratten.